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Allgemeine Zeitung. Nr. 35. Augsburg, 4. Februar 1840.

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scharf scandirt, rasch und wie Roßhufschlag in bis zu Ende stets steigender, Anapästen sprühender Präcision. Das Armenische zeichnete sich durch die wohllautende Bewegung des Wortfalles aus; der Georgier sprach wie psalmodirend mit einer hohen und tönenden Kopfstimme. Im Sabäischen, welches ein Eingeborner von Diarbekr vortrug, stachen die Kehllaute rauh hervor. Die kurdischen Verse, von einem Syrer gesprochen, waren melodisch gereimt und überaus rhythmisch, in einer wie Wellenschlag fließenden Bewegung: --|--. Sehr schön reihten sich das Keltische, Schottische und Irländische aneinander, das erstere dunkel, schwebend, trüb; das zweite in tiefer, sanfter Stimmlage gleichtönig gesprochen, melancholisch und phantastisch, und das letzte brausend und abgesetzt wie ein Bach, der über Steingerölle sich stürzt. Der Pole sprach fast ganz aus Einem Tone, sehr articulirt, heftig bis zum Stürmenden. Der Aethiope schleuderte die rauschenden amharischen Laute aus dem vollen Munde schußweise wie Raketen, während er in seiner eigenen Sprache den sehr markirten und schallenden Vortrag mit einem Singen in lauter kurzen und stets einander gleichenden Melismen verband. Das Chaldäisch der Schriftsprache habe ich bis zuletzt verspart, weil es sich sehr eigenthümlich von allen übrigen Vorträgen unterschied. Es wurde von Dreien ein Gespräch ausgeführt, von denen der eine mit starker und tiefer Stimme, rauh und mit einem fast sarkastischen Anfluge, der zweite in wenig höherer Stimmlage, sehr getragen und doch dabei mit einer unbeschreiblichen Lebhaftigkeit der Articulation, der dritte endlich mit einem scharffeinen und angestrengten Kehlorgan hastig und geschwätzig sprach; diese vollkommen dramatische Scene beschlossen sie mit einem Ritualgesange, welchen sie, dicht aneinander tretend und die Köpfe so nah als möglich zusammensteckend, mit ungemeinem Eifer und in schönem Contrast ihrer Stimmen erst Zwei um Zweie und dann zu Dreien, theils im Terzett, theils im Unisono, zuletzt mit sehr beschleunigtem Tempo ausführten. Auch die lateinische Ekloge wurde von Dreien gesprochen, deren Zusammenstellung bemerkenswerth ist. Der eine war aus Washington, der zweite aus Aleppo, der dritte aus Dresden. Das Koptische endlich gaben zwei Aegyptier dialogisch zum Besten, von denen der eine Gesang einmischte. Das Französische trug sonderbarerweise ein Schotte vor, nicht eben schön. Der Deutsche, der aus Koblenz war, recitirte ein schwülstiges Gedicht mit dem ungeschicktesten Pathos, der nur aufzutreiben war. Auch das italienische Sonett declamirte ein Deutscher, die Terzinen aber ein Illyrier außerordentlich schön. Der lebhafteste Applaus begleitete das wiederum von einem Deutschen vorgetragene lateinische Epigramm, denn es war unter den Productionen dieser Akademie die kürzeste von allen. (Leipz. Bl.)

Kunstberichte aus München.

Im Atelier des Hrn. Bildhauers Schöpf sieht man gegenwärtig die kolossale Büste Jean Pauls, welche Se. Maj. von genanntem Künstler für die Halle des bayerischen Ruhmes in Marmor ausführen läßt. Personen, die den verewigten Dichter persönlich gekannt, haben sich mit der Auffassung und Aehnlichkeit dieses Bildes vollkommen zufrieden erklärt, was um so erfreulicher ist, als die bisherigen Abbildungen in beiden Beziehungen viel zu wünschen übrig ließen. - In der größern Abtheilung des königl. Gießhauses hat Professor Schwanthaler begonnen, die kolossale Bavaria zu modelliren, welche für obengenannte Ruhmeshalle bestimmt ist. Es kann dieses Modell wegen seiner Größe nur stückweise gebosselt werden; der Kopf hat eine Höhe von sieben Fuß; zum Bruststück allein gehören mehrere hundert Centner Thonerde. Von großem Interesse war es, das Geripp zu betrachten, welches der Künstler ersonnen hatte, diesen Massen einen Halt von innen heraus zu geben. - Das Atelier des Hrn. Professors Schwanthaler haben nach ihrer Vollendung nun jene in Marmor ausgeführten Kolossalstatuen verlassen, die, als bildliche Darstellung des jetzigen Kunstlebens in Bayern, den Fronton des neuen Ausstellungsgebäudes schmücken werden, das von Hrn. Bauinspector Ziebland gegenüber der Glypthothek aufgeführt wird und zwar unmittelbar vor dem mit der Basilika des h. Bonifacius verbundenen Benedictinerkloster, dessen äußerer Aufbau auch bereits ziemlich vollendet ist. - In diesen Tagen hat uns das Kunstblatt die beiden Profilansichten der Amazonengruppe von Kiß in Berlin, nach des Künstlers eigner Zeichnung radirt, gebracht. Je mehr die öffentliche Aufmerksamkeit in Berlin darauf gerichtet worden, je größer die Theilnahme ist, die sich dort für die Ausführung des Werks gezeigt, desto mehr war man hier auf eine Anschauung desselben gespannt, desto mehr war man geneigt, an etwas ganz Außerordentliches zu glauben. Selten aber hat man sich so enttäuscht gesehen, ols durch die gedachten Umrisse, und wenn nicht etwa die Ausführung der Details, die man natürlich an jenen nicht wahrnehmen kann, den Wunsch der Ausführung herbeigeführt, so begreift man in der That diesen hier nicht ganz. Es ist hier nicht der Ort, das Werk einer Beurtheilung zu unterwerfen; nur einige wenige Bemerkungen mögen die Wirkung desselben unter unsern Künstlern rechtfertigen. Der Anfall des Tigers auf das Pferd der Amazone ist das Hauptmotiv der Gruppe, und doch sieht man vom Tiger in der Rechts-Profilansicht von diesem nur den Körper ohne Kopf, und von den Klauen nur eine, so daß es für die Ferne - und an diese muß bei einem öffentlich auszustellenden Kunstwerk doch gedacht seyn - gänzlich unverständlich bleiben muß, was diese runde Masse an der Brust des Pferdes bedeute. Die andere Profilansicht läßt nun vom Pferdekopf nur ein Auge sehen, zeigt aber auch vom Tigerkopf nur ein Stück und gerade die charakteristischsten Züge, den Rachen, die Unterkiefer nicht. - Die Amazone hat die Lanze zum Wurf erhoben gegen das Thier, das ihr so nahe ist, daß sie sich nur durch Stoß möglicherweise vertheidigen kann. Verfolgt man aber die Richtung ihrer Lanze, so trifft sie auf die Hirnschale des Tigers, die von ihr nichts zu befürchten hat. Das plastische Gesetz der Richtigkeit des Gedankens, der vollkommenen Klarheit der Darstellung, uicht gerechnet die Bedingungen der Entwickelung der Körperformen scheinen außerhalb der Conception dieser Gruppe geblieben zu seyn. - Unser Kunstverein hat die Ankäufe für dieses Jahr geschlossen. Sie sind zwar nicht in dem Grade, wie im verflossenen Jahre, zu allgemeiner Zufriedenheit ausgefallen; doch finden sich einige schätzbare Gemälde darunter, und - was besonders reizt - zwei kleine vergoldete Bronzestatuen nach Schwanthalers bayerischen Fürsten. Ich werde später ausführlicher darauf zurückkommen. - Cornelius hat die Vorarbeiten für die Gemälde der Ludwigskirche so weit beendet, daß er, was er seit etwa 23 Jahren nicht gehabt, Muße gewonnen, aus eigenem Atrieb ein Werk zu beginnen, das er, wie man hört, in Oel ausführen wird. - Von dem großem Lithographiewerk von Friedrich Hohe, Neue Malerwerke aus München, dem die Idee zu Grunde liegt, eine vollkommene und allseitige Anschauung, soweit es in Abbildungen möglich ist, von dem hiesigen Kunstleben zu geben, ist das sechste Heft mit Bildern nach Kirner, Müller und Lotze erschienen, von denen namentlich das mittlere auch als Muster vollendeten Steindrucks angeführt zu werden verdient. Ich werde auf


scharf scandirt, rasch und wie Roßhufschlag in bis zu Ende stets steigender, Anapästen sprühender Präcision. Das Armenische zeichnete sich durch die wohllautende Bewegung des Wortfalles aus; der Georgier sprach wie psalmodirend mit einer hohen und tönenden Kopfstimme. Im Sabäischen, welches ein Eingeborner von Diarbekr vortrug, stachen die Kehllaute rauh hervor. Die kurdischen Verse, von einem Syrer gesprochen, waren melodisch gereimt und überaus rhythmisch, in einer wie Wellenschlag fließenden Bewegung: ∪-∪∪-∪|∪-∪∪-. Sehr schön reihten sich das Keltische, Schottische und Irländische aneinander, das erstere dunkel, schwebend, trüb; das zweite in tiefer, sanfter Stimmlage gleichtönig gesprochen, melancholisch und phantastisch, und das letzte brausend und abgesetzt wie ein Bach, der über Steingerölle sich stürzt. Der Pole sprach fast ganz aus Einem Tone, sehr articulirt, heftig bis zum Stürmenden. Der Aethiope schleuderte die rauschenden amharischen Laute aus dem vollen Munde schußweise wie Raketen, während er in seiner eigenen Sprache den sehr markirten und schallenden Vortrag mit einem Singen in lauter kurzen und stets einander gleichenden Melismen verband. Das Chaldäisch der Schriftsprache habe ich bis zuletzt verspart, weil es sich sehr eigenthümlich von allen übrigen Vorträgen unterschied. Es wurde von Dreien ein Gespräch ausgeführt, von denen der eine mit starker und tiefer Stimme, rauh und mit einem fast sarkastischen Anfluge, der zweite in wenig höherer Stimmlage, sehr getragen und doch dabei mit einer unbeschreiblichen Lebhaftigkeit der Articulation, der dritte endlich mit einem scharffeinen und angestrengten Kehlorgan hastig und geschwätzig sprach; diese vollkommen dramatische Scene beschlossen sie mit einem Ritualgesange, welchen sie, dicht aneinander tretend und die Köpfe so nah als möglich zusammensteckend, mit ungemeinem Eifer und in schönem Contrast ihrer Stimmen erst Zwei um Zweie und dann zu Dreien, theils im Terzett, theils im Unisono, zuletzt mit sehr beschleunigtem Tempo ausführten. Auch die lateinische Ekloge wurde von Dreien gesprochen, deren Zusammenstellung bemerkenswerth ist. Der eine war aus Washington, der zweite aus Aleppo, der dritte aus Dresden. Das Koptische endlich gaben zwei Aegyptier dialogisch zum Besten, von denen der eine Gesang einmischte. Das Französische trug sonderbarerweise ein Schotte vor, nicht eben schön. Der Deutsche, der aus Koblenz war, recitirte ein schwülstiges Gedicht mit dem ungeschicktesten Pathos, der nur aufzutreiben war. Auch das italienische Sonett declamirte ein Deutscher, die Terzinen aber ein Illyrier außerordentlich schön. Der lebhafteste Applaus begleitete das wiederum von einem Deutschen vorgetragene lateinische Epigramm, denn es war unter den Productionen dieser Akademie die kürzeste von allen. (Leipz. Bl.)

Kunstberichte aus München.

Im Atelier des Hrn. Bildhauers Schöpf sieht man gegenwärtig die kolossale Büste Jean Pauls, welche Se. Maj. von genanntem Künstler für die Halle des bayerischen Ruhmes in Marmor ausführen läßt. Personen, die den verewigten Dichter persönlich gekannt, haben sich mit der Auffassung und Aehnlichkeit dieses Bildes vollkommen zufrieden erklärt, was um so erfreulicher ist, als die bisherigen Abbildungen in beiden Beziehungen viel zu wünschen übrig ließen. – In der größern Abtheilung des königl. Gießhauses hat Professor Schwanthaler begonnen, die kolossale Bavaria zu modelliren, welche für obengenannte Ruhmeshalle bestimmt ist. Es kann dieses Modell wegen seiner Größe nur stückweise gebosselt werden; der Kopf hat eine Höhe von sieben Fuß; zum Bruststück allein gehören mehrere hundert Centner Thonerde. Von großem Interesse war es, das Geripp zu betrachten, welches der Künstler ersonnen hatte, diesen Massen einen Halt von innen heraus zu geben. – Das Atelier des Hrn. Professors Schwanthaler haben nach ihrer Vollendung nun jene in Marmor ausgeführten Kolossalstatuen verlassen, die, als bildliche Darstellung des jetzigen Kunstlebens in Bayern, den Fronton des neuen Ausstellungsgebäudes schmücken werden, das von Hrn. Bauinspector Ziebland gegenüber der Glypthothek aufgeführt wird und zwar unmittelbar vor dem mit der Basilika des h. Bonifacius verbundenen Benedictinerkloster, dessen äußerer Aufbau auch bereits ziemlich vollendet ist. – In diesen Tagen hat uns das Kunstblatt die beiden Profilansichten der Amazonengruppe von Kiß in Berlin, nach des Künstlers eigner Zeichnung radirt, gebracht. Je mehr die öffentliche Aufmerksamkeit in Berlin darauf gerichtet worden, je größer die Theilnahme ist, die sich dort für die Ausführung des Werks gezeigt, desto mehr war man hier auf eine Anschauung desselben gespannt, desto mehr war man geneigt, an etwas ganz Außerordentliches zu glauben. Selten aber hat man sich so enttäuscht gesehen, ols durch die gedachten Umrisse, und wenn nicht etwa die Ausführung der Details, die man natürlich an jenen nicht wahrnehmen kann, den Wunsch der Ausführung herbeigeführt, so begreift man in der That diesen hier nicht ganz. Es ist hier nicht der Ort, das Werk einer Beurtheilung zu unterwerfen; nur einige wenige Bemerkungen mögen die Wirkung desselben unter unsern Künstlern rechtfertigen. Der Anfall des Tigers auf das Pferd der Amazone ist das Hauptmotiv der Gruppe, und doch sieht man vom Tiger in der Rechts-Profilansicht von diesem nur den Körper ohne Kopf, und von den Klauen nur eine, so daß es für die Ferne – und an diese muß bei einem öffentlich auszustellenden Kunstwerk doch gedacht seyn – gänzlich unverständlich bleiben muß, was diese runde Masse an der Brust des Pferdes bedeute. Die andere Profilansicht läßt nun vom Pferdekopf nur ein Auge sehen, zeigt aber auch vom Tigerkopf nur ein Stück und gerade die charakteristischsten Züge, den Rachen, die Unterkiefer nicht. – Die Amazone hat die Lanze zum Wurf erhoben gegen das Thier, das ihr so nahe ist, daß sie sich nur durch Stoß möglicherweise vertheidigen kann. Verfolgt man aber die Richtung ihrer Lanze, so trifft sie auf die Hirnschale des Tigers, die von ihr nichts zu befürchten hat. Das plastische Gesetz der Richtigkeit des Gedankens, der vollkommenen Klarheit der Darstellung, uicht gerechnet die Bedingungen der Entwickelung der Körperformen scheinen außerhalb der Conception dieser Gruppe geblieben zu seyn. – Unser Kunstverein hat die Ankäufe für dieses Jahr geschlossen. Sie sind zwar nicht in dem Grade, wie im verflossenen Jahre, zu allgemeiner Zufriedenheit ausgefallen; doch finden sich einige schätzbare Gemälde darunter, und – was besonders reizt – zwei kleine vergoldete Bronzestatuen nach Schwanthalers bayerischen Fürsten. Ich werde später ausführlicher darauf zurückkommen. – Cornelius hat die Vorarbeiten für die Gemälde der Ludwigskirche so weit beendet, daß er, was er seit etwa 23 Jahren nicht gehabt, Muße gewonnen, aus eigenem Atrieb ein Werk zu beginnen, das er, wie man hört, in Oel ausführen wird. – Von dem großem Lithographiewerk von Friedrich Hohe, Neue Malerwerke aus München, dem die Idee zu Grunde liegt, eine vollkommene und allseitige Anschauung, soweit es in Abbildungen möglich ist, von dem hiesigen Kunstleben zu geben, ist das sechste Heft mit Bildern nach Kirner, Müller und Lotze erschienen, von denen namentlich das mittlere auch als Muster vollendeten Steindrucks angeführt zu werden verdient. Ich werde auf

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[0276/0011] scharf scandirt, rasch und wie Roßhufschlag in bis zu Ende stets steigender, Anapästen sprühender Präcision. Das Armenische zeichnete sich durch die wohllautende Bewegung des Wortfalles aus; der Georgier sprach wie psalmodirend mit einer hohen und tönenden Kopfstimme. Im Sabäischen, welches ein Eingeborner von Diarbekr vortrug, stachen die Kehllaute rauh hervor. Die kurdischen Verse, von einem Syrer gesprochen, waren melodisch gereimt und überaus rhythmisch, in einer wie Wellenschlag fließenden Bewegung: ∪-∪∪-∪|∪-∪∪-. Sehr schön reihten sich das Keltische, Schottische und Irländische aneinander, das erstere dunkel, schwebend, trüb; das zweite in tiefer, sanfter Stimmlage gleichtönig gesprochen, melancholisch und phantastisch, und das letzte brausend und abgesetzt wie ein Bach, der über Steingerölle sich stürzt. Der Pole sprach fast ganz aus Einem Tone, sehr articulirt, heftig bis zum Stürmenden. Der Aethiope schleuderte die rauschenden amharischen Laute aus dem vollen Munde schußweise wie Raketen, während er in seiner eigenen Sprache den sehr markirten und schallenden Vortrag mit einem Singen in lauter kurzen und stets einander gleichenden Melismen verband. Das Chaldäisch der Schriftsprache habe ich bis zuletzt verspart, weil es sich sehr eigenthümlich von allen übrigen Vorträgen unterschied. Es wurde von Dreien ein Gespräch ausgeführt, von denen der eine mit starker und tiefer Stimme, rauh und mit einem fast sarkastischen Anfluge, der zweite in wenig höherer Stimmlage, sehr getragen und doch dabei mit einer unbeschreiblichen Lebhaftigkeit der Articulation, der dritte endlich mit einem scharffeinen und angestrengten Kehlorgan hastig und geschwätzig sprach; diese vollkommen dramatische Scene beschlossen sie mit einem Ritualgesange, welchen sie, dicht aneinander tretend und die Köpfe so nah als möglich zusammensteckend, mit ungemeinem Eifer und in schönem Contrast ihrer Stimmen erst Zwei um Zweie und dann zu Dreien, theils im Terzett, theils im Unisono, zuletzt mit sehr beschleunigtem Tempo ausführten. Auch die lateinische Ekloge wurde von Dreien gesprochen, deren Zusammenstellung bemerkenswerth ist. Der eine war aus Washington, der zweite aus Aleppo, der dritte aus Dresden. Das Koptische endlich gaben zwei Aegyptier dialogisch zum Besten, von denen der eine Gesang einmischte. Das Französische trug sonderbarerweise ein Schotte vor, nicht eben schön. Der Deutsche, der aus Koblenz war, recitirte ein schwülstiges Gedicht mit dem ungeschicktesten Pathos, der nur aufzutreiben war. Auch das italienische Sonett declamirte ein Deutscher, die Terzinen aber ein Illyrier außerordentlich schön. Der lebhafteste Applaus begleitete das wiederum von einem Deutschen vorgetragene lateinische Epigramm, denn es war unter den Productionen dieser Akademie die kürzeste von allen. (Leipz. Bl.) Kunstberichte aus München. ***München, 29 Jan. Im Atelier des Hrn. Bildhauers Schöpf sieht man gegenwärtig die kolossale Büste Jean Pauls, welche Se. Maj. von genanntem Künstler für die Halle des bayerischen Ruhmes in Marmor ausführen läßt. Personen, die den verewigten Dichter persönlich gekannt, haben sich mit der Auffassung und Aehnlichkeit dieses Bildes vollkommen zufrieden erklärt, was um so erfreulicher ist, als die bisherigen Abbildungen in beiden Beziehungen viel zu wünschen übrig ließen. – In der größern Abtheilung des königl. Gießhauses hat Professor Schwanthaler begonnen, die kolossale Bavaria zu modelliren, welche für obengenannte Ruhmeshalle bestimmt ist. Es kann dieses Modell wegen seiner Größe nur stückweise gebosselt werden; der Kopf hat eine Höhe von sieben Fuß; zum Bruststück allein gehören mehrere hundert Centner Thonerde. Von großem Interesse war es, das Geripp zu betrachten, welches der Künstler ersonnen hatte, diesen Massen einen Halt von innen heraus zu geben. – Das Atelier des Hrn. Professors Schwanthaler haben nach ihrer Vollendung nun jene in Marmor ausgeführten Kolossalstatuen verlassen, die, als bildliche Darstellung des jetzigen Kunstlebens in Bayern, den Fronton des neuen Ausstellungsgebäudes schmücken werden, das von Hrn. Bauinspector Ziebland gegenüber der Glypthothek aufgeführt wird und zwar unmittelbar vor dem mit der Basilika des h. Bonifacius verbundenen Benedictinerkloster, dessen äußerer Aufbau auch bereits ziemlich vollendet ist. – In diesen Tagen hat uns das Kunstblatt die beiden Profilansichten der Amazonengruppe von Kiß in Berlin, nach des Künstlers eigner Zeichnung radirt, gebracht. Je mehr die öffentliche Aufmerksamkeit in Berlin darauf gerichtet worden, je größer die Theilnahme ist, die sich dort für die Ausführung des Werks gezeigt, desto mehr war man hier auf eine Anschauung desselben gespannt, desto mehr war man geneigt, an etwas ganz Außerordentliches zu glauben. Selten aber hat man sich so enttäuscht gesehen, ols durch die gedachten Umrisse, und wenn nicht etwa die Ausführung der Details, die man natürlich an jenen nicht wahrnehmen kann, den Wunsch der Ausführung herbeigeführt, so begreift man in der That diesen hier nicht ganz. Es ist hier nicht der Ort, das Werk einer Beurtheilung zu unterwerfen; nur einige wenige Bemerkungen mögen die Wirkung desselben unter unsern Künstlern rechtfertigen. Der Anfall des Tigers auf das Pferd der Amazone ist das Hauptmotiv der Gruppe, und doch sieht man vom Tiger in der Rechts-Profilansicht von diesem nur den Körper ohne Kopf, und von den Klauen nur eine, so daß es für die Ferne – und an diese muß bei einem öffentlich auszustellenden Kunstwerk doch gedacht seyn – gänzlich unverständlich bleiben muß, was diese runde Masse an der Brust des Pferdes bedeute. Die andere Profilansicht läßt nun vom Pferdekopf nur ein Auge sehen, zeigt aber auch vom Tigerkopf nur ein Stück und gerade die charakteristischsten Züge, den Rachen, die Unterkiefer nicht. – Die Amazone hat die Lanze zum Wurf erhoben gegen das Thier, das ihr so nahe ist, daß sie sich nur durch Stoß möglicherweise vertheidigen kann. Verfolgt man aber die Richtung ihrer Lanze, so trifft sie auf die Hirnschale des Tigers, die von ihr nichts zu befürchten hat. Das plastische Gesetz der Richtigkeit des Gedankens, der vollkommenen Klarheit der Darstellung, uicht gerechnet die Bedingungen der Entwickelung der Körperformen scheinen außerhalb der Conception dieser Gruppe geblieben zu seyn. – Unser Kunstverein hat die Ankäufe für dieses Jahr geschlossen. Sie sind zwar nicht in dem Grade, wie im verflossenen Jahre, zu allgemeiner Zufriedenheit ausgefallen; doch finden sich einige schätzbare Gemälde darunter, und – was besonders reizt – zwei kleine vergoldete Bronzestatuen nach Schwanthalers bayerischen Fürsten. Ich werde später ausführlicher darauf zurückkommen. – Cornelius hat die Vorarbeiten für die Gemälde der Ludwigskirche so weit beendet, daß er, was er seit etwa 23 Jahren nicht gehabt, Muße gewonnen, aus eigenem Atrieb ein Werk zu beginnen, das er, wie man hört, in Oel ausführen wird. – Von dem großem Lithographiewerk von Friedrich Hohe, Neue Malerwerke aus München, dem die Idee zu Grunde liegt, eine vollkommene und allseitige Anschauung, soweit es in Abbildungen möglich ist, von dem hiesigen Kunstleben zu geben, ist das sechste Heft mit Bildern nach Kirner, Müller und Lotze erschienen, von denen namentlich das mittlere auch als Muster vollendeten Steindrucks angeführt zu werden verdient. Ich werde auf

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 35. Augsburg, 4. Februar 1840, S. 0276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_035_18400204/11>, abgerufen am 28.04.2024.