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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

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ton höchlich amüsirt, es wurde noch viel gelacht und
zuletzt unter Gesang beim Untergehen der Sonne nach
Hause gewandert.

Ich wollte zwar früher zurückkommen und mein
Gewissen mahnt mich auch, nicht alles was ich dort
angefangen, so lang aus den Augen zu lassen; aber
es schleicht ein Tag nach dem andern so anmuthig vor¬
über, und der Savigny ist so anmuthig und kin¬
disch, daß wir ihn nicht verlassen können, alle Augen¬
blick hat eins ihm ein Geheimniß anzuvertrauen, der
führt ihn in den Wald, der andre in die Laube und
die Gundel muß sichs gefallen lassen, und Gescheutsein
ist gar nicht Mode, der Clemens hat ihm schon ein
paar Wände mit abentheuerlichen Figuren vollgemalt,
und Verse und Gedichte werden mit schwarzer Farbe
an alle Wände groß geschrieben. Der Clemens hat
Wieland, Herder, Göthe und die Prinzessin Amalie
grau in grau gemalt und den dir bekannten Vers dazu.
--Heut muß ich aufhören, ich schick dir eine Schachtel
mit dem großen Maiblumenstrauß, schmücke Dein Haus¬
altar und verrichte eine Andacht für mich, es ist meine
liebste Blum. Geh in Dich und frag Dich, wer Dir
am nächsten steht von allen Menschen; und frag Dich
recht deutlich, wer sich am liebsten an Dein Herz

ton höchlich amüſirt, es wurde noch viel gelacht und
zuletzt unter Geſang beim Untergehen der Sonne nach
Hauſe gewandert.

Ich wollte zwar früher zurückkommen und mein
Gewiſſen mahnt mich auch, nicht alles was ich dort
angefangen, ſo lang aus den Augen zu laſſen; aber
es ſchleicht ein Tag nach dem andern ſo anmuthig vor¬
über, und der Savigny iſt ſo anmuthig und kin¬
diſch, daß wir ihn nicht verlaſſen können, alle Augen¬
blick hat eins ihm ein Geheimniß anzuvertrauen, der
führt ihn in den Wald, der andre in die Laube und
die Gundel muß ſichs gefallen laſſen, und Geſcheutſein
iſt gar nicht Mode, der Clemens hat ihm ſchon ein
paar Wände mit abentheuerlichen Figuren vollgemalt,
und Verſe und Gedichte werden mit ſchwarzer Farbe
an alle Wände groß geſchrieben. Der Clemens hat
Wieland, Herder, Göthe und die Prinzeſſin Amalie
grau in grau gemalt und den dir bekannten Vers dazu.
—Heut muß ich aufhören, ich ſchick dir eine Schachtel
mit dem großen Maiblumenſtrauß, ſchmücke Dein Haus¬
altar und verrichte eine Andacht für mich, es iſt meine
liebſte Blum. Geh in Dich und frag Dich, wer Dir
am nächſten ſteht von allen Menſchen; und frag Dich
recht deutlich, wer ſich am liebſten an Dein Herz

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[38/0054] ton höchlich amüſirt, es wurde noch viel gelacht und zuletzt unter Geſang beim Untergehen der Sonne nach Hauſe gewandert. Ich wollte zwar früher zurückkommen und mein Gewiſſen mahnt mich auch, nicht alles was ich dort angefangen, ſo lang aus den Augen zu laſſen; aber es ſchleicht ein Tag nach dem andern ſo anmuthig vor¬ über, und der Savigny iſt ſo anmuthig und kin¬ diſch, daß wir ihn nicht verlaſſen können, alle Augen¬ blick hat eins ihm ein Geheimniß anzuvertrauen, der führt ihn in den Wald, der andre in die Laube und die Gundel muß ſichs gefallen laſſen, und Geſcheutſein iſt gar nicht Mode, der Clemens hat ihm ſchon ein paar Wände mit abentheuerlichen Figuren vollgemalt, und Verſe und Gedichte werden mit ſchwarzer Farbe an alle Wände groß geſchrieben. Der Clemens hat Wieland, Herder, Göthe und die Prinzeſſin Amalie grau in grau gemalt und den dir bekannten Vers dazu. —Heut muß ich aufhören, ich ſchick dir eine Schachtel mit dem großen Maiblumenſtrauß, ſchmücke Dein Haus¬ altar und verrichte eine Andacht für mich, es iſt meine liebſte Blum. Geh in Dich und frag Dich, wer Dir am nächſten ſteht von allen Menſchen; und frag Dich recht deutlich, wer ſich am liebſten an Dein Herz

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/54>, abgerufen am 26.04.2024.