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Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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sie wünschen. -- Dann, als sie die Hand des Neffen ergriff, denn der Freiherr wollte es, verzog sich ihr Gesicht zu einem noch freundlichern Lächeln: O Tag des Glücks -- Schelm, Schelm, du fängst den Schatz, den der Andere laufen läßt -- wie bunt und lustig und schwer -- eine schmucke Frau im Netz -- zieh zu, wie er auch grimm aussieht, es thut nichts; du führst die Braut nach Haus!

Ein Glück, sagte der Freiherr, indem er der Wahrsagerin ein Geldstück zuwarf, daß du erst sechszehn Jahre zählst, mein lieber Neffe, die dich vor der Hand noch vor der Gunst bewahren, welche die Hexe dir verheißt. -- --

Auf seiner Reise, die viele Jahre dauerte, fand Theosophus Sacken sehr Vieles, nur das nicht, was ihm die Zigeunerin verkündet. Denn überall traf er auf Menschen und ihre schwache Seiten, und kein Land, keine Stadt, kein Dorf, wo er nicht Stoff zum Aerger sammelte. Er studirte in England, Frankreich und Italien die Intriguengeschichte der Zeit und fluchte dem Kitzel, der ihn an die Höfe geführt, so lange er auf dem glatten Boden sich bewegte; aber wenn er auf dem Lande war, trieb es ihn wieder zu neuen Studien dahin zurück. Den tiefsten Verdruß erregten ihm aber die Nachrichten aus der Heimath. Denn während er daselbst nichts vom Gange der öffentlichen Ereignisse wissen wollte, sog er in der Fremde die geringste Notiz darüber gierig ein. Er wußte so genau, als habe er hinter der

sie wünschen. — Dann, als sie die Hand des Neffen ergriff, denn der Freiherr wollte es, verzog sich ihr Gesicht zu einem noch freundlichern Lächeln: O Tag des Glücks — Schelm, Schelm, du fängst den Schatz, den der Andere laufen läßt — wie bunt und lustig und schwer — eine schmucke Frau im Netz — zieh zu, wie er auch grimm aussieht, es thut nichts; du führst die Braut nach Haus!

Ein Glück, sagte der Freiherr, indem er der Wahrsagerin ein Geldstück zuwarf, daß du erst sechszehn Jahre zählst, mein lieber Neffe, die dich vor der Hand noch vor der Gunst bewahren, welche die Hexe dir verheißt. — —

Auf seiner Reise, die viele Jahre dauerte, fand Theosophus Sacken sehr Vieles, nur das nicht, was ihm die Zigeunerin verkündet. Denn überall traf er auf Menschen und ihre schwache Seiten, und kein Land, keine Stadt, kein Dorf, wo er nicht Stoff zum Aerger sammelte. Er studirte in England, Frankreich und Italien die Intriguengeschichte der Zeit und fluchte dem Kitzel, der ihn an die Höfe geführt, so lange er auf dem glatten Boden sich bewegte; aber wenn er auf dem Lande war, trieb es ihn wieder zu neuen Studien dahin zurück. Den tiefsten Verdruß erregten ihm aber die Nachrichten aus der Heimath. Denn während er daselbst nichts vom Gange der öffentlichen Ereignisse wissen wollte, sog er in der Fremde die geringste Notiz darüber gierig ein. Er wußte so genau, als habe er hinter der

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T12:11:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T12:11:53Z)

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_sacken_1910/69>, abgerufen am 29.04.2024.