Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 6. Augsburg, 6. Januar 1840.

Bild:
<< vorherige Seite


in seinen Praktiken, als es je ein Staatsmann gewesen. Dieser Mann hatte ein einziges Kind, ein Mädchen von den schönsten Geistes- und Herzensgaben, deren vor ein paar Wochen erfolgter Tod jeden Fühlenden aufs tiefste rührte. Was that Brougham, der Vater? Anstatt, wie es sich geziemt hätte, seinen Verlust im Stillen zu betrauern, sah man ihn als ersten Leidtragenden hinter der Leiche fahren. Hat man je zuvor gehört, daß ein Vater dem Leichenbegängniß seines Kindes beiwohnte? (!) Und am Tage nach der melancholischen Feier führte er, als wäre nichts geschehen, den Vorsitz in einem oberrichterlichen Conseil der Pairs. (Hört!) Doch ich würde seiner Privathandlungen nicht erwähnen, läge nicht auch in ihnen, wie in seinem öffentlichen Leben, der Beweis, daß er, trotz aller gelegentlichen Gefühlsschwätzerei für die Neger, ein gemüthloser Mann ist." Den Torylords gab O'Connell schuld, sie beabsichtigten nichts Geringeres als eine Revolution; dahin gehe jetzt ihr Dichten und Trachten in England, und ohne den Geist der Freiheit, der die Brust des irischen Volks erfülle, würde diese Revolution schon ausgebrochen und der englischen Oligarchie die Begründung einer unbeschränkten, tyrannischen Gewalt gelungen seyn. Nicht im Hause der Lords allein sey die Torypartei übermächtig, sondern durch ihren Einfluß auf die Wahlen, wobei ihnen jedes Mittel recht, habe sie auch im Hause der Gemeinen sich eine Minorität zuwege gebracht, die einer Majorität gleich komme und den schlimmsten Leidenschaften des freiheitsmörderischen Oberhauses fröhne. Doch noch habe diese Oligarchie zur Förderung ihrer Zwecke eines Haupthebels bedurft; denn wiewohl John Bull nur allzu geneigt sey, sich von hochtönenden Titeln imponiren, vom Flittertand erblicher Nobilität sich am Leitseile führen zu lassen, so besitze derselbe doch zu viel gesunden Menschenverstand, um sich ohne weiteres einem schlechten Despotismus zu unterwerfen. Diesen Haupthebel nun habe die Faction in dem engherzigen No Popery-Geschrei, in ihrem fanatischen Kreuzzug gegen den Katholicismus gefunden, der sich in England leider nur allzu wirksam zeige. Der Redner gedachte hier der Schmähungen gegen Irland und die römische Kirche, welche täglich die Spalten der Torypresse füllen. Die Times namentlich charakterisirte er in folgenden doggrel-rhymes von eigener Composition:

"Vile press, without a parallel,
Organ fit for fiends of hell -
Lies thy trade - thy master sense,
Briked and brutal insolence.
From Puddledock to either sea,
Toryism stinks of thee.
("Feile Presse ohne Gleichen, geeignetes Organ für Dämonen der Hölle; Lüge ist dein Gewerb, deine Meisterschaft liegt in Corruption und brutaler Frechheit. Vom St. Georgscanal bis an beide Meere stinkt der Torysmus nach dir." - Die Times hat unlängst behauptet, die katholischen Priester in Irland hätten sich bei der Einsammlung der O'Connell-Rente in den Capellen theils eines empörenden Zwanges, theils allerlei frommer Gaukeleien bedient; so habe ein rüstiger Diener des Altars einigen Bauern, die wenig oder nichts steuern wollten, die eiserne Sammelbüchse an den Kopf geschlagen; ein anderer auf der Kanzel erzählt, daß ein armer Bauer, der vor einigen Jahren sein einziges Schweinchen verkauft, um den Erlös daraus dem "Vater des Vaterlandes" darzubringen, jetzt in Folge dieses verdienstlichen Werkes, durch sichtbaren Segen des Himmels, einen wohlbevölkerten Schweinstall besitze u. dergl.) Hierauf schilderte O'Connell in bekannter Weise Irlands siebenhundertjährige Leiden unter der englischen Zwingherrschaft, versicherte, daß er ein Repealer sey und bis in den Tod bleiben werde, und verlangte schließlich, daß in allen Provinzen Irlands, in jeder Stadt, jedem Städtchen und jedem Dorf Versammlungen der Liberalen - der Liberalen aller Confessionen gehalten werden sollten, um Adressen an die Königin, Petitionen an das Parlament für Irlands gutes Recht zu beschließen, und diesem zu sagen, daß das irische Volk, das seine Kraft fühlen gelernt, sich fortan von keinem Tory oder Orangemann, überhaupt von keinem Sachsen, mehr mit Füßen treten lasse. Dabei wiederholte der Agitator seine frühere Behauptung, die Königin würde, wenn die Tories ans Ruder kämen, kein Vierteljahr mehr leben, sondern dem Herzog v. Cumberland, dem Idol jener Faction, Platz machen müssen. - Dem Wunsch O'Connells entsprechende Resolutionen wurden gefaßt.

Zu den zahlreichen Gegenständen des Haders, die von der englischen und französischen Presse gegenseitig ausgebeutet werden, gehört auch die Frage wegen des portugiesischen Sklavenhandels, in welcher Beziehung der neuliche Artikel des Diario do Governo über einen Vorgang bei Angola (S. Nro. 2 der Allgem. Zeit.) von den Pariser Oppositionsblättern in einem für England sehr feindseligen Sinne commentirt wird. Der Standard bemerkt darüber: "Der National geht in seinen Gasconnaden so weit, daß er die französische Regierung auffordert, die Schifffahrt und den Handel Portugals gegen brittische Raubsucht zu schützen. Wir hätten geglaubt, die sehr unschmeichelhaften Erinnerungen, die sich für Frankreich an seine vormalige Einmischung in die portugiesischen Angelegenheiten knüpfen, würden jeden französischen Journalisten abschrecken, ein so kitzliches Thema zu berühren. Sir Arthur Wellesley begann seinen Siegslauf vor Lissabon, und der Herzog von Wellington trieb dann die Franzosen vor sich her aus Portugal bis an die Thore von Paris. Das mögen unsere französischen Nachbarn ja nicht vergessen."

Auf dem Zimmerplatz des Hrn. Richardson in der Commercial-Road in London sieht man jetzt ein von dem Ingenieur Manning gebautes tragbares Gouvernementshaus. Es ist ganz aus dem besten norwegischen Holz construirt, und soll demnächst, in Stücken zerlegt, nach Neuseeland übergeschifft werden, um dort die Wohnung des vor einigen Monaten dahin abgegangenen brittischen Residenten Capitän Hobson zu bilden. Das Haus ist, wie es der Globe schildert, größer, bequemer und solider, als das ähnliche, welches für Napoleon von England aus nach St. Helena geschickt wurde. Dasselbe ist 120 Fuß lang, 50 breit und 24 hoch, wiegt 250 Tonnen und kostet 2000 Pf. St. Im Innern finden sich 16, mit elegantem Getäfel ausgelegte Zimmer, deren eines zu einer Schule bestimmt ist. Längs dem Haus läuft eine schöne, von eisernen Säulen getragene Veranda hin.

An Bord des Schiffes Robert Small entdeckte man unlängst am Cap der guten Hoffnung in der Person eines rüstigen, Sturm und Wetter trotzenden Schiffsjungen ein hübsches fünfzehnjähriges Mädchen, die Tochter des im Greenwich-Hospital verstorbenen Schiffslieutenants Arnold. Jetzt ist die kleine Abenteurerin in Frauenkleidung nach England zurückgekommen.

Der Satirist, der ein scharfes Auge auf die Londoner Spielhäuser hat, schreibt: "Lord Pembroke verlor, so erzählt man in den Clubs, an einem der letzten Abende circa 4000 Pf. St. (48,000 fl.). Lord William Lennox und Grandby Calcraft hatten keine Hand im Spiel."

In einer Versammlung der Westminsterer ärztlichen Gesellschaft kam vor einigen Tagen der in beunruhigendem Grade zunehmende Genuß des Opiums in England zur Sprache. Dr. T. Johnson behauptete auf seine eigene Erfahrung gestützt, die Zahl der Opium-Esser oder - Raucher im Lande komme fast


in seinen Praktiken, als es je ein Staatsmann gewesen. Dieser Mann hatte ein einziges Kind, ein Mädchen von den schönsten Geistes- und Herzensgaben, deren vor ein paar Wochen erfolgter Tod jeden Fühlenden aufs tiefste rührte. Was that Brougham, der Vater? Anstatt, wie es sich geziemt hätte, seinen Verlust im Stillen zu betrauern, sah man ihn als ersten Leidtragenden hinter der Leiche fahren. Hat man je zuvor gehört, daß ein Vater dem Leichenbegängniß seines Kindes beiwohnte? (!) Und am Tage nach der melancholischen Feier führte er, als wäre nichts geschehen, den Vorsitz in einem oberrichterlichen Conseil der Pairs. (Hört!) Doch ich würde seiner Privathandlungen nicht erwähnen, läge nicht auch in ihnen, wie in seinem öffentlichen Leben, der Beweis, daß er, trotz aller gelegentlichen Gefühlsschwätzerei für die Neger, ein gemüthloser Mann ist.“ Den Torylords gab O'Connell schuld, sie beabsichtigten nichts Geringeres als eine Revolution; dahin gehe jetzt ihr Dichten und Trachten in England, und ohne den Geist der Freiheit, der die Brust des irischen Volks erfülle, würde diese Revolution schon ausgebrochen und der englischen Oligarchie die Begründung einer unbeschränkten, tyrannischen Gewalt gelungen seyn. Nicht im Hause der Lords allein sey die Torypartei übermächtig, sondern durch ihren Einfluß auf die Wahlen, wobei ihnen jedes Mittel recht, habe sie auch im Hause der Gemeinen sich eine Minorität zuwege gebracht, die einer Majorität gleich komme und den schlimmsten Leidenschaften des freiheitsmörderischen Oberhauses fröhne. Doch noch habe diese Oligarchie zur Förderung ihrer Zwecke eines Haupthebels bedurft; denn wiewohl John Bull nur allzu geneigt sey, sich von hochtönenden Titeln imponiren, vom Flittertand erblicher Nobilität sich am Leitseile führen zu lassen, so besitze derselbe doch zu viel gesunden Menschenverstand, um sich ohne weiteres einem schlechten Despotismus zu unterwerfen. Diesen Haupthebel nun habe die Faction in dem engherzigen No Popery-Geschrei, in ihrem fanatischen Kreuzzug gegen den Katholicismus gefunden, der sich in England leider nur allzu wirksam zeige. Der Redner gedachte hier der Schmähungen gegen Irland und die römische Kirche, welche täglich die Spalten der Torypresse füllen. Die Times namentlich charakterisirte er in folgenden doggrel-rhymes von eigener Composition:

„Vile press, without a parallel,
Organ fit for fiends of hell –
Lies thy trade – thy master sense,
Briked and brutal insolence.
From Puddledock to either sea,
Toryism stinks of thee.
(„Feile Presse ohne Gleichen, geeignetes Organ für Dämonen der Hölle; Lüge ist dein Gewerb, deine Meisterschaft liegt in Corruption und brutaler Frechheit. Vom St. Georgscanal bis an beide Meere stinkt der Torysmus nach dir.“ – Die Times hat unlängst behauptet, die katholischen Priester in Irland hätten sich bei der Einsammlung der O'Connell-Rente in den Capellen theils eines empörenden Zwanges, theils allerlei frommer Gaukeleien bedient; so habe ein rüstiger Diener des Altars einigen Bauern, die wenig oder nichts steuern wollten, die eiserne Sammelbüchse an den Kopf geschlagen; ein anderer auf der Kanzel erzählt, daß ein armer Bauer, der vor einigen Jahren sein einziges Schweinchen verkauft, um den Erlös daraus dem „Vater des Vaterlandes“ darzubringen, jetzt in Folge dieses verdienstlichen Werkes, durch sichtbaren Segen des Himmels, einen wohlbevölkerten Schweinstall besitze u. dergl.) Hierauf schilderte O'Connell in bekannter Weise Irlands siebenhundertjährige Leiden unter der englischen Zwingherrschaft, versicherte, daß er ein Repealer sey und bis in den Tod bleiben werde, und verlangte schließlich, daß in allen Provinzen Irlands, in jeder Stadt, jedem Städtchen und jedem Dorf Versammlungen der Liberalen – der Liberalen aller Confessionen gehalten werden sollten, um Adressen an die Königin, Petitionen an das Parlament für Irlands gutes Recht zu beschließen, und diesem zu sagen, daß das irische Volk, das seine Kraft fühlen gelernt, sich fortan von keinem Tory oder Orangemann, überhaupt von keinem Sachsen, mehr mit Füßen treten lasse. Dabei wiederholte der Agitator seine frühere Behauptung, die Königin würde, wenn die Tories ans Ruder kämen, kein Vierteljahr mehr leben, sondern dem Herzog v. Cumberland, dem Idol jener Faction, Platz machen müssen. – Dem Wunsch O'Connells entsprechende Resolutionen wurden gefaßt.

Zu den zahlreichen Gegenständen des Haders, die von der englischen und französischen Presse gegenseitig ausgebeutet werden, gehört auch die Frage wegen des portugiesischen Sklavenhandels, in welcher Beziehung der neuliche Artikel des Diario do Governo über einen Vorgang bei Angola (S. Nro. 2 der Allgem. Zeit.) von den Pariser Oppositionsblättern in einem für England sehr feindseligen Sinne commentirt wird. Der Standard bemerkt darüber: „Der National geht in seinen Gasconnaden so weit, daß er die französische Regierung auffordert, die Schifffahrt und den Handel Portugals gegen brittische Raubsucht zu schützen. Wir hätten geglaubt, die sehr unschmeichelhaften Erinnerungen, die sich für Frankreich an seine vormalige Einmischung in die portugiesischen Angelegenheiten knüpfen, würden jeden französischen Journalisten abschrecken, ein so kitzliches Thema zu berühren. Sir Arthur Wellesley begann seinen Siegslauf vor Lissabon, und der Herzog von Wellington trieb dann die Franzosen vor sich her aus Portugal bis an die Thore von Paris. Das mögen unsere französischen Nachbarn ja nicht vergessen.“

Auf dem Zimmerplatz des Hrn. Richardson in der Commercial-Road in London sieht man jetzt ein von dem Ingenieur Manning gebautes tragbares Gouvernementshaus. Es ist ganz aus dem besten norwegischen Holz construirt, und soll demnächst, in Stücken zerlegt, nach Neuseeland übergeschifft werden, um dort die Wohnung des vor einigen Monaten dahin abgegangenen brittischen Residenten Capitän Hobson zu bilden. Das Haus ist, wie es der Globe schildert, größer, bequemer und solider, als das ähnliche, welches für Napoleon von England aus nach St. Helena geschickt wurde. Dasselbe ist 120 Fuß lang, 50 breit und 24 hoch, wiegt 250 Tonnen und kostet 2000 Pf. St. Im Innern finden sich 16, mit elegantem Getäfel ausgelegte Zimmer, deren eines zu einer Schule bestimmt ist. Längs dem Haus läuft eine schöne, von eisernen Säulen getragene Veranda hin.

An Bord des Schiffes Robert Small entdeckte man unlängst am Cap der guten Hoffnung in der Person eines rüstigen, Sturm und Wetter trotzenden Schiffsjungen ein hübsches fünfzehnjähriges Mädchen, die Tochter des im Greenwich-Hospital verstorbenen Schiffslieutenants Arnold. Jetzt ist die kleine Abenteurerin in Frauenkleidung nach England zurückgekommen.

Der Satirist, der ein scharfes Auge auf die Londoner Spielhäuser hat, schreibt: „Lord Pembroke verlor, so erzählt man in den Clubs, an einem der letzten Abende circa 4000 Pf. St. (48,000 fl.). Lord William Lennox und Grandby Calcraft hatten keine Hand im Spiel.“

In einer Versammlung der Westminsterer ärztlichen Gesellschaft kam vor einigen Tagen der in beunruhigendem Grade zunehmende Genuß des Opiums in England zur Sprache. Dr. T. Johnson behauptete auf seine eigene Erfahrung gestützt, die Zahl der Opium-Esser oder - Raucher im Lande komme fast

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="jArticle" n="2">
          <p><pb facs="#f0002" n="0042"/><lb/>
in seinen Praktiken, als es je ein Staatsmann gewesen. Dieser Mann hatte ein einziges Kind, ein Mädchen von den schönsten Geistes- und Herzensgaben, deren vor ein paar Wochen erfolgter Tod jeden Fühlenden aufs tiefste rührte. Was that Brougham, der Vater? Anstatt, wie es sich geziemt hätte, seinen Verlust im Stillen zu betrauern, sah man ihn als ersten Leidtragenden hinter der Leiche fahren. Hat man je zuvor gehört, daß ein Vater dem Leichenbegängniß seines Kindes beiwohnte? (!) Und am Tage nach der melancholischen Feier führte er, als wäre nichts geschehen, den Vorsitz in einem oberrichterlichen Conseil der Pairs. (Hört!) Doch ich würde seiner Privathandlungen nicht erwähnen, läge nicht auch in ihnen, wie in seinem öffentlichen Leben, der Beweis, daß er, trotz aller gelegentlichen Gefühlsschwätzerei für die Neger, ein gemüthloser Mann ist.&#x201C; Den Torylords gab O'Connell schuld, sie beabsichtigten nichts Geringeres als eine Revolution; dahin gehe jetzt ihr Dichten und Trachten in England, und ohne den Geist der Freiheit, der die Brust des irischen Volks erfülle, würde diese Revolution schon ausgebrochen und der englischen Oligarchie die Begründung einer unbeschränkten, tyrannischen Gewalt gelungen seyn. Nicht im Hause der Lords allein sey die Torypartei übermächtig, sondern durch ihren Einfluß auf die Wahlen, wobei ihnen jedes Mittel recht, habe sie auch im Hause der Gemeinen sich eine Minorität zuwege gebracht, die einer Majorität gleich komme und den schlimmsten Leidenschaften des freiheitsmörderischen Oberhauses fröhne. Doch noch habe diese Oligarchie zur Förderung ihrer Zwecke eines Haupthebels bedurft; denn wiewohl John Bull nur allzu geneigt sey, sich von hochtönenden Titeln imponiren, vom Flittertand erblicher Nobilität sich am Leitseile führen zu lassen, so besitze derselbe doch zu viel gesunden Menschenverstand, um sich ohne weiteres einem schlechten Despotismus zu unterwerfen. Diesen Haupthebel nun habe die Faction in dem engherzigen No Popery-Geschrei, in ihrem fanatischen Kreuzzug gegen den Katholicismus gefunden, der sich in England leider nur allzu wirksam zeige. Der Redner gedachte hier der Schmähungen gegen Irland und die römische Kirche, welche täglich die Spalten der Torypresse füllen. Die Times namentlich charakterisirte er in folgenden doggrel-rhymes von eigener Composition:<lb/><lg type="poem"><l>&#x201E;Vile press, without a parallel,</l><lb/><l>Organ fit for fiends of hell &#x2013;</l><lb/><l>Lies thy trade &#x2013; thy master sense,</l><lb/><l>Briked and brutal insolence.</l><lb/><l>From Puddledock to either sea,</l><lb/><l>Toryism stinks of thee.</l></lg><lb/>
(&#x201E;Feile Presse ohne Gleichen, geeignetes Organ für Dämonen der Hölle; Lüge ist dein Gewerb, deine Meisterschaft liegt in Corruption und brutaler Frechheit. Vom St. Georgscanal bis an beide Meere stinkt der Torysmus nach dir.&#x201C; &#x2013; Die Times hat unlängst behauptet, die katholischen Priester in Irland hätten sich bei der Einsammlung der O'Connell-Rente in den Capellen theils eines empörenden Zwanges, theils allerlei frommer Gaukeleien bedient; so habe ein rüstiger Diener des Altars einigen Bauern, die wenig oder nichts steuern wollten, die eiserne Sammelbüchse an den Kopf geschlagen; ein anderer auf der Kanzel erzählt, daß ein armer Bauer, der vor einigen Jahren sein einziges Schweinchen verkauft, um den Erlös daraus dem &#x201E;Vater des Vaterlandes&#x201C; darzubringen, jetzt in Folge dieses verdienstlichen Werkes, durch sichtbaren Segen des Himmels, einen wohlbevölkerten Schweinstall besitze u. dergl.) Hierauf schilderte O'Connell in bekannter Weise Irlands siebenhundertjährige Leiden unter der englischen Zwingherrschaft, versicherte, daß er ein Repealer sey und bis in den Tod bleiben werde, und verlangte schließlich, daß in allen Provinzen Irlands, in jeder Stadt, jedem Städtchen und jedem Dorf Versammlungen der Liberalen &#x2013; der Liberalen aller Confessionen gehalten werden sollten, um Adressen an die Königin, Petitionen an das Parlament für Irlands gutes Recht zu beschließen, und diesem zu sagen, daß das irische Volk, das seine Kraft fühlen gelernt, sich fortan von keinem Tory oder Orangemann, überhaupt von keinem Sachsen, mehr mit Füßen treten lasse. Dabei wiederholte der Agitator seine frühere Behauptung, die Königin würde, wenn die Tories ans Ruder kämen, kein Vierteljahr mehr leben, sondern dem Herzog v. Cumberland, dem Idol jener Faction, Platz machen müssen. &#x2013; Dem Wunsch O'Connells entsprechende Resolutionen wurden gefaßt.</p><lb/>
          <p>Zu den zahlreichen Gegenständen des Haders, die von der englischen und französischen Presse gegenseitig ausgebeutet werden, gehört auch die Frage wegen des portugiesischen Sklavenhandels, in welcher Beziehung der neuliche Artikel des Diario do Governo über einen Vorgang bei Angola (S. Nro. 2 der Allgem. Zeit.) von den Pariser Oppositionsblättern in einem für England sehr feindseligen Sinne commentirt wird. Der <hi rendition="#g">Standard</hi> bemerkt darüber: &#x201E;Der National geht in seinen Gasconnaden so weit, daß er die französische Regierung auffordert, die Schifffahrt und den Handel Portugals gegen brittische Raubsucht zu schützen. Wir hätten geglaubt, die sehr unschmeichelhaften Erinnerungen, die sich für Frankreich an seine vormalige Einmischung in die portugiesischen Angelegenheiten knüpfen, würden jeden französischen Journalisten abschrecken, ein so kitzliches Thema zu berühren. Sir Arthur Wellesley begann seinen Siegslauf vor Lissabon, und der Herzog von Wellington trieb dann die Franzosen vor sich her aus Portugal bis an die Thore von Paris. Das mögen unsere französischen Nachbarn ja nicht vergessen.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Auf dem Zimmerplatz des Hrn. Richardson in der Commercial-Road in London sieht man jetzt ein von dem Ingenieur Manning gebautes <hi rendition="#g">tragbares Gouvernementshaus</hi>. Es ist ganz aus dem besten norwegischen Holz construirt, und soll demnächst, in Stücken zerlegt, nach Neuseeland übergeschifft werden, um dort die Wohnung des vor einigen Monaten dahin abgegangenen brittischen Residenten Capitän Hobson zu bilden. Das Haus ist, wie es der <hi rendition="#g">Globe</hi> schildert, größer, bequemer und solider, als das ähnliche, welches für Napoleon von England aus nach St. Helena geschickt wurde. Dasselbe ist 120 Fuß lang, 50 breit und 24 hoch, wiegt 250 Tonnen und kostet 2000 Pf. St. Im Innern finden sich 16, mit elegantem Getäfel ausgelegte Zimmer, deren eines zu einer Schule bestimmt ist. Längs dem Haus läuft eine schöne, von eisernen Säulen getragene Veranda hin.</p><lb/>
          <p>An Bord des Schiffes Robert Small entdeckte man unlängst am Cap der guten Hoffnung in der Person eines rüstigen, Sturm und Wetter trotzenden Schiffsjungen ein hübsches fünfzehnjähriges Mädchen, die Tochter des im Greenwich-Hospital verstorbenen Schiffslieutenants Arnold. Jetzt ist die kleine Abenteurerin in Frauenkleidung nach England zurückgekommen.</p><lb/>
          <p>Der <hi rendition="#g">Satirist</hi>, der ein scharfes Auge auf die Londoner Spielhäuser hat, schreibt: &#x201E;Lord Pembroke verlor, so erzählt man in den Clubs, an einem der letzten Abende circa 4000 Pf. St. (48,000 fl.). Lord William Lennox und Grandby Calcraft hatten <hi rendition="#g">keine Hand</hi> im Spiel.&#x201C;</p><lb/>
          <p>In einer Versammlung der Westminsterer ärztlichen Gesellschaft kam vor einigen Tagen der in beunruhigendem Grade zunehmende Genuß des Opiums in England zur Sprache. Dr. T. Johnson behauptete auf seine eigene Erfahrung gestützt, die Zahl der Opium-Esser oder - Raucher im Lande komme fast<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0042/0002] in seinen Praktiken, als es je ein Staatsmann gewesen. Dieser Mann hatte ein einziges Kind, ein Mädchen von den schönsten Geistes- und Herzensgaben, deren vor ein paar Wochen erfolgter Tod jeden Fühlenden aufs tiefste rührte. Was that Brougham, der Vater? Anstatt, wie es sich geziemt hätte, seinen Verlust im Stillen zu betrauern, sah man ihn als ersten Leidtragenden hinter der Leiche fahren. Hat man je zuvor gehört, daß ein Vater dem Leichenbegängniß seines Kindes beiwohnte? (!) Und am Tage nach der melancholischen Feier führte er, als wäre nichts geschehen, den Vorsitz in einem oberrichterlichen Conseil der Pairs. (Hört!) Doch ich würde seiner Privathandlungen nicht erwähnen, läge nicht auch in ihnen, wie in seinem öffentlichen Leben, der Beweis, daß er, trotz aller gelegentlichen Gefühlsschwätzerei für die Neger, ein gemüthloser Mann ist.“ Den Torylords gab O'Connell schuld, sie beabsichtigten nichts Geringeres als eine Revolution; dahin gehe jetzt ihr Dichten und Trachten in England, und ohne den Geist der Freiheit, der die Brust des irischen Volks erfülle, würde diese Revolution schon ausgebrochen und der englischen Oligarchie die Begründung einer unbeschränkten, tyrannischen Gewalt gelungen seyn. Nicht im Hause der Lords allein sey die Torypartei übermächtig, sondern durch ihren Einfluß auf die Wahlen, wobei ihnen jedes Mittel recht, habe sie auch im Hause der Gemeinen sich eine Minorität zuwege gebracht, die einer Majorität gleich komme und den schlimmsten Leidenschaften des freiheitsmörderischen Oberhauses fröhne. Doch noch habe diese Oligarchie zur Förderung ihrer Zwecke eines Haupthebels bedurft; denn wiewohl John Bull nur allzu geneigt sey, sich von hochtönenden Titeln imponiren, vom Flittertand erblicher Nobilität sich am Leitseile führen zu lassen, so besitze derselbe doch zu viel gesunden Menschenverstand, um sich ohne weiteres einem schlechten Despotismus zu unterwerfen. Diesen Haupthebel nun habe die Faction in dem engherzigen No Popery-Geschrei, in ihrem fanatischen Kreuzzug gegen den Katholicismus gefunden, der sich in England leider nur allzu wirksam zeige. Der Redner gedachte hier der Schmähungen gegen Irland und die römische Kirche, welche täglich die Spalten der Torypresse füllen. Die Times namentlich charakterisirte er in folgenden doggrel-rhymes von eigener Composition: „Vile press, without a parallel, Organ fit for fiends of hell – Lies thy trade – thy master sense, Briked and brutal insolence. From Puddledock to either sea, Toryism stinks of thee. („Feile Presse ohne Gleichen, geeignetes Organ für Dämonen der Hölle; Lüge ist dein Gewerb, deine Meisterschaft liegt in Corruption und brutaler Frechheit. Vom St. Georgscanal bis an beide Meere stinkt der Torysmus nach dir.“ – Die Times hat unlängst behauptet, die katholischen Priester in Irland hätten sich bei der Einsammlung der O'Connell-Rente in den Capellen theils eines empörenden Zwanges, theils allerlei frommer Gaukeleien bedient; so habe ein rüstiger Diener des Altars einigen Bauern, die wenig oder nichts steuern wollten, die eiserne Sammelbüchse an den Kopf geschlagen; ein anderer auf der Kanzel erzählt, daß ein armer Bauer, der vor einigen Jahren sein einziges Schweinchen verkauft, um den Erlös daraus dem „Vater des Vaterlandes“ darzubringen, jetzt in Folge dieses verdienstlichen Werkes, durch sichtbaren Segen des Himmels, einen wohlbevölkerten Schweinstall besitze u. dergl.) Hierauf schilderte O'Connell in bekannter Weise Irlands siebenhundertjährige Leiden unter der englischen Zwingherrschaft, versicherte, daß er ein Repealer sey und bis in den Tod bleiben werde, und verlangte schließlich, daß in allen Provinzen Irlands, in jeder Stadt, jedem Städtchen und jedem Dorf Versammlungen der Liberalen – der Liberalen aller Confessionen gehalten werden sollten, um Adressen an die Königin, Petitionen an das Parlament für Irlands gutes Recht zu beschließen, und diesem zu sagen, daß das irische Volk, das seine Kraft fühlen gelernt, sich fortan von keinem Tory oder Orangemann, überhaupt von keinem Sachsen, mehr mit Füßen treten lasse. Dabei wiederholte der Agitator seine frühere Behauptung, die Königin würde, wenn die Tories ans Ruder kämen, kein Vierteljahr mehr leben, sondern dem Herzog v. Cumberland, dem Idol jener Faction, Platz machen müssen. – Dem Wunsch O'Connells entsprechende Resolutionen wurden gefaßt. Zu den zahlreichen Gegenständen des Haders, die von der englischen und französischen Presse gegenseitig ausgebeutet werden, gehört auch die Frage wegen des portugiesischen Sklavenhandels, in welcher Beziehung der neuliche Artikel des Diario do Governo über einen Vorgang bei Angola (S. Nro. 2 der Allgem. Zeit.) von den Pariser Oppositionsblättern in einem für England sehr feindseligen Sinne commentirt wird. Der Standard bemerkt darüber: „Der National geht in seinen Gasconnaden so weit, daß er die französische Regierung auffordert, die Schifffahrt und den Handel Portugals gegen brittische Raubsucht zu schützen. Wir hätten geglaubt, die sehr unschmeichelhaften Erinnerungen, die sich für Frankreich an seine vormalige Einmischung in die portugiesischen Angelegenheiten knüpfen, würden jeden französischen Journalisten abschrecken, ein so kitzliches Thema zu berühren. Sir Arthur Wellesley begann seinen Siegslauf vor Lissabon, und der Herzog von Wellington trieb dann die Franzosen vor sich her aus Portugal bis an die Thore von Paris. Das mögen unsere französischen Nachbarn ja nicht vergessen.“ Auf dem Zimmerplatz des Hrn. Richardson in der Commercial-Road in London sieht man jetzt ein von dem Ingenieur Manning gebautes tragbares Gouvernementshaus. Es ist ganz aus dem besten norwegischen Holz construirt, und soll demnächst, in Stücken zerlegt, nach Neuseeland übergeschifft werden, um dort die Wohnung des vor einigen Monaten dahin abgegangenen brittischen Residenten Capitän Hobson zu bilden. Das Haus ist, wie es der Globe schildert, größer, bequemer und solider, als das ähnliche, welches für Napoleon von England aus nach St. Helena geschickt wurde. Dasselbe ist 120 Fuß lang, 50 breit und 24 hoch, wiegt 250 Tonnen und kostet 2000 Pf. St. Im Innern finden sich 16, mit elegantem Getäfel ausgelegte Zimmer, deren eines zu einer Schule bestimmt ist. Längs dem Haus läuft eine schöne, von eisernen Säulen getragene Veranda hin. An Bord des Schiffes Robert Small entdeckte man unlängst am Cap der guten Hoffnung in der Person eines rüstigen, Sturm und Wetter trotzenden Schiffsjungen ein hübsches fünfzehnjähriges Mädchen, die Tochter des im Greenwich-Hospital verstorbenen Schiffslieutenants Arnold. Jetzt ist die kleine Abenteurerin in Frauenkleidung nach England zurückgekommen. Der Satirist, der ein scharfes Auge auf die Londoner Spielhäuser hat, schreibt: „Lord Pembroke verlor, so erzählt man in den Clubs, an einem der letzten Abende circa 4000 Pf. St. (48,000 fl.). Lord William Lennox und Grandby Calcraft hatten keine Hand im Spiel.“ In einer Versammlung der Westminsterer ärztlichen Gesellschaft kam vor einigen Tagen der in beunruhigendem Grade zunehmende Genuß des Opiums in England zur Sprache. Dr. T. Johnson behauptete auf seine eigene Erfahrung gestützt, die Zahl der Opium-Esser oder - Raucher im Lande komme fast

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_006_18400106
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_006_18400106/2
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 6. Augsburg, 6. Januar 1840, S. 0042. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_006_18400106/2>, abgerufen am 28.04.2024.