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Allgemeine Zeitung. Nr. 34. Augsburg, 3. Februar 1840.

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Mendizabal ihn schon vergessen hat, wenn er noch mehrere Angaben zur Stärkung seines Gedächtnisses verlangt, so sage er es, und wir werden sie ihm geben." - Aus diesem Hergange der Sache erhellt: die Gewandtheit des englischen Diplomaten, der die Handelsinteressen seines Landes durch Benutzung eines dienstbaren Werkzeuges zu befördern suchte; die Wachsamkeit und Geschicklichkeit des Grafen Rayneval, der jene Unterhandlungen zu hintertreiben wußte, und sich dadurch nicht weniger um die aufblühende spanische Industrie als um die Interessen des französischen Handels ein außerordentliches Verdienst erwarb; endlich die financiellen, politischen und diplomatischen Fähigkeiten, so wie die Vaterlandsliebe und der patriotische Sinn des spanischen Staatsmannes, der ohne fremde Hülfstruppen und ohne auswärtige Anlehen dem Bürgerkriege binnen sechs Monaten ein Ende zu machen gelobt hatte. Dieser "Patriot", der Busenfreund eines Arguelles, der Verfechter der progressiven Freiheit, der Vertreter, das Sinnbild der ganzen Partei der Exaltirten, erblickte in der Vertheilung einiger Millionen unter reiche Capitalisten eine Entschädigung für den Untergang der spanischen Industrie, durch welchen tausende vom Ertrage ihrer Arbeit lebende Familien, namentlich in Catalonien, dem Hungertode preisgegeben, oder auf das Ergreifen der Fahne des Aufruhrs hingewiesen worden wären. "Ein Patriot, heißt es in dem Aufsatze, war Hr. Mendizabal, und er weigerte sich nicht, einen Vertrag zu unterzeichnen, der unsere jungfräuliche Unabhängigkeit bedrohte, der nichts weniger bezielte, als uns unter das Joch zu beugen, welches gerade jetzt das wiedergeborene Portugal abzuwerfen sucht." Man würde sich indessen irren, wenn man glaubte, daß durch die nun erfolgten Aufklärungen, die dem Mann des Vertrauensvotums das Brandmal auf die Stirne drücken, die Parteigänger desselben enttäuscht würden. Sie haben sich vielmehr nie über ihn getäuscht. Seine politischen Freunde haben nie in ihm den Schwindler, den Abenteurer, den Zögling der Stockbörse, den auf seine eigene Unwissenheit stolzen Prahler verkannt, aber gerade weil sie, um ihre eigenen selbstsüchtigen Zwecke zu erreichen, eines Mannes bedürfen, der ohne Sinn für Scham und Ehre sich willig als blindes Werkzeug leiten läßt, unbekümmert, ob die Nation ein Opfer seines Stumpfsinnes oder seiner Bosheit werde, - deßhalb, und nur deßhalb haben sie ihn aus dem Nichts hervorgezogen.

Großbritannien.

Das Pariser Commerce vom 2 Febr. sagt: "Briefe aus London melden, daß in Folge der doppelten Schlappe, die das Ministerium im Parlament erlitten, Lord J. Russell seine Entlassung eingereicht. Die Königin soll über das Votum des Unterhauses vom 27 Jan. in sehr gereizter Stimmung seyn." - Die uns vorliegenden Londoner Morgen- und Abendzeitungen vom 31 Jan. enthalten nicht die leiseste Andeutung, daß Lord J. Russell seinen Rücktritt beabsichtige; wohl aber wollen einige Provincialblätter wissen, gleich nach der Abstimmung vom 27 habe das Ministerium eine Parlamentsauflösung beschlossen.

Der mehrerwähnte Vorgang in der Oberhaussitzung vom 27 Jan. war folgender Art: "Der Lordkanzler trug auf die zweite Lesung der eigentlichen Bill zum Behuf der Naturalisation des Prinzen Albert an. Die erste war nämlich, wie es sich jetzt zeigt, nur eine vorläufige Maaßregel gewesen, um die Königin zu ermächtigen, eine Naturalisirungsbill mit Aufhebung früherer Beschränkungen dem Parlamente vorlegen zu lassen. In dieser wirklichen Naturalisationsacte sind nun die beiden Hauptpuncte, daß der Prinz, sobald er den Unterthänigkeits- und Suprematie-Eid vor dem Lordkanzler geleistet, in jeder Beziehung als ein in England geborner Unterthan des Königreichs angesehen werden, und daß die Königin ermächtigt seyn soll, ihm für seine Lebenszeit diejenige Stellung und denjenigen Rang nach Ihrer Maj. im Parlament und anderwärts zu verleihen, welche sie für angemessen erachten möchte. Der Herzog v. Wellington verlangte Aufschub dieser Maaßregel, indem er fand, daß die Bill nicht bloß dasjenige sey, wofür sie ausgegeben werde, sondern eine solche, die, wenn sie durchginge, die erlauchte Person, zu deren Gunsten sie laute, über die Prinzen vom königlichen Geblüt stellen würde. Er wolle sich jedoch der Bill jetzt nicht widersetzen, sondern darauf antragen, daß sie nächsten Freitag zum zweitenmal verlesen werde. Lord Brougham war ziemlich gleicher Meinung. Er glaubte, es wäre geziemender, wenn die Königin es dem Parlament überlasse, den Rang des Prinzen Albert zu bestimmen. Nach der vorliegenden Bill könnte Prinz Albert den Vorrang vor einem künftigen Prinzen von Wales erhalten, und dieß wäre für beide Theile ein sehr anomales Verhältniß, weil, wenn die Königin während Lebzeiten des Prinzen Albert ohne Erben stürbe, ein neuer König einen Sohn haben könnte, der dann natürlich Prinz von Wales seyn würde, und der am Ende dem Prinzen Albert im Range nachstehen müßte. Eine andere Frage, meinte er, sey es, ob die Königin den Prinzen Albert vielleicht zum König Gemahl erheben möchte, was jedoch hier nicht hergehöre. Lord Melbourne aber war gegen den Aufschub, weil darin etwas Unfreundliches liege. Gegen die Anführung des Präcedenzbeispiels der Vermählung des Prinzen Leopold mit der Prinzessin Charlotte bemerkt der Minister, dieß sey ein ganz anderer Fall, denn die Prinzessin Charlotte sey nur die Enkelin des regierenden Königs gewesen, als Prinz Leopold sich mit ihr vermählt habe. Der Marquis v. Londonderry fragte, ob eine erlauchte Person, die gegenwärtig nicht im Lande sey, aufgefordert worden, dem jetzigen Parlamente als Herzog von Cumberland beizuwohnen. Auch er sprach gegen die Bill. Lord Melbourne beantwortete jene Frage bejahend, indem er hinzufügte, daß der erlauchte Herzog im Oberhause nicht als König von Hannover bekannt sey. Die zweite Verlesung der Naturalisationsbill ward hierauf bis Freitag ausgesetzt, an diesem Tage wieder aufgenommen, aber nach wenigen darüber gewechselten Worten noch einmal vertagt.

Die Unterhausdebatten über Sir J. Y. Bullers Motion ziehen sich sehr in die Länge, indem die Redner beider Parteien die Gelegenheit ausbeuten, sich gegenseitig alles vorzurücken, was sie von politischem Groll im Herzen tragen, obgleich, wie Lord Stanley, der Hauptredner der Sitzung vom 30 Jan. - seine Rede dauerte über anderthalb Stunden - ausdrücklich bemerkte, die Tories sich auf keine Majorität Hoffnung machen. "Die achtbarsten Unterstützer des jetzigen Cabinets," äußerte der edle Lord, "fallen einer nach dem andern von demselben ab; einer der zurückgetretenen Minister (Howick) hat selbst darauf hingedeutet, und dem Volke gehen über diese Verwaltung mählig die Augen auf. Aber mag die gegenwärtige Schlacht uns gewonnen oder verloren werden - und ich weiß, die Abstimmung wird gegen uns ausfallen - so wird das Ergebniß doch nicht die mindeste Aenderung im Benehmen der großen conservativen Körperschaft hervorbringen. Wie oft es uns auch mißlingen mag, so werden wir doch die Regierung überwachen und controliren, stets unsere Pflicht als einige Partei im Auge behalten, stets die Minister, wo sie im Recht sind, selbst gegen ihre unheilbrütenden Bundesgenossen vertheidigen, andrerseits aber diejenigen ministeriellen Maaßregeln vereiteln, die dem Lande nachtheilig seyn würden.

Mendizabal ihn schon vergessen hat, wenn er noch mehrere Angaben zur Stärkung seines Gedächtnisses verlangt, so sage er es, und wir werden sie ihm geben.“ – Aus diesem Hergange der Sache erhellt: die Gewandtheit des englischen Diplomaten, der die Handelsinteressen seines Landes durch Benutzung eines dienstbaren Werkzeuges zu befördern suchte; die Wachsamkeit und Geschicklichkeit des Grafen Rayneval, der jene Unterhandlungen zu hintertreiben wußte, und sich dadurch nicht weniger um die aufblühende spanische Industrie als um die Interessen des französischen Handels ein außerordentliches Verdienst erwarb; endlich die financiellen, politischen und diplomatischen Fähigkeiten, so wie die Vaterlandsliebe und der patriotische Sinn des spanischen Staatsmannes, der ohne fremde Hülfstruppen und ohne auswärtige Anlehen dem Bürgerkriege binnen sechs Monaten ein Ende zu machen gelobt hatte. Dieser „Patriot“, der Busenfreund eines Arguelles, der Verfechter der progressiven Freiheit, der Vertreter, das Sinnbild der ganzen Partei der Exaltirten, erblickte in der Vertheilung einiger Millionen unter reiche Capitalisten eine Entschädigung für den Untergang der spanischen Industrie, durch welchen tausende vom Ertrage ihrer Arbeit lebende Familien, namentlich in Catalonien, dem Hungertode preisgegeben, oder auf das Ergreifen der Fahne des Aufruhrs hingewiesen worden wären. „Ein Patriot, heißt es in dem Aufsatze, war Hr. Mendizabal, und er weigerte sich nicht, einen Vertrag zu unterzeichnen, der unsere jungfräuliche Unabhängigkeit bedrohte, der nichts weniger bezielte, als uns unter das Joch zu beugen, welches gerade jetzt das wiedergeborene Portugal abzuwerfen sucht.“ Man würde sich indessen irren, wenn man glaubte, daß durch die nun erfolgten Aufklärungen, die dem Mann des Vertrauensvotums das Brandmal auf die Stirne drücken, die Parteigänger desselben enttäuscht würden. Sie haben sich vielmehr nie über ihn getäuscht. Seine politischen Freunde haben nie in ihm den Schwindler, den Abenteurer, den Zögling der Stockbörse, den auf seine eigene Unwissenheit stolzen Prahler verkannt, aber gerade weil sie, um ihre eigenen selbstsüchtigen Zwecke zu erreichen, eines Mannes bedürfen, der ohne Sinn für Scham und Ehre sich willig als blindes Werkzeug leiten läßt, unbekümmert, ob die Nation ein Opfer seines Stumpfsinnes oder seiner Bosheit werde, – deßhalb, und nur deßhalb haben sie ihn aus dem Nichts hervorgezogen.

Großbritannien.

Das Pariser Commerce vom 2 Febr. sagt: „Briefe aus London melden, daß in Folge der doppelten Schlappe, die das Ministerium im Parlament erlitten, Lord J. Russell seine Entlassung eingereicht. Die Königin soll über das Votum des Unterhauses vom 27 Jan. in sehr gereizter Stimmung seyn.“ – Die uns vorliegenden Londoner Morgen- und Abendzeitungen vom 31 Jan. enthalten nicht die leiseste Andeutung, daß Lord J. Russell seinen Rücktritt beabsichtige; wohl aber wollen einige Provincialblätter wissen, gleich nach der Abstimmung vom 27 habe das Ministerium eine Parlamentsauflösung beschlossen.

Der mehrerwähnte Vorgang in der Oberhaussitzung vom 27 Jan. war folgender Art: „Der Lordkanzler trug auf die zweite Lesung der eigentlichen Bill zum Behuf der Naturalisation des Prinzen Albert an. Die erste war nämlich, wie es sich jetzt zeigt, nur eine vorläufige Maaßregel gewesen, um die Königin zu ermächtigen, eine Naturalisirungsbill mit Aufhebung früherer Beschränkungen dem Parlamente vorlegen zu lassen. In dieser wirklichen Naturalisationsacte sind nun die beiden Hauptpuncte, daß der Prinz, sobald er den Unterthänigkeits- und Suprematie-Eid vor dem Lordkanzler geleistet, in jeder Beziehung als ein in England geborner Unterthan des Königreichs angesehen werden, und daß die Königin ermächtigt seyn soll, ihm für seine Lebenszeit diejenige Stellung und denjenigen Rang nach Ihrer Maj. im Parlament und anderwärts zu verleihen, welche sie für angemessen erachten möchte. Der Herzog v. Wellington verlangte Aufschub dieser Maaßregel, indem er fand, daß die Bill nicht bloß dasjenige sey, wofür sie ausgegeben werde, sondern eine solche, die, wenn sie durchginge, die erlauchte Person, zu deren Gunsten sie laute, über die Prinzen vom königlichen Geblüt stellen würde. Er wolle sich jedoch der Bill jetzt nicht widersetzen, sondern darauf antragen, daß sie nächsten Freitag zum zweitenmal verlesen werde. Lord Brougham war ziemlich gleicher Meinung. Er glaubte, es wäre geziemender, wenn die Königin es dem Parlament überlasse, den Rang des Prinzen Albert zu bestimmen. Nach der vorliegenden Bill könnte Prinz Albert den Vorrang vor einem künftigen Prinzen von Wales erhalten, und dieß wäre für beide Theile ein sehr anomales Verhältniß, weil, wenn die Königin während Lebzeiten des Prinzen Albert ohne Erben stürbe, ein neuer König einen Sohn haben könnte, der dann natürlich Prinz von Wales seyn würde, und der am Ende dem Prinzen Albert im Range nachstehen müßte. Eine andere Frage, meinte er, sey es, ob die Königin den Prinzen Albert vielleicht zum König Gemahl erheben möchte, was jedoch hier nicht hergehöre. Lord Melbourne aber war gegen den Aufschub, weil darin etwas Unfreundliches liege. Gegen die Anführung des Präcedenzbeispiels der Vermählung des Prinzen Leopold mit der Prinzessin Charlotte bemerkt der Minister, dieß sey ein ganz anderer Fall, denn die Prinzessin Charlotte sey nur die Enkelin des regierenden Königs gewesen, als Prinz Leopold sich mit ihr vermählt habe. Der Marquis v. Londonderry fragte, ob eine erlauchte Person, die gegenwärtig nicht im Lande sey, aufgefordert worden, dem jetzigen Parlamente als Herzog von Cumberland beizuwohnen. Auch er sprach gegen die Bill. Lord Melbourne beantwortete jene Frage bejahend, indem er hinzufügte, daß der erlauchte Herzog im Oberhause nicht als König von Hannover bekannt sey. Die zweite Verlesung der Naturalisationsbill ward hierauf bis Freitag ausgesetzt, an diesem Tage wieder aufgenommen, aber nach wenigen darüber gewechselten Worten noch einmal vertagt.

Die Unterhausdebatten über Sir J. Y. Bullers Motion ziehen sich sehr in die Länge, indem die Redner beider Parteien die Gelegenheit ausbeuten, sich gegenseitig alles vorzurücken, was sie von politischem Groll im Herzen tragen, obgleich, wie Lord Stanley, der Hauptredner der Sitzung vom 30 Jan. – seine Rede dauerte über anderthalb Stunden – ausdrücklich bemerkte, die Tories sich auf keine Majorität Hoffnung machen. „Die achtbarsten Unterstützer des jetzigen Cabinets,“ äußerte der edle Lord, „fallen einer nach dem andern von demselben ab; einer der zurückgetretenen Minister (Howick) hat selbst darauf hingedeutet, und dem Volke gehen über diese Verwaltung mählig die Augen auf. Aber mag die gegenwärtige Schlacht uns gewonnen oder verloren werden – und ich weiß, die Abstimmung wird gegen uns ausfallen – so wird das Ergebniß doch nicht die mindeste Aenderung im Benehmen der großen conservativen Körperschaft hervorbringen. Wie oft es uns auch mißlingen mag, so werden wir doch die Regierung überwachen und controliren, stets unsere Pflicht als einige Partei im Auge behalten, stets die Minister, wo sie im Recht sind, selbst gegen ihre unheilbrütenden Bundesgenossen vertheidigen, andrerseits aber diejenigen ministeriellen Maaßregeln vereiteln, die dem Lande nachtheilig seyn würden.

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Sie haben sich vielmehr nie über ihn getäuscht. Seine politischen Freunde haben nie in ihm den Schwindler, den Abenteurer, den Zögling der Stockbörse, den auf seine eigene Unwissenheit stolzen Prahler verkannt, aber gerade weil sie, um ihre eigenen selbstsüchtigen Zwecke zu erreichen, eines Mannes bedürfen, der ohne Sinn für Scham und Ehre sich willig als blindes Werkzeug leiten läßt, unbekümmert, ob die Nation ein Opfer seines Stumpfsinnes oder seiner Bosheit werde, – deßhalb, und nur deßhalb haben sie ihn aus dem Nichts hervorgezogen. Großbritannien. _ London, 31 Jan. Das Pariser Commerce vom 2 Febr. sagt: „Briefe aus London melden, daß in Folge der doppelten Schlappe, die das Ministerium im Parlament erlitten, Lord J. Russell seine Entlassung eingereicht. Die Königin soll über das Votum des Unterhauses vom 27 Jan. in sehr gereizter Stimmung seyn.“ – Die uns vorliegenden Londoner Morgen- und Abendzeitungen vom 31 Jan. enthalten nicht die leiseste Andeutung, daß Lord J. Russell seinen Rücktritt beabsichtige; wohl aber wollen einige Provincialblätter wissen, gleich nach der Abstimmung vom 27 habe das Ministerium eine Parlamentsauflösung beschlossen. Der mehrerwähnte Vorgang in der Oberhaussitzung vom 27 Jan. war folgender Art: „Der Lordkanzler trug auf die zweite Lesung der eigentlichen Bill zum Behuf der Naturalisation des Prinzen Albert an. Die erste war nämlich, wie es sich jetzt zeigt, nur eine vorläufige Maaßregel gewesen, um die Königin zu ermächtigen, eine Naturalisirungsbill mit Aufhebung früherer Beschränkungen dem Parlamente vorlegen zu lassen. In dieser wirklichen Naturalisationsacte sind nun die beiden Hauptpuncte, daß der Prinz, sobald er den Unterthänigkeits- und Suprematie-Eid vor dem Lordkanzler geleistet, in jeder Beziehung als ein in England geborner Unterthan des Königreichs angesehen werden, und daß die Königin ermächtigt seyn soll, ihm für seine Lebenszeit diejenige Stellung und denjenigen Rang nach Ihrer Maj. im Parlament und anderwärts zu verleihen, welche sie für angemessen erachten möchte. Der Herzog v. Wellington verlangte Aufschub dieser Maaßregel, indem er fand, daß die Bill nicht bloß dasjenige sey, wofür sie ausgegeben werde, sondern eine solche, die, wenn sie durchginge, die erlauchte Person, zu deren Gunsten sie laute, über die Prinzen vom königlichen Geblüt stellen würde. Er wolle sich jedoch der Bill jetzt nicht widersetzen, sondern darauf antragen, daß sie nächsten Freitag zum zweitenmal verlesen werde. Lord Brougham war ziemlich gleicher Meinung. Er glaubte, es wäre geziemender, wenn die Königin es dem Parlament überlasse, den Rang des Prinzen Albert zu bestimmen. Nach der vorliegenden Bill könnte Prinz Albert den Vorrang vor einem künftigen Prinzen von Wales erhalten, und dieß wäre für beide Theile ein sehr anomales Verhältniß, weil, wenn die Königin während Lebzeiten des Prinzen Albert ohne Erben stürbe, ein neuer König einen Sohn haben könnte, der dann natürlich Prinz von Wales seyn würde, und der am Ende dem Prinzen Albert im Range nachstehen müßte. Eine andere Frage, meinte er, sey es, ob die Königin den Prinzen Albert vielleicht zum König Gemahl erheben möchte, was jedoch hier nicht hergehöre. Lord Melbourne aber war gegen den Aufschub, weil darin etwas Unfreundliches liege. 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Bullers Motion ziehen sich sehr in die Länge, indem die Redner beider Parteien die Gelegenheit ausbeuten, sich gegenseitig alles vorzurücken, was sie von politischem Groll im Herzen tragen, obgleich, wie Lord Stanley, der Hauptredner der Sitzung vom 30 Jan. – seine Rede dauerte über anderthalb Stunden – ausdrücklich bemerkte, die Tories sich auf keine Majorität Hoffnung machen. „Die achtbarsten Unterstützer des jetzigen Cabinets,“ äußerte der edle Lord, „fallen einer nach dem andern von demselben ab; einer der zurückgetretenen Minister (Howick) hat selbst darauf hingedeutet, und dem Volke gehen über diese Verwaltung mählig die Augen auf. Aber mag die gegenwärtige Schlacht uns gewonnen oder verloren werden – und ich weiß, die Abstimmung wird gegen uns ausfallen – so wird das Ergebniß doch nicht die mindeste Aenderung im Benehmen der großen conservativen Körperschaft hervorbringen. Wie oft es uns auch mißlingen mag, so werden wir doch die Regierung überwachen und controliren, stets unsere Pflicht als einige Partei im Auge behalten, stets die Minister, wo sie im Recht sind, selbst gegen ihre unheilbrütenden Bundesgenossen vertheidigen, andrerseits aber diejenigen ministeriellen Maaßregeln vereiteln, die dem Lande nachtheilig seyn würden.

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 34. Augsburg, 3. Februar 1840, S. 0298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_038_18400207/2>, abgerufen am 29.04.2024.