Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

thätig im Ganzen. -- Obschon mich Euer Treiben höch¬
lich ergötzen würde und namentlich das Puppenspiel; -- ich
übergehe alles, -- was Du vom Rhythmus sagst leg ich
Dir so aus: Du ahnest ein höheres rhythmisches Gesetz,
einen Rhythmus der Geist ist im Geist, der den Geist
aufregt und zu neuen Offenbarungen leitet, du glaubst
daß der Reim die geringste ja oft erniedrigende Stufe
dieses metrischen Sprachgeistes ist, und oft die Ahnung
oder die Gewalt des Gedankens brechen könnte, daß der
sich nicht zu jener Höhe entwickelt zu der er ursprüng¬
lich berufen war, -- das will ich nicht widersprechen,
denn Du kannst recht haben; nemlich, Du kannst recht
haben daß es ein höheres musikalisches Gesetz gebe, daß
die Anlage zu diesem in jedem freien Gedanken liege und
durch den Versbau mehr oder weniger unterdrückt werde.

Du wirst aber auch zugeben daß im Dichter
auch eine Begeistrung waltet die von höherer Macht
zeugt, da diese kindlichen Gesetze zu denen er sich be¬
quemt, ihn grade zur Kunst anleiten, die an sich schon
ein höherer Instinkt ist. Du sagst zwar in Bezug auf
Kunst, das Machwerk der Menschen behindre überall
den Lebensgeist, das glaube doch ja nicht daß jene die
vielleicht kein hohes Genie im Gedicht entwicklen, nicht
hierdurch zu höherem gebracht würden, denn erst wer¬

thätig im Ganzen. — Obſchon mich Euer Treiben höch¬
lich ergötzen würde und namentlich das Puppenſpiel; — ich
übergehe alles, — was Du vom Rhythmus ſagſt leg ich
Dir ſo aus: Du ahneſt ein höheres rhythmiſches Geſetz,
einen Rhythmus der Geiſt iſt im Geiſt, der den Geiſt
aufregt und zu neuen Offenbarungen leitet, du glaubſt
daß der Reim die geringſte ja oft erniedrigende Stufe
dieſes metriſchen Sprachgeiſtes iſt, und oft die Ahnung
oder die Gewalt des Gedankens brechen könnte, daß der
ſich nicht zu jener Höhe entwickelt zu der er urſprüng¬
lich berufen war, — das will ich nicht widerſprechen,
denn Du kannſt recht haben; nemlich, Du kannſt recht
haben daß es ein höheres muſikaliſches Geſetz gebe, daß
die Anlage zu dieſem in jedem freien Gedanken liege und
durch den Versbau mehr oder weniger unterdrückt werde.

Du wirſt aber auch zugeben daß im Dichter
auch eine Begeiſtrung waltet die von höherer Macht
zeugt, da dieſe kindlichen Geſetze zu denen er ſich be¬
quemt, ihn grade zur Kunſt anleiten, die an ſich ſchon
ein höherer Inſtinkt iſt. Du ſagſt zwar in Bezug auf
Kunſt, das Machwerk der Menſchen behindre überall
den Lebensgeiſt, das glaube doch ja nicht daß jene die
vielleicht kein hohes Genie im Gedicht entwicklen, nicht
hierdurch zu höherem gebracht würden, denn erſt wer¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0024" n="10"/>
thätig im Ganzen. &#x2014; Ob&#x017F;chon mich Euer Treiben höch¬<lb/>
lich ergötzen würde und namentlich das Puppen&#x017F;piel; &#x2014; ich<lb/>
übergehe alles, &#x2014; was Du vom Rhythmus &#x017F;ag&#x017F;t leg ich<lb/>
Dir &#x017F;o aus: Du ahne&#x017F;t ein höheres rhythmi&#x017F;ches Ge&#x017F;etz,<lb/>
einen Rhythmus der Gei&#x017F;t i&#x017F;t im Gei&#x017F;t, der den Gei&#x017F;t<lb/>
aufregt und zu neuen Offenbarungen leitet, du glaub&#x017F;t<lb/>
daß der Reim die gering&#x017F;te ja oft erniedrigende Stufe<lb/>
die&#x017F;es metri&#x017F;chen Sprachgei&#x017F;tes i&#x017F;t, und oft die Ahnung<lb/>
oder die Gewalt des Gedankens brechen könnte, daß der<lb/>
&#x017F;ich nicht zu jener Höhe entwickelt zu der er ur&#x017F;prüng¬<lb/>
lich berufen war, &#x2014; das will ich nicht wider&#x017F;prechen,<lb/>
denn Du kann&#x017F;t recht haben; nemlich, Du kann&#x017F;t recht<lb/>
haben daß es ein höheres mu&#x017F;ikali&#x017F;ches Ge&#x017F;etz gebe, daß<lb/>
die Anlage zu die&#x017F;em in jedem freien Gedanken liege und<lb/>
durch den Versbau mehr oder weniger unterdrückt werde.</p><lb/>
          <p>Du wir&#x017F;t aber auch zugeben daß im Dichter<lb/>
auch eine Begei&#x017F;trung waltet die von höherer Macht<lb/>
zeugt, da die&#x017F;e kindlichen Ge&#x017F;etze zu denen er &#x017F;ich be¬<lb/>
quemt, ihn grade zur Kun&#x017F;t anleiten, die an &#x017F;ich &#x017F;chon<lb/>
ein höherer In&#x017F;tinkt i&#x017F;t. Du &#x017F;ag&#x017F;t zwar in Bezug auf<lb/>
Kun&#x017F;t, das Machwerk der Men&#x017F;chen behindre überall<lb/>
den Lebensgei&#x017F;t, das glaube doch ja nicht daß jene die<lb/>
vielleicht kein hohes Genie im Gedicht entwicklen, nicht<lb/>
hierdurch zu höherem gebracht würden, denn er&#x017F;t wer¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0024] thätig im Ganzen. — Obſchon mich Euer Treiben höch¬ lich ergötzen würde und namentlich das Puppenſpiel; — ich übergehe alles, — was Du vom Rhythmus ſagſt leg ich Dir ſo aus: Du ahneſt ein höheres rhythmiſches Geſetz, einen Rhythmus der Geiſt iſt im Geiſt, der den Geiſt aufregt und zu neuen Offenbarungen leitet, du glaubſt daß der Reim die geringſte ja oft erniedrigende Stufe dieſes metriſchen Sprachgeiſtes iſt, und oft die Ahnung oder die Gewalt des Gedankens brechen könnte, daß der ſich nicht zu jener Höhe entwickelt zu der er urſprüng¬ lich berufen war, — das will ich nicht widerſprechen, denn Du kannſt recht haben; nemlich, Du kannſt recht haben daß es ein höheres muſikaliſches Geſetz gebe, daß die Anlage zu dieſem in jedem freien Gedanken liege und durch den Versbau mehr oder weniger unterdrückt werde. Du wirſt aber auch zugeben daß im Dichter auch eine Begeiſtrung waltet die von höherer Macht zeugt, da dieſe kindlichen Geſetze zu denen er ſich be¬ quemt, ihn grade zur Kunſt anleiten, die an ſich ſchon ein höherer Inſtinkt iſt. Du ſagſt zwar in Bezug auf Kunſt, das Machwerk der Menſchen behindre überall den Lebensgeiſt, das glaube doch ja nicht daß jene die vielleicht kein hohes Genie im Gedicht entwicklen, nicht hierdurch zu höherem gebracht würden, denn erſt wer¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/24
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/24>, abgerufen am 26.04.2024.