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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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brausen und das Mühlenrad gehen, sonst war alles still,
er rief ob ihn niemand höre, die Müllerin die gar schön
war wachte auf, zündete ein Kiehnholz an, und kam
vor die Thür gegangen, da war der Herzog gleich ver-
liebt da er sie beim Schein der Flamme sehen konnte,
und ging mit ihr ein, blieb auch bis am frühen Mor-
gen. Er suchte sich aber einen heimlichen Weg wie er
wieder zu ihr kommen möge. Er vergaß ihrer nicht,
aber wohl vergaß er der Mark Brandenburg die er
verlor, darum daß er auf nichts achtete als nur auf die
Liebe, eine Ulmenallee die zur Mühle führt vom Schloß
aus, und die er selbst pflanzte steht noch; daran sieht
man daß die Bäume wohl alt werden, aber die Liebe
nicht, sagte einer von unserer Gesellschaft da wir durch
die Allee gingen.

Und darum hat der Herzog nicht unrecht, daß er
die Mark Brandenburg um die Liebe gab, denn diese
ist immer noch da und ist dumm, aber in der Liebe geht
man umher wie im Frühling, denn sie ist ein Regen
von sammetnen Blüthenblättern, ein kühles Hauchen
am heißen Tag, und sie ist schön bis sie am End ist.
Gäbst Du nun auch die Mark um die Liebe? -- es
würde mir nicht gefallen wenn Du Brandenburg lieber
hättest wie mich.

brauſen und das Mühlenrad gehen, ſonſt war alles ſtill,
er rief ob ihn niemand höre, die Müllerin die gar ſchön
war wachte auf, zündete ein Kiehnholz an, und kam
vor die Thür gegangen, da war der Herzog gleich ver-
liebt da er ſie beim Schein der Flamme ſehen konnte,
und ging mit ihr ein, blieb auch bis am frühen Mor-
gen. Er ſuchte ſich aber einen heimlichen Weg wie er
wieder zu ihr kommen möge. Er vergaß ihrer nicht,
aber wohl vergaß er der Mark Brandenburg die er
verlor, darum daß er auf nichts achtete als nur auf die
Liebe, eine Ulmenallee die zur Mühle führt vom Schloß
aus, und die er ſelbſt pflanzte ſteht noch; daran ſieht
man daß die Bäume wohl alt werden, aber die Liebe
nicht, ſagte einer von unſerer Geſellſchaft da wir durch
die Allee gingen.

Und darum hat der Herzog nicht unrecht, daß er
die Mark Brandenburg um die Liebe gab, denn dieſe
iſt immer noch da und iſt dumm, aber in der Liebe geht
man umher wie im Frühling, denn ſie iſt ein Regen
von ſammetnen Blüthenblättern, ein kühles Hauchen
am heißen Tag, und ſie iſt ſchön bis ſie am End iſt.
Gäbſt Du nun auch die Mark um die Liebe? — es
würde mir nicht gefallen wenn Du Brandenburg lieber
hätteſt wie mich.

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[119/0129] brauſen und das Mühlenrad gehen, ſonſt war alles ſtill, er rief ob ihn niemand höre, die Müllerin die gar ſchön war wachte auf, zündete ein Kiehnholz an, und kam vor die Thür gegangen, da war der Herzog gleich ver- liebt da er ſie beim Schein der Flamme ſehen konnte, und ging mit ihr ein, blieb auch bis am frühen Mor- gen. Er ſuchte ſich aber einen heimlichen Weg wie er wieder zu ihr kommen möge. Er vergaß ihrer nicht, aber wohl vergaß er der Mark Brandenburg die er verlor, darum daß er auf nichts achtete als nur auf die Liebe, eine Ulmenallee die zur Mühle führt vom Schloß aus, und die er ſelbſt pflanzte ſteht noch; daran ſieht man daß die Bäume wohl alt werden, aber die Liebe nicht, ſagte einer von unſerer Geſellſchaft da wir durch die Allee gingen. Und darum hat der Herzog nicht unrecht, daß er die Mark Brandenburg um die Liebe gab, denn dieſe iſt immer noch da und iſt dumm, aber in der Liebe geht man umher wie im Frühling, denn ſie iſt ein Regen von ſammetnen Blüthenblättern, ein kühles Hauchen am heißen Tag, und ſie iſt ſchön bis ſie am End iſt. Gäbſt Du nun auch die Mark um die Liebe? — es würde mir nicht gefallen wenn Du Brandenburg lieber hätteſt wie mich.

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/129>, abgerufen am 26.04.2024.