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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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hatte schon längst Sehnsucht nach diesem süßen Aben-
theuer; nun hat es mich so leise beschlichen, und alles
steht noch auf dem alten Fleck. Keiner weiß wo ich
war, und wenn sie's auch wüßten, -- könnten sie ahn-
den, warum? -- Dort kamst Du her, durch den flüstern-
den Wald, von milder Dämmerung umflossen, und wie
Du ganz nahe warst, das konnten die müden Sinne nicht
ertragen, der Thymian duftete so stark; -- da schlief

Dies zu deuten bin erbötig!
Hab' ich Dir nicht oft erzählt,
Wie der Doge von Venedig
Mit dem Meere sich vermählt?
So von deinen Fingergliedern
Fiel der Ring dem Euphrat zu.
Ach zu tausend Himmelsliedern,
Süßer Traum, begeisterst du!
Mich, der von den Indostanen
Streifte bis Damasrus hin,
Um mit neuen Caravanen
Bis an's rothe Meer zu ziehn,
Mich vermählst Du deinem Flusse,
Der Terrasse, diesem Hain,
Hier soll bis zum letzten Kusse
Dir mein Geist gewidmet sein.
(Goethe's Werke, 5ter Band Seite 147 u. 148.)

hatte ſchon längſt Sehnſucht nach dieſem ſüßen Aben-
theuer; nun hat es mich ſo leiſe beſchlichen, und alles
ſteht noch auf dem alten Fleck. Keiner weiß wo ich
war, und wenn ſie's auch wüßten, — könnten ſie ahn-
den, warum? — Dort kamſt Du her, durch den flüſtern-
den Wald, von milder Dämmerung umfloſſen, und wie
Du ganz nahe warſt, das konnten die müden Sinne nicht
ertragen, der Thymian duftete ſo ſtark; — da ſchlief

Dies zu deuten bin erbötig!
Hab' ich Dir nicht oft erzählt,
Wie der Doge von Venedig
Mit dem Meere ſich vermählt?
So von deinen Fingergliedern
Fiel der Ring dem Euphrat zu.
Ach zu tauſend Himmelsliedern,
Süßer Traum, begeiſterſt du!
Mich, der von den Indoſtanen
Streifte bis Damasrus hin,
Um mit neuen Caravanen
Bis an's rothe Meer zu ziehn,
Mich vermählſt Du deinem Fluſſe,
Der Terraſſe, dieſem Hain,
Hier ſoll bis zum letzten Kuſſe
Dir mein Geiſt gewidmet ſein.
(Goethe's Werke, 5ter Band Seite 147 u. 148.)
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[255/0287] hatte ſchon längſt Sehnſucht nach dieſem ſüßen Aben- theuer; nun hat es mich ſo leiſe beſchlichen, und alles ſteht noch auf dem alten Fleck. Keiner weiß wo ich war, und wenn ſie's auch wüßten, — könnten ſie ahn- den, warum? — Dort kamſt Du her, durch den flüſtern- den Wald, von milder Dämmerung umfloſſen, und wie Du ganz nahe warſt, das konnten die müden Sinne nicht ertragen, der Thymian duftete ſo ſtark; — da ſchlief *) *) Dies zu deuten bin erbötig! Hab' ich Dir nicht oft erzählt, Wie der Doge von Venedig Mit dem Meere ſich vermählt? So von deinen Fingergliedern Fiel der Ring dem Euphrat zu. Ach zu tauſend Himmelsliedern, Süßer Traum, begeiſterſt du! Mich, der von den Indoſtanen Streifte bis Damasrus hin, Um mit neuen Caravanen Bis an's rothe Meer zu ziehn, Mich vermählſt Du deinem Fluſſe, Der Terraſſe, dieſem Hain, Hier ſoll bis zum letzten Kuſſe Dir mein Geiſt gewidmet ſein. (Goethe's Werke, 5ter Band Seite 147 u. 148.)

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/287>, abgerufen am 12.05.2024.