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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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oder Zusätze.
[Spaltenumbruch] Auffrichtigkeit nachjaget/ so wirds mit dem
Hause nicht wohl stehen.

Hier antworteten sie: Lieber Vater/ das wol-
len wir von gantzem Hertzen thun.

Er sprach ferner:

O ihr N. N. versäumet die Zeit nicht/ gehet
immer in den Wercken GOttes weiter/ erzeiget
in eurer Widerwärtigkeit Glauben und
Gedult. Jch suche nichts als Liebe und Treue/
darinn seyd mir doch nicht entgegen.

Sie antworteten: Das wollen wir auch
thun.

Er sprach aber:

Ach! der Mensch kennet sich selber nicht;
Ein Schalck hat niemals treue Liebe. Jch
weiß euch nichts mehr zu sagen/ als daß die
Auffrichtigen in groß Leiden kommen werden/
und viel Jammer wird sie ergreiffen: wer aber
beständig bleibt biß ans Ende/ der soll selig
werden.

Woferne mich der HErr aus dem Fleische
nimmt/ so dürfft ihr nicht dencken/ daß ich zu-
letzt viel Worte machen werde/ denn ich habe
zuvor genug geredet. Der HErr redete auch
wenig in seinem Tode.

Halt fest/ halt fest/ ob gleich sehr ange-
strenget wird; es mag wohl ein guter Christ
heissen/ wer einen auffrichtigen Christen bey
sich leiden und vertragen kan.

Ach Eg. hab ich euch nicht gesagt/ daß et-
was vorhanden wäre/ da ihr wohlthätet/ daß
ihr euer wahrnehmet.

Jch dachte es wohl/ daß die Zeit nahe wäre/
darum hab ich mich auch nicht versäumet.

Ach wie ungerne sehe ich/ wie N. N. N. ver-
lohren gehen/ denen die Wahrheit/ Liebe und
Treue vorgetragen ist/ und die noch nicht ge-
wolt haben! Kinder/ Kinder/ hütet euch doch
vor allem irrdischen/ weltlichen/ eiteln und nich-
tigen/ es sey Lust/ Freude oder Liebe/ euer Hertze
darauff zu setzen/ denn es wird euch also verfüh-
ren und betrügen/ und ins Verderben bringen.
Jch suche nichts denn Liebe und Treue/ darinn
wünsch ich/ daß mir niemand zuwider/ sondern
nützlich sey.

Sie antworteten: Ja wir wollen euch darinn
nicht entgegen/ sondern nützlich seyn.

Er sprach:

Ach/ der Mensch kennt sich selber nicht/
- - N. geht so viel zu. Mir sind keine Gaben
angenehm/ oder lieb/ als nur die Auffrichtigen.
Treue und Auffrichtigkeit; einem Hertzen/ das
auffrichtig ist/ dem schadet alles nicht/ was es
thut. Dencket auff keinen Lohn/ noch erwar-
tet ihn. O man findet ihrer so wenig! O wie
wehe thuts mir/ daß meiner treuen Arbeit nicht
mehr wahrgenommen wird!

An einem Morgen frühe sprach
er also:

O was hab ich diese Nacht über vor Wun-
der gehabt: die höchsten Höhen der Himmel/ und
die tieffsten Abgründe der Höllen bin ich durch-
gefahren. Gedult hab ich in allen behalten/
und mit GOtt will ichs ewiglich aushalten.

Unter andern sprach er zu Brandeliers
also:

Ehe denn einer zur Niedrigkeit und zur Ver-
nichtung kommt/ muß er so viel durchgehen/
[Spaltenumbruch] daß es zu verwundern ist. Wer dieses zu er-
fahren kriegt/ ist mir lieber und werther als
10000 andere. Denn wer nur mit dem
Mund davon redet/ und nicht zur Erfahrung
kommt/ der wird einen grossen Teuffel in sich
befinden.

Ein Unwissender solte nun wohl sagen: Da
liegt er nun; wie lange hat er von GOtt geredet
und gerühmt/ was ists aber? Er liegt hier elen-
der/ als ein ander Mensch. Daneben werde
ich von mir selber angefochten/ nemlich also:
Du hast doch deine Liebe und Lust allein an
dem HErrn und sein Wort gehabt: ist diß
nun deine Belohnung/ daß du also miserabel
in der Noth allein stehen must/ und voll
unerträglicher unnatürlicher Pein? Denn
mit GOtt will ichs halten/ und seine Hand
oder Versuchung wahrnehmen/ ich habe auch
den HErren nicht um Erleichterung der
Schmertzen bitten dürffen/ denn ich habe wohl
den kleinen Kindern befohlen/ daß sie vor ihren
besten Vater bitten solten/ als die ihren besten
Vater in solchen grossen Schmertzen erbärm-
lich sahen/ ob GOtt durch ihr Bitten mein E-
lend ansehen wolte.

Da sprach Brandeliers:

Herr/ wir müssen an GOtt glauben/ und
frey und fest auff ihn vertrauen/ einen starcken
Muth biß ans Ende zu behalten.

Er antwortete:

Hierunter sehe ich doch noch einen Betrug/
welchen nicht ein ieder siehet. Denn ein
Mensch/ der so frey und fest zu stehen vermeynt/
möchte auff seinen freyen Muth vertrauen/ viel
von sich selbst halten und über andere sich erhe-
ben/ und also großmüthig dahin gehen/ auch ei-
nen kleinen furchtsamen verwerffen/ und vor
nichts achten. Dahingegen ein anderer wohl
in einen Winckel kröche/ und von seinen Sün-
den beschwert und beängstigt sitzen solte/ sich
selbst vor nichts achten/ und dem kleinsten
Würmgen auff Erden vergleichen/ seine Au-
gen vor GOtt nicht auffheben/ wegen seiner
Unwürdigkeit und Nichtigkeit vor seinem
GOtt. Ein solch Hertze achte und preise ich
grösser/ mit diesem Grund will ich dahin fah-
ren.

Ach/ Eg. erkennt ihr die Zeit/ darinn ihr ste-
stet/ und nehmet sie wahr. Ach es wird so vie-
les versäumet! Ach die nun ihre Kisten und
Kasten gefüllt haben!

Da sprach der Eg.

Ach dieses druckt mich nun sehr/ daß ich in
meines GOttes Kisten und Kasten keinen
Vorrath sehe/ und nichts habe/ damit ich mich
trösten mag/ als mit des HErren Gnade.

Da sprach er:

Trachtet nach einem auffrichtigen Hertzen/
liebet und suchet Verstand/ und glaubet dem
Geist der Warheit; der Tag/ der Tag/ ja der
Tag wird alles offenbahren/ ja eines ieden
Hertz wird er offenbahren.

Ach es ist zu viel/ was ihr nun mir thut/ denn
ich finde es mir doch alles unanständig/ ja un-
würdiger bin ich/ als das kleinste Thierlein auf
Erden.

Erndtet nun/ wo ihr gesäet habt/ betet/ betet
und wachet/ auch vor euch selbst/ bedenckt euch

selbst

oder Zuſaͤtze.
[Spaltenumbruch] Auffrichtigkeit nachjaget/ ſo wirds mit dem
Hauſe nicht wohl ſtehen.

Hier antworteten ſie: Lieber Vater/ das wol-
len wir von gantzem Hertzen thun.

Er ſprach ferner:

O ihr N. N. verſaͤumet die Zeit nicht/ gehet
immer in den Wercken GOttes weiter/ erzeiget
in eurer Widerwaͤrtigkeit Glauben und
Gedult. Jch ſuche nichts als Liebe und Treue/
darinn ſeyd mir doch nicht entgegen.

Sie antworteten: Das wollen wir auch
thun.

Er ſprach aber:

Ach! der Menſch kennet ſich ſelber nicht;
Ein Schalck hat niemals treue Liebe. Jch
weiß euch nichts mehr zu ſagen/ als daß die
Auffrichtigen in groß Leiden kommen werden/
und viel Jammer wird ſie ergreiffen: wer aber
beſtaͤndig bleibt biß ans Ende/ der ſoll ſelig
werden.

Woferne mich der HErr aus dem Fleiſche
nimmt/ ſo duͤrfft ihr nicht dencken/ daß ich zu-
letzt viel Worte machen werde/ denn ich habe
zuvor genug geredet. Der HErr redete auch
wenig in ſeinem Tode.

Halt feſt/ halt feſt/ ob gleich ſehr ange-
ſtrenget wird; es mag wohl ein guter Chriſt
heiſſen/ wer einen auffrichtigen Chriſten bey
ſich leiden und vertragen kan.

Ach Eg. hab ich euch nicht geſagt/ daß et-
was vorhanden waͤre/ da ihr wohlthaͤtet/ daß
ihr euer wahrnehmet.

Jch dachte es wohl/ daß die Zeit nahe waͤre/
darum hab ich mich auch nicht verſaͤumet.

Ach wie ungerne ſehe ich/ wie N. N. N. ver-
lohren gehen/ denen die Wahrheit/ Liebe und
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wolt haben! Kinder/ Kinder/ huͤtet euch doch
vor allem irrdiſchen/ weltlichen/ eiteln und nich-
tigen/ es ſey Luſt/ Freude oder Liebe/ euer Hertze
darauff zu ſetzen/ denn es wird euch alſo verfuͤh-
ren und betruͤgen/ und ins Verderben bringen.
Jch ſuche nichts denn Liebe und Treue/ darinn
wuͤnſch ich/ daß mir niemand zuwider/ ſondern
nuͤtzlich ſey.

Sie antworteten: Ja wir wollen euch darinn
nicht entgegen/ ſondern nuͤtzlich ſeyn.

Er ſprach:

Ach/ der Menſch kennt ſich ſelber nicht/
‒ ‒ N. geht ſo viel zu. Mir ſind keine Gaben
angenehm/ oder lieb/ als nur die Auffrichtigen.
Treue und Auffrichtigkeit; einem Hertzen/ das
auffrichtig iſt/ dem ſchadet alles nicht/ was es
thut. Dencket auff keinen Lohn/ noch erwar-
tet ihn. O man findet ihrer ſo wenig! O wie
wehe thuts mir/ daß meiner treuen Arbeit nicht
mehr wahrgenommen wird!

An einem Morgen fruͤhe ſprach
er alſo:

O was hab ich dieſe Nacht uͤber vor Wun-
der gehabt: die hoͤchſten Hoͤhen der Him̃el/ und
die tieffſten Abgruͤnde der Hoͤllen bin ich durch-
gefahren. Gedult hab ich in allen behalten/
und mit GOtt will ichs ewiglich aushalten.

Unter andern ſprach er zu Brandeliers
alſo:

Ehe denn einer zur Niedrigkeit und zur Veꝛ-
nichtung kommt/ muß er ſo viel durchgehen/
[Spaltenumbruch] daß es zu verwundern iſt. Wer dieſes zu er-
fahren kriegt/ iſt mir lieber und werther als
10000 andere. Denn wer nur mit dem
Mund davon redet/ und nicht zur Erfahrung
kommt/ der wird einen groſſen Teuffel in ſich
befinden.

Ein Unwiſſender ſolte nun wohl ſagen: Da
liegt er nun; wie lange hat er von GOtt geredet
und geruͤhmt/ was iſts aber? Er liegt hier elen-
der/ als ein ander Menſch. Daneben werde
ich von mir ſelber angefochten/ nemlich alſo:
Du haſt doch deine Liebe und Luſt allein an
dem HErrn und ſein Wort gehabt: iſt diß
nun deine Belohnung/ daß du alſo miſerabel
in der Noth allein ſtehen muſt/ und voll
unertraͤglicher unnatuͤrlicher Pein? Denn
mit GOtt will ichs halten/ und ſeine Hand
oder Verſuchung wahrnehmen/ ich habe auch
den HErren nicht um Erleichterung der
Schmertzen bitten duͤrffen/ denn ich habe wohl
den kleinen Kindern befohlen/ daß ſie vor ihren
beſten Vater bitten ſolten/ als die ihren beſten
Vater in ſolchen groſſen Schmertzen erbaͤrm-
lich ſahen/ ob GOtt durch ihr Bitten mein E-
lend anſehen wolte.

Da ſprach Brandeliers:

Herr/ wir muͤſſen an GOtt glauben/ und
frey und feſt auff ihn vertrauen/ einen ſtarcken
Muth biß ans Ende zu behalten.

Er antwortete:

Hierunter ſehe ich doch noch einen Betrug/
welchen nicht ein ieder ſiehet. Denn ein
Menſch/ der ſo frey und feſt zu ſtehen veꝛmeynt/
moͤchte auff ſeinen freyen Muth vertrauen/ viel
von ſich ſelbſt halten und uͤber andere ſich erhe-
ben/ und alſo großmuͤthig dahin gehen/ auch ei-
nen kleinen furchtſamen verwerffen/ und vor
nichts achten. Dahingegen ein anderer wohl
in einen Winckel kroͤche/ und von ſeinen Suͤn-
den beſchwert und beaͤngſtigt ſitzen ſolte/ ſich
ſelbſt vor nichts achten/ und dem kleinſten
Wuͤrmgen auff Erden vergleichen/ ſeine Au-
gen vor GOtt nicht auffheben/ wegen ſeiner
Unwuͤrdigkeit und Nichtigkeit vor ſeinem
GOtt. Ein ſolch Hertze achte und preiſe ich
groͤſſer/ mit dieſem Grund will ich dahin fah-
ren.

Ach/ Eg. erkennt ihr die Zeit/ darinn ihr ſte-
ſtet/ und nehmet ſie wahr. Ach es wird ſo vie-
les verſaͤumet! Ach die nun ihre Kiſten und
Kaſten gefuͤllt haben!

Da ſprach der Eg.

Ach dieſes druckt mich nun ſehr/ daß ich in
meines GOttes Kiſten und Kaſten keinen
Vorrath ſehe/ und nichts habe/ damit ich mich
troͤſten mag/ als mit des HErren Gnade.

Da ſprach er:

Trachtet nach einem auffrichtigen Hertzen/
liebet und ſuchet Verſtand/ und glaubet dem
Geiſt der Warheit; der Tag/ der Tag/ ja der
Tag wird alles offenbahren/ ja eines ieden
Hertz wird er offenbahren.

Ach es iſt zu viel/ was ihr nun mir thut/ denn
ich finde es mir doch alles unanſtaͤndig/ ja un-
wuͤrdiger bin ich/ als das kleinſte Thierlein auf
Erden.

Erndtet nun/ wo ihr geſaͤet habt/ betet/ betet
und wachet/ auch vor euch ſelbſt/ bedenckt euch

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[7/1163] oder Zuſaͤtze. Auffrichtigkeit nachjaget/ ſo wirds mit dem Hauſe nicht wohl ſtehen. Hier antworteten ſie: Lieber Vater/ das wol- len wir von gantzem Hertzen thun. Er ſprach ferner: O ihr N. N. verſaͤumet die Zeit nicht/ gehet immer in den Wercken GOttes weiter/ erzeiget in eurer Widerwaͤrtigkeit Glauben und Gedult. Jch ſuche nichts als Liebe und Treue/ darinn ſeyd mir doch nicht entgegen. Sie antworteten: Das wollen wir auch thun. Er ſprach aber: Ach! der Menſch kennet ſich ſelber nicht; Ein Schalck hat niemals treue Liebe. Jch weiß euch nichts mehr zu ſagen/ als daß die Auffrichtigen in groß Leiden kommen werden/ und viel Jammer wird ſie ergreiffen: wer aber beſtaͤndig bleibt biß ans Ende/ der ſoll ſelig werden. Woferne mich der HErr aus dem Fleiſche nimmt/ ſo duͤrfft ihr nicht dencken/ daß ich zu- letzt viel Worte machen werde/ denn ich habe zuvor genug geredet. Der HErr redete auch wenig in ſeinem Tode. Halt feſt/ halt feſt/ ob gleich ſehr ange- ſtrenget wird; es mag wohl ein guter Chriſt heiſſen/ wer einen auffrichtigen Chriſten bey ſich leiden und vertragen kan. Ach Eg. hab ich euch nicht geſagt/ daß et- was vorhanden waͤre/ da ihr wohlthaͤtet/ daß ihr euer wahrnehmet. Jch dachte es wohl/ daß die Zeit nahe waͤre/ darum hab ich mich auch nicht verſaͤumet. Ach wie ungerne ſehe ich/ wie N. N. N. ver- lohren gehen/ denen die Wahrheit/ Liebe und Treue vorgetragen iſt/ und die noch nicht ge- wolt haben! Kinder/ Kinder/ huͤtet euch doch vor allem irrdiſchen/ weltlichen/ eiteln und nich- tigen/ es ſey Luſt/ Freude oder Liebe/ euer Hertze darauff zu ſetzen/ denn es wird euch alſo verfuͤh- ren und betruͤgen/ und ins Verderben bringen. Jch ſuche nichts denn Liebe und Treue/ darinn wuͤnſch ich/ daß mir niemand zuwider/ ſondern nuͤtzlich ſey. Sie antworteten: Ja wir wollen euch darinn nicht entgegen/ ſondern nuͤtzlich ſeyn. Er ſprach: Ach/ der Menſch kennt ſich ſelber nicht/ ‒ ‒ N. geht ſo viel zu. Mir ſind keine Gaben angenehm/ oder lieb/ als nur die Auffrichtigen. Treue und Auffrichtigkeit; einem Hertzen/ das auffrichtig iſt/ dem ſchadet alles nicht/ was es thut. Dencket auff keinen Lohn/ noch erwar- tet ihn. O man findet ihrer ſo wenig! O wie wehe thuts mir/ daß meiner treuen Arbeit nicht mehr wahrgenommen wird! An einem Morgen fruͤhe ſprach er alſo: O was hab ich dieſe Nacht uͤber vor Wun- der gehabt: die hoͤchſten Hoͤhen der Him̃el/ und die tieffſten Abgruͤnde der Hoͤllen bin ich durch- gefahren. Gedult hab ich in allen behalten/ und mit GOtt will ichs ewiglich aushalten. Unter andern ſprach er zu Brandeliers alſo: Ehe denn einer zur Niedrigkeit und zur Veꝛ- nichtung kommt/ muß er ſo viel durchgehen/ daß es zu verwundern iſt. Wer dieſes zu er- fahren kriegt/ iſt mir lieber und werther als 10000 andere. Denn wer nur mit dem Mund davon redet/ und nicht zur Erfahrung kommt/ der wird einen groſſen Teuffel in ſich befinden. Ein Unwiſſender ſolte nun wohl ſagen: Da liegt er nun; wie lange hat er von GOtt geredet und geruͤhmt/ was iſts aber? Er liegt hier elen- der/ als ein ander Menſch. Daneben werde ich von mir ſelber angefochten/ nemlich alſo: Du haſt doch deine Liebe und Luſt allein an dem HErrn und ſein Wort gehabt: iſt diß nun deine Belohnung/ daß du alſo miſerabel in der Noth allein ſtehen muſt/ und voll unertraͤglicher unnatuͤrlicher Pein? Denn mit GOtt will ichs halten/ und ſeine Hand oder Verſuchung wahrnehmen/ ich habe auch den HErren nicht um Erleichterung der Schmertzen bitten duͤrffen/ denn ich habe wohl den kleinen Kindern befohlen/ daß ſie vor ihren beſten Vater bitten ſolten/ als die ihren beſten Vater in ſolchen groſſen Schmertzen erbaͤrm- lich ſahen/ ob GOtt durch ihr Bitten mein E- lend anſehen wolte. Da ſprach Brandeliers: Herr/ wir muͤſſen an GOtt glauben/ und frey und feſt auff ihn vertrauen/ einen ſtarcken Muth biß ans Ende zu behalten. Er antwortete: Hierunter ſehe ich doch noch einen Betrug/ welchen nicht ein ieder ſiehet. Denn ein Menſch/ der ſo frey und feſt zu ſtehen veꝛmeynt/ moͤchte auff ſeinen freyen Muth vertrauen/ viel von ſich ſelbſt halten und uͤber andere ſich erhe- ben/ und alſo großmuͤthig dahin gehen/ auch ei- nen kleinen furchtſamen verwerffen/ und vor nichts achten. Dahingegen ein anderer wohl in einen Winckel kroͤche/ und von ſeinen Suͤn- den beſchwert und beaͤngſtigt ſitzen ſolte/ ſich ſelbſt vor nichts achten/ und dem kleinſten Wuͤrmgen auff Erden vergleichen/ ſeine Au- gen vor GOtt nicht auffheben/ wegen ſeiner Unwuͤrdigkeit und Nichtigkeit vor ſeinem GOtt. Ein ſolch Hertze achte und preiſe ich groͤſſer/ mit dieſem Grund will ich dahin fah- ren. Ach/ Eg. erkennt ihr die Zeit/ darinn ihr ſte- ſtet/ und nehmet ſie wahr. Ach es wird ſo vie- les verſaͤumet! Ach die nun ihre Kiſten und Kaſten gefuͤllt haben! Da ſprach der Eg. Ach dieſes druckt mich nun ſehr/ daß ich in meines GOttes Kiſten und Kaſten keinen Vorrath ſehe/ und nichts habe/ damit ich mich troͤſten mag/ als mit des HErren Gnade. Da ſprach er: Trachtet nach einem auffrichtigen Hertzen/ liebet und ſuchet Verſtand/ und glaubet dem Geiſt der Warheit; der Tag/ der Tag/ ja der Tag wird alles offenbahren/ ja eines ieden Hertz wird er offenbahren. Ach es iſt zu viel/ was ihr nun mir thut/ denn ich finde es mir doch alles unanſtaͤndig/ ja un- wuͤrdiger bin ich/ als das kleinſte Thierlein auf Erden. Erndtet nun/ wo ihr geſaͤet habt/ betet/ betet und wachet/ auch vor euch ſelbſt/ bedenckt euch ſelbſt

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/1163>, abgerufen am 01.05.2024.