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Allgemeine Zeitung. Nr. 6. Augsburg, 6. Januar 1840.

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Sollte dieß jedoch aus was immer für Gründen nicht möglich seyn, so darf man gewiß erwarten, daß schon durch die täglich sich mehrenden Resultate der Forschungen des Hrn. Tutscheck allein die Ethnographie und Linguistik von Afrika nicht Unbedeutendes gewinnen wird, zumal wenn das wichtige Unternehmen den Schutz Sr. Hoh. des Hrn. Herzogs Maximilian fortgenießt, dessen es sich bisher zu erfreuen hatte, was bei der eignen Neigung dieses Fürsten für Kunst und Wissenschaft wohl keinem Zweifel unterworfen seyn kann.


Armenanstalten in Paris.

Dritter Artikel*)

Die letzte Form von Unterstützung, welche die Armenverwaltung gibt, ist Hausalmosen, aber dieses gibt sie nicht direct, sondern durch die Hände der Armencommissionen der Mairien der Stadt. Jede der zwölf Mairien hat nämlich eine unbezahlte Commission unter dem Vorsitz des Maire's, welche die Straßen des Districts unter sich vertheilt, und an welche sich die Hausarmen wenden. Jeder Commissär ist verbunden, die sich an wendenden Familien zu besuchen, und über den Fall zu berichten. Das Almosen ist nach der Art des Bedürfnisses verschieden, aber im Allgemeinen werden nur Personen, die 60 Jahre erreicht haben, zu regelmäßigen Almosen eingeschrieben, und erhalten Anweisungen auf Brod, Fleisch, Holz u. s. w. Wer sich in ein Armenhaus aufnehmen lassen will, muß vorher auf der Liste der Districtarmen gestanden haben. Der Moniteur gab vor einigen Tagen die Zahl der gegenwärtig eingeschriebenen auf etwas über 69,000 an, allein, in den letzten Monaten des Jahres nimmt ihre Zahl immer bedeutend zu. Im Jahr 1837 betrug sie 78,100, und seit dieser Zeit hat sie eher zu- als abgenommen, wenigstens liegt gerade ein Circular des 12ten Arrondissements vor mir, in welchem der Maire erklärt, daß seine Armen sich im Jahr 1837 auf 13,200 belaufen haben, und jetzt auf 14,368 gestiegen seyen. Die Commissäre sorgen für Kinderweißzeug bei armen Wöchnerinnen, kleiden arme Kinder, welche sonst die Schule nicht besuchen können, bezahlen die Aerzte und Arzneien der Armen u. s. w., und jeder erhält eine gewisse Anzahl von Stellen, die in den Armenhäusern leer werden, zur Vertheilung unter die Bedürftigsten seiner Verwalteten. Man hofft in diesem Augenblick, wenn die große Kreidenbank, auf der Paris steht, durchbohrt seyn wird, artesische Brunnen von hinlänglicher Temperatur zu erhalten, um allen Armen umsonst warme Bäder geben zu lassen. Die Geldmittel der Armencommissionen kommen größtentheils von Beiträgen der Bewohner jedes Arrondissements, welche der Maire von Zeit zu Zeit durch Circulare auffordert, und der Rest wird von der Armenadministration zugeschossen, welche dazu jährlich etwa 1,700,000 Fr. gibt, wovon 280,000 von dem Vermächtniß von Monthyon herkommen. Man kann annehmen, daß im Durchschnitt 8 Procent der Bevölkerung Hausalmosen von der Stadt erhalten, eben so viele ärztliche Hülfe in den Krankenhäusern, daß 2 Procent in den Armenhäusern erhalten, und 18 Procent der Kinder in das Findelhaus abgegeben werden.

Allein dieß ist bei weitem nicht Alles, was für die Armen hier geschieht: die Institution der jungen Blinden (86,300 Fr.), die der Taubstummen (156,700 Fr.), das Irrenhaus in Charenton (40,000 Fr.), das Blindenspital der Quinze vingt (210,000 Fr.), werden direct vom Ministerium des Innern bezahlt, die Societes de maternite erhalten von ihm einen jährlichen Beitrag von 120,000 Fr. und der größte Theil der 400,000 Fr., welche dieses Ministerium zu Almosen hat, wird an hiesige Arme gegeben. Das Kriegsministerium gibt an ehemalige Soldaten, welche das Recht nicht haben in die Invaliden zu kommen, sehr beträchtliche Unterstützungen. Die königliche Familie, die Geistlichkeit, und eine Menge von Privatgesellschaften sorgen für die, welche sich schämen auf die Armenliste eingetragen zu werden, und es bestehen mehrere Hundert Gesellschaften von Arbeitern, deren jede durch wöchentliche Beiträge eine Casse bildet, aus der sie in Krankheit und bei Unglücksfällen Unterstützung erhalten. Bei allem dem sind die Polizeitribunale zur Hälfte ihrer Zeit nur mit Bettlern und Vagabunden beschäftigt, und die Bettlerdepots und Correctionshäuser sind voll heimathloser Menschen. Doch ist seit einiger Zeit viel geschehen das Uebel zu vermindern: die Abschaffung der Lotterie hat Tausende vom Bettelstab gerettet, und die Sparcassen noch Mehreren Gewohnheiten von Ordnung und Sparsamkeit eingepflanzt, welche sie vor dem Spital bewahren müssen, aber das Hauptübel, das Octroi der Stadt, ist unangetastet geblieben; das Leben ist zu theuer hier, als daß der bloße Handarbeiter im Stande wäre, etwas für sein Alter zurückzulegen, so daß er, sobald seine Kräfte nachlassen, nothwendig dem Armenhaus verfällt, und Niemand kann hier lange gelebt haben, ohne zahlreiche Beispiele des bittern Kampfes zu beobachten, den ein Armer mit sich kämpft, ehe er sich entschließt, sich auf die Liste der Commissäre einschreiben zu lassen; von diesem Augenblick an ist er in seinen eigenen Augen gesunken, und sein Muth ihm gebrochen. Man kann nicht über den Mangel an Mildthätigkeit klagen, weder von Seite der Stadt noch der Individuen, aber die Masse des Elends ist zu groß für alle Bemühungen, es zu überwinden. Die größte Reform, welche augenblicklich vorgenommen werden könnte und sollte, wäre die Unterdrückung des Findelhauses; sie würde zwar bei der gegenwärtigen Demoralisation, welche größtentheils Folge der Findelhäuser ist, anfangs zur Vermehrung der Kindermorde führen, allein das Abgeben an das Findelhaus ist nicht viel weniger, da nur ein kleiner Theil dieser unglücklichen Geschöpfe Aufnahme erhalten kann, und es ist gar keinem Zweifel unterworfen, daß die Zahl der wirklich ausgesetzten Kinder in gar keinem Verhältniß zu der gegenwärtigen Mortalität der Findelhäuser stehen würde. Aber so lange absurde und hohle Declamationen wie die von Lamartine als Stimmen darüber gelten, so lange ist an keine vernünftige Reform zu denken.

Spanien.

Hier in Madrid fanden am vergangenen Sonntage die Wahlen der Personen statt, welche die Mitglieder des alljährlich zu erneuernden Ayuntamiento zu ernennen haben. Unstreitig üben letztere einen unmittelbar weit fühlbarern Einfluß auf das Wohl oder Wehe der Bürger aus als die das ganze Land vertretenden Cortes; die Polizei, die Verwaltung des städtischen Gutes und andere sehr ausgedehnte Befugnisse liegen dem bestehenden Gesetze zufolge - es rührt noch aus der Periode von 1820 her - den Ayuntamientos ob. Die verschiedenen Parteien hatten sich daher weidlich zum Kampfe gerüstet; allein die Exaltirten liefen den Moderirten bei weitem den Rang ab. Auftritte, die an die ersten Zeiten der französischen Revolution erinnern, ereigneten sich dabei. In Folge des Gesetzes finden diese Wahlversammlungen Sonntags, nachdem die letzte Messe gelesen ist, in den Pfarrkirchen statt, und Jedermann wird nach Angabe seines Namens und Gewerbes (worüber indessen keine Controle ausgeübt wird) zur Abstimmung zugelassen. Sobald nun die Stunde erscheint,

*) Die beiden ersten Artikel in Nr. 336 und 343 der Beilagen der Allgemeinen Zeitung v. Jahr 1839.

Sollte dieß jedoch aus was immer für Gründen nicht möglich seyn, so darf man gewiß erwarten, daß schon durch die täglich sich mehrenden Resultate der Forschungen des Hrn. Tutscheck allein die Ethnographie und Linguistik von Afrika nicht Unbedeutendes gewinnen wird, zumal wenn das wichtige Unternehmen den Schutz Sr. Hoh. des Hrn. Herzogs Maximilian fortgenießt, dessen es sich bisher zu erfreuen hatte, was bei der eignen Neigung dieses Fürsten für Kunst und Wissenschaft wohl keinem Zweifel unterworfen seyn kann.


Armenanstalten in Paris.

Dritter Artikel*)

Die letzte Form von Unterstützung, welche die Armenverwaltung gibt, ist Hausalmosen, aber dieses gibt sie nicht direct, sondern durch die Hände der Armencommissionen der Mairien der Stadt. Jede der zwölf Mairien hat nämlich eine unbezahlte Commission unter dem Vorsitz des Maire's, welche die Straßen des Districts unter sich vertheilt, und an welche sich die Hausarmen wenden. Jeder Commissär ist verbunden, die sich an wendenden Familien zu besuchen, und über den Fall zu berichten. Das Almosen ist nach der Art des Bedürfnisses verschieden, aber im Allgemeinen werden nur Personen, die 60 Jahre erreicht haben, zu regelmäßigen Almosen eingeschrieben, und erhalten Anweisungen auf Brod, Fleisch, Holz u. s. w. Wer sich in ein Armenhaus aufnehmen lassen will, muß vorher auf der Liste der Districtarmen gestanden haben. Der Moniteur gab vor einigen Tagen die Zahl der gegenwärtig eingeschriebenen auf etwas über 69,000 an, allein, in den letzten Monaten des Jahres nimmt ihre Zahl immer bedeutend zu. Im Jahr 1837 betrug sie 78,100, und seit dieser Zeit hat sie eher zu- als abgenommen, wenigstens liegt gerade ein Circular des 12ten Arrondissements vor mir, in welchem der Maire erklärt, daß seine Armen sich im Jahr 1837 auf 13,200 belaufen haben, und jetzt auf 14,368 gestiegen seyen. Die Commissäre sorgen für Kinderweißzeug bei armen Wöchnerinnen, kleiden arme Kinder, welche sonst die Schule nicht besuchen können, bezahlen die Aerzte und Arzneien der Armen u. s. w., und jeder erhält eine gewisse Anzahl von Stellen, die in den Armenhäusern leer werden, zur Vertheilung unter die Bedürftigsten seiner Verwalteten. Man hofft in diesem Augenblick, wenn die große Kreidenbank, auf der Paris steht, durchbohrt seyn wird, artesische Brunnen von hinlänglicher Temperatur zu erhalten, um allen Armen umsonst warme Bäder geben zu lassen. Die Geldmittel der Armencommissionen kommen größtentheils von Beiträgen der Bewohner jedes Arrondissements, welche der Maire von Zeit zu Zeit durch Circulare auffordert, und der Rest wird von der Armenadministration zugeschossen, welche dazu jährlich etwa 1,700,000 Fr. gibt, wovon 280,000 von dem Vermächtniß von Monthyon herkommen. Man kann annehmen, daß im Durchschnitt 8 Procent der Bevölkerung Hausalmosen von der Stadt erhalten, eben so viele ärztliche Hülfe in den Krankenhäusern, daß 2 Procent in den Armenhäusern erhalten, und 18 Procent der Kinder in das Findelhaus abgegeben werden.

Allein dieß ist bei weitem nicht Alles, was für die Armen hier geschieht: die Institution der jungen Blinden (86,300 Fr.), die der Taubstummen (156,700 Fr.), das Irrenhaus in Charenton (40,000 Fr.), das Blindenspital der Quinze vingt (210,000 Fr.), werden direct vom Ministerium des Innern bezahlt, die Sociétés de maternité erhalten von ihm einen jährlichen Beitrag von 120,000 Fr. und der größte Theil der 400,000 Fr., welche dieses Ministerium zu Almosen hat, wird an hiesige Arme gegeben. Das Kriegsministerium gibt an ehemalige Soldaten, welche das Recht nicht haben in die Invaliden zu kommen, sehr beträchtliche Unterstützungen. Die königliche Familie, die Geistlichkeit, und eine Menge von Privatgesellschaften sorgen für die, welche sich schämen auf die Armenliste eingetragen zu werden, und es bestehen mehrere Hundert Gesellschaften von Arbeitern, deren jede durch wöchentliche Beiträge eine Casse bildet, aus der sie in Krankheit und bei Unglücksfällen Unterstützung erhalten. Bei allem dem sind die Polizeitribunale zur Hälfte ihrer Zeit nur mit Bettlern und Vagabunden beschäftigt, und die Bettlerdepots und Correctionshäuser sind voll heimathloser Menschen. Doch ist seit einiger Zeit viel geschehen das Uebel zu vermindern: die Abschaffung der Lotterie hat Tausende vom Bettelstab gerettet, und die Sparcassen noch Mehreren Gewohnheiten von Ordnung und Sparsamkeit eingepflanzt, welche sie vor dem Spital bewahren müssen, aber das Hauptübel, das Octroi der Stadt, ist unangetastet geblieben; das Leben ist zu theuer hier, als daß der bloße Handarbeiter im Stande wäre, etwas für sein Alter zurückzulegen, so daß er, sobald seine Kräfte nachlassen, nothwendig dem Armenhaus verfällt, und Niemand kann hier lange gelebt haben, ohne zahlreiche Beispiele des bittern Kampfes zu beobachten, den ein Armer mit sich kämpft, ehe er sich entschließt, sich auf die Liste der Commissäre einschreiben zu lassen; von diesem Augenblick an ist er in seinen eigenen Augen gesunken, und sein Muth ihm gebrochen. Man kann nicht über den Mangel an Mildthätigkeit klagen, weder von Seite der Stadt noch der Individuen, aber die Masse des Elends ist zu groß für alle Bemühungen, es zu überwinden. Die größte Reform, welche augenblicklich vorgenommen werden könnte und sollte, wäre die Unterdrückung des Findelhauses; sie würde zwar bei der gegenwärtigen Demoralisation, welche größtentheils Folge der Findelhäuser ist, anfangs zur Vermehrung der Kindermorde führen, allein das Abgeben an das Findelhaus ist nicht viel weniger, da nur ein kleiner Theil dieser unglücklichen Geschöpfe Aufnahme erhalten kann, und es ist gar keinem Zweifel unterworfen, daß die Zahl der wirklich ausgesetzten Kinder in gar keinem Verhältniß zu der gegenwärtigen Mortalität der Findelhäuser stehen würde. Aber so lange absurde und hohle Declamationen wie die von Lamartine als Stimmen darüber gelten, so lange ist an keine vernünftige Reform zu denken.

Spanien.

Hier in Madrid fanden am vergangenen Sonntage die Wahlen der Personen statt, welche die Mitglieder des alljährlich zu erneuernden Ayuntamiento zu ernennen haben. Unstreitig üben letztere einen unmittelbar weit fühlbarern Einfluß auf das Wohl oder Wehe der Bürger aus als die das ganze Land vertretenden Cortes; die Polizei, die Verwaltung des städtischen Gutes und andere sehr ausgedehnte Befugnisse liegen dem bestehenden Gesetze zufolge – es rührt noch aus der Periode von 1820 her – den Ayuntamientos ob. Die verschiedenen Parteien hatten sich daher weidlich zum Kampfe gerüstet; allein die Exaltirten liefen den Moderirten bei weitem den Rang ab. Auftritte, die an die ersten Zeiten der französischen Revolution erinnern, ereigneten sich dabei. In Folge des Gesetzes finden diese Wahlversammlungen Sonntags, nachdem die letzte Messe gelesen ist, in den Pfarrkirchen statt, und Jedermann wird nach Angabe seines Namens und Gewerbes (worüber indessen keine Controle ausgeübt wird) zur Abstimmung zugelassen. Sobald nun die Stunde erscheint,

*) Die beiden ersten Artikel in Nr. 336 und 343 der Beilagen der Allgemeinen Zeitung v. Jahr 1839.
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[0042/0010] Sollte dieß jedoch aus was immer für Gründen nicht möglich seyn, so darf man gewiß erwarten, daß schon durch die täglich sich mehrenden Resultate der Forschungen des Hrn. Tutscheck allein die Ethnographie und Linguistik von Afrika nicht Unbedeutendes gewinnen wird, zumal wenn das wichtige Unternehmen den Schutz Sr. Hoh. des Hrn. Herzogs Maximilian fortgenießt, dessen es sich bisher zu erfreuen hatte, was bei der eignen Neigung dieses Fürsten für Kunst und Wissenschaft wohl keinem Zweifel unterworfen seyn kann. Armenanstalten in Paris. Dritter Artikel *) * Paris. Die letzte Form von Unterstützung, welche die Armenverwaltung gibt, ist Hausalmosen, aber dieses gibt sie nicht direct, sondern durch die Hände der Armencommissionen der Mairien der Stadt. Jede der zwölf Mairien hat nämlich eine unbezahlte Commission unter dem Vorsitz des Maire's, welche die Straßen des Districts unter sich vertheilt, und an welche sich die Hausarmen wenden. Jeder Commissär ist verbunden, die sich an wendenden Familien zu besuchen, und über den Fall zu berichten. Das Almosen ist nach der Art des Bedürfnisses verschieden, aber im Allgemeinen werden nur Personen, die 60 Jahre erreicht haben, zu regelmäßigen Almosen eingeschrieben, und erhalten Anweisungen auf Brod, Fleisch, Holz u. s. w. Wer sich in ein Armenhaus aufnehmen lassen will, muß vorher auf der Liste der Districtarmen gestanden haben. Der Moniteur gab vor einigen Tagen die Zahl der gegenwärtig eingeschriebenen auf etwas über 69,000 an, allein, in den letzten Monaten des Jahres nimmt ihre Zahl immer bedeutend zu. Im Jahr 1837 betrug sie 78,100, und seit dieser Zeit hat sie eher zu- als abgenommen, wenigstens liegt gerade ein Circular des 12ten Arrondissements vor mir, in welchem der Maire erklärt, daß seine Armen sich im Jahr 1837 auf 13,200 belaufen haben, und jetzt auf 14,368 gestiegen seyen. Die Commissäre sorgen für Kinderweißzeug bei armen Wöchnerinnen, kleiden arme Kinder, welche sonst die Schule nicht besuchen können, bezahlen die Aerzte und Arzneien der Armen u. s. w., und jeder erhält eine gewisse Anzahl von Stellen, die in den Armenhäusern leer werden, zur Vertheilung unter die Bedürftigsten seiner Verwalteten. Man hofft in diesem Augenblick, wenn die große Kreidenbank, auf der Paris steht, durchbohrt seyn wird, artesische Brunnen von hinlänglicher Temperatur zu erhalten, um allen Armen umsonst warme Bäder geben zu lassen. Die Geldmittel der Armencommissionen kommen größtentheils von Beiträgen der Bewohner jedes Arrondissements, welche der Maire von Zeit zu Zeit durch Circulare auffordert, und der Rest wird von der Armenadministration zugeschossen, welche dazu jährlich etwa 1,700,000 Fr. gibt, wovon 280,000 von dem Vermächtniß von Monthyon herkommen. Man kann annehmen, daß im Durchschnitt 8 Procent der Bevölkerung Hausalmosen von der Stadt erhalten, eben so viele ärztliche Hülfe in den Krankenhäusern, daß 2 Procent in den Armenhäusern erhalten, und 18 Procent der Kinder in das Findelhaus abgegeben werden. Allein dieß ist bei weitem nicht Alles, was für die Armen hier geschieht: die Institution der jungen Blinden (86,300 Fr.), die der Taubstummen (156,700 Fr.), das Irrenhaus in Charenton (40,000 Fr.), das Blindenspital der Quinze vingt (210,000 Fr.), werden direct vom Ministerium des Innern bezahlt, die Sociétés de maternité erhalten von ihm einen jährlichen Beitrag von 120,000 Fr. und der größte Theil der 400,000 Fr., welche dieses Ministerium zu Almosen hat, wird an hiesige Arme gegeben. Das Kriegsministerium gibt an ehemalige Soldaten, welche das Recht nicht haben in die Invaliden zu kommen, sehr beträchtliche Unterstützungen. Die königliche Familie, die Geistlichkeit, und eine Menge von Privatgesellschaften sorgen für die, welche sich schämen auf die Armenliste eingetragen zu werden, und es bestehen mehrere Hundert Gesellschaften von Arbeitern, deren jede durch wöchentliche Beiträge eine Casse bildet, aus der sie in Krankheit und bei Unglücksfällen Unterstützung erhalten. Bei allem dem sind die Polizeitribunale zur Hälfte ihrer Zeit nur mit Bettlern und Vagabunden beschäftigt, und die Bettlerdepots und Correctionshäuser sind voll heimathloser Menschen. Doch ist seit einiger Zeit viel geschehen das Uebel zu vermindern: die Abschaffung der Lotterie hat Tausende vom Bettelstab gerettet, und die Sparcassen noch Mehreren Gewohnheiten von Ordnung und Sparsamkeit eingepflanzt, welche sie vor dem Spital bewahren müssen, aber das Hauptübel, das Octroi der Stadt, ist unangetastet geblieben; das Leben ist zu theuer hier, als daß der bloße Handarbeiter im Stande wäre, etwas für sein Alter zurückzulegen, so daß er, sobald seine Kräfte nachlassen, nothwendig dem Armenhaus verfällt, und Niemand kann hier lange gelebt haben, ohne zahlreiche Beispiele des bittern Kampfes zu beobachten, den ein Armer mit sich kämpft, ehe er sich entschließt, sich auf die Liste der Commissäre einschreiben zu lassen; von diesem Augenblick an ist er in seinen eigenen Augen gesunken, und sein Muth ihm gebrochen. Man kann nicht über den Mangel an Mildthätigkeit klagen, weder von Seite der Stadt noch der Individuen, aber die Masse des Elends ist zu groß für alle Bemühungen, es zu überwinden. Die größte Reform, welche augenblicklich vorgenommen werden könnte und sollte, wäre die Unterdrückung des Findelhauses; sie würde zwar bei der gegenwärtigen Demoralisation, welche größtentheils Folge der Findelhäuser ist, anfangs zur Vermehrung der Kindermorde führen, allein das Abgeben an das Findelhaus ist nicht viel weniger, da nur ein kleiner Theil dieser unglücklichen Geschöpfe Aufnahme erhalten kann, und es ist gar keinem Zweifel unterworfen, daß die Zahl der wirklich ausgesetzten Kinder in gar keinem Verhältniß zu der gegenwärtigen Mortalität der Findelhäuser stehen würde. Aber so lange absurde und hohle Declamationen wie die von Lamartine als Stimmen darüber gelten, so lange ist an keine vernünftige Reform zu denken. Spanien. Madrid, 14 Dec. Hier in Madrid fanden am vergangenen Sonntage die Wahlen der Personen statt, welche die Mitglieder des alljährlich zu erneuernden Ayuntamiento zu ernennen haben. Unstreitig üben letztere einen unmittelbar weit fühlbarern Einfluß auf das Wohl oder Wehe der Bürger aus als die das ganze Land vertretenden Cortes; die Polizei, die Verwaltung des städtischen Gutes und andere sehr ausgedehnte Befugnisse liegen dem bestehenden Gesetze zufolge – es rührt noch aus der Periode von 1820 her – den Ayuntamientos ob. Die verschiedenen Parteien hatten sich daher weidlich zum Kampfe gerüstet; allein die Exaltirten liefen den Moderirten bei weitem den Rang ab. Auftritte, die an die ersten Zeiten der französischen Revolution erinnern, ereigneten sich dabei. In Folge des Gesetzes finden diese Wahlversammlungen Sonntags, nachdem die letzte Messe gelesen ist, in den Pfarrkirchen statt, und Jedermann wird nach Angabe seines Namens und Gewerbes (worüber indessen keine Controle ausgeübt wird) zur Abstimmung zugelassen. Sobald nun die Stunde erscheint, *) Die beiden ersten Artikel in Nr. 336 und 343 der Beilagen der Allgemeinen Zeitung v. Jahr 1839.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 6. Augsburg, 6. Januar 1840, S. 0042. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_006_18400106/10>, abgerufen am 28.04.2024.