Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

ich so einen armen Jungen sehe oben krabbeln an
der Stange wie 'ne Fliege an der Decke, nein meine
Herrschaften sagen Sie, was Sie wollen, das kann
ich nicht ansehn, das heißt ja die unsterbliche Seele
verlieren, und was mich nur wundert, ist, daß die
Könige solche Seelenverkäufer dulden. Die müßten
mir alle auf die Festung und in's Zuchthaus, und
mit der Peitsche aus dem Lande gepeitscht, denn es
sind alles Ausländer und Spione."

"Ist's die Möglichkeit!" sagte die Mutter, die
es kalt überrieselte.

"Nu bitte ich Sie allerbeste Frau Kriegsräthin,
wenn Sie einmal so einen Pajazzo sehen, wenn er
auf dem Strick springt und die Fahne schwenkt, und
Sie erkennten, daß er Ihr kleiner Theodor wäre,
alles andre ist ja gar nichts, pure Spielerei, gegen
eine solche Empfindung. O du mein himmlischer
Vater, wer möchte eine solche Mutter sein!"

Die Kriegsräthin nahm ihren Knaben von der
Hand des jungen Mädchens auf den Schooß: "Lie¬
ber Theodor, das wirst Du mir nie anthun!" Der
Junge aber schrie nach wie vor, er wolle zu den Affen.

"Und mit den Jungens ginge es noch, fuhr die
Frau Obristin fort, aber bei der Bande ist auch ein
Frauenzimmer, eine ganz hübsche junge Person, un¬
gefähr so groß, wie -- ich habe doch die Ehre Ihre
Fräulein Tochter vor mir zu sehen."

"Wir sind nicht von Adel, sagte der Kriegsrath.
Meine Tochter Adelheid!"

ich ſo einen armen Jungen ſehe oben krabbeln an
der Stange wie 'ne Fliege an der Decke, nein meine
Herrſchaften ſagen Sie, was Sie wollen, das kann
ich nicht anſehn, das heißt ja die unſterbliche Seele
verlieren, und was mich nur wundert, iſt, daß die
Könige ſolche Seelenverkäufer dulden. Die müßten
mir alle auf die Feſtung und in's Zuchthaus, und
mit der Peitſche aus dem Lande gepeitſcht, denn es
ſind alles Ausländer und Spione.“

„Iſt's die Möglichkeit!“ ſagte die Mutter, die
es kalt überrieſelte.

„Nu bitte ich Sie allerbeſte Frau Kriegsräthin,
wenn Sie einmal ſo einen Pajazzo ſehen, wenn er
auf dem Strick ſpringt und die Fahne ſchwenkt, und
Sie erkennten, daß er Ihr kleiner Theodor wäre,
alles andre iſt ja gar nichts, pure Spielerei, gegen
eine ſolche Empfindung. O du mein himmliſcher
Vater, wer möchte eine ſolche Mutter ſein!“

Die Kriegsräthin nahm ihren Knaben von der
Hand des jungen Mädchens auf den Schooß: „Lie¬
ber Theodor, das wirſt Du mir nie anthun!“ Der
Junge aber ſchrie nach wie vor, er wolle zu den Affen.

„Und mit den Jungens ginge es noch, fuhr die
Frau Obriſtin fort, aber bei der Bande iſt auch ein
Frauenzimmer, eine ganz hübſche junge Perſon, un¬
gefähr ſo groß, wie — ich habe doch die Ehre Ihre
Fräulein Tochter vor mir zu ſehen.“

„Wir ſind nicht von Adel, ſagte der Kriegsrath.
Meine Tochter Adelheid!“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0170" n="156"/>
ich &#x017F;o einen armen Jungen &#x017F;ehe oben krabbeln an<lb/>
der Stange wie 'ne Fliege an der Decke, nein meine<lb/>
Herr&#x017F;chaften &#x017F;agen Sie, was Sie wollen, das kann<lb/>
ich nicht an&#x017F;ehn, das heißt ja die un&#x017F;terbliche Seele<lb/>
verlieren, und was mich nur wundert, i&#x017F;t, daß die<lb/>
Könige &#x017F;olche Seelenverkäufer dulden. Die müßten<lb/>
mir alle auf die Fe&#x017F;tung und in's Zuchthaus, und<lb/>
mit der Peit&#x017F;che aus dem Lande gepeit&#x017F;cht, denn es<lb/>
&#x017F;ind alles Ausländer und Spione.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;I&#x017F;t's die Möglichkeit!&#x201C; &#x017F;agte die Mutter, die<lb/>
es kalt überrie&#x017F;elte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nu bitte ich Sie allerbe&#x017F;te Frau Kriegsräthin,<lb/>
wenn Sie einmal &#x017F;o einen Pajazzo &#x017F;ehen, wenn er<lb/>
auf dem Strick &#x017F;pringt und die Fahne &#x017F;chwenkt, und<lb/>
Sie erkennten, daß er Ihr kleiner Theodor wäre,<lb/>
alles andre i&#x017F;t ja gar nichts, pure Spielerei, gegen<lb/>
eine &#x017F;olche Empfindung. O du mein himmli&#x017F;cher<lb/>
Vater, wer möchte eine &#x017F;olche Mutter &#x017F;ein!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Die Kriegsräthin nahm ihren Knaben von der<lb/>
Hand des jungen Mädchens auf den Schooß: &#x201E;Lie¬<lb/>
ber Theodor, das wir&#x017F;t Du mir nie anthun!&#x201C; Der<lb/>
Junge aber &#x017F;chrie nach wie vor, er wolle zu den Affen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und mit den Jungens ginge es noch, fuhr die<lb/>
Frau Obri&#x017F;tin fort, aber bei der Bande i&#x017F;t auch ein<lb/>
Frauenzimmer, eine ganz hüb&#x017F;che junge Per&#x017F;on, un¬<lb/>
gefähr &#x017F;o groß, wie &#x2014; ich habe doch die Ehre Ihre<lb/>
Fräulein Tochter vor mir zu &#x017F;ehen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wir &#x017F;ind nicht von Adel, &#x017F;agte der Kriegsrath.<lb/>
Meine Tochter Adelheid!&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[156/0170] ich ſo einen armen Jungen ſehe oben krabbeln an der Stange wie 'ne Fliege an der Decke, nein meine Herrſchaften ſagen Sie, was Sie wollen, das kann ich nicht anſehn, das heißt ja die unſterbliche Seele verlieren, und was mich nur wundert, iſt, daß die Könige ſolche Seelenverkäufer dulden. Die müßten mir alle auf die Feſtung und in's Zuchthaus, und mit der Peitſche aus dem Lande gepeitſcht, denn es ſind alles Ausländer und Spione.“ „Iſt's die Möglichkeit!“ ſagte die Mutter, die es kalt überrieſelte. „Nu bitte ich Sie allerbeſte Frau Kriegsräthin, wenn Sie einmal ſo einen Pajazzo ſehen, wenn er auf dem Strick ſpringt und die Fahne ſchwenkt, und Sie erkennten, daß er Ihr kleiner Theodor wäre, alles andre iſt ja gar nichts, pure Spielerei, gegen eine ſolche Empfindung. O du mein himmliſcher Vater, wer möchte eine ſolche Mutter ſein!“ Die Kriegsräthin nahm ihren Knaben von der Hand des jungen Mädchens auf den Schooß: „Lie¬ ber Theodor, das wirſt Du mir nie anthun!“ Der Junge aber ſchrie nach wie vor, er wolle zu den Affen. „Und mit den Jungens ginge es noch, fuhr die Frau Obriſtin fort, aber bei der Bande iſt auch ein Frauenzimmer, eine ganz hübſche junge Perſon, un¬ gefähr ſo groß, wie — ich habe doch die Ehre Ihre Fräulein Tochter vor mir zu ſehen.“ „Wir ſind nicht von Adel, ſagte der Kriegsrath. Meine Tochter Adelheid!“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/170
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/170>, abgerufen am 29.04.2024.