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Allgemeine Zeitung. Nr. 6. Augsburg, 6. Januar 1840.

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stürzen die Wähler in die Kirche; die Patrioten kann man sogleich erkennen; sie behalten ihre Hüte auf, rauchen Cigarren, und bemächtigen sich des vor dem Hauptaltar aufgeschlagenen Tisches, um sofort aus ihrer Mitte das Bureau zusammenzusetzen, wozu denn im voraus die wenigen des Schreibens kundigen Männer ausgesucht werden. So oft sich nun ein Moderirter dem Tische naht, um seine Stimme abzugeben, entsteht ein lautes Geschrei: "Ein Frack, ein Krebs!" (Anspielung auf retrograde Gesinnungen) und bescheiden zieht sich der Absolutist zurück. In einer der Pfarrkirchen sah ich den Herzog von Hijar erscheinen, und sich dem vorsitzenden Wahlmanne, einem schmutzigen Tischlergesellen, nennen. "Sprechen Sie lauter, fuhr dieser ihn an, wer sind Sie?" Der Herzog, einer der bekanntesten Männer von Madrid, Grande von Spanien und Oberkammerherr der Königin, nannte sich abermals. "Was Herzog! erwiederte der Handwerker; ich muß wissen, von welchem Gewerbe Sie leben!" Lauter Beifall erscholl, und der sechzigjährige Herzog zog sich zurück. Dabei muß ich Ihnen bemerken, daß in keinem Lande der Welt eine solche Gleichheit der Stände herrscht, wie in Spanien; der vornehmste Mann würde es nicht wagen, sich gegen den geringsten Taglöhner etwas herauszunehmen, und der erste Grande von Spanien macht im geselligen Leben keine Ansprüche. Die stolzeste Haltung nehmen in Spanien gerade die Bettler an; Niemand reicht ihnen etwas, aber jeder erwiedert höflichst ihren Gruß. Sie können leicht denken, was für ein Gemeinderath aus solchem Holze gehauen wird. Je mehr derselbe sich an Gegenständen der öffentlichen Achtung versündigt, für um so liberaler gelten seine Mitglieder. Von den ältesten Zeiten her wurde in dem hiesigen Theater eine große reich decorirte Mittelloge für die königliche Familie offen gehalten, und das Bild der jungen Königin war darin aufgestellt. Links von derselben hatte das Ayuntamiento eine kleinere Loge inne. Vor einiger Zeit aber ließ diese Volksbehörde das Bildniß der Königin entfernen, und die Alcalden und Regidoren nahmen selbst die Mittelloge ein. Sie waren indessen so höflich, der Königin-Regentin sagen zu lassen, sie würden für jedesmal, wo es ihr belieben sollte, das Theater zu besuchen, die Loge ihr abtreten! (Deutsche Bl.)

Niederlande.

Aus der vorgestrigen Sitzung der zweiten Kammer der Generalstaaten tragen wir noch Folgendes von der Erörterung des Gesetzesentwurfs zur vorläufigen Feststellung der Staatsausgaben und Mittel für die ersten sechs Monate von 1840 nach. Die HH. Roell, Warin, Luyben, Romme, Luzac, Gevetes und van Sytzama bekämpfen den Entwurf, hauptsächlich aus den früher bereits entwickelten Gründen, so wie, weil die Regierung noch immer keine Bürgschaft für die Zukunft gegeben, noch sich über die Revision des Grundgesetzes, die Aufhebung des Syndicates, die Revision der Gesetze in Betreff der Rechenkammer erklärt habe und weil auch der jetzt vorgeschlagene Betrag höher sey, als das einstimmig verworfene Budget. Hr. Gevers meinte, mit diesem Gesetze werde nicht viel gewonnen werden, da man sich nach sechs Monaten wieder auf demselben Standpunkte befinden werde. Hr. Corver Hooft äußerte, er werde nähere Aufklärungen des Ministers abwarten, bevor er sich erkläre; die Furcht, daß die Rentenzahlung nicht geschehen könne, werde ihn hauptsächlich veranlassen, dem Entwurf seine Zustimmung zu geben. Hr. Frets sprach sich dahin aus, das Interesse des Vaterlandes fordere, ohne Präjudiz aller Fragen, die Annahme des Gesetzes. Hr. de Jonge äußerte eine gleiche Meinung; vor Allem glaubte er, sey das Gesetz im Interesse des Vaterlandes anzunehmen, wenn man bedenke, was aus unserm Zustande werden solle, wenn das Jahr 1840 begonnen werde, ohne daß das Budget auf grundgesetzliche Weise festgestellt sey. Man habe gesagt, die geforderten Bürgschaften seyen nicht gegeben und die Revision des Grundgesetzes etc. nicht zugesagt worden. Hiergegen müsse er bemerken, daß von dem König persönlich in feierlicher Sitzung die Zusicherung einer Revision des Grundgesetzes gegeben worden, die zudem seit der Trennung von Belgien nicht lange mehr ausgestellt werden könne. In Betreff der Aufhebung des Syndicats sey bestimmt mitgetheilt worden, daß die deßfallsigen Vorschläge noch im Laufe dieser Session gemacht werden sollen, und falls er gut unterrichtet sey, liege diese Angelegenheit schon jetzt der Staatscommission der Finanzen zur Berathung vor. Was die Revision des Reglements der Rechenkammer betreffe, so glaube er, daß diese reifliche Erwägung erheische und daß es unmöglich sey, auf den erst seit kurzem von der Kammer kund gegebenen Wunsch jetzt schon dieserhalb Vorschläge zu machen. Wenn auch die Regierung binnen den ersten sechs Monaten die drei verlangten Vorschläge nicht mache, müsse seiner Meinung nach ein Creditgesetz für sechs Monate angenommen werden, da die Regierung sonst nicht allen Bedürfnissen des Jahrs 1840 entsprechen könne. Der Redner fragte, ob die Regierung nicht ein gefährliches Spiel spielen werde, wenn sie die zugesagten Vorschläge nicht thue oder sogar beschränkte Vorschläge mache. Er könne sich nicht verbergen, die Regierung habe bereits viel dadurch verloren, daß sie über Monat und Tag verschoben, und meine, ihr eigenes Interesse erheische, die Vorschläge möglichst zu beschleunigen. Nun trat der Staatsminister van Gennep auf, um das Gesetz zu vertheidigen. Er sagte zuerst, der Zweck des Gesetzes sey einfach, einem Stillstande in den Finanzen vorzubeugen, er stehe nicht mit Zwistigkeiten in Bezug auf das Grundgesetz in Verbindung, und Niemand könne dadurch in seiner Meinung präjudiciirt werden. Was die Bestimmungen des Gesetzes betreffe, so fordere der Art. 1 einfach eine Verlängerung des Budgets von 1839 für sechs Monate; diese Frist sey nicht zu lang, besonders wenn man verlange, daß in der Zwischenzeit so viele Punkte von hoher Wichtigkeit verhandelt werden sollen. Der Minister sprach sich nun ausführlich aus über die im Namen des Königs gegebene Versicherung, daß die Ausgaben für das Kriegsdepartement 1840 zwölf Millionen nicht übersteigen sollten, welche Versicherung er wiederholte. Er schloß den Vortrag mit folgenden Bemerkungen: "Die Annahme des Vorschlags ist nöthig für die Befestigung des öffentlichen Staatscredits. Dessen Verwerfung dürfte denselben vernichten, dessen Annahme einen wohlthätigen Eindruck machen. Dieß zu beweisen, erinnere ich daran, daß in den ersten Zeiten nach dem belgischen Aufstand der financielle Zustand des Vaterlandes sich in einem sehr drückenden Zustande befand, daß aber damals geschah, was besondere Beachtung verdient: die Britten kamen nämlich durch Ankauf in den Besitz vieler unserer Fonds und haben uns dadurch in die Lage gebracht, einen Zustand der Dinge aufrecht zu halten, der die Ehre des Vaterlandes rettete, und dasselbe im Auslande in Ansehen und Ehre bedeutend steigen ließ. Dieser Umstand hatte früher nie statt. Das Beispiel der Britten wurde von den Deutschen und Franzosen befolgt. Das Ausland ist dadurch bei dem Schicksale unserer vaterländischen Fonds sehr interessirt worden. Was sollte denn wohl die Folge seyn, wenn dem Credit des Landes ein heftiger Stoß beigebracht würde? Das Ausland würde dessen Fonds verkaufen. Niedrigere Preise, ein allgemeines Drücken würden die Folgen davon seyn, und das würde zum Nachtheil vieler


stürzen die Wähler in die Kirche; die Patrioten kann man sogleich erkennen; sie behalten ihre Hüte auf, rauchen Cigarren, und bemächtigen sich des vor dem Hauptaltar aufgeschlagenen Tisches, um sofort aus ihrer Mitte das Bureau zusammenzusetzen, wozu denn im voraus die wenigen des Schreibens kundigen Männer ausgesucht werden. So oft sich nun ein Moderirter dem Tische naht, um seine Stimme abzugeben, entsteht ein lautes Geschrei: „Ein Frack, ein Krebs!“ (Anspielung auf retrograde Gesinnungen) und bescheiden zieht sich der Absolutist zurück. In einer der Pfarrkirchen sah ich den Herzog von Hijar erscheinen, und sich dem vorsitzenden Wahlmanne, einem schmutzigen Tischlergesellen, nennen. „Sprechen Sie lauter, fuhr dieser ihn an, wer sind Sie?“ Der Herzog, einer der bekanntesten Männer von Madrid, Grande von Spanien und Oberkammerherr der Königin, nannte sich abermals. „Was Herzog! erwiederte der Handwerker; ich muß wissen, von welchem Gewerbe Sie leben!“ Lauter Beifall erscholl, und der sechzigjährige Herzog zog sich zurück. Dabei muß ich Ihnen bemerken, daß in keinem Lande der Welt eine solche Gleichheit der Stände herrscht, wie in Spanien; der vornehmste Mann würde es nicht wagen, sich gegen den geringsten Taglöhner etwas herauszunehmen, und der erste Grande von Spanien macht im geselligen Leben keine Ansprüche. Die stolzeste Haltung nehmen in Spanien gerade die Bettler an; Niemand reicht ihnen etwas, aber jeder erwiedert höflichst ihren Gruß. Sie können leicht denken, was für ein Gemeinderath aus solchem Holze gehauen wird. Je mehr derselbe sich an Gegenständen der öffentlichen Achtung versündigt, für um so liberaler gelten seine Mitglieder. Von den ältesten Zeiten her wurde in dem hiesigen Theater eine große reich decorirte Mittelloge für die königliche Familie offen gehalten, und das Bild der jungen Königin war darin aufgestellt. Links von derselben hatte das Ayuntamiento eine kleinere Loge inne. Vor einiger Zeit aber ließ diese Volksbehörde das Bildniß der Königin entfernen, und die Alcalden und Regidoren nahmen selbst die Mittelloge ein. Sie waren indessen so höflich, der Königin-Regentin sagen zu lassen, sie würden für jedesmal, wo es ihr belieben sollte, das Theater zu besuchen, die Loge ihr abtreten! (Deutsche Bl.)

Niederlande.

Aus der vorgestrigen Sitzung der zweiten Kammer der Generalstaaten tragen wir noch Folgendes von der Erörterung des Gesetzesentwurfs zur vorläufigen Feststellung der Staatsausgaben und Mittel für die ersten sechs Monate von 1840 nach. Die HH. Roell, Warin, Luyben, Romme, Luzac, Gevetes und van Sytzama bekämpfen den Entwurf, hauptsächlich aus den früher bereits entwickelten Gründen, so wie, weil die Regierung noch immer keine Bürgschaft für die Zukunft gegeben, noch sich über die Revision des Grundgesetzes, die Aufhebung des Syndicates, die Revision der Gesetze in Betreff der Rechenkammer erklärt habe und weil auch der jetzt vorgeschlagene Betrag höher sey, als das einstimmig verworfene Budget. Hr. Gevers meinte, mit diesem Gesetze werde nicht viel gewonnen werden, da man sich nach sechs Monaten wieder auf demselben Standpunkte befinden werde. Hr. Corver Hooft äußerte, er werde nähere Aufklärungen des Ministers abwarten, bevor er sich erkläre; die Furcht, daß die Rentenzahlung nicht geschehen könne, werde ihn hauptsächlich veranlassen, dem Entwurf seine Zustimmung zu geben. Hr. Frets sprach sich dahin aus, das Interesse des Vaterlandes fordere, ohne Präjudiz aller Fragen, die Annahme des Gesetzes. Hr. de Jonge äußerte eine gleiche Meinung; vor Allem glaubte er, sey das Gesetz im Interesse des Vaterlandes anzunehmen, wenn man bedenke, was aus unserm Zustande werden solle, wenn das Jahr 1840 begonnen werde, ohne daß das Budget auf grundgesetzliche Weise festgestellt sey. Man habe gesagt, die geforderten Bürgschaften seyen nicht gegeben und die Revision des Grundgesetzes etc. nicht zugesagt worden. Hiergegen müsse er bemerken, daß von dem König persönlich in feierlicher Sitzung die Zusicherung einer Revision des Grundgesetzes gegeben worden, die zudem seit der Trennung von Belgien nicht lange mehr ausgestellt werden könne. In Betreff der Aufhebung des Syndicats sey bestimmt mitgetheilt worden, daß die deßfallsigen Vorschläge noch im Laufe dieser Session gemacht werden sollen, und falls er gut unterrichtet sey, liege diese Angelegenheit schon jetzt der Staatscommission der Finanzen zur Berathung vor. Was die Revision des Reglements der Rechenkammer betreffe, so glaube er, daß diese reifliche Erwägung erheische und daß es unmöglich sey, auf den erst seit kurzem von der Kammer kund gegebenen Wunsch jetzt schon dieserhalb Vorschläge zu machen. Wenn auch die Regierung binnen den ersten sechs Monaten die drei verlangten Vorschläge nicht mache, müsse seiner Meinung nach ein Creditgesetz für sechs Monate angenommen werden, da die Regierung sonst nicht allen Bedürfnissen des Jahrs 1840 entsprechen könne. Der Redner fragte, ob die Regierung nicht ein gefährliches Spiel spielen werde, wenn sie die zugesagten Vorschläge nicht thue oder sogar beschränkte Vorschläge mache. Er könne sich nicht verbergen, die Regierung habe bereits viel dadurch verloren, daß sie über Monat und Tag verschoben, und meine, ihr eigenes Interesse erheische, die Vorschläge möglichst zu beschleunigen. Nun trat der Staatsminister van Gennep auf, um das Gesetz zu vertheidigen. Er sagte zuerst, der Zweck des Gesetzes sey einfach, einem Stillstande in den Finanzen vorzubeugen, er stehe nicht mit Zwistigkeiten in Bezug auf das Grundgesetz in Verbindung, und Niemand könne dadurch in seiner Meinung präjudiciirt werden. Was die Bestimmungen des Gesetzes betreffe, so fordere der Art. 1 einfach eine Verlängerung des Budgets von 1839 für sechs Monate; diese Frist sey nicht zu lang, besonders wenn man verlange, daß in der Zwischenzeit so viele Punkte von hoher Wichtigkeit verhandelt werden sollen. Der Minister sprach sich nun ausführlich aus über die im Namen des Königs gegebene Versicherung, daß die Ausgaben für das Kriegsdepartement 1840 zwölf Millionen nicht übersteigen sollten, welche Versicherung er wiederholte. Er schloß den Vortrag mit folgenden Bemerkungen: „Die Annahme des Vorschlags ist nöthig für die Befestigung des öffentlichen Staatscredits. Dessen Verwerfung dürfte denselben vernichten, dessen Annahme einen wohlthätigen Eindruck machen. Dieß zu beweisen, erinnere ich daran, daß in den ersten Zeiten nach dem belgischen Aufstand der financielle Zustand des Vaterlandes sich in einem sehr drückenden Zustande befand, daß aber damals geschah, was besondere Beachtung verdient: die Britten kamen nämlich durch Ankauf in den Besitz vieler unserer Fonds und haben uns dadurch in die Lage gebracht, einen Zustand der Dinge aufrecht zu halten, der die Ehre des Vaterlandes rettete, und dasselbe im Auslande in Ansehen und Ehre bedeutend steigen ließ. Dieser Umstand hatte früher nie statt. Das Beispiel der Britten wurde von den Deutschen und Franzosen befolgt. Das Ausland ist dadurch bei dem Schicksale unserer vaterländischen Fonds sehr interessirt worden. Was sollte denn wohl die Folge seyn, wenn dem Credit des Landes ein heftiger Stoß beigebracht würde? Das Ausland würde dessen Fonds verkaufen. Niedrigere Preise, ein allgemeines Drücken würden die Folgen davon seyn, und das würde zum Nachtheil vieler

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Man habe gesagt, die geforderten Bürgschaften seyen nicht gegeben und die Revision des Grundgesetzes etc. nicht zugesagt worden. Hiergegen müsse er bemerken, daß von dem König persönlich in feierlicher Sitzung die Zusicherung einer Revision des Grundgesetzes gegeben worden, die zudem seit der Trennung von Belgien nicht lange mehr ausgestellt werden könne. In Betreff der Aufhebung des Syndicats sey bestimmt mitgetheilt worden, daß die deßfallsigen Vorschläge noch im Laufe dieser Session gemacht werden sollen, und falls er gut unterrichtet sey, liege diese Angelegenheit schon jetzt der Staatscommission der Finanzen zur Berathung vor. Was die Revision des Reglements der Rechenkammer betreffe, so glaube er, daß diese reifliche Erwägung erheische und daß es unmöglich sey, auf den erst seit kurzem von der Kammer kund gegebenen Wunsch jetzt schon dieserhalb Vorschläge zu machen. Wenn auch die Regierung binnen den ersten sechs Monaten die drei verlangten Vorschläge nicht mache, müsse seiner Meinung nach ein Creditgesetz für sechs Monate angenommen werden, da die Regierung sonst nicht allen Bedürfnissen des Jahrs 1840 entsprechen könne. Der Redner fragte, ob die Regierung nicht ein gefährliches Spiel spielen werde, wenn sie die zugesagten Vorschläge nicht thue oder sogar beschränkte Vorschläge mache. Er könne sich nicht verbergen, die Regierung habe bereits viel dadurch verloren, daß sie über Monat und Tag verschoben, und meine, ihr eigenes Interesse erheische, die Vorschläge möglichst zu beschleunigen. Nun trat der Staatsminister <hi rendition="#g">van Gennep</hi> auf, um das Gesetz zu vertheidigen. Er sagte zuerst, der Zweck des Gesetzes sey einfach, einem Stillstande in den Finanzen vorzubeugen, er stehe nicht mit Zwistigkeiten in Bezug auf das Grundgesetz in Verbindung, und Niemand könne dadurch in seiner Meinung präjudiciirt werden. Was die Bestimmungen des Gesetzes betreffe, so fordere der Art. 1 einfach eine Verlängerung des Budgets von 1839 für sechs Monate; diese Frist sey nicht zu lang, besonders wenn man verlange, daß in der Zwischenzeit so viele Punkte von hoher Wichtigkeit verhandelt werden sollen. Der Minister sprach sich nun ausführlich aus über die im Namen des Königs gegebene Versicherung, daß die Ausgaben für das Kriegsdepartement 1840 zwölf Millionen nicht übersteigen sollten, welche Versicherung er wiederholte. Er schloß den Vortrag mit folgenden Bemerkungen: &#x201E;Die Annahme des Vorschlags ist nöthig für die Befestigung des öffentlichen Staatscredits. Dessen Verwerfung dürfte denselben vernichten, dessen Annahme einen wohlthätigen Eindruck machen. Dieß zu beweisen, erinnere ich daran, daß in den ersten Zeiten nach dem belgischen Aufstand der financielle Zustand des Vaterlandes sich in einem sehr drückenden Zustande befand, daß aber damals geschah, was besondere Beachtung verdient: die Britten kamen nämlich durch Ankauf in den Besitz vieler unserer Fonds und haben uns dadurch in die Lage gebracht, einen Zustand der Dinge aufrecht zu halten, der die Ehre des Vaterlandes rettete, und dasselbe im Auslande in Ansehen und Ehre bedeutend steigen ließ. Dieser Umstand hatte früher nie statt. Das Beispiel der Britten wurde von den Deutschen und Franzosen befolgt. Das Ausland ist dadurch bei dem Schicksale unserer vaterländischen Fonds sehr interessirt worden. Was sollte denn wohl die Folge seyn, wenn dem Credit des Landes ein heftiger Stoß beigebracht würde? Das Ausland würde dessen Fonds verkaufen. Niedrigere Preise, ein allgemeines Drücken würden die Folgen davon seyn, und das würde zum Nachtheil vieler<lb/></p>
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[0043/0011] stürzen die Wähler in die Kirche; die Patrioten kann man sogleich erkennen; sie behalten ihre Hüte auf, rauchen Cigarren, und bemächtigen sich des vor dem Hauptaltar aufgeschlagenen Tisches, um sofort aus ihrer Mitte das Bureau zusammenzusetzen, wozu denn im voraus die wenigen des Schreibens kundigen Männer ausgesucht werden. So oft sich nun ein Moderirter dem Tische naht, um seine Stimme abzugeben, entsteht ein lautes Geschrei: „Ein Frack, ein Krebs!“ (Anspielung auf retrograde Gesinnungen) und bescheiden zieht sich der Absolutist zurück. In einer der Pfarrkirchen sah ich den Herzog von Hijar erscheinen, und sich dem vorsitzenden Wahlmanne, einem schmutzigen Tischlergesellen, nennen. „Sprechen Sie lauter, fuhr dieser ihn an, wer sind Sie?“ Der Herzog, einer der bekanntesten Männer von Madrid, Grande von Spanien und Oberkammerherr der Königin, nannte sich abermals. „Was Herzog! erwiederte der Handwerker; ich muß wissen, von welchem Gewerbe Sie leben!“ Lauter Beifall erscholl, und der sechzigjährige Herzog zog sich zurück. Dabei muß ich Ihnen bemerken, daß in keinem Lande der Welt eine solche Gleichheit der Stände herrscht, wie in Spanien; der vornehmste Mann würde es nicht wagen, sich gegen den geringsten Taglöhner etwas herauszunehmen, und der erste Grande von Spanien macht im geselligen Leben keine Ansprüche. Die stolzeste Haltung nehmen in Spanien gerade die Bettler an; Niemand reicht ihnen etwas, aber jeder erwiedert höflichst ihren Gruß. Sie können leicht denken, was für ein Gemeinderath aus solchem Holze gehauen wird. Je mehr derselbe sich an Gegenständen der öffentlichen Achtung versündigt, für um so liberaler gelten seine Mitglieder. Von den ältesten Zeiten her wurde in dem hiesigen Theater eine große reich decorirte Mittelloge für die königliche Familie offen gehalten, und das Bild der jungen Königin war darin aufgestellt. Links von derselben hatte das Ayuntamiento eine kleinere Loge inne. Vor einiger Zeit aber ließ diese Volksbehörde das Bildniß der Königin entfernen, und die Alcalden und Regidoren nahmen selbst die Mittelloge ein. Sie waren indessen so höflich, der Königin-Regentin sagen zu lassen, sie würden für jedesmal, wo es ihr belieben sollte, das Theater zu besuchen, die Loge ihr abtreten! (Deutsche Bl.) Niederlande. Haag, 30 Dec. Aus der vorgestrigen Sitzung der zweiten Kammer der Generalstaaten tragen wir noch Folgendes von der Erörterung des Gesetzesentwurfs zur vorläufigen Feststellung der Staatsausgaben und Mittel für die ersten sechs Monate von 1840 nach. Die HH. Roell, Warin, Luyben, Romme, Luzac, Gevetes und van Sytzama bekämpfen den Entwurf, hauptsächlich aus den früher bereits entwickelten Gründen, so wie, weil die Regierung noch immer keine Bürgschaft für die Zukunft gegeben, noch sich über die Revision des Grundgesetzes, die Aufhebung des Syndicates, die Revision der Gesetze in Betreff der Rechenkammer erklärt habe und weil auch der jetzt vorgeschlagene Betrag höher sey, als das einstimmig verworfene Budget. Hr. Gevers meinte, mit diesem Gesetze werde nicht viel gewonnen werden, da man sich nach sechs Monaten wieder auf demselben Standpunkte befinden werde. Hr. Corver Hooft äußerte, er werde nähere Aufklärungen des Ministers abwarten, bevor er sich erkläre; die Furcht, daß die Rentenzahlung nicht geschehen könne, werde ihn hauptsächlich veranlassen, dem Entwurf seine Zustimmung zu geben. Hr. Frets sprach sich dahin aus, das Interesse des Vaterlandes fordere, ohne Präjudiz aller Fragen, die Annahme des Gesetzes. Hr. de Jonge äußerte eine gleiche Meinung; vor Allem glaubte er, sey das Gesetz im Interesse des Vaterlandes anzunehmen, wenn man bedenke, was aus unserm Zustande werden solle, wenn das Jahr 1840 begonnen werde, ohne daß das Budget auf grundgesetzliche Weise festgestellt sey. Man habe gesagt, die geforderten Bürgschaften seyen nicht gegeben und die Revision des Grundgesetzes etc. nicht zugesagt worden. Hiergegen müsse er bemerken, daß von dem König persönlich in feierlicher Sitzung die Zusicherung einer Revision des Grundgesetzes gegeben worden, die zudem seit der Trennung von Belgien nicht lange mehr ausgestellt werden könne. In Betreff der Aufhebung des Syndicats sey bestimmt mitgetheilt worden, daß die deßfallsigen Vorschläge noch im Laufe dieser Session gemacht werden sollen, und falls er gut unterrichtet sey, liege diese Angelegenheit schon jetzt der Staatscommission der Finanzen zur Berathung vor. Was die Revision des Reglements der Rechenkammer betreffe, so glaube er, daß diese reifliche Erwägung erheische und daß es unmöglich sey, auf den erst seit kurzem von der Kammer kund gegebenen Wunsch jetzt schon dieserhalb Vorschläge zu machen. Wenn auch die Regierung binnen den ersten sechs Monaten die drei verlangten Vorschläge nicht mache, müsse seiner Meinung nach ein Creditgesetz für sechs Monate angenommen werden, da die Regierung sonst nicht allen Bedürfnissen des Jahrs 1840 entsprechen könne. Der Redner fragte, ob die Regierung nicht ein gefährliches Spiel spielen werde, wenn sie die zugesagten Vorschläge nicht thue oder sogar beschränkte Vorschläge mache. Er könne sich nicht verbergen, die Regierung habe bereits viel dadurch verloren, daß sie über Monat und Tag verschoben, und meine, ihr eigenes Interesse erheische, die Vorschläge möglichst zu beschleunigen. Nun trat der Staatsminister van Gennep auf, um das Gesetz zu vertheidigen. Er sagte zuerst, der Zweck des Gesetzes sey einfach, einem Stillstande in den Finanzen vorzubeugen, er stehe nicht mit Zwistigkeiten in Bezug auf das Grundgesetz in Verbindung, und Niemand könne dadurch in seiner Meinung präjudiciirt werden. Was die Bestimmungen des Gesetzes betreffe, so fordere der Art. 1 einfach eine Verlängerung des Budgets von 1839 für sechs Monate; diese Frist sey nicht zu lang, besonders wenn man verlange, daß in der Zwischenzeit so viele Punkte von hoher Wichtigkeit verhandelt werden sollen. Der Minister sprach sich nun ausführlich aus über die im Namen des Königs gegebene Versicherung, daß die Ausgaben für das Kriegsdepartement 1840 zwölf Millionen nicht übersteigen sollten, welche Versicherung er wiederholte. Er schloß den Vortrag mit folgenden Bemerkungen: „Die Annahme des Vorschlags ist nöthig für die Befestigung des öffentlichen Staatscredits. Dessen Verwerfung dürfte denselben vernichten, dessen Annahme einen wohlthätigen Eindruck machen. Dieß zu beweisen, erinnere ich daran, daß in den ersten Zeiten nach dem belgischen Aufstand der financielle Zustand des Vaterlandes sich in einem sehr drückenden Zustande befand, daß aber damals geschah, was besondere Beachtung verdient: die Britten kamen nämlich durch Ankauf in den Besitz vieler unserer Fonds und haben uns dadurch in die Lage gebracht, einen Zustand der Dinge aufrecht zu halten, der die Ehre des Vaterlandes rettete, und dasselbe im Auslande in Ansehen und Ehre bedeutend steigen ließ. Dieser Umstand hatte früher nie statt. Das Beispiel der Britten wurde von den Deutschen und Franzosen befolgt. Das Ausland ist dadurch bei dem Schicksale unserer vaterländischen Fonds sehr interessirt worden. Was sollte denn wohl die Folge seyn, wenn dem Credit des Landes ein heftiger Stoß beigebracht würde? Das Ausland würde dessen Fonds verkaufen. Niedrigere Preise, ein allgemeines Drücken würden die Folgen davon seyn, und das würde zum Nachtheil vieler

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 6. Augsburg, 6. Januar 1840, S. 0043. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_006_18400106/11>, abgerufen am 28.04.2024.