Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

von 4 Fl. von dem alten Maler Robert aus Kassel,
bei dem ich nichts gelernt habe; sie lachten mich alle
aus, ich kann aber doch nicht lachen, denn ich hab ein
bös Gewissen, ich weiß ja wenig was Geist, Seele und
Herz für Prozesse mit einander führen, warum hab ich
Dir denn allerlei geschrieben was ich nicht verantwor-
ten kann? Du bist nicht böse auf mich, wie könnte mein
unmündig Geschwätz Dich beleidigen, aber Du antwor-
test nicht, weil ich ja doch nicht verstehe was Du sagen
könntest, und so hat mich mein Aberwitz um mein Glück
gebracht, und wer weiß wann Du wieder einlenkst. --
Ach, Glück! du läßt dich nicht meistern und nicht bil-
den, wo du erscheinst, da bist du immer eigenthümlich,
und vernichtest durch deine Unschuld alles planmäßige,
alle Berechnung auf die Zukunft.

Unglück ist vielleicht die geheime Organisation des
Glückes, ein flüssiger Demant, der zum Krystall an-
sch[l]ießt, eine Krankheit der Sehnsucht, die zur Perle wird.
O schreib mir bald.


Bettine.

von 4 Fl. von dem alten Maler Robert aus Kaſſel,
bei dem ich nichts gelernt habe; ſie lachten mich alle
aus, ich kann aber doch nicht lachen, denn ich hab ein
bös Gewiſſen, ich weiß ja wenig was Geiſt, Seele und
Herz für Prozeſſe mit einander führen, warum hab ich
Dir denn allerlei geſchrieben was ich nicht verantwor-
ten kann? Du biſt nicht böſe auf mich, wie könnte mein
unmündig Geſchwätz Dich beleidigen, aber Du antwor-
teſt nicht, weil ich ja doch nicht verſtehe was Du ſagen
könnteſt, und ſo hat mich mein Aberwitz um mein Glück
gebracht, und wer weiß wann Du wieder einlenkſt. —
Ach, Glück! du läßt dich nicht meiſtern und nicht bil-
den, wo du erſcheinſt, da biſt du immer eigenthümlich,
und vernichteſt durch deine Unſchuld alles planmäßige,
alle Berechnung auf die Zukunft.

Unglück iſt vielleicht die geheime Organiſation des
Glückes, ein flüſſiger Demant, der zum Kryſtall an-
ſch[l]ießt, eine Krankheit der Sehnſucht, die zur Perle wird.
O ſchreib mir bald.


Bettine.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0164" n="154"/>
von 4 Fl. von dem alten Maler Robert aus Ka&#x017F;&#x017F;el,<lb/>
bei dem ich nichts gelernt habe; &#x017F;ie lachten mich alle<lb/>
aus, ich kann aber doch nicht lachen, denn ich hab ein<lb/>
bös Gewi&#x017F;&#x017F;en, ich weiß ja wenig was Gei&#x017F;t, Seele und<lb/>
Herz für Proze&#x017F;&#x017F;e mit einander führen, warum hab ich<lb/>
Dir denn allerlei ge&#x017F;chrieben was ich nicht verantwor-<lb/>
ten kann? Du bi&#x017F;t nicht bö&#x017F;e auf mich, wie könnte mein<lb/>
unmündig Ge&#x017F;chwätz Dich beleidigen, aber Du antwor-<lb/>
te&#x017F;t nicht, weil ich ja doch nicht ver&#x017F;tehe was Du &#x017F;agen<lb/>
könnte&#x017F;t, und &#x017F;o hat mich mein Aberwitz um mein Glück<lb/>
gebracht, und wer weiß wann Du wieder einlenk&#x017F;t. &#x2014;<lb/>
Ach, Glück! du läßt dich nicht mei&#x017F;tern und nicht bil-<lb/>
den, wo du er&#x017F;chein&#x017F;t, da bi&#x017F;t du immer eigenthümlich,<lb/>
und vernichte&#x017F;t durch deine Un&#x017F;chuld alles planmäßige,<lb/>
alle Berechnung auf die Zukunft.</p><lb/>
          <p>Unglück i&#x017F;t vielleicht die geheime Organi&#x017F;ation des<lb/>
Glückes, ein flü&#x017F;&#x017F;iger Demant, der zum Kry&#x017F;tall an-<lb/>
&#x017F;ch<supplied>l</supplied>ießt, eine Krankheit der Sehn&#x017F;ucht, die zur Perle wird.<lb/>
O &#x017F;chreib mir bald.</p><lb/>
          <closer>
            <dateline> <hi rendition="#et">Am 12. Januar 1810.</hi> </dateline><lb/>
            <salute> <hi rendition="#et">Bettine.</hi> </salute>
          </closer>
        </div><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[154/0164] von 4 Fl. von dem alten Maler Robert aus Kaſſel, bei dem ich nichts gelernt habe; ſie lachten mich alle aus, ich kann aber doch nicht lachen, denn ich hab ein bös Gewiſſen, ich weiß ja wenig was Geiſt, Seele und Herz für Prozeſſe mit einander führen, warum hab ich Dir denn allerlei geſchrieben was ich nicht verantwor- ten kann? Du biſt nicht böſe auf mich, wie könnte mein unmündig Geſchwätz Dich beleidigen, aber Du antwor- teſt nicht, weil ich ja doch nicht verſtehe was Du ſagen könnteſt, und ſo hat mich mein Aberwitz um mein Glück gebracht, und wer weiß wann Du wieder einlenkſt. — Ach, Glück! du läßt dich nicht meiſtern und nicht bil- den, wo du erſcheinſt, da biſt du immer eigenthümlich, und vernichteſt durch deine Unſchuld alles planmäßige, alle Berechnung auf die Zukunft. Unglück iſt vielleicht die geheime Organiſation des Glückes, ein flüſſiger Demant, der zum Kryſtall an- ſchließt, eine Krankheit der Sehnſucht, die zur Perle wird. O ſchreib mir bald. Am 12. Januar 1810. Bettine.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/164
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/164>, abgerufen am 27.04.2024.