stamm am Ufer des künstlichen Baches stellen, um sich im Wasser zu spiegeln. Der Minister hielt ihn am Rockschooß zurück: "Um Gottes Willen, er kippt über. Mein Gärtner hat ihn erst heut Morgen aus Treptow eingefahren."
"En verite! sagte der Geheimerath, die Täuschung ist mir lieb, denn ich wollte schon mit Ihnen zürnen, einen solchen Kernbaum umzuhauen!"
"Wo sollte ein Baum von solchen Dimensionen auf diesem Boden fortkommen, entgegnete der Mi¬ nister, über die Täuschung doch nicht ganz unzufrieden. Wenn ich auf etwas mir zu Gute thue, ist es nächst meinem Weinbau, von dem Sie ja wohl schon ge¬ lesen haben werden, setzte er lächelnd hinzu, auf meine Kühe. Es ist holsteinische Zucht. Beyme will in Steglitz auch den Versuch machen, ich zweifle aber, daß sie ihm fortkommen. -- Und mit welchen Vor¬ urtheilen ich zu kämpfen hatte! Zwei Kuhhirten mußte ich entlassen. Der eine hielt das Schweizergeläut den Kühen für schädlich! Wohin sehen Sie dort?"
"Was ist das blendende Weiß da?"
"Meinen Sie das Stückchen Stadtmauer, worauf die Sonne scheint. Der Theil ist neu geweißt."
"Sollt' ich mich so getäuscht haben! -- Richtig! Sie springt da grade über die Büsche. Wissen, Ex¬ cellenz, es ist eine Thorheit -- aber die Phantasie geht oft mit uns durch -- in dem Augenblick dacht' ich an Schnee. Man könnte der Illusion zu Hülfe kommen. Ich meine --"
ſtamm am Ufer des künſtlichen Baches ſtellen, um ſich im Waſſer zu ſpiegeln. Der Miniſter hielt ihn am Rockſchooß zurück: „Um Gottes Willen, er kippt über. Mein Gärtner hat ihn erſt heut Morgen aus Treptow eingefahren.“
„En verité! ſagte der Geheimerath, die Täuſchung iſt mir lieb, denn ich wollte ſchon mit Ihnen zürnen, einen ſolchen Kernbaum umzuhauen!“
„Wo ſollte ein Baum von ſolchen Dimenſionen auf dieſem Boden fortkommen, entgegnete der Mi¬ niſter, über die Täuſchung doch nicht ganz unzufrieden. Wenn ich auf etwas mir zu Gute thue, iſt es nächſt meinem Weinbau, von dem Sie ja wohl ſchon ge¬ leſen haben werden, ſetzte er lächelnd hinzu, auf meine Kühe. Es iſt holſteiniſche Zucht. Beyme will in Steglitz auch den Verſuch machen, ich zweifle aber, daß ſie ihm fortkommen. — Und mit welchen Vor¬ urtheilen ich zu kämpfen hatte! Zwei Kuhhirten mußte ich entlaſſen. Der eine hielt das Schweizergeläut den Kühen für ſchädlich! Wohin ſehen Sie dort?“
„Was iſt das blendende Weiß da?“
„Meinen Sie das Stückchen Stadtmauer, worauf die Sonne ſcheint. Der Theil iſt neu geweißt.“
„Sollt' ich mich ſo getäuſcht haben! — Richtig! Sie ſpringt da grade über die Büſche. Wiſſen, Ex¬ cellenz, es iſt eine Thorheit — aber die Phantaſie geht oft mit uns durch — in dem Augenblick dacht' ich an Schnee. Man könnte der Illuſion zu Hülfe kommen. Ich meine —“
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ſtamm am Ufer des künſtlichen Baches ſtellen, um
ſich im Waſſer zu ſpiegeln. Der Miniſter hielt ihn
am Rockſchooß zurück: „Um Gottes Willen, er kippt
über. Mein Gärtner hat ihn erſt heut Morgen aus
Treptow eingefahren.“
„En verité! ſagte der Geheimerath, die Täuſchung
iſt mir lieb, denn ich wollte ſchon mit Ihnen zürnen,
einen ſolchen Kernbaum umzuhauen!“
„Wo ſollte ein Baum von ſolchen Dimenſionen
auf dieſem Boden fortkommen, entgegnete der Mi¬
niſter, über die Täuſchung doch nicht ganz unzufrieden.
Wenn ich auf etwas mir zu Gute thue, iſt es nächſt
meinem Weinbau, von dem Sie ja wohl ſchon ge¬
leſen haben werden, ſetzte er lächelnd hinzu, auf
meine Kühe. Es iſt holſteiniſche Zucht. Beyme will
in Steglitz auch den Verſuch machen, ich zweifle aber,
daß ſie ihm fortkommen. — Und mit welchen Vor¬
urtheilen ich zu kämpfen hatte! Zwei Kuhhirten mußte
ich entlaſſen. Der eine hielt das Schweizergeläut den
Kühen für ſchädlich! Wohin ſehen Sie dort?“
„Was iſt das blendende Weiß da?“
„Meinen Sie das Stückchen Stadtmauer, worauf
die Sonne ſcheint. Der Theil iſt neu geweißt.“
„Sollt' ich mich ſo getäuſcht haben! — Richtig!
Sie ſpringt da grade über die Büſche. Wiſſen, Ex¬
cellenz, es iſt eine Thorheit — aber die Phantaſie
geht oft mit uns durch — in dem Augenblick dacht'
ich an Schnee. Man könnte der Illuſion zu Hülfe
kommen. Ich meine —“
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/242>, abgerufen am 29.04.2024.
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