Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Geist schneidet." -- "Enfin, sagte ein Dritter, sie hat
Alles, um eine Gesellschaft zu entzücken, nur fehlt
ihr der Aplomb."

Es waren Wandelsterne und Fixsterne. Zu jenen
gehörten die Wirthin und ihre Pflegetochter. Wenn
jene mit ihrem leisen Tritt die Kreise durchwandelte,
konnte man sie mit einer Gespenstererscheinung ver¬
gleichen. Das ist ein gewagtes Gleichniß; aber eben
so gewagt ist es doch, wenn andre Adelheid mit dem
aufgehenden Morgenstern verglichen, oder gar mit
einer Sonne, die Frohsinn und Lust verbreite. Wer
schärfer gesehen, hätte vielleicht auch die große An¬
strengung des jungen Mädchens bemerkt, so zu er¬
scheinen, wie die Pflegemutter es wünschte, immer
munter, naiv, geistreich. Es war noch ein anderer
weiblicher Stern von sehr verschiedener Natur, auf
den wir später treffen werden. Jean Panl war noch
nicht da, auch Herr von Wandel ließ noch auf sich
warten. Dagegen schien an dem großen Ofen eines
Nebenzimmers einer der Fixsterne zu stehen in der
Person des französischen Gesandten Laforest. Der
Diplomat brauchte seine Kreise sich nicht aufzusuchen,
oder er wollte es nicht, aber er zog magnetisch die kleinen
Lichter an sich. Er war heute sehr aufgeräumt und
liebenswürdig, behauptete man. Ein Bonmot ging
schon durch die Zimmer. Auf eine unbescheidene Frage:
was ihm in Berlin am besten gefalle, hatte er geant¬
wortet: die Oefen. Andere hatten schon gehört, daß
er gesagt: es sei das einzige Gute, was er in Ber¬

Geiſt ſchneidet.“ — „Enfin, ſagte ein Dritter, ſie hat
Alles, um eine Geſellſchaft zu entzücken, nur fehlt
ihr der Aplomb.“

Es waren Wandelſterne und Fixſterne. Zu jenen
gehörten die Wirthin und ihre Pflegetochter. Wenn
jene mit ihrem leiſen Tritt die Kreiſe durchwandelte,
konnte man ſie mit einer Geſpenſtererſcheinung ver¬
gleichen. Das iſt ein gewagtes Gleichniß; aber eben
ſo gewagt iſt es doch, wenn andre Adelheid mit dem
aufgehenden Morgenſtern verglichen, oder gar mit
einer Sonne, die Frohſinn und Luſt verbreite. Wer
ſchärfer geſehen, hätte vielleicht auch die große An¬
ſtrengung des jungen Mädchens bemerkt, ſo zu er¬
ſcheinen, wie die Pflegemutter es wünſchte, immer
munter, naiv, geiſtreich. Es war noch ein anderer
weiblicher Stern von ſehr verſchiedener Natur, auf
den wir ſpäter treffen werden. Jean Panl war noch
nicht da, auch Herr von Wandel ließ noch auf ſich
warten. Dagegen ſchien an dem großen Ofen eines
Nebenzimmers einer der Fixſterne zu ſtehen in der
Perſon des franzöſiſchen Geſandten Laforeſt. Der
Diplomat brauchte ſeine Kreiſe ſich nicht aufzuſuchen,
oder er wollte es nicht, aber er zog magnetiſch die kleinen
Lichter an ſich. Er war heute ſehr aufgeräumt und
liebenswürdig, behauptete man. Ein Bonmot ging
ſchon durch die Zimmer. Auf eine unbeſcheidene Frage:
was ihm in Berlin am beſten gefalle, hatte er geant¬
wortet: die Oefen. Andere hatten ſchon gehört, daß
er geſagt: es ſei das einzige Gute, was er in Ber¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0089" n="79"/>
Gei&#x017F;t &#x017F;chneidet.&#x201C; &#x2014; &#x201E;<hi rendition="#aq">Enfin</hi>, &#x017F;agte ein Dritter, &#x017F;ie hat<lb/>
Alles, um eine Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft zu entzücken, nur fehlt<lb/>
ihr der Aplomb.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Es waren Wandel&#x017F;terne und Fix&#x017F;terne. Zu jenen<lb/>
gehörten die Wirthin und ihre Pflegetochter. Wenn<lb/>
jene mit ihrem lei&#x017F;en Tritt die Krei&#x017F;e durchwandelte,<lb/>
konnte man &#x017F;ie mit einer Ge&#x017F;pen&#x017F;terer&#x017F;cheinung ver¬<lb/>
gleichen. Das i&#x017F;t ein gewagtes Gleichniß; aber eben<lb/>
&#x017F;o gewagt i&#x017F;t es doch, wenn andre Adelheid mit dem<lb/>
aufgehenden Morgen&#x017F;tern verglichen, oder gar mit<lb/>
einer Sonne, die Froh&#x017F;inn und Lu&#x017F;t verbreite. Wer<lb/>
&#x017F;chärfer ge&#x017F;ehen, hätte vielleicht auch die große An¬<lb/>
&#x017F;trengung des jungen Mädchens bemerkt, &#x017F;o zu er¬<lb/>
&#x017F;cheinen, wie die Pflegemutter es wün&#x017F;chte, immer<lb/>
munter, naiv, gei&#x017F;treich. Es war noch ein anderer<lb/>
weiblicher Stern von &#x017F;ehr ver&#x017F;chiedener Natur, auf<lb/>
den wir &#x017F;päter treffen werden. Jean Panl war noch<lb/>
nicht da, auch Herr von Wandel ließ noch auf &#x017F;ich<lb/>
warten. Dagegen &#x017F;chien an dem großen Ofen eines<lb/>
Nebenzimmers einer der Fix&#x017F;terne zu &#x017F;tehen in der<lb/>
Per&#x017F;on des franzö&#x017F;i&#x017F;chen Ge&#x017F;andten Lafore&#x017F;t. Der<lb/>
Diplomat brauchte &#x017F;eine Krei&#x017F;e &#x017F;ich nicht aufzu&#x017F;uchen,<lb/>
oder er wollte es nicht, aber er zog magneti&#x017F;ch die kleinen<lb/>
Lichter an &#x017F;ich. Er war heute &#x017F;ehr aufgeräumt und<lb/>
liebenswürdig, behauptete man. Ein Bonmot ging<lb/>
&#x017F;chon durch die Zimmer. Auf eine unbe&#x017F;cheidene Frage:<lb/>
was ihm in Berlin am be&#x017F;ten gefalle, hatte er geant¬<lb/>
wortet: die Oefen. Andere hatten &#x017F;chon gehört, daß<lb/>
er ge&#x017F;agt: es &#x017F;ei das einzige Gute, was er in Ber¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[79/0089] Geiſt ſchneidet.“ — „Enfin, ſagte ein Dritter, ſie hat Alles, um eine Geſellſchaft zu entzücken, nur fehlt ihr der Aplomb.“ Es waren Wandelſterne und Fixſterne. Zu jenen gehörten die Wirthin und ihre Pflegetochter. Wenn jene mit ihrem leiſen Tritt die Kreiſe durchwandelte, konnte man ſie mit einer Geſpenſtererſcheinung ver¬ gleichen. Das iſt ein gewagtes Gleichniß; aber eben ſo gewagt iſt es doch, wenn andre Adelheid mit dem aufgehenden Morgenſtern verglichen, oder gar mit einer Sonne, die Frohſinn und Luſt verbreite. Wer ſchärfer geſehen, hätte vielleicht auch die große An¬ ſtrengung des jungen Mädchens bemerkt, ſo zu er¬ ſcheinen, wie die Pflegemutter es wünſchte, immer munter, naiv, geiſtreich. Es war noch ein anderer weiblicher Stern von ſehr verſchiedener Natur, auf den wir ſpäter treffen werden. Jean Panl war noch nicht da, auch Herr von Wandel ließ noch auf ſich warten. Dagegen ſchien an dem großen Ofen eines Nebenzimmers einer der Fixſterne zu ſtehen in der Perſon des franzöſiſchen Geſandten Laforeſt. Der Diplomat brauchte ſeine Kreiſe ſich nicht aufzuſuchen, oder er wollte es nicht, aber er zog magnetiſch die kleinen Lichter an ſich. Er war heute ſehr aufgeräumt und liebenswürdig, behauptete man. Ein Bonmot ging ſchon durch die Zimmer. Auf eine unbeſcheidene Frage: was ihm in Berlin am beſten gefalle, hatte er geant¬ wortet: die Oefen. Andere hatten ſchon gehört, daß er geſagt: es ſei das einzige Gute, was er in Ber¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/89
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/89>, abgerufen am 02.05.2024.