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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840.

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manchmal so traurig ist, -- andre nennen das Lange¬
weile was einem zuweilen so mitten im Sonnenschein
wie ein Stein aufs Herz fällt, ich aber leg es so aus:
plötzlich steht man ohne es zu wollen, ihr, der Allgöttin
gegenüber, ein geheim Gefühl der unendlich zärteren
Sorge die sie auf uns verwendet, als auf alle anderen
Geschöpfe, macht uns schüchtern; alles umher gedeiht, jed
Stäudchen jed klein Käferchen zeigt von so tiefer fein¬
gegliederter Bildung, aber wo ist auch nur ein Knösp¬
chen in unserm Geist was nicht vom Wurm angenagt
wär, sind wir nicht vom Staub befleckt, und zeigt sich
ein Blättchen unserer Seele in seinem glänzenden
Grün? -- Wenn ich einen Baum begegne der vom
Mehlthau oder vom Raupenfraß erkrankt ist, oder eine
Staude die verkeimt, dann mein ich das ist Sprache
der Natur, die uns das Bild einer ungroßmüthigen
Seele zeigt. -- und wären alle Fehler des Geistes über¬
wunden, wären seine Kräfte in voller Blüthe, wer weiß
ob dann in der Natur noch solcher Mißwachs oder
schädlich Unkraut wär, ob der Brand noch ins Korn¬
feld käm, ob noch giftige Dolden wüchsen, wer weiß ob
noch solche traurige Augenblicke in ihr wären die einem
das Herz spalten; und man wendet sich ab weil man
nicht ahnen will, was tief im Herzen, schmerzlich mit

manchmal ſo traurig iſt, — andre nennen das Lange¬
weile was einem zuweilen ſo mitten im Sonnenſchein
wie ein Stein aufs Herz fällt, ich aber leg es ſo aus:
plötzlich ſteht man ohne es zu wollen, ihr, der Allgöttin
gegenüber, ein geheim Gefühl der unendlich zärteren
Sorge die ſie auf uns verwendet, als auf alle anderen
Geſchöpfe, macht uns ſchüchtern; alles umher gedeiht, jed
Stäudchen jed klein Käferchen zeigt von ſo tiefer fein¬
gegliederter Bildung, aber wo iſt auch nur ein Knösp¬
chen in unſerm Geiſt was nicht vom Wurm angenagt
wär, ſind wir nicht vom Staub befleckt, und zeigt ſich
ein Blättchen unſerer Seele in ſeinem glänzenden
Grün? — Wenn ich einen Baum begegne der vom
Mehlthau oder vom Raupenfraß erkrankt iſt, oder eine
Staude die verkeimt, dann mein ich das iſt Sprache
der Natur, die uns das Bild einer ungroßmüthigen
Seele zeigt. — und wären alle Fehler des Geiſtes über¬
wunden, wären ſeine Kräfte in voller Blüthe, wer weiß
ob dann in der Natur noch ſolcher Mißwachs oder
ſchädlich Unkraut wär, ob der Brand noch ins Korn¬
feld käm, ob noch giftige Dolden wüchſen, wer weiß ob
noch ſolche traurige Augenblicke in ihr wären die einem
das Herz ſpalten; und man wendet ſich ab weil man
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[32/0046] manchmal ſo traurig iſt, — andre nennen das Lange¬ weile was einem zuweilen ſo mitten im Sonnenſchein wie ein Stein aufs Herz fällt, ich aber leg es ſo aus: plötzlich ſteht man ohne es zu wollen, ihr, der Allgöttin gegenüber, ein geheim Gefühl der unendlich zärteren Sorge die ſie auf uns verwendet, als auf alle anderen Geſchöpfe, macht uns ſchüchtern; alles umher gedeiht, jed Stäudchen jed klein Käferchen zeigt von ſo tiefer fein¬ gegliederter Bildung, aber wo iſt auch nur ein Knösp¬ chen in unſerm Geiſt was nicht vom Wurm angenagt wär, ſind wir nicht vom Staub befleckt, und zeigt ſich ein Blättchen unſerer Seele in ſeinem glänzenden Grün? — Wenn ich einen Baum begegne der vom Mehlthau oder vom Raupenfraß erkrankt iſt, oder eine Staude die verkeimt, dann mein ich das iſt Sprache der Natur, die uns das Bild einer ungroßmüthigen Seele zeigt. — und wären alle Fehler des Geiſtes über¬ wunden, wären ſeine Kräfte in voller Blüthe, wer weiß ob dann in der Natur noch ſolcher Mißwachs oder ſchädlich Unkraut wär, ob der Brand noch ins Korn¬ feld käm, ob noch giftige Dolden wüchſen, wer weiß ob noch ſolche traurige Augenblicke in ihr wären die einem das Herz ſpalten; und man wendet ſich ab weil man nicht ahnen will, was tief im Herzen, ſchmerzlich mit

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/46>, abgerufen am 30.04.2024.