Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

kennst, das nimmt Dich ein, was Dich einnimmt, das
erschließt Dir eine neue Welt.


Der Geist will Selbstherrscher sein! der eigne Be-
sitz ist seine wahre Kraft; jede Wahrheit, jede Offenba-
rung ist ein Berühren des eigenen Geistes, durchdringst
Du ihn, schmilzt Deine Seele in Deinen Geist: dann
hast Du alles was Du vermagst, und jede Offenbarung
und Dein Leben ist Dein fortwährendes Wissen, und
Dein Wissen ist Dein Sein, Dein Erzeugen, alle Er-
kenntniß ist Liebe, drum ist es so selig zu lieben, weil
im Lieben der Besitz liegt der eignen göttlichen Natur.

Hast Du geliebt? es war eine Spur göttlicher Na-
tur, Du hobst die Grenze Deines Seins auf und dehn-
test Dich aus im Besitz Deiner Liebe. Dieses Ausdehnen
ist der Kreislauf Deiner geistigen Natur; was Du liebst,
daß ist ein Reich in das Du geboren bist, daß Du ver-
magst in ihm zu leben. Ach es ist so groß, so unend-
lich das Reich der Liebe, und doch umschließt es das
menschliche Herz.

kennſt, das nimmt Dich ein, was Dich einnimmt, das
erſchließt Dir eine neue Welt.


Der Geiſt will Selbſtherrſcher ſein! der eigne Be-
ſitz iſt ſeine wahre Kraft; jede Wahrheit, jede Offenba-
rung iſt ein Berühren des eigenen Geiſtes, durchdringſt
Du ihn, ſchmilzt Deine Seele in Deinen Geiſt: dann
haſt Du alles was Du vermagſt, und jede Offenbarung
und Dein Leben iſt Dein fortwährendes Wiſſen, und
Dein Wiſſen iſt Dein Sein, Dein Erzeugen, alle Er-
kenntniß iſt Liebe, drum iſt es ſo ſelig zu lieben, weil
im Lieben der Beſitz liegt der eignen göttlichen Natur.

Haſt Du geliebt? es war eine Spur göttlicher Na-
tur, Du hobſt die Grenze Deines Seins auf und dehn-
teſt Dich aus im Beſitz Deiner Liebe. Dieſes Ausdehnen
iſt der Kreislauf Deiner geiſtigen Natur; was Du liebſt,
daß iſt ein Reich in das Du geboren biſt, daß Du ver-
magſt in ihm zu leben. Ach es iſt ſo groß, ſo unend-
lich das Reich der Liebe, und doch umſchließt es das
menſchliche Herz.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0086" n="76"/>
kenn&#x017F;t, das nimmt Dich ein, was Dich einnimmt, das<lb/>
er&#x017F;chließt Dir eine neue Welt.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Der Gei&#x017F;t will Selb&#x017F;therr&#x017F;cher &#x017F;ein! der <hi rendition="#g">eigne</hi> Be-<lb/>
&#x017F;itz i&#x017F;t &#x017F;eine wahre Kraft; jede Wahrheit, jede Offenba-<lb/>
rung i&#x017F;t ein Berühren des eigenen Gei&#x017F;tes, durchdring&#x017F;t<lb/>
Du ihn, &#x017F;chmilzt Deine Seele in Deinen Gei&#x017F;t: dann<lb/>
ha&#x017F;t Du alles was Du vermag&#x017F;t, und jede Offenbarung<lb/>
und Dein Leben i&#x017F;t Dein fortwährendes Wi&#x017F;&#x017F;en, und<lb/>
Dein Wi&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t Dein Sein, Dein Erzeugen, alle Er-<lb/>
kenntniß i&#x017F;t Liebe, drum i&#x017F;t es &#x017F;o &#x017F;elig zu lieben, weil<lb/>
im Lieben der Be&#x017F;itz liegt der eignen göttlichen Natur.</p><lb/>
          <p>Ha&#x017F;t Du geliebt? es war eine Spur göttlicher Na-<lb/>
tur, Du hob&#x017F;t die Grenze Deines Seins auf und dehn-<lb/>
te&#x017F;t Dich aus im Be&#x017F;itz Deiner Liebe. Die&#x017F;es Ausdehnen<lb/>
i&#x017F;t der Kreislauf Deiner gei&#x017F;tigen Natur; was Du lieb&#x017F;t,<lb/>
daß i&#x017F;t ein Reich in das Du geboren bi&#x017F;t, daß Du ver-<lb/>
mag&#x017F;t in ihm zu leben. Ach es i&#x017F;t &#x017F;o groß, &#x017F;o unend-<lb/>
lich das Reich der Liebe, und doch um&#x017F;chließt es das<lb/>
men&#x017F;chliche Herz.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[76/0086] kennſt, das nimmt Dich ein, was Dich einnimmt, das erſchließt Dir eine neue Welt. Der Geiſt will Selbſtherrſcher ſein! der eigne Be- ſitz iſt ſeine wahre Kraft; jede Wahrheit, jede Offenba- rung iſt ein Berühren des eigenen Geiſtes, durchdringſt Du ihn, ſchmilzt Deine Seele in Deinen Geiſt: dann haſt Du alles was Du vermagſt, und jede Offenbarung und Dein Leben iſt Dein fortwährendes Wiſſen, und Dein Wiſſen iſt Dein Sein, Dein Erzeugen, alle Er- kenntniß iſt Liebe, drum iſt es ſo ſelig zu lieben, weil im Lieben der Beſitz liegt der eignen göttlichen Natur. Haſt Du geliebt? es war eine Spur göttlicher Na- tur, Du hobſt die Grenze Deines Seins auf und dehn- teſt Dich aus im Beſitz Deiner Liebe. Dieſes Ausdehnen iſt der Kreislauf Deiner geiſtigen Natur; was Du liebſt, daß iſt ein Reich in das Du geboren biſt, daß Du ver- magſt in ihm zu leben. Ach es iſt ſo groß, ſo unend- lich das Reich der Liebe, und doch umſchließt es das menſchliche Herz.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/86
Zitationshilfe: [Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/86>, abgerufen am 30.04.2024.