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Allgemeine Zeitung. Nr. 6. Augsburg, 6. Januar 1840.

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jener der Theetotalisten gleich. Ja, es ward erwähnt, die Lebensversicherungsgesellschaften hätten in Folge dieser ungeheuren Consumtion des berauschenden Giftes in letzterer Zeit so große Verluste erlitten, daß sie eine Versammlung darüber zu halten beabsichtigten.

Frankreich.

Der verewigte Erzbischof von Paris, Hr. v. Quelen, war am 8 Oct. 1778 geboren. Nachdem er zuerst Großvicar des Bischofs von St. Brieu, Vicar des Großalmoseniers, Bischof von Samosata in partibus, und Coadjutor des Cardinals Talleyrand von Perigord gewesen, ward er nach dem Tode des letztern, am 20 Oct. 1821, zum Erzbischof von Paris befördert, zum Pair von Frankreich, und endlich an die Stelle des Cardinals Besusset zum Mitglied der Akademie ernannt.

Der Generallieutenant Graf Rivaud Larafiniere, Großkreuz der Ehrenlegion, ist in seinem 74sten Jahre gestorben.

(Temps.) Man richtete diesen Abend in den Salons der Minister nur Eine Frage an einander: die 221 und die 212, die Linke, die äußerste Linke, das Centrum und das linke Centrum fragten einander, die Einen mit Neugierde, die Andern mit Besorgniß, ob es wahr sey, daß eine Modification des Cabinets bevorstehe, daß Hr. Guizot das Portefeuille des Innern und Hr. Dufaure das der Justiz übernehmen würde. Auf diese Fragen antwortete Hr. Passy mit der Erklärung, daß Hrn. Guizot kein Vorschlag gemacht worden sey, und setzte hinzu, daß kein Vorschlag zur Beseitigung des Hrn. Teste aus dem Cabinette durch irgend einen seiner Collegen vorgelegt werden könnte. Hr. Dufaure, der in den Salon des Hrn. Teste ging, wiederholte ungefähr dieselbe Erklärung. Hr. Villemain führte die nämliche Sprache.

(Commerce.) Wenige Tage vor Eröffnung der Kammern hatte ein gewisser Theil der Pairie, der gewissermaßen das dirigirende Comite derselben ist, von dem Plane des Ministeriums, der Rentenconversion in der Thronrede zu erwähnen, gehört, und schickte sogleich eine geheime Commission an den Hof mit dem Auftrag ab, dort zu erklären, daß man im Luxembourg ebenso wenig, wie in den Tuilerien zur Reduction geneigt sey, daß aber die Pairskammer bei ihrer Schwäche nicht mehr im Stande seyn würde, der Deputirtenkammer zu widerstehen, wenn die Krone in ihrer Eröffnungsrede auf die Seite der Conversion träte. Dieser Grund machte seine Wirkung, und man bewilligte Hrn. Passy zu Gunsten des Entwurfs Alles, was er wollte, mit Ausnahme der Erwähnung der Maaßregel in der Eröffnungsrede. Bei dem gegenwärtigen Stande der Dinge ist nun die Pairskammer bereit, das Werk der Deputirtenkammer, wenn es zu Stande kommt, zu verwerfen.

Das Journal des Debats hält die Umwandlung der Rente, welche der Erklärung des Finanzministers in den Bureaux zufolge unverzüglich statt haben soll, für unmöglich. Der gegenwärtige Zustand der französischen Finanzen, der Krieg in Algier, die Lage des Orients, die Verwicklungen in Holland und die Handelskrise in England und Amerika seyen sämmtlich gewichtige Umstände, welche der Ausführung jener Maaßregel sich widersetzten. Uebrigens könne man die Rentenfrage auch nicht schwebend lassen, denn das Land wünsche die Stabilität in allen Dingen. Es bleibe daher nichts Anderes zu thun übrig, als zu erklären, daß die fünfprocentigen Renten nur auf dem Wege der Tilgung heimbezahlt werden könnten.

Die Adresse-Commissionen haben sich bereits mehrmals versammelt; nach Vernehmung der Minister wird die der Deputirtenkammer ihren Referenten ernennen, vermuthlich Hrn. Remusat, der für den fähigsten Kopf unter den Commissarien gilt. Der Entwurf der Commission der Pairskammer wird zuerst debattirt werden, und da die Minister hierbei zugegen seyn wollen, lassen sich die Debatten der Deputirtenkammer erst für die Mitte der künftigen Woche erwarten. Schon in dem Entwurf der Commission dieser Kammer wird die Rede von dem in den Bureaux von den Ministern versprochenen Gesetz über die Conversion der Renten seyn. Der Finanzminister Hr. Passy hat dem Deputirten Gouin, einem der ursprünglichen Verfasser der bezüglichen Motion, einen bereits abgefaßten Gesetzentwurf vorgezeigt, mit der Erklärung, der König habe in dessen Vorlegung eingewilligt; wenn die Pairskammer Schwierigkeiten erhebe, werde das Ministerium aus dieser Frage eine Cabinetsfrage machen, um sie durchzusetzen. Letztere Aeußerung wird von der Opposition belacht; sie glaubt bei dem Widerwillen der Pairs werde eine hohe Person diese Gelegenheit benutzen, um sich des Cabinets zu entledigen. - Die Ihnen neulich mitgetheilte Nachricht über die an Don Carlos zu ertheilende Erlaubniß zur Abreise von Bourges nach Salzburg ist jetzt auch in ein hiesiges Blatt übergegangen. Vermuthlich wird der Moniteur sie in Abrede ziehen: allein sie ist wahr. - Das in hiesigen Blättern verbreitete Gerücht, wonach Hr. Guizot nach London abgehen sollte, ist wieder verschwunden. Dagegen scheint der Augenblick der Bildung eines von ihm dirigirten Ministeriums sich immer mehr zu nähern. Die Zahl seiner Anhänger in der Kammer ist in stetem Zunehmen: hierzu hat sein kürzlich erschienenes Werk über Washington viel beigetragen, wegen der darin ausgesprochenen liberalen Grundsätze. - Der eben verschiedene Erzbischof von Paris soll seinen Nachfolger in der Person des jetzigen Erzbischofs von Bordeaux finden.

In der Frage der Rentenverminderung ist zweierlei wohl zu unterscheiden: die Sache selbst, und die äußere Form. Allerdings ist wahr, daß Ludwig Philipp sich offen gegen diese Maaßregel ausgesprochen hat, aber eben so wahr ist, daß er seinen Widerspruch geopfert von dem Tage an, wo ihm der Minister Passy erklärte, daß er aus diesem Gesetze eine Lebensbedingung des Ministeriums mache. Der König ist persönlich bei dem Gegenstnade nicht interessirt, und seine Pariser Popularität mochte er für gerettet halten, da er öffentlich sich als Gegner der Conversion ausgesprochen hatte. Hiernach ist auch klar, warum die Thronrede nichts von der Rentenverminderung erwähnte, und gleichwohl der Finanzminister unmittelbar nachher den Gesetzesentwurf ankündigen konnte. Eine ähnliche Bemerkung findet statt hinsichtlich des Gesetzes über den Aemterverkauf. Der König hatte sich in Gegenwart vieler Personen als persönlichen Gegner dieser Neuerung erklärt, und darum schweigt seine Thronrede davon. Aber nichtsdestoweniger war es seit langer Zeit eine ausgemachte Sache, daß dieses Gesetz vorgelegt werden sollte. Der Justizminister hat demselben seine ganze Aufmerksamkeit geschenkt, die niedergesetzte Commission hat sich von allen Seiten die erforderlichen Aufschlüsse geben lassen, und es darf sogar als gewiß angenommen werden, daß Hr. Teste über diesen Entwurf schon Vorarbeiten der frühern Minister vorgefunden und ihren Plan weiter fortgesetzt hat. Seine lange Rechtspraxis übrigens, seine Sachkenntniß machte ihn mehr als alle andern berufen, Abhülfe gegen ein Aergerniß zu schaffen, das dem öffentlichen wie dem Privatinteresse gleichstark zuwider läuft. Im Uebrigen sieht es am politischen Himmel aus wie am natürlichen: trüb, unklar und nebelhaft verwischt. Unser Jahr endigt ohne allen entschiedenen Charakter. Nach


jener der Theetotalisten gleich. Ja, es ward erwähnt, die Lebensversicherungsgesellschaften hätten in Folge dieser ungeheuren Consumtion des berauschenden Giftes in letzterer Zeit so große Verluste erlitten, daß sie eine Versammlung darüber zu halten beabsichtigten.

Frankreich.

Der verewigte Erzbischof von Paris, Hr. v. Quelen, war am 8 Oct. 1778 geboren. Nachdem er zuerst Großvicar des Bischofs von St. Brieu, Vicar des Großalmoseniers, Bischof von Samosata in partibus, und Coadjutor des Cardinals Talleyrand von Périgord gewesen, ward er nach dem Tode des letztern, am 20 Oct. 1821, zum Erzbischof von Paris befördert, zum Pair von Frankreich, und endlich an die Stelle des Cardinals Besusset zum Mitglied der Akademie ernannt.

Der Generallieutenant Graf Rivaud Larafinière, Großkreuz der Ehrenlegion, ist in seinem 74sten Jahre gestorben.

(Temps.) Man richtete diesen Abend in den Salons der Minister nur Eine Frage an einander: die 221 und die 212, die Linke, die äußerste Linke, das Centrum und das linke Centrum fragten einander, die Einen mit Neugierde, die Andern mit Besorgniß, ob es wahr sey, daß eine Modification des Cabinets bevorstehe, daß Hr. Guizot das Portefeuille des Innern und Hr. Dufaure das der Justiz übernehmen würde. Auf diese Fragen antwortete Hr. Passy mit der Erklärung, daß Hrn. Guizot kein Vorschlag gemacht worden sey, und setzte hinzu, daß kein Vorschlag zur Beseitigung des Hrn. Teste aus dem Cabinette durch irgend einen seiner Collegen vorgelegt werden könnte. Hr. Dufaure, der in den Salon des Hrn. Teste ging, wiederholte ungefähr dieselbe Erklärung. Hr. Villemain führte die nämliche Sprache.

(Commerce.) Wenige Tage vor Eröffnung der Kammern hatte ein gewisser Theil der Pairie, der gewissermaßen das dirigirende Comité derselben ist, von dem Plane des Ministeriums, der Rentenconversion in der Thronrede zu erwähnen, gehört, und schickte sogleich eine geheime Commission an den Hof mit dem Auftrag ab, dort zu erklären, daß man im Luxembourg ebenso wenig, wie in den Tuilerien zur Reduction geneigt sey, daß aber die Pairskammer bei ihrer Schwäche nicht mehr im Stande seyn würde, der Deputirtenkammer zu widerstehen, wenn die Krone in ihrer Eröffnungsrede auf die Seite der Conversion träte. Dieser Grund machte seine Wirkung, und man bewilligte Hrn. Passy zu Gunsten des Entwurfs Alles, was er wollte, mit Ausnahme der Erwähnung der Maaßregel in der Eröffnungsrede. Bei dem gegenwärtigen Stande der Dinge ist nun die Pairskammer bereit, das Werk der Deputirtenkammer, wenn es zu Stande kommt, zu verwerfen.

Das Journal des Débats hält die Umwandlung der Rente, welche der Erklärung des Finanzministers in den Bureaux zufolge unverzüglich statt haben soll, für unmöglich. Der gegenwärtige Zustand der französischen Finanzen, der Krieg in Algier, die Lage des Orients, die Verwicklungen in Holland und die Handelskrise in England und Amerika seyen sämmtlich gewichtige Umstände, welche der Ausführung jener Maaßregel sich widersetzten. Uebrigens könne man die Rentenfrage auch nicht schwebend lassen, denn das Land wünsche die Stabilität in allen Dingen. Es bleibe daher nichts Anderes zu thun übrig, als zu erklären, daß die fünfprocentigen Renten nur auf dem Wege der Tilgung heimbezahlt werden könnten.

Die Adresse-Commissionen haben sich bereits mehrmals versammelt; nach Vernehmung der Minister wird die der Deputirtenkammer ihren Referenten ernennen, vermuthlich Hrn. Rémusat, der für den fähigsten Kopf unter den Commissarien gilt. Der Entwurf der Commission der Pairskammer wird zuerst debattirt werden, und da die Minister hierbei zugegen seyn wollen, lassen sich die Debatten der Deputirtenkammer erst für die Mitte der künftigen Woche erwarten. Schon in dem Entwurf der Commission dieser Kammer wird die Rede von dem in den Bureaux von den Ministern versprochenen Gesetz über die Conversion der Renten seyn. Der Finanzminister Hr. Passy hat dem Deputirten Gouin, einem der ursprünglichen Verfasser der bezüglichen Motion, einen bereits abgefaßten Gesetzentwurf vorgezeigt, mit der Erklärung, der König habe in dessen Vorlegung eingewilligt; wenn die Pairskammer Schwierigkeiten erhebe, werde das Ministerium aus dieser Frage eine Cabinetsfrage machen, um sie durchzusetzen. Letztere Aeußerung wird von der Opposition belacht; sie glaubt bei dem Widerwillen der Pairs werde eine hohe Person diese Gelegenheit benutzen, um sich des Cabinets zu entledigen. – Die Ihnen neulich mitgetheilte Nachricht über die an Don Carlos zu ertheilende Erlaubniß zur Abreise von Bourges nach Salzburg ist jetzt auch in ein hiesiges Blatt übergegangen. Vermuthlich wird der Moniteur sie in Abrede ziehen: allein sie ist wahr. – Das in hiesigen Blättern verbreitete Gerücht, wonach Hr. Guizot nach London abgehen sollte, ist wieder verschwunden. Dagegen scheint der Augenblick der Bildung eines von ihm dirigirten Ministeriums sich immer mehr zu nähern. Die Zahl seiner Anhänger in der Kammer ist in stetem Zunehmen: hierzu hat sein kürzlich erschienenes Werk über Washington viel beigetragen, wegen der darin ausgesprochenen liberalen Grundsätze. – Der eben verschiedene Erzbischof von Paris soll seinen Nachfolger in der Person des jetzigen Erzbischofs von Bordeaux finden.

In der Frage der Rentenverminderung ist zweierlei wohl zu unterscheiden: die Sache selbst, und die äußere Form. Allerdings ist wahr, daß Ludwig Philipp sich offen gegen diese Maaßregel ausgesprochen hat, aber eben so wahr ist, daß er seinen Widerspruch geopfert von dem Tage an, wo ihm der Minister Passy erklärte, daß er aus diesem Gesetze eine Lebensbedingung des Ministeriums mache. Der König ist persönlich bei dem Gegenstnade nicht interessirt, und seine Pariser Popularität mochte er für gerettet halten, da er öffentlich sich als Gegner der Conversion ausgesprochen hatte. Hiernach ist auch klar, warum die Thronrede nichts von der Rentenverminderung erwähnte, und gleichwohl der Finanzminister unmittelbar nachher den Gesetzesentwurf ankündigen konnte. Eine ähnliche Bemerkung findet statt hinsichtlich des Gesetzes über den Aemterverkauf. Der König hatte sich in Gegenwart vieler Personen als persönlichen Gegner dieser Neuerung erklärt, und darum schweigt seine Thronrede davon. Aber nichtsdestoweniger war es seit langer Zeit eine ausgemachte Sache, daß dieses Gesetz vorgelegt werden sollte. Der Justizminister hat demselben seine ganze Aufmerksamkeit geschenkt, die niedergesetzte Commission hat sich von allen Seiten die erforderlichen Aufschlüsse geben lassen, und es darf sogar als gewiß angenommen werden, daß Hr. Teste über diesen Entwurf schon Vorarbeiten der frühern Minister vorgefunden und ihren Plan weiter fortgesetzt hat. Seine lange Rechtspraxis übrigens, seine Sachkenntniß machte ihn mehr als alle andern berufen, Abhülfe gegen ein Aergerniß zu schaffen, das dem öffentlichen wie dem Privatinteresse gleichstark zuwider läuft. Im Uebrigen sieht es am politischen Himmel aus wie am natürlichen: trüb, unklar und nebelhaft verwischt. Unser Jahr endigt ohne allen entschiedenen Charakter. Nach

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[0043/0003] jener der Theetotalisten gleich. Ja, es ward erwähnt, die Lebensversicherungsgesellschaften hätten in Folge dieser ungeheuren Consumtion des berauschenden Giftes in letzterer Zeit so große Verluste erlitten, daß sie eine Versammlung darüber zu halten beabsichtigten. Frankreich. Paris, 1 Jan. Der verewigte Erzbischof von Paris, Hr. v. Quelen, war am 8 Oct. 1778 geboren. Nachdem er zuerst Großvicar des Bischofs von St. Brieu, Vicar des Großalmoseniers, Bischof von Samosata in partibus, und Coadjutor des Cardinals Talleyrand von Périgord gewesen, ward er nach dem Tode des letztern, am 20 Oct. 1821, zum Erzbischof von Paris befördert, zum Pair von Frankreich, und endlich an die Stelle des Cardinals Besusset zum Mitglied der Akademie ernannt. Der Generallieutenant Graf Rivaud Larafinière, Großkreuz der Ehrenlegion, ist in seinem 74sten Jahre gestorben. (Temps.) Man richtete diesen Abend in den Salons der Minister nur Eine Frage an einander: die 221 und die 212, die Linke, die äußerste Linke, das Centrum und das linke Centrum fragten einander, die Einen mit Neugierde, die Andern mit Besorgniß, ob es wahr sey, daß eine Modification des Cabinets bevorstehe, daß Hr. Guizot das Portefeuille des Innern und Hr. Dufaure das der Justiz übernehmen würde. Auf diese Fragen antwortete Hr. Passy mit der Erklärung, daß Hrn. Guizot kein Vorschlag gemacht worden sey, und setzte hinzu, daß kein Vorschlag zur Beseitigung des Hrn. Teste aus dem Cabinette durch irgend einen seiner Collegen vorgelegt werden könnte. Hr. Dufaure, der in den Salon des Hrn. Teste ging, wiederholte ungefähr dieselbe Erklärung. Hr. Villemain führte die nämliche Sprache. (Commerce.) Wenige Tage vor Eröffnung der Kammern hatte ein gewisser Theil der Pairie, der gewissermaßen das dirigirende Comité derselben ist, von dem Plane des Ministeriums, der Rentenconversion in der Thronrede zu erwähnen, gehört, und schickte sogleich eine geheime Commission an den Hof mit dem Auftrag ab, dort zu erklären, daß man im Luxembourg ebenso wenig, wie in den Tuilerien zur Reduction geneigt sey, daß aber die Pairskammer bei ihrer Schwäche nicht mehr im Stande seyn würde, der Deputirtenkammer zu widerstehen, wenn die Krone in ihrer Eröffnungsrede auf die Seite der Conversion träte. Dieser Grund machte seine Wirkung, und man bewilligte Hrn. Passy zu Gunsten des Entwurfs Alles, was er wollte, mit Ausnahme der Erwähnung der Maaßregel in der Eröffnungsrede. Bei dem gegenwärtigen Stande der Dinge ist nun die Pairskammer bereit, das Werk der Deputirtenkammer, wenn es zu Stande kommt, zu verwerfen. Das Journal des Débats hält die Umwandlung der Rente, welche der Erklärung des Finanzministers in den Bureaux zufolge unverzüglich statt haben soll, für unmöglich. Der gegenwärtige Zustand der französischen Finanzen, der Krieg in Algier, die Lage des Orients, die Verwicklungen in Holland und die Handelskrise in England und Amerika seyen sämmtlich gewichtige Umstände, welche der Ausführung jener Maaßregel sich widersetzten. Uebrigens könne man die Rentenfrage auch nicht schwebend lassen, denn das Land wünsche die Stabilität in allen Dingen. Es bleibe daher nichts Anderes zu thun übrig, als zu erklären, daß die fünfprocentigen Renten nur auf dem Wege der Tilgung heimbezahlt werden könnten. ∸ Paris, 1 Jan. Die Adresse-Commissionen haben sich bereits mehrmals versammelt; nach Vernehmung der Minister wird die der Deputirtenkammer ihren Referenten ernennen, vermuthlich Hrn. Rémusat, der für den fähigsten Kopf unter den Commissarien gilt. Der Entwurf der Commission der Pairskammer wird zuerst debattirt werden, und da die Minister hierbei zugegen seyn wollen, lassen sich die Debatten der Deputirtenkammer erst für die Mitte der künftigen Woche erwarten. Schon in dem Entwurf der Commission dieser Kammer wird die Rede von dem in den Bureaux von den Ministern versprochenen Gesetz über die Conversion der Renten seyn. Der Finanzminister Hr. Passy hat dem Deputirten Gouin, einem der ursprünglichen Verfasser der bezüglichen Motion, einen bereits abgefaßten Gesetzentwurf vorgezeigt, mit der Erklärung, der König habe in dessen Vorlegung eingewilligt; wenn die Pairskammer Schwierigkeiten erhebe, werde das Ministerium aus dieser Frage eine Cabinetsfrage machen, um sie durchzusetzen. Letztere Aeußerung wird von der Opposition belacht; sie glaubt bei dem Widerwillen der Pairs werde eine hohe Person diese Gelegenheit benutzen, um sich des Cabinets zu entledigen. – Die Ihnen neulich mitgetheilte Nachricht über die an Don Carlos zu ertheilende Erlaubniß zur Abreise von Bourges nach Salzburg ist jetzt auch in ein hiesiges Blatt übergegangen. Vermuthlich wird der Moniteur sie in Abrede ziehen: allein sie ist wahr. – Das in hiesigen Blättern verbreitete Gerücht, wonach Hr. Guizot nach London abgehen sollte, ist wieder verschwunden. Dagegen scheint der Augenblick der Bildung eines von ihm dirigirten Ministeriums sich immer mehr zu nähern. Die Zahl seiner Anhänger in der Kammer ist in stetem Zunehmen: hierzu hat sein kürzlich erschienenes Werk über Washington viel beigetragen, wegen der darin ausgesprochenen liberalen Grundsätze. – Der eben verschiedene Erzbischof von Paris soll seinen Nachfolger in der Person des jetzigen Erzbischofs von Bordeaux finden. = Paris, 31 December. In der Frage der Rentenverminderung ist zweierlei wohl zu unterscheiden: die Sache selbst, und die äußere Form. Allerdings ist wahr, daß Ludwig Philipp sich offen gegen diese Maaßregel ausgesprochen hat, aber eben so wahr ist, daß er seinen Widerspruch geopfert von dem Tage an, wo ihm der Minister Passy erklärte, daß er aus diesem Gesetze eine Lebensbedingung des Ministeriums mache. Der König ist persönlich bei dem Gegenstnade nicht interessirt, und seine Pariser Popularität mochte er für gerettet halten, da er öffentlich sich als Gegner der Conversion ausgesprochen hatte. Hiernach ist auch klar, warum die Thronrede nichts von der Rentenverminderung erwähnte, und gleichwohl der Finanzminister unmittelbar nachher den Gesetzesentwurf ankündigen konnte. Eine ähnliche Bemerkung findet statt hinsichtlich des Gesetzes über den Aemterverkauf. Der König hatte sich in Gegenwart vieler Personen als persönlichen Gegner dieser Neuerung erklärt, und darum schweigt seine Thronrede davon. Aber nichtsdestoweniger war es seit langer Zeit eine ausgemachte Sache, daß dieses Gesetz vorgelegt werden sollte. Der Justizminister hat demselben seine ganze Aufmerksamkeit geschenkt, die niedergesetzte Commission hat sich von allen Seiten die erforderlichen Aufschlüsse geben lassen, und es darf sogar als gewiß angenommen werden, daß Hr. Teste über diesen Entwurf schon Vorarbeiten der frühern Minister vorgefunden und ihren Plan weiter fortgesetzt hat. Seine lange Rechtspraxis übrigens, seine Sachkenntniß machte ihn mehr als alle andern berufen, Abhülfe gegen ein Aergerniß zu schaffen, das dem öffentlichen wie dem Privatinteresse gleichstark zuwider läuft. Im Uebrigen sieht es am politischen Himmel aus wie am natürlichen: trüb, unklar und nebelhaft verwischt. Unser Jahr endigt ohne allen entschiedenen Charakter. Nach

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 6. Augsburg, 6. Januar 1840, S. 0043. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_006_18400106/3>, abgerufen am 29.04.2024.