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Allgemeine Zeitung. Nr. 34. Augsburg, 3. Februar 1840.

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zum Theil sehr beträchtliche Flußbetten, wo sich in der Regenzeit das Wasser sammelt, und dann in großer Fülle hinströmend die Wüste hier in eine gartenähnliche Landschaft umwandeln muß.

Kurz nach Sonnenuntergang sprang der Wind nach Norden um, und ward in einigen Minuten zu einem Orkan, der unsere Zelte widerstandlos niederriß, weil bereits alle Stricke durch die Hitze morsch geworden waren. Ueberhaupt gehen fast alle unsere Effecten nach und nach hier zu Grunde, besonders was von Holz ist. Kein Koffer und keine Kiste will mehr zusammenhalten, selbst meine englische Schatulle, von der besten Arbeit, ist so auseinander gewichen, daß ich mein Geld in einer Serviette transportiren muß.

Am 14 Mai. Dem gestrigen Sturme war bald wieder eine totale Windstille gefolgt, und die Nacht ohne Thau und Luftzug von der gewöhnlichen Ofentemperatur. Eines unserer Dromedare versagte während des Marsches den Dienst, legte sich nieder, und nichts konnte es mehr zum Aufstehen bewegen. Es war ein sehr glücklicher Zufall, daß fast in demselben Augenblick zwei Reisende auf guten Kamelen uns entgegen kamen, von denen unser Kavaß sogleich das eine - denn Noth kennt kein Gebot - mit Gewalt, wenn gleich gegen Bezahlung requirirte. Ohnedieß weiß ich nicht wie wir fortgekommen wären, da das krank gewordene Thier gerade das des Führers, und mit allen unsern nothwendigsten Sachen bepackt war. Es ward sorglos von den Arabern an dem Fleck, wo es sich niedergelegt, zurückgelassen, in der Ueberzeugung daß es schon selbst auf irgend eine Art für sich Sorge zu tragen wissen, und auf dem Rückweg nach dort wieder zu finden seyn werde. Die Gegenden, welche wir heute beim funkelnden Schimmer des Halbmondes durchritten, boten fast nirgends mehr einen öden, vielmehr einen so heiteren und mannichfaltigen Anblick dar, daß man sie füglich die Wüsten-Schweiz von Beheda nennen könnte. Beheda ist nämlich der Name des ganzen großen Landstriches, welchen der Nil, gleich einer Halbinsel, zwischen Schendy, Debbeh und Berber umschließt.

Viele Züge dunkler, gezackter Berge von 1200 - 1500 Fuß Höhe, wo sich, über und zwischen Granit und Porphyr, zuweilen Urkalkstein in zerrissenen Schichten hinzieht, umschlossen fast fortwährend bebuschte Thäler, in denen auch jetzt noch mehrere Bäume grünten. Einer dieser Berge, den wir übersteigen mußten, ward sogar oft für unsere Bequemlichkeit fast zu pittoresk - denn die Dromedare sind schlechte Kletterer. Wir folgten hierauf zwei Stunden lang den Windungen einer tiefen Schlucht, mit hohen und steilen Wänden, auf dem rauhen kiesigen Bett eines ausgetrockneten Flusses, bis uns wieder freundliche Thäler umfingen, deren Boden so glatt wie mit dem Richtscheit geebnet ist, und die in der Regenzeit große Seen mit anmuthigen grünen Inseln bilden. Der Untergrund ist überall steinig oder harter Sand, und unter den Kieseln findet man häufig schöne Onyxe und andere bunte Steine von den verschiedensten Farben. Es fehlt hier nicht an Brunnen, und obgleich ihr Wasser meistens nur lau und so von Sand geschwängert ist, daß es wie Lehmtunke aussieht, ist es doch gesund und ohne allen unangenehmen Geschmack. Es war uns um so willkommener, da das in vielen Schläuchen mitgenommene Wasser wegen ihres üblen Geruches in kurzer Zeit beinahe untrinkbar wird - ein übler Umstand, wenn man täglich wenigstens 5 - 6 Flaschen Wasser braucht, um den kaum je aufhörenden Durst einigermaßen löschen zu können.

Es war ein höchst wilder Fleck im grandiosesten Styl, wo wir am Morgen unsere Zelte aufgeschlagen fanden, ein schwarzblauer Felsenkessel, ohne die geringste Vegetation. Das aus herrlichem Porphyr und gelblichem Granit bestehende Gestein war in Massen der heterogensten Formen, wie durch ein Erdbeben aufgethürmt, und viele dieser riesigen Felsstücke balancirten sich auf eine so unglaubliche Weise über einander, daß man sich jeden Augenblick erwartete eines oder das andere derselben vom Winde herabgeschleudert zu sehen. Welch ein Schatz wäre ein solcher Steinbruch in einer Gegend, wo man bessern Nutzen daraus ziehen könnte! Hier herrscht nur die tiefste Einsamkeit, ein durch nichts unterbrochenes Schweigen, selbst der nahe Brunnen schien nichts Lebendes an sich zu ziehen, bis gegen Abend doch ein Volk Rebhühner herbeikam, unter dem unser Blei auch sogleich eine bedeutende Verwüstung anrichtete. Ich kletterte eine Stunde lang auf den Felsen umher, konnte jedoch keine entfernte Aussicht erlangen, da immer wieder höhere Berge und Felsen diejenigen umgaben, welche ich im Schweiße meines Angesichts erstiegen hatte. Der hiesige Brunnen hatte von allen bisher und nachher angetroffenen das klarste und kühlste Wasser. Der Ort ward von unserm Führer Maga ga genannt; es befindet sich aber weder ein Dorf noch sonst eine Wohnung weitumher. Ein scharfer Wind, der durch die schmalen Oeffnungen der Schlucht sauste, ließ uns etwas weniger von der Hitze leiden als gewöhnlich, entführte aber zum zweitenmal unsere Zelte in demselben Moment, wo sowohl der Doctor als ich, fast nackt auf unsern Betten liegend, mit dem Schreiben unserer Tagebücher beschäftigt waren, was zwar mehrere kleine Beschädigungen verursachte, aber zugleich eine sehr komische Scene der plötzlichen Aufdeckung und darauf folgenden Verwirrung aller Art veranlaßte. Da man sich hier nichts verschaffen konnte, und Vorräthe sich nicht mehr halten, so hätten wir heute einen gezwungenen Fasttag feiern müssen, wenn nicht die erwähnten Rebhühner und ein halbes Duzend Turteltauben, welche der unermüdliche Akerman uns nach einer Stunde Abwesenheit zurückbrachte, der Noth abgeholfen. Die letzteren Vögel ist man sicher von Alexandrien bis zu der südlichsten Gränze des Sudan fast täglich in beliebiger Quantität erlegen zu können, so daß man, mit einem gehörigen Vorrath von Pulver und Blei versehen, auch in der Wüste, wie sie hier beschaffen ist, ohne weitere Lebensmittel nicht zu verhungern brauchte. Schwerer ist es den Gazellen beizukommen, von denen es uns auf dieser Tour bis jetzt noch nicht glückte, einer einzigen habhaft zu werden, obgleich wir eine große Menge derselben sahen. Insecten erblickt man, außer Spinnen und Heuschrecken, in dieser Jahreszeit fast gar nicht, und ich habe, seit ich Kairo verließ, nur zwei Schmetterlinge gesehen, sie aber nicht gejagt, weil die englischen Kritiker mir dieß als kindisch verwiesen haben. Doch fanden wir Abends den Brunnen von einer prächtigen großen Hornißart, mit breiten schwarzen und goldgelben Ringen, reichlich umschwärmt, deren eine ich meiner Insectensammlung einzuverleiben mich nicht erwehren konnte.

Als eine wohlthätige Notiz für die Reisenden will ich hier Folgendes einschalten. Es ist sehr wesentlich, seine Leute für die Aufschlagung der Zelte an stets zweckmäßigen Orten gut zu dressiren. Diese müssen zwar immer möglichst im Schatten, aber noch nöthiger im Luftzug aufgestellt werden, wobei die sich gegenüberstehenden Oeffnungen des Zeltes schräg gegen den Wind zu richten sind, damit dieser Luftzug erhalten wird, ohne doch in gerader Richtung den Staub hineinzujagen. Bei zu großer Hitze thut man am besten, die Seitenwände ganz wegzunehmen, und nur das Dach als Sonnenschirm ausgespannt zu lassen. Die Decke des Zeltes muß stets da, wo die Sonne eben darauf scheint, mit dicken Strohmatten belegt, und diese, wenn Wasser genug da ist, fleißig begossen werden, eben so der Boden um das Zelt. Diese Kleinigkeiten, wenn man sie gut beobachtet,

zum Theil sehr beträchtliche Flußbetten, wo sich in der Regenzeit das Wasser sammelt, und dann in großer Fülle hinströmend die Wüste hier in eine gartenähnliche Landschaft umwandeln muß.

Kurz nach Sonnenuntergang sprang der Wind nach Norden um, und ward in einigen Minuten zu einem Orkan, der unsere Zelte widerstandlos niederriß, weil bereits alle Stricke durch die Hitze morsch geworden waren. Ueberhaupt gehen fast alle unsere Effecten nach und nach hier zu Grunde, besonders was von Holz ist. Kein Koffer und keine Kiste will mehr zusammenhalten, selbst meine englische Schatulle, von der besten Arbeit, ist so auseinander gewichen, daß ich mein Geld in einer Serviette transportiren muß.

Am 14 Mai. Dem gestrigen Sturme war bald wieder eine totale Windstille gefolgt, und die Nacht ohne Thau und Luftzug von der gewöhnlichen Ofentemperatur. Eines unserer Dromedare versagte während des Marsches den Dienst, legte sich nieder, und nichts konnte es mehr zum Aufstehen bewegen. Es war ein sehr glücklicher Zufall, daß fast in demselben Augenblick zwei Reisende auf guten Kamelen uns entgegen kamen, von denen unser Kavaß sogleich das eine – denn Noth kennt kein Gebot – mit Gewalt, wenn gleich gegen Bezahlung requirirte. Ohnedieß weiß ich nicht wie wir fortgekommen wären, da das krank gewordene Thier gerade das des Führers, und mit allen unsern nothwendigsten Sachen bepackt war. Es ward sorglos von den Arabern an dem Fleck, wo es sich niedergelegt, zurückgelassen, in der Ueberzeugung daß es schon selbst auf irgend eine Art für sich Sorge zu tragen wissen, und auf dem Rückweg nach dort wieder zu finden seyn werde. Die Gegenden, welche wir heute beim funkelnden Schimmer des Halbmondes durchritten, boten fast nirgends mehr einen öden, vielmehr einen so heiteren und mannichfaltigen Anblick dar, daß man sie füglich die Wüsten-Schweiz von Behēda nennen könnte. Behēda ist nämlich der Name des ganzen großen Landstriches, welchen der Nil, gleich einer Halbinsel, zwischen Schendy, Debbeh und Berber umschließt.

Viele Züge dunkler, gezackter Berge von 1200 - 1500 Fuß Höhe, wo sich, über und zwischen Granit und Porphyr, zuweilen Urkalkstein in zerrissenen Schichten hinzieht, umschlossen fast fortwährend bebuschte Thäler, in denen auch jetzt noch mehrere Bäume grünten. Einer dieser Berge, den wir übersteigen mußten, ward sogar oft für unsere Bequemlichkeit fast zu pittoresk – denn die Dromedare sind schlechte Kletterer. Wir folgten hierauf zwei Stunden lang den Windungen einer tiefen Schlucht, mit hohen und steilen Wänden, auf dem rauhen kiesigen Bett eines ausgetrockneten Flusses, bis uns wieder freundliche Thäler umfingen, deren Boden so glatt wie mit dem Richtscheit geebnet ist, und die in der Regenzeit große Seen mit anmuthigen grünen Inseln bilden. Der Untergrund ist überall steinig oder harter Sand, und unter den Kieseln findet man häufig schöne Onyxe und andere bunte Steine von den verschiedensten Farben. Es fehlt hier nicht an Brunnen, und obgleich ihr Wasser meistens nur lau und so von Sand geschwängert ist, daß es wie Lehmtunke aussieht, ist es doch gesund und ohne allen unangenehmen Geschmack. Es war uns um so willkommener, da das in vielen Schläuchen mitgenommene Wasser wegen ihres üblen Geruches in kurzer Zeit beinahe untrinkbar wird – ein übler Umstand, wenn man täglich wenigstens 5 - 6 Flaschen Wasser braucht, um den kaum je aufhörenden Durst einigermaßen löschen zu können.

Es war ein höchst wilder Fleck im grandiosesten Styl, wo wir am Morgen unsere Zelte aufgeschlagen fanden, ein schwarzblauer Felsenkessel, ohne die geringste Vegetation. Das aus herrlichem Porphyr und gelblichem Granit bestehende Gestein war in Massen der heterogensten Formen, wie durch ein Erdbeben aufgethürmt, und viele dieser riesigen Felsstücke balancirten sich auf eine so unglaubliche Weise über einander, daß man sich jeden Augenblick erwartete eines oder das andere derselben vom Winde herabgeschleudert zu sehen. Welch ein Schatz wäre ein solcher Steinbruch in einer Gegend, wo man bessern Nutzen daraus ziehen könnte! Hier herrscht nur die tiefste Einsamkeit, ein durch nichts unterbrochenes Schweigen, selbst der nahe Brunnen schien nichts Lebendes an sich zu ziehen, bis gegen Abend doch ein Volk Rebhühner herbeikam, unter dem unser Blei auch sogleich eine bedeutende Verwüstung anrichtete. Ich kletterte eine Stunde lang auf den Felsen umher, konnte jedoch keine entfernte Aussicht erlangen, da immer wieder höhere Berge und Felsen diejenigen umgaben, welche ich im Schweiße meines Angesichts erstiegen hatte. Der hiesige Brunnen hatte von allen bisher und nachher angetroffenen das klarste und kühlste Wasser. Der Ort ward von unserm Führer Māgă ga genannt; es befindet sich aber weder ein Dorf noch sonst eine Wohnung weitumher. Ein scharfer Wind, der durch die schmalen Oeffnungen der Schlucht sauste, ließ uns etwas weniger von der Hitze leiden als gewöhnlich, entführte aber zum zweitenmal unsere Zelte in demselben Moment, wo sowohl der Doctor als ich, fast nackt auf unsern Betten liegend, mit dem Schreiben unserer Tagebücher beschäftigt waren, was zwar mehrere kleine Beschädigungen verursachte, aber zugleich eine sehr komische Scene der plötzlichen Aufdeckung und darauf folgenden Verwirrung aller Art veranlaßte. Da man sich hier nichts verschaffen konnte, und Vorräthe sich nicht mehr halten, so hätten wir heute einen gezwungenen Fasttag feiern müssen, wenn nicht die erwähnten Rebhühner und ein halbes Duzend Turteltauben, welche der unermüdliche Akerman uns nach einer Stunde Abwesenheit zurückbrachte, der Noth abgeholfen. Die letzteren Vögel ist man sicher von Alexandrien bis zu der südlichsten Gränze des Sudan fast täglich in beliebiger Quantität erlegen zu können, so daß man, mit einem gehörigen Vorrath von Pulver und Blei versehen, auch in der Wüste, wie sie hier beschaffen ist, ohne weitere Lebensmittel nicht zu verhungern brauchte. Schwerer ist es den Gazellen beizukommen, von denen es uns auf dieser Tour bis jetzt noch nicht glückte, einer einzigen habhaft zu werden, obgleich wir eine große Menge derselben sahen. Insecten erblickt man, außer Spinnen und Heuschrecken, in dieser Jahreszeit fast gar nicht, und ich habe, seit ich Kairo verließ, nur zwei Schmetterlinge gesehen, sie aber nicht gejagt, weil die englischen Kritiker mir dieß als kindisch verwiesen haben. Doch fanden wir Abends den Brunnen von einer prächtigen großen Hornißart, mit breiten schwarzen und goldgelben Ringen, reichlich umschwärmt, deren eine ich meiner Insectensammlung einzuverleiben mich nicht erwehren konnte.

Als eine wohlthätige Notiz für die Reisenden will ich hier Folgendes einschalten. Es ist sehr wesentlich, seine Leute für die Aufschlagung der Zelte an stets zweckmäßigen Orten gut zu dressiren. Diese müssen zwar immer möglichst im Schatten, aber noch nöthiger im Luftzug aufgestellt werden, wobei die sich gegenüberstehenden Oeffnungen des Zeltes schräg gegen den Wind zu richten sind, damit dieser Luftzug erhalten wird, ohne doch in gerader Richtung den Staub hineinzujagen. Bei zu großer Hitze thut man am besten, die Seitenwände ganz wegzunehmen, und nur das Dach als Sonnenschirm ausgespannt zu lassen. Die Decke des Zeltes muß stets da, wo die Sonne eben darauf scheint, mit dicken Strohmatten belegt, und diese, wenn Wasser genug da ist, fleißig begossen werden, eben so der Boden um das Zelt. Diese Kleinigkeiten, wenn man sie gut beobachtet,

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zum Theil sehr beträchtliche Flußbetten, wo sich in der Regenzeit das Wasser sammelt, und dann in großer Fülle hinströmend die Wüste hier in eine gartenähnliche Landschaft umwandeln muß.</p><lb/>
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        <p>Am 14 Mai. Dem gestrigen Sturme war bald wieder eine totale Windstille gefolgt, und die Nacht ohne Thau und Luftzug von der gewöhnlichen Ofentemperatur. Eines unserer Dromedare versagte während des Marsches den Dienst, legte sich nieder, und nichts konnte es mehr zum Aufstehen bewegen. Es war ein sehr glücklicher Zufall, daß fast in demselben Augenblick zwei Reisende auf guten Kamelen uns entgegen kamen, von denen unser Kavaß sogleich das eine &#x2013; denn Noth kennt kein Gebot &#x2013; mit Gewalt, wenn gleich gegen Bezahlung requirirte. Ohnedieß weiß ich nicht wie wir fortgekommen wären, da das krank gewordene Thier gerade das des Führers, und mit allen unsern nothwendigsten Sachen bepackt war. Es ward sorglos von den Arabern an dem Fleck, wo es sich niedergelegt, zurückgelassen, in der Ueberzeugung daß es schon selbst auf irgend eine Art für sich Sorge zu tragen wissen, und auf dem Rückweg nach dort wieder zu finden seyn werde. Die Gegenden, welche wir heute beim funkelnden Schimmer des Halbmondes durchritten, boten fast nirgends mehr einen öden, vielmehr einen so heiteren und mannichfaltigen Anblick dar, daß man sie füglich die Wüsten-Schweiz von Beh&#x0113;da nennen könnte. Beh&#x0113;da ist nämlich der Name des ganzen großen Landstriches, welchen der Nil, gleich einer Halbinsel, zwischen Schendy, Debbeh und Berber umschließt.</p><lb/>
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[0301/0013] zum Theil sehr beträchtliche Flußbetten, wo sich in der Regenzeit das Wasser sammelt, und dann in großer Fülle hinströmend die Wüste hier in eine gartenähnliche Landschaft umwandeln muß. Kurz nach Sonnenuntergang sprang der Wind nach Norden um, und ward in einigen Minuten zu einem Orkan, der unsere Zelte widerstandlos niederriß, weil bereits alle Stricke durch die Hitze morsch geworden waren. Ueberhaupt gehen fast alle unsere Effecten nach und nach hier zu Grunde, besonders was von Holz ist. Kein Koffer und keine Kiste will mehr zusammenhalten, selbst meine englische Schatulle, von der besten Arbeit, ist so auseinander gewichen, daß ich mein Geld in einer Serviette transportiren muß. Am 14 Mai. Dem gestrigen Sturme war bald wieder eine totale Windstille gefolgt, und die Nacht ohne Thau und Luftzug von der gewöhnlichen Ofentemperatur. Eines unserer Dromedare versagte während des Marsches den Dienst, legte sich nieder, und nichts konnte es mehr zum Aufstehen bewegen. Es war ein sehr glücklicher Zufall, daß fast in demselben Augenblick zwei Reisende auf guten Kamelen uns entgegen kamen, von denen unser Kavaß sogleich das eine – denn Noth kennt kein Gebot – mit Gewalt, wenn gleich gegen Bezahlung requirirte. Ohnedieß weiß ich nicht wie wir fortgekommen wären, da das krank gewordene Thier gerade das des Führers, und mit allen unsern nothwendigsten Sachen bepackt war. Es ward sorglos von den Arabern an dem Fleck, wo es sich niedergelegt, zurückgelassen, in der Ueberzeugung daß es schon selbst auf irgend eine Art für sich Sorge zu tragen wissen, und auf dem Rückweg nach dort wieder zu finden seyn werde. Die Gegenden, welche wir heute beim funkelnden Schimmer des Halbmondes durchritten, boten fast nirgends mehr einen öden, vielmehr einen so heiteren und mannichfaltigen Anblick dar, daß man sie füglich die Wüsten-Schweiz von Behēda nennen könnte. Behēda ist nämlich der Name des ganzen großen Landstriches, welchen der Nil, gleich einer Halbinsel, zwischen Schendy, Debbeh und Berber umschließt. Viele Züge dunkler, gezackter Berge von 1200 - 1500 Fuß Höhe, wo sich, über und zwischen Granit und Porphyr, zuweilen Urkalkstein in zerrissenen Schichten hinzieht, umschlossen fast fortwährend bebuschte Thäler, in denen auch jetzt noch mehrere Bäume grünten. Einer dieser Berge, den wir übersteigen mußten, ward sogar oft für unsere Bequemlichkeit fast zu pittoresk – denn die Dromedare sind schlechte Kletterer. Wir folgten hierauf zwei Stunden lang den Windungen einer tiefen Schlucht, mit hohen und steilen Wänden, auf dem rauhen kiesigen Bett eines ausgetrockneten Flusses, bis uns wieder freundliche Thäler umfingen, deren Boden so glatt wie mit dem Richtscheit geebnet ist, und die in der Regenzeit große Seen mit anmuthigen grünen Inseln bilden. Der Untergrund ist überall steinig oder harter Sand, und unter den Kieseln findet man häufig schöne Onyxe und andere bunte Steine von den verschiedensten Farben. Es fehlt hier nicht an Brunnen, und obgleich ihr Wasser meistens nur lau und so von Sand geschwängert ist, daß es wie Lehmtunke aussieht, ist es doch gesund und ohne allen unangenehmen Geschmack. Es war uns um so willkommener, da das in vielen Schläuchen mitgenommene Wasser wegen ihres üblen Geruches in kurzer Zeit beinahe untrinkbar wird – ein übler Umstand, wenn man täglich wenigstens 5 - 6 Flaschen Wasser braucht, um den kaum je aufhörenden Durst einigermaßen löschen zu können. Es war ein höchst wilder Fleck im grandiosesten Styl, wo wir am Morgen unsere Zelte aufgeschlagen fanden, ein schwarzblauer Felsenkessel, ohne die geringste Vegetation. Das aus herrlichem Porphyr und gelblichem Granit bestehende Gestein war in Massen der heterogensten Formen, wie durch ein Erdbeben aufgethürmt, und viele dieser riesigen Felsstücke balancirten sich auf eine so unglaubliche Weise über einander, daß man sich jeden Augenblick erwartete eines oder das andere derselben vom Winde herabgeschleudert zu sehen. Welch ein Schatz wäre ein solcher Steinbruch in einer Gegend, wo man bessern Nutzen daraus ziehen könnte! Hier herrscht nur die tiefste Einsamkeit, ein durch nichts unterbrochenes Schweigen, selbst der nahe Brunnen schien nichts Lebendes an sich zu ziehen, bis gegen Abend doch ein Volk Rebhühner herbeikam, unter dem unser Blei auch sogleich eine bedeutende Verwüstung anrichtete. Ich kletterte eine Stunde lang auf den Felsen umher, konnte jedoch keine entfernte Aussicht erlangen, da immer wieder höhere Berge und Felsen diejenigen umgaben, welche ich im Schweiße meines Angesichts erstiegen hatte. Der hiesige Brunnen hatte von allen bisher und nachher angetroffenen das klarste und kühlste Wasser. Der Ort ward von unserm Führer Māgă ga genannt; es befindet sich aber weder ein Dorf noch sonst eine Wohnung weitumher. Ein scharfer Wind, der durch die schmalen Oeffnungen der Schlucht sauste, ließ uns etwas weniger von der Hitze leiden als gewöhnlich, entführte aber zum zweitenmal unsere Zelte in demselben Moment, wo sowohl der Doctor als ich, fast nackt auf unsern Betten liegend, mit dem Schreiben unserer Tagebücher beschäftigt waren, was zwar mehrere kleine Beschädigungen verursachte, aber zugleich eine sehr komische Scene der plötzlichen Aufdeckung und darauf folgenden Verwirrung aller Art veranlaßte. Da man sich hier nichts verschaffen konnte, und Vorräthe sich nicht mehr halten, so hätten wir heute einen gezwungenen Fasttag feiern müssen, wenn nicht die erwähnten Rebhühner und ein halbes Duzend Turteltauben, welche der unermüdliche Akerman uns nach einer Stunde Abwesenheit zurückbrachte, der Noth abgeholfen. Die letzteren Vögel ist man sicher von Alexandrien bis zu der südlichsten Gränze des Sudan fast täglich in beliebiger Quantität erlegen zu können, so daß man, mit einem gehörigen Vorrath von Pulver und Blei versehen, auch in der Wüste, wie sie hier beschaffen ist, ohne weitere Lebensmittel nicht zu verhungern brauchte. Schwerer ist es den Gazellen beizukommen, von denen es uns auf dieser Tour bis jetzt noch nicht glückte, einer einzigen habhaft zu werden, obgleich wir eine große Menge derselben sahen. Insecten erblickt man, außer Spinnen und Heuschrecken, in dieser Jahreszeit fast gar nicht, und ich habe, seit ich Kairo verließ, nur zwei Schmetterlinge gesehen, sie aber nicht gejagt, weil die englischen Kritiker mir dieß als kindisch verwiesen haben. Doch fanden wir Abends den Brunnen von einer prächtigen großen Hornißart, mit breiten schwarzen und goldgelben Ringen, reichlich umschwärmt, deren eine ich meiner Insectensammlung einzuverleiben mich nicht erwehren konnte. Als eine wohlthätige Notiz für die Reisenden will ich hier Folgendes einschalten. Es ist sehr wesentlich, seine Leute für die Aufschlagung der Zelte an stets zweckmäßigen Orten gut zu dressiren. Diese müssen zwar immer möglichst im Schatten, aber noch nöthiger im Luftzug aufgestellt werden, wobei die sich gegenüberstehenden Oeffnungen des Zeltes schräg gegen den Wind zu richten sind, damit dieser Luftzug erhalten wird, ohne doch in gerader Richtung den Staub hineinzujagen. Bei zu großer Hitze thut man am besten, die Seitenwände ganz wegzunehmen, und nur das Dach als Sonnenschirm ausgespannt zu lassen. Die Decke des Zeltes muß stets da, wo die Sonne eben darauf scheint, mit dicken Strohmatten belegt, und diese, wenn Wasser genug da ist, fleißig begossen werden, eben so der Boden um das Zelt. Diese Kleinigkeiten, wenn man sie gut beobachtet,

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 34. Augsburg, 3. Februar 1840, S. 0301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_038_18400207/13>, abgerufen am 29.04.2024.