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Andolt, Ernst [d. i. Bernhard Abeken]: Eine Nacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–287. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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der naiven Unbefangenheit seines Egoismus aufklärte. Ich saß mit ihm in der Gartenlaube beim Kaffee. Fräulein von Halden hatte uns eben verlassen, um sich mit einem Bande von Jean Paul in ihre Einsiedelei zurückzuziehen.

Schade, sagte Herr O., daß sie so wenig Sinn für die Wirthschaft hat. Die verdammten Bücher -- ich mochte sie allesamt verbrennen.

Ich äußerte bescheiden, daß sich das Fräulein ohne Zweifel gern der Wirthschaft mit annehmen würde, wenn sie es nicht ausRücksicht für die Haushälterin unterließe.

Die könnte sie ja mit der Zeit ersetzen bemerkte der Amtmann. Jedenfalls wird sich Mamsell trotz ihres Eigensinnes bald darein finden müssen, unter der Controle einer Herrin zu stehen, wie es früher war bei Lebzeiten meiner Frau.

Beabsichtigen Sie vielleicht -- die Frage stockte mir zwischen den Lippen.

Mich wieder zu verheirathen; allerdings, mein lieber Candidat. Ich habe auch bereits meine Wahl getroffen. Schade, daß Sie noch nicht Pastor sind, sonst sollten Sie die Trauung besorgen.

Ich würde mich glücklich schätzen, einen so ehrenvollen Auftrag zu vollziehen, versetzt' ich lächelnd; übrigens hab' ich für die Person der Braut nicht die leiseste Ahnung. Ich erinnere mich, nie Damenbesuch auf dem Gute gesehen zu haben, so lang' ich hier bin.

Sie sehen wie gewöhnlich den Wald vor Bäumen nicht; Sie suchen immer in der Ferne, statt zu sehen, was sich vor Ihren Augen begiebt.

Ich erschrak

Das Mädchen, fuhr er ruhig fort, hat allerdings ihre etwas absonderlichen Liebhabereien, schwärmt gern in unpraktischen Ideen und schwatzt über Dinge, über die ein Frauenzimmer keine Meinung haben soll; indessen in der Ehe giebt sich das. Glauben Sie mir,

der naiven Unbefangenheit seines Egoismus aufklärte. Ich saß mit ihm in der Gartenlaube beim Kaffee. Fräulein von Halden hatte uns eben verlassen, um sich mit einem Bande von Jean Paul in ihre Einsiedelei zurückzuziehen.

Schade, sagte Herr O., daß sie so wenig Sinn für die Wirthschaft hat. Die verdammten Bücher — ich mochte sie allesamt verbrennen.

Ich äußerte bescheiden, daß sich das Fräulein ohne Zweifel gern der Wirthschaft mit annehmen würde, wenn sie es nicht ausRücksicht für die Haushälterin unterließe.

Die könnte sie ja mit der Zeit ersetzen bemerkte der Amtmann. Jedenfalls wird sich Mamsell trotz ihres Eigensinnes bald darein finden müssen, unter der Controle einer Herrin zu stehen, wie es früher war bei Lebzeiten meiner Frau.

Beabsichtigen Sie vielleicht — die Frage stockte mir zwischen den Lippen.

Mich wieder zu verheirathen; allerdings, mein lieber Candidat. Ich habe auch bereits meine Wahl getroffen. Schade, daß Sie noch nicht Pastor sind, sonst sollten Sie die Trauung besorgen.

Ich würde mich glücklich schätzen, einen so ehrenvollen Auftrag zu vollziehen, versetzt' ich lächelnd; übrigens hab' ich für die Person der Braut nicht die leiseste Ahnung. Ich erinnere mich, nie Damenbesuch auf dem Gute gesehen zu haben, so lang' ich hier bin.

Sie sehen wie gewöhnlich den Wald vor Bäumen nicht; Sie suchen immer in der Ferne, statt zu sehen, was sich vor Ihren Augen begiebt.

Ich erschrak

Das Mädchen, fuhr er ruhig fort, hat allerdings ihre etwas absonderlichen Liebhabereien, schwärmt gern in unpraktischen Ideen und schwatzt über Dinge, über die ein Frauenzimmer keine Meinung haben soll; indessen in der Ehe giebt sich das. Glauben Sie mir,

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Zitationshilfe: Andolt, Ernst [d. i. Bernhard Abeken]: Eine Nacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–287. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andolt_nacht_1910/53>, abgerufen am 30.04.2024.