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Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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das Leben außer dem Hause als das allein schöne kennen und wurde Meisterin einer weltläufigen Verstellungskunst; denn wenn man den Diethelm erinnerte, zu welcher Stellung er, der frühere Knecht, gekommen war, verfehlte er nicht, sein häusliches Glück zu preisen. Schon mit ihrem fünfzehnten Jahre merkte Fränz die bald offenen, bald versteckteren Werbungen um sie, und sie verstand es, dieselben hinzuhalten, während sie daheim den getreuen Munde am Bändel führte und ihn in der That von Herzen lieb hatte. Denn Fränz war bei alle dem doch kein durchaus verdorbenes Wesen, sie war gutherzig und arbeitsam, nach Laune oft bis zum Uebermaß, sie hatte die Lust zu schenken, wie ihr Vater; nur erschien ihr das, was man als Liebe pries, oft wie ein Possenspiel, sie sah es ja vor sich bei ihren Eltern; sie glaubte nicht an einen Frieden, und Alles war nur der Welt wegen, damit Die draußen nichts merken. Wenn Zank und Hader zwischen den Eltern war, erging es ihr fast noch am besten, da wurde sie von Jedem gehätschelt und durfte thun, was sie wollte; und wenn dann eine Versöhnung stattgefunden hatte, in der sich Jedes bestrebte, dem Andern besonders liebreich zu sein, hätte sie gerne vor Verachtung die Zunge gegen Beide herausgestreckt; sie wußte ja wohl, daß keine Friedsamkeit von Dauer war. Fränz war in der That, wie sie schon Medard auf dem Markte genannt hatte, ein Nückel. Ein Oberdeutscher weiß gleich, was es heißen will, und es wird ihm doch schwer, dies zu erklären; denn damit, daß es ein Wesen voll Tücken und Nücken bezeichnet, ist noch nicht Alles erschöpft, ist ja damit noch nicht dargethan, daß man dem Nückel auch gut sein muß, man mag wollen oder nicht. Der Nückel kann bis zu einem gewissen Grade aufrichtig, treuherzig sein, er kann es manchen Menschen anthun, daß sie ihm zu Willen leben müssen, und wenn sie sich tausendmal darüber ärgern, und dann hat der Nückel seine besondere Freude, mit den Menschen zu spielen, sie gegen einander zu hetzen, und wenn die Händel ausgebrochen sind, daneben zu

das Leben außer dem Hause als das allein schöne kennen und wurde Meisterin einer weltläufigen Verstellungskunst; denn wenn man den Diethelm erinnerte, zu welcher Stellung er, der frühere Knecht, gekommen war, verfehlte er nicht, sein häusliches Glück zu preisen. Schon mit ihrem fünfzehnten Jahre merkte Fränz die bald offenen, bald versteckteren Werbungen um sie, und sie verstand es, dieselben hinzuhalten, während sie daheim den getreuen Munde am Bändel führte und ihn in der That von Herzen lieb hatte. Denn Fränz war bei alle dem doch kein durchaus verdorbenes Wesen, sie war gutherzig und arbeitsam, nach Laune oft bis zum Uebermaß, sie hatte die Lust zu schenken, wie ihr Vater; nur erschien ihr das, was man als Liebe pries, oft wie ein Possenspiel, sie sah es ja vor sich bei ihren Eltern; sie glaubte nicht an einen Frieden, und Alles war nur der Welt wegen, damit Die draußen nichts merken. Wenn Zank und Hader zwischen den Eltern war, erging es ihr fast noch am besten, da wurde sie von Jedem gehätschelt und durfte thun, was sie wollte; und wenn dann eine Versöhnung stattgefunden hatte, in der sich Jedes bestrebte, dem Andern besonders liebreich zu sein, hätte sie gerne vor Verachtung die Zunge gegen Beide herausgestreckt; sie wußte ja wohl, daß keine Friedsamkeit von Dauer war. Fränz war in der That, wie sie schon Medard auf dem Markte genannt hatte, ein Nückel. Ein Oberdeutscher weiß gleich, was es heißen will, und es wird ihm doch schwer, dies zu erklären; denn damit, daß es ein Wesen voll Tücken und Nücken bezeichnet, ist noch nicht Alles erschöpft, ist ja damit noch nicht dargethan, daß man dem Nückel auch gut sein muß, man mag wollen oder nicht. Der Nückel kann bis zu einem gewissen Grade aufrichtig, treuherzig sein, er kann es manchen Menschen anthun, daß sie ihm zu Willen leben müssen, und wenn sie sich tausendmal darüber ärgern, und dann hat der Nückel seine besondere Freude, mit den Menschen zu spielen, sie gegen einander zu hetzen, und wenn die Händel ausgebrochen sind, daneben zu

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:04:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:04:01Z)

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Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/61>, abgerufen am 30.04.2024.