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Allgemeine Zeitung. Nr. 20. Augsburg, 20. Januar 1840.

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Industrieerzeugnisse nach transatlantischen Ländern durch die Hansestädte in eben dem Maaße abnehmen müßte, als mit dem verminderten Absatz der amerikanischen Producte auch das durch den Eintausch derselben gegebene Zahlungsmittel sich vermindern und aufhören würde durch die Hansestädte realisirbar zu werden. - Mit der Abnahme ihrer Concurrenz für diesen Vertrieb, der seit dem amerikanischen Kriege dahin gesteigert worden, daß Hamburg und Bremen in dem letztverwichenen Jahre für etwa 28 Mill. Thlr. pr. Courant an deutschen Erzeugnissen übers Meer verführt und realisirt haben, wird aber nicht bloß die Handhabe der deutschen Vereinsstaaten für dessen Austausch sich vermindern, sondern auch das Maaß und der Werth ihrer Tauschmittel: jenes, weil Holland, Belgien, und wer sonst den Platz der Hansestädte einnehmen dürfte, selbst fabricirende Länder sind, deren eigenes Interesse dabei also zunächst in Frage kommt; dieses, weil durch das Ermangeln der hanseatischen Concurrenz die Preisstellung bald genug von jenen abhängig werden wird, vor Allem von denen unter ihnen, welche als Besitzer von Colonien bei diesem Verkehr ein doppeltes Interesse zu wahren haben. Daß die von den Hansestädten seit einer Reihe von Jahren mit fast sämmtlichen transatlantischen Staaten abgeschlossenen Reciprocitätsverträge ihren auch für Deutschlands Binnenstaaten bedeutenden Werth nur zu bald verlieren würden, dürfte sich als weitere Folge einer solchen Rückkehr zu früheren Zuständen ergeben.

"Der natürliche Beruf der Hansestädte, die Fürsprecher ihrer überseeischen Handelsfreunde zu seyn, läßt sich unter solchen Umständen schwerlich verkennen. Ihrem freien Handel sind jene Staaten dasselbe, was den Seeplätzen Hollands seine Colonien.

"Wäre im Vertrage des 21 Jan. nur die Rede von Vortheilen, welche den Erzeugnissen des eigentlichen Hollands zu Gute kommen sollen, oder läge in der Begünstigung seiner Colonialproducte nicht zugleich ein indirectes Privilegium für die Handelsfunctionen der reich bevorzugten Stapelplätze des Mutterlandes, so würden allerdings in dem einem wie in dem andern Falle die Interessen gesondert, die Gesuche verschiedene seyn. Wie aber die Dinge sich wirklich verhalten, so stehen dem Königreich der Niederlande in seiner künstlich concentrirten Doppelgestalt die Interessen des freien Amerika's und der Hansestädte eng verbündet gegenüber.

"Aber auch die Hansestädte haben ihre doppelte Stellung, und es ist diejenige der Vermittler des deutschen Welthandels, auf welcher sie vor Allem fußen; es ist das Interesse des deutschen Zollvereins selbst, um dessentwillen sie in dem vorliegenden Falle eine Ausdehnung der den niederländischen Colonialproducten gewährten Zollvortheile auf alle, dem vaterländischen Handel offen stehenden Productionsländer dringend anempfehlen möchten. Weil ein eigenes Interesse hier unverhohlen mitspricht und weil dieses zunächst außerhalb der Gränzen des Zollvereins laut wird, möge man die Stimme der Hansestädte darum nicht für befangen oder abgesondert erachten. Ihr Interesse ist in Wahrheit dem des handelsverbündeten Deutschlands so wenig, ja minder fremd als das Triests dem österreichischen Kaiserstaate. An die Seegränzen gerückt, den Blick übers Meer gerichtet, bilden sie die Vorposten der deutschen Gewerbsmacht; es ist ihre Pflicht zu wachen und zu warnen, wo sie Gefahr erspähen. Deutschland wird deßhalb ihren Allarmruf nicht für voreilig oder vereinzelt halten dürfen; ist die Gefahr erst unbeachtet vorgedrungen, so daß das bedrohte Binnenland sie in ihrem ganzen Umfange übersehen kann, dann möchte es leicht zu spät seyn, ihr mit Erfolg zu begegnen.

"Selbst auf dem beschränkten Gebiete, wo eine Sonderung der Vereinsinteressen von den hanseatischen noch gedacht werden mag, insofern nämlich das reine Handelsinteresse zum Theil verschiedene Richtungen verfolgt und andere Lebensbedingungen hat als das gewerbliche oder financielle, scheinen Rücksichten des eigenen Nutzens Maaßregeln das Wort zu reden, wodurch das gefährdete Gleichgewicht der Hansestädte den Niederlanden gegenüber wieder hergestellt wird. Je größere Concurrenz unter den ein- oder ausführenden Weltmärkten, desto unabhängiger steht das Inland da, desto günstigere Bedingungen wird es erlangen können für die Befriedigung seines Bedarfs und den Absatz seiner Producte. Wenn aus diesem Grunde daher selbst das rheinische Deutschland, wiewohl zunächst auf Holland hingewiesen, bei der Erhaltung hanseatischer Concurrenz lebhaft interessirt ist, um wie viel mehr muß dieses Interesse wachsen, ja zur Nothwendigkeit werden, sobald von den Bedürfnissen und Gewerbsverhältnissen der Weser- und Elbprovinzen, als den natürlichen Handelsgebieten der Hansestädte, die Rede ist! Ohnehin aber erwächst in dem Entwickelungsgange des Handels so gut wie in dem der Industrie so manche, rein individuelle Befähigung, unabhängig von der Oertlichkeit und andern äußerlichen Bedingungen, daß, wo man jene irgendwo verkümmert, mit nichten daraus immer die Aussicht erwächst, die gleiche anderer Orten desto sicherer gedeihen zu sehen. Auch für diese Wahrheit bietet das Wechselverhältniß zwischen Deutschland und seinen Weltmärkten, hier den Niederlanden und dort den Hansestädten, so vielfache und augenfällige Belege dar, daß es weiterer Hinweisungen und Schlußziehungen hier kaum bedürfen möchte.

"Bedürfen nun aber - um das Ergebniß der vorstehenden Ausführungen in wenig Worten zusammenzufassen und für die Zwecke der Gegenwart in Anwendung zu bringen, - die Staaten des deutschen Zollvereins in ihrer Gesammtheit und als continentale Handelsmacht aufgefaßt, für den Betrieb des Weltverkehrs geeigneter Freihäfen an Hauptströmen und an der, ihnen gelegensten Meeresküste; würden sie Anlage und Ausbildung derselben daher mit großen Anstrengungen erst zu bewirken haben, wenn ihnen solche nicht bereits in den Hansestädten vorlägen und dargeboten erschienen - und andrerseits betrachten diese Städte in solcher Beziehung sich selbst als mit zu ihnen gehörig, sind sie zur Geltendmachung der Interessen des Zollvereins nicht bloß geneigt, sondern erkennen darin vielmehr, sowohl den eigenen, wohlverstandenen Vortheil, als den gemeinsamen vaterländischen Beruf - haben sie endlich hievon durch ihre bisherigen Bestrebungen, offenkundiges Zeugniß abgelegt, so wird es in der That auch nur einer offenen Anerkennung dieses glücklicherweise schon bestehenden Verhältnisses und einer bei jedem sich darbietenden Anlasse erneuerten freundlichen Verständigung über gemeinsam zu treffende oder jedem Theile einseitig anzusinnende Maaßregeln bedürfen, um die vorhandene Befähigung und Wechselwirkung zum Heile der in ihren wesentlichsten Interessen verbundenen Gesammtheit sicher zu stellen und erfolgreich auszubilden. - Zu solchem Zweck ihrerseits nach Kräften mitzuwirken, werden die Hansestädte jeder Zeit sich geneigt erweisen. - Sie dürfen aber auch mit Zuversicht dagegen erwarten, daß von den, für ihre Handels- und Gewerbsinteressen, näher unter sich verbundenen Staaten, des deutschen Vaterlandes, jenes factische, allgemeinere Band bei den Beziehungen derselben zum Auslande, zumal bei dem Abschlusse ihrer Handelsverträge mit auswärtigen Mächten, fortan nicht unbeachtet und unbeherziget bleibe werde.

Bremen, 11 Mai 1839."

Industrieerzeugnisse nach transatlantischen Ländern durch die Hansestädte in eben dem Maaße abnehmen müßte, als mit dem verminderten Absatz der amerikanischen Producte auch das durch den Eintausch derselben gegebene Zahlungsmittel sich vermindern und aufhören würde durch die Hansestädte realisirbar zu werden. – Mit der Abnahme ihrer Concurrenz für diesen Vertrieb, der seit dem amerikanischen Kriege dahin gesteigert worden, daß Hamburg und Bremen in dem letztverwichenen Jahre für etwa 28 Mill. Thlr. pr. Courant an deutschen Erzeugnissen übers Meer verführt und realisirt haben, wird aber nicht bloß die Handhabe der deutschen Vereinsstaaten für dessen Austausch sich vermindern, sondern auch das Maaß und der Werth ihrer Tauschmittel: jenes, weil Holland, Belgien, und wer sonst den Platz der Hansestädte einnehmen dürfte, selbst fabricirende Länder sind, deren eigenes Interesse dabei also zunächst in Frage kommt; dieses, weil durch das Ermangeln der hanseatischen Concurrenz die Preisstellung bald genug von jenen abhängig werden wird, vor Allem von denen unter ihnen, welche als Besitzer von Colonien bei diesem Verkehr ein doppeltes Interesse zu wahren haben. Daß die von den Hansestädten seit einer Reihe von Jahren mit fast sämmtlichen transatlantischen Staaten abgeschlossenen Reciprocitätsverträge ihren auch für Deutschlands Binnenstaaten bedeutenden Werth nur zu bald verlieren würden, dürfte sich als weitere Folge einer solchen Rückkehr zu früheren Zuständen ergeben.

„Der natürliche Beruf der Hansestädte, die Fürsprecher ihrer überseeischen Handelsfreunde zu seyn, läßt sich unter solchen Umständen schwerlich verkennen. Ihrem freien Handel sind jene Staaten dasselbe, was den Seeplätzen Hollands seine Colonien.

„Wäre im Vertrage des 21 Jan. nur die Rede von Vortheilen, welche den Erzeugnissen des eigentlichen Hollands zu Gute kommen sollen, oder läge in der Begünstigung seiner Colonialproducte nicht zugleich ein indirectes Privilegium für die Handelsfunctionen der reich bevorzugten Stapelplätze des Mutterlandes, so würden allerdings in dem einem wie in dem andern Falle die Interessen gesondert, die Gesuche verschiedene seyn. Wie aber die Dinge sich wirklich verhalten, so stehen dem Königreich der Niederlande in seiner künstlich concentrirten Doppelgestalt die Interessen des freien Amerika's und der Hansestädte eng verbündet gegenüber.

„Aber auch die Hansestädte haben ihre doppelte Stellung, und es ist diejenige der Vermittler des deutschen Welthandels, auf welcher sie vor Allem fußen; es ist das Interesse des deutschen Zollvereins selbst, um dessentwillen sie in dem vorliegenden Falle eine Ausdehnung der den niederländischen Colonialproducten gewährten Zollvortheile auf alle, dem vaterländischen Handel offen stehenden Productionsländer dringend anempfehlen möchten. Weil ein eigenes Interesse hier unverhohlen mitspricht und weil dieses zunächst außerhalb der Gränzen des Zollvereins laut wird, möge man die Stimme der Hansestädte darum nicht für befangen oder abgesondert erachten. Ihr Interesse ist in Wahrheit dem des handelsverbündeten Deutschlands so wenig, ja minder fremd als das Triests dem österreichischen Kaiserstaate. An die Seegränzen gerückt, den Blick übers Meer gerichtet, bilden sie die Vorposten der deutschen Gewerbsmacht; es ist ihre Pflicht zu wachen und zu warnen, wo sie Gefahr erspähen. Deutschland wird deßhalb ihren Allarmruf nicht für voreilig oder vereinzelt halten dürfen; ist die Gefahr erst unbeachtet vorgedrungen, so daß das bedrohte Binnenland sie in ihrem ganzen Umfange übersehen kann, dann möchte es leicht zu spät seyn, ihr mit Erfolg zu begegnen.

„Selbst auf dem beschränkten Gebiete, wo eine Sonderung der Vereinsinteressen von den hanseatischen noch gedacht werden mag, insofern nämlich das reine Handelsinteresse zum Theil verschiedene Richtungen verfolgt und andere Lebensbedingungen hat als das gewerbliche oder financielle, scheinen Rücksichten des eigenen Nutzens Maaßregeln das Wort zu reden, wodurch das gefährdete Gleichgewicht der Hansestädte den Niederlanden gegenüber wieder hergestellt wird. Je größere Concurrenz unter den ein- oder ausführenden Weltmärkten, desto unabhängiger steht das Inland da, desto günstigere Bedingungen wird es erlangen können für die Befriedigung seines Bedarfs und den Absatz seiner Producte. Wenn aus diesem Grunde daher selbst das rheinische Deutschland, wiewohl zunächst auf Holland hingewiesen, bei der Erhaltung hanseatischer Concurrenz lebhaft interessirt ist, um wie viel mehr muß dieses Interesse wachsen, ja zur Nothwendigkeit werden, sobald von den Bedürfnissen und Gewerbsverhältnissen der Weser- und Elbprovinzen, als den natürlichen Handelsgebieten der Hansestädte, die Rede ist! Ohnehin aber erwächst in dem Entwickelungsgange des Handels so gut wie in dem der Industrie so manche, rein individuelle Befähigung, unabhängig von der Oertlichkeit und andern äußerlichen Bedingungen, daß, wo man jene irgendwo verkümmert, mit nichten daraus immer die Aussicht erwächst, die gleiche anderer Orten desto sicherer gedeihen zu sehen. Auch für diese Wahrheit bietet das Wechselverhältniß zwischen Deutschland und seinen Weltmärkten, hier den Niederlanden und dort den Hansestädten, so vielfache und augenfällige Belege dar, daß es weiterer Hinweisungen und Schlußziehungen hier kaum bedürfen möchte.

„Bedürfen nun aber – um das Ergebniß der vorstehenden Ausführungen in wenig Worten zusammenzufassen und für die Zwecke der Gegenwart in Anwendung zu bringen, – die Staaten des deutschen Zollvereins in ihrer Gesammtheit und als continentale Handelsmacht aufgefaßt, für den Betrieb des Weltverkehrs geeigneter Freihäfen an Hauptströmen und an der, ihnen gelegensten Meeresküste; würden sie Anlage und Ausbildung derselben daher mit großen Anstrengungen erst zu bewirken haben, wenn ihnen solche nicht bereits in den Hansestädten vorlägen und dargeboten erschienen – und andrerseits betrachten diese Städte in solcher Beziehung sich selbst als mit zu ihnen gehörig, sind sie zur Geltendmachung der Interessen des Zollvereins nicht bloß geneigt, sondern erkennen darin vielmehr, sowohl den eigenen, wohlverstandenen Vortheil, als den gemeinsamen vaterländischen Beruf – haben sie endlich hievon durch ihre bisherigen Bestrebungen, offenkundiges Zeugniß abgelegt, so wird es in der That auch nur einer offenen Anerkennung dieses glücklicherweise schon bestehenden Verhältnisses und einer bei jedem sich darbietenden Anlasse erneuerten freundlichen Verständigung über gemeinsam zu treffende oder jedem Theile einseitig anzusinnende Maaßregeln bedürfen, um die vorhandene Befähigung und Wechselwirkung zum Heile der in ihren wesentlichsten Interessen verbundenen Gesammtheit sicher zu stellen und erfolgreich auszubilden. – Zu solchem Zweck ihrerseits nach Kräften mitzuwirken, werden die Hansestädte jeder Zeit sich geneigt erweisen. – Sie dürfen aber auch mit Zuversicht dagegen erwarten, daß von den, für ihre Handels- und Gewerbsinteressen, näher unter sich verbundenen Staaten, des deutschen Vaterlandes, jenes factische, allgemeinere Band bei den Beziehungen derselben zum Auslande, zumal bei dem Abschlusse ihrer Handelsverträge mit auswärtigen Mächten, fortan nicht unbeachtet und unbeherziget bleibe werde.

Bremen, 11 Mai 1839.“

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[0157/0013] Industrieerzeugnisse nach transatlantischen Ländern durch die Hansestädte in eben dem Maaße abnehmen müßte, als mit dem verminderten Absatz der amerikanischen Producte auch das durch den Eintausch derselben gegebene Zahlungsmittel sich vermindern und aufhören würde durch die Hansestädte realisirbar zu werden. – Mit der Abnahme ihrer Concurrenz für diesen Vertrieb, der seit dem amerikanischen Kriege dahin gesteigert worden, daß Hamburg und Bremen in dem letztverwichenen Jahre für etwa 28 Mill. Thlr. pr. Courant an deutschen Erzeugnissen übers Meer verführt und realisirt haben, wird aber nicht bloß die Handhabe der deutschen Vereinsstaaten für dessen Austausch sich vermindern, sondern auch das Maaß und der Werth ihrer Tauschmittel: jenes, weil Holland, Belgien, und wer sonst den Platz der Hansestädte einnehmen dürfte, selbst fabricirende Länder sind, deren eigenes Interesse dabei also zunächst in Frage kommt; dieses, weil durch das Ermangeln der hanseatischen Concurrenz die Preisstellung bald genug von jenen abhängig werden wird, vor Allem von denen unter ihnen, welche als Besitzer von Colonien bei diesem Verkehr ein doppeltes Interesse zu wahren haben. Daß die von den Hansestädten seit einer Reihe von Jahren mit fast sämmtlichen transatlantischen Staaten abgeschlossenen Reciprocitätsverträge ihren auch für Deutschlands Binnenstaaten bedeutenden Werth nur zu bald verlieren würden, dürfte sich als weitere Folge einer solchen Rückkehr zu früheren Zuständen ergeben. „Der natürliche Beruf der Hansestädte, die Fürsprecher ihrer überseeischen Handelsfreunde zu seyn, läßt sich unter solchen Umständen schwerlich verkennen. Ihrem freien Handel sind jene Staaten dasselbe, was den Seeplätzen Hollands seine Colonien. „Wäre im Vertrage des 21 Jan. nur die Rede von Vortheilen, welche den Erzeugnissen des eigentlichen Hollands zu Gute kommen sollen, oder läge in der Begünstigung seiner Colonialproducte nicht zugleich ein indirectes Privilegium für die Handelsfunctionen der reich bevorzugten Stapelplätze des Mutterlandes, so würden allerdings in dem einem wie in dem andern Falle die Interessen gesondert, die Gesuche verschiedene seyn. Wie aber die Dinge sich wirklich verhalten, so stehen dem Königreich der Niederlande in seiner künstlich concentrirten Doppelgestalt die Interessen des freien Amerika's und der Hansestädte eng verbündet gegenüber. „Aber auch die Hansestädte haben ihre doppelte Stellung, und es ist diejenige der Vermittler des deutschen Welthandels, auf welcher sie vor Allem fußen; es ist das Interesse des deutschen Zollvereins selbst, um dessentwillen sie in dem vorliegenden Falle eine Ausdehnung der den niederländischen Colonialproducten gewährten Zollvortheile auf alle, dem vaterländischen Handel offen stehenden Productionsländer dringend anempfehlen möchten. Weil ein eigenes Interesse hier unverhohlen mitspricht und weil dieses zunächst außerhalb der Gränzen des Zollvereins laut wird, möge man die Stimme der Hansestädte darum nicht für befangen oder abgesondert erachten. Ihr Interesse ist in Wahrheit dem des handelsverbündeten Deutschlands so wenig, ja minder fremd als das Triests dem österreichischen Kaiserstaate. An die Seegränzen gerückt, den Blick übers Meer gerichtet, bilden sie die Vorposten der deutschen Gewerbsmacht; es ist ihre Pflicht zu wachen und zu warnen, wo sie Gefahr erspähen. Deutschland wird deßhalb ihren Allarmruf nicht für voreilig oder vereinzelt halten dürfen; ist die Gefahr erst unbeachtet vorgedrungen, so daß das bedrohte Binnenland sie in ihrem ganzen Umfange übersehen kann, dann möchte es leicht zu spät seyn, ihr mit Erfolg zu begegnen. „Selbst auf dem beschränkten Gebiete, wo eine Sonderung der Vereinsinteressen von den hanseatischen noch gedacht werden mag, insofern nämlich das reine Handelsinteresse zum Theil verschiedene Richtungen verfolgt und andere Lebensbedingungen hat als das gewerbliche oder financielle, scheinen Rücksichten des eigenen Nutzens Maaßregeln das Wort zu reden, wodurch das gefährdete Gleichgewicht der Hansestädte den Niederlanden gegenüber wieder hergestellt wird. Je größere Concurrenz unter den ein- oder ausführenden Weltmärkten, desto unabhängiger steht das Inland da, desto günstigere Bedingungen wird es erlangen können für die Befriedigung seines Bedarfs und den Absatz seiner Producte. Wenn aus diesem Grunde daher selbst das rheinische Deutschland, wiewohl zunächst auf Holland hingewiesen, bei der Erhaltung hanseatischer Concurrenz lebhaft interessirt ist, um wie viel mehr muß dieses Interesse wachsen, ja zur Nothwendigkeit werden, sobald von den Bedürfnissen und Gewerbsverhältnissen der Weser- und Elbprovinzen, als den natürlichen Handelsgebieten der Hansestädte, die Rede ist! Ohnehin aber erwächst in dem Entwickelungsgange des Handels so gut wie in dem der Industrie so manche, rein individuelle Befähigung, unabhängig von der Oertlichkeit und andern äußerlichen Bedingungen, daß, wo man jene irgendwo verkümmert, mit nichten daraus immer die Aussicht erwächst, die gleiche anderer Orten desto sicherer gedeihen zu sehen. Auch für diese Wahrheit bietet das Wechselverhältniß zwischen Deutschland und seinen Weltmärkten, hier den Niederlanden und dort den Hansestädten, so vielfache und augenfällige Belege dar, daß es weiterer Hinweisungen und Schlußziehungen hier kaum bedürfen möchte. „Bedürfen nun aber – um das Ergebniß der vorstehenden Ausführungen in wenig Worten zusammenzufassen und für die Zwecke der Gegenwart in Anwendung zu bringen, – die Staaten des deutschen Zollvereins in ihrer Gesammtheit und als continentale Handelsmacht aufgefaßt, für den Betrieb des Weltverkehrs geeigneter Freihäfen an Hauptströmen und an der, ihnen gelegensten Meeresküste; würden sie Anlage und Ausbildung derselben daher mit großen Anstrengungen erst zu bewirken haben, wenn ihnen solche nicht bereits in den Hansestädten vorlägen und dargeboten erschienen – und andrerseits betrachten diese Städte in solcher Beziehung sich selbst als mit zu ihnen gehörig, sind sie zur Geltendmachung der Interessen des Zollvereins nicht bloß geneigt, sondern erkennen darin vielmehr, sowohl den eigenen, wohlverstandenen Vortheil, als den gemeinsamen vaterländischen Beruf – haben sie endlich hievon durch ihre bisherigen Bestrebungen, offenkundiges Zeugniß abgelegt, so wird es in der That auch nur einer offenen Anerkennung dieses glücklicherweise schon bestehenden Verhältnisses und einer bei jedem sich darbietenden Anlasse erneuerten freundlichen Verständigung über gemeinsam zu treffende oder jedem Theile einseitig anzusinnende Maaßregeln bedürfen, um die vorhandene Befähigung und Wechselwirkung zum Heile der in ihren wesentlichsten Interessen verbundenen Gesammtheit sicher zu stellen und erfolgreich auszubilden. – Zu solchem Zweck ihrerseits nach Kräften mitzuwirken, werden die Hansestädte jeder Zeit sich geneigt erweisen. – Sie dürfen aber auch mit Zuversicht dagegen erwarten, daß von den, für ihre Handels- und Gewerbsinteressen, näher unter sich verbundenen Staaten, des deutschen Vaterlandes, jenes factische, allgemeinere Band bei den Beziehungen derselben zum Auslande, zumal bei dem Abschlusse ihrer Handelsverträge mit auswärtigen Mächten, fortan nicht unbeachtet und unbeherziget bleibe werde. Bremen, 11 Mai 1839.“

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 20. Augsburg, 20. Januar 1840, S. 0157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_020_18400120/13>, abgerufen am 28.04.2024.