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Allgemeine Zeitung. Nr. 34. Augsburg, 3. Februar 1840.

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Mögen die Whigs nach wie vor auf den Regierungsplätzen sitzen; die Regierungsgewalt wird doch thatsächlich von den Tories gehandhabt, und unser ist die Autorität dieses Landes." (Rauschender Zuruf der Opposition.) Schlüßlich erklärte Lord Stanley, er denke nicht daran, die Katholiken ihres Glaubens wegen von den Aemtern auszuschließen; was er unter einer "protestantischen Regierung" verstehe, sey eine solche, die sich von allem Einflusse des Papstes frei bewahre, und in diesem Sinn werde er stets die Staatskirche unterstützen. Der ministerielle Hauptredner des Abends war Hr. Fox Maule, Unterstaatssecretär des Innern. Am 31 Januar wurden die Debatten durch Lord Morpeth, den Generalsecretär für Irland, wieder aufgenommen, der besonders die Ausstellungen der Tories hinsichtlich der Verwaltung dieses Landes zu beantworten übernahm. Nach mehrern Zwischenrednern wollte Hr. Maclean den Kampf wieder auf das Feld auswärtiger Politik hinüberspielen, ward aber mit Zeichen der Ungeduld unterbrochen. Beim Abgang der Post hatte Hr. O'Connell einen mit Epigrammen reichlich gewürzten Vortrag begonnen.

(Standard.) Wir haben Grund zu glauben, daß bis zum 27 Jan. die Minister entschlossen waren, bei Gelegenheit der Vermählung Ihrer Maj. weder neue Pairs zu creiren, noch die in solchen Fällen üblichen Avancements in der Armee und Flotte vorzunehmen. Als die Gründe dieses außergewöhnlichen Entschlusses führt man an, einmal daß die durch die Pairsernennungen entstehenden Lücken und sofortigen "neuen" Wahlen im Unterhaus es den Ministern leicht unmöglich machen könnten, sich länger im Amte zu behaupten, ohne das Parlament aufzulösen, und dann daß bei dem jetzigen Stande der Staatsrevenuen das Land die Unkosten nicht tragen könne, die ein großes Avancement in Heer und Flotte veranlassen würde. Ob die Minister sich seitdem eines Andern besonnen, wissen wir nicht; empörend aber wär' es gewiß, wenn die Minister, nachdem sie die Keckheit hatten, eine unnöthige und übermäßige Apanage für den Gemahl der Königin zu begehren, nun dennoch Heer und Flotte das ihnen zustehende Recht unter dem Vorwande vorzuenthalten versuchen wollten, daß das Land zu arm sey, seine hartangestrengten und schlechtbezahlten Diener und Vertheidiger zu bezahlen.

Die Journale enthalten neuerdings mancherlei Notizen über fortdauernde Chartistenumtriebe, die sich theils in öffentlichen Versammlungen, theils auch in Einzelversuchen von Ruhestörungen kundgeben. Das in Westminsterhall versammelte Richtercollegium hat, wie erwähnt, durch ein Mehr von 9 gegen 6 Stimmen den reservirten formalen Rechtspunkt gegen Frost und seine Genossen entschieden, so daß diesen also nur noch die Hoffnung auf königliche Begnadigung bleibt. Die Freunde der Angeklagten bauen ihre dießfallsige Erwartung auf den Umstand, daß jener Entscheid nicht einstimmig war, auf die von den Geschwornen ihrem Schuldig beigefügte Empfehlung an die königliche Gnade und auf die vielen Petitionen, die seitdem zu Gunsten derselben aus England und Schottland an das Parlament gelangen. Das Treiben der Chartisten überhaupt, und der Zustand von Süd-Wales insbesondere, ist aber nicht von der Art, daß daraus ein Grund für die Begnadigung geschöpft werden könnte. Während man zu Monmouth bereits Anstalten zur Hinrichtung trifft, werden auf dem Lande die Zeugen bedroht, und neue Aufstände vorbereitet. In letzter Woche wurden in einem Bergwerksbezirk 70,000 Pf. St. an Arbeitslohn ausbezahlt, die Arbeiter aber behalten ihr Geld, und weigern sich ihre Rechnungen zu zahlen. Ein neuer Sturm droht. Die Patrouillen und Wachen sind verdoppelt. Zu Bradford, im südwestlichen Yorkshire, schritten die Behörden eben zur rechten Zeit ein, um einen schon begonnenen Ausbruch zu unterdrücken. Sonntag den 26 Jan. erhielten sie die Nachricht, daß ein Aufstand drohe, und trafen sofort ihre Anstalten. Montag Morgens um 2 Uhr rückte eine Abtheilung Constabler auf den grünen Markt, einen großen offenen Platz. Hier wurden sie zweier verdächtigen Männer gewahr, und riefen nach der Wache. Aus dem Wachhaus antworteten zwei Wächter, sie seyen Gefangene der Chartisten. Die Constabler rückten vor, sahen Leute mit Piken vor dem Wachhaus, und nahmen diese fest, ehe sie von ihren Waffen Gebrauch machen konnten. Zur nämlichen Zeit zogen sich kleine bewaffnete Banden gegen den Markt, zerstreuten sich aber, als sie das Geschrei ihrer gefangenen Cameraden hörten, nach allen Richtungen. Acht Mann wurden verhaftet. Man fand eine Anzahl Handgranaten, Zündruthen und Piken. Die ganze Nacht über blieb eine Abtheilung Husaren und Infanterie auf dem Rathhaus unter den Waffen; aus Leeds sind Kanonen dahin abgegangen. - In einer Chartistenversammlung in Newcastle, welche die Rettung des Lebens der "englischen Martyrer" - wie man Frost und seine Gesellen nennt - zum Zweck hatte, äußerte ein gewisser James Ayres unter Anderm: "Ehe Frost den Leidenschaften einer schlechten Faction geopfert wird, will ich lieber England von einem Ende bis zum andern in Blut und Flammen sehen. Ehe Frost am Galgen hängen soll, will ich lieber Lord Melbourne und einen andern vornehmen Mann daran hängen sehen. Begnadigt Ihre Maj. nicht die edlen Martyrer unsrer Sache, dann soll im Lande Blut fließen wie Wasser, und der Hochzeittag der Königin dürfte aus einem Freudentag zu einem Tag allgemeiner Trauer werden u. s. w." Die wüthende Jacobinerrede wurde mit dem betäubendsten Applaus belohnt.

Das M. Chronicle enthält über die orientalische Frage wieder einen Artikel, welchen das Journal des Debats, das ihn übersetzt, also bevorwortet: "Wir fügen diesem Artikel nur wenige Betrachtungen an, weil die wichtigen Angelegenheiten, von denen er handelt, was man auch sagen möge, noch keine entscheidende Lösung erhalten haben, und dann auch weil wir das Beispiel des Chronicle nicht nachahmen und Bitterkeit in die Verhältnisse werfen wollen, deren Aufrechthaltung uns jederzeit am Herzen liegt. So gern wir auch glauben wollen, daß die englische Regierung mindestens der Form dieses Artikels fremd ist, so bedauern wir doch, in dem Hauptorgan der Partei, die sich immer als die anhänglichste an die französische Allianz gezeigt hat, Kundgebungen einer so ausgesprochenen und dabei um ihre Rechtfertigung so verlegenen üblen Laune zu finden. Um sich Recht zu geben, findet das Chronicle kein besseres Mittel, als daß es die Politik der französischen Regierung gänzlich verdreht, sie unter einem ganz unrichtigen Gesichtspunkt darstellt, und ihr einen Mangel an Freimuth und Würde vorrückt, den wir unsrerseits bloß in der Sprache des englischen Blattes finden." Der Artikel des M. Chronicle lautet: "Die Pariser Journale beschäftigen sich viel mit den zwischen Hrn. v. Brunnow und der brittischen Regierung obschwebenden Unterhandlungen. Am 23 Jan. gelangte nach Paris die Nachricht, die Vorschläge Hrn. v. Brunnows seyen angenommen, und sofort äußern die Zeitungen vom 24 sich in einem Ton, der unser größtes Staunen erregt. Selbst indem sie ihre Unwissenheit über den eigentlichen Inhalt der Brunnow'schen Vorschläge eingestehen, bezeichnen sie deren Annahme doch als etwas Ungeheuerliches, als eine Kriegserklärung, als einen Umsturz des ganzen Status quo von Europa. Angenommen, Rußland und England wären über einen Plan zur

Mögen die Whigs nach wie vor auf den Regierungsplätzen sitzen; die Regierungsgewalt wird doch thatsächlich von den Tories gehandhabt, und unser ist die Autorität dieses Landes.“ (Rauschender Zuruf der Opposition.) Schlüßlich erklärte Lord Stanley, er denke nicht daran, die Katholiken ihres Glaubens wegen von den Aemtern auszuschließen; was er unter einer „protestantischen Regierung“ verstehe, sey eine solche, die sich von allem Einflusse des Papstes frei bewahre, und in diesem Sinn werde er stets die Staatskirche unterstützen. Der ministerielle Hauptredner des Abends war Hr. Fox Maule, Unterstaatssecretär des Innern. Am 31 Januar wurden die Debatten durch Lord Morpeth, den Generalsecretär für Irland, wieder aufgenommen, der besonders die Ausstellungen der Tories hinsichtlich der Verwaltung dieses Landes zu beantworten übernahm. Nach mehrern Zwischenrednern wollte Hr. Maclean den Kampf wieder auf das Feld auswärtiger Politik hinüberspielen, ward aber mit Zeichen der Ungeduld unterbrochen. Beim Abgang der Post hatte Hr. O'Connell einen mit Epigrammen reichlich gewürzten Vortrag begonnen.

(Standard.) Wir haben Grund zu glauben, daß bis zum 27 Jan. die Minister entschlossen waren, bei Gelegenheit der Vermählung Ihrer Maj. weder neue Pairs zu creiren, noch die in solchen Fällen üblichen Avancements in der Armee und Flotte vorzunehmen. Als die Gründe dieses außergewöhnlichen Entschlusses führt man an, einmal daß die durch die Pairsernennungen entstehenden Lücken und sofortigen „neuen“ Wahlen im Unterhaus es den Ministern leicht unmöglich machen könnten, sich länger im Amte zu behaupten, ohne das Parlament aufzulösen, und dann daß bei dem jetzigen Stande der Staatsrevenuen das Land die Unkosten nicht tragen könne, die ein großes Avancement in Heer und Flotte veranlassen würde. Ob die Minister sich seitdem eines Andern besonnen, wissen wir nicht; empörend aber wär' es gewiß, wenn die Minister, nachdem sie die Keckheit hatten, eine unnöthige und übermäßige Apanage für den Gemahl der Königin zu begehren, nun dennoch Heer und Flotte das ihnen zustehende Recht unter dem Vorwande vorzuenthalten versuchen wollten, daß das Land zu arm sey, seine hartangestrengten und schlechtbezahlten Diener und Vertheidiger zu bezahlen.

Die Journale enthalten neuerdings mancherlei Notizen über fortdauernde Chartistenumtriebe, die sich theils in öffentlichen Versammlungen, theils auch in Einzelversuchen von Ruhestörungen kundgeben. Das in Westminsterhall versammelte Richtercollegium hat, wie erwähnt, durch ein Mehr von 9 gegen 6 Stimmen den reservirten formalen Rechtspunkt gegen Frost und seine Genossen entschieden, so daß diesen also nur noch die Hoffnung auf königliche Begnadigung bleibt. Die Freunde der Angeklagten bauen ihre dießfallsige Erwartung auf den Umstand, daß jener Entscheid nicht einstimmig war, auf die von den Geschwornen ihrem Schuldig beigefügte Empfehlung an die königliche Gnade und auf die vielen Petitionen, die seitdem zu Gunsten derselben aus England und Schottland an das Parlament gelangen. Das Treiben der Chartisten überhaupt, und der Zustand von Süd-Wales insbesondere, ist aber nicht von der Art, daß daraus ein Grund für die Begnadigung geschöpft werden könnte. Während man zu Monmouth bereits Anstalten zur Hinrichtung trifft, werden auf dem Lande die Zeugen bedroht, und neue Aufstände vorbereitet. In letzter Woche wurden in einem Bergwerksbezirk 70,000 Pf. St. an Arbeitslohn ausbezahlt, die Arbeiter aber behalten ihr Geld, und weigern sich ihre Rechnungen zu zahlen. Ein neuer Sturm droht. Die Patrouillen und Wachen sind verdoppelt. Zu Bradford, im südwestlichen Yorkshire, schritten die Behörden eben zur rechten Zeit ein, um einen schon begonnenen Ausbruch zu unterdrücken. Sonntag den 26 Jan. erhielten sie die Nachricht, daß ein Aufstand drohe, und trafen sofort ihre Anstalten. Montag Morgens um 2 Uhr rückte eine Abtheilung Constabler auf den grünen Markt, einen großen offenen Platz. Hier wurden sie zweier verdächtigen Männer gewahr, und riefen nach der Wache. Aus dem Wachhaus antworteten zwei Wächter, sie seyen Gefangene der Chartisten. Die Constabler rückten vor, sahen Leute mit Piken vor dem Wachhaus, und nahmen diese fest, ehe sie von ihren Waffen Gebrauch machen konnten. Zur nämlichen Zeit zogen sich kleine bewaffnete Banden gegen den Markt, zerstreuten sich aber, als sie das Geschrei ihrer gefangenen Cameraden hörten, nach allen Richtungen. Acht Mann wurden verhaftet. Man fand eine Anzahl Handgranaten, Zündruthen und Piken. Die ganze Nacht über blieb eine Abtheilung Husaren und Infanterie auf dem Rathhaus unter den Waffen; aus Leeds sind Kanonen dahin abgegangen. – In einer Chartistenversammlung in Newcastle, welche die Rettung des Lebens der „englischen Martyrer“ – wie man Frost und seine Gesellen nennt – zum Zweck hatte, äußerte ein gewisser James Ayres unter Anderm: „Ehe Frost den Leidenschaften einer schlechten Faction geopfert wird, will ich lieber England von einem Ende bis zum andern in Blut und Flammen sehen. Ehe Frost am Galgen hängen soll, will ich lieber Lord Melbourne und einen andern vornehmen Mann daran hängen sehen. Begnadigt Ihre Maj. nicht die edlen Martyrer unsrer Sache, dann soll im Lande Blut fließen wie Wasser, und der Hochzeittag der Königin dürfte aus einem Freudentag zu einem Tag allgemeiner Trauer werden u. s. w.“ Die wüthende Jacobinerrede wurde mit dem betäubendsten Applaus belohnt.

Das M. Chronicle enthält über die orientalische Frage wieder einen Artikel, welchen das Journal des Débats, das ihn übersetzt, also bevorwortet: „Wir fügen diesem Artikel nur wenige Betrachtungen an, weil die wichtigen Angelegenheiten, von denen er handelt, was man auch sagen möge, noch keine entscheidende Lösung erhalten haben, und dann auch weil wir das Beispiel des Chronicle nicht nachahmen und Bitterkeit in die Verhältnisse werfen wollen, deren Aufrechthaltung uns jederzeit am Herzen liegt. So gern wir auch glauben wollen, daß die englische Regierung mindestens der Form dieses Artikels fremd ist, so bedauern wir doch, in dem Hauptorgan der Partei, die sich immer als die anhänglichste an die französische Allianz gezeigt hat, Kundgebungen einer so ausgesprochenen und dabei um ihre Rechtfertigung so verlegenen üblen Laune zu finden. Um sich Recht zu geben, findet das Chronicle kein besseres Mittel, als daß es die Politik der französischen Regierung gänzlich verdreht, sie unter einem ganz unrichtigen Gesichtspunkt darstellt, und ihr einen Mangel an Freimuth und Würde vorrückt, den wir unsrerseits bloß in der Sprache des englischen Blattes finden.“ Der Artikel des M. Chronicle lautet: „Die Pariser Journale beschäftigen sich viel mit den zwischen Hrn. v. Brunnow und der brittischen Regierung obschwebenden Unterhandlungen. Am 23 Jan. gelangte nach Paris die Nachricht, die Vorschläge Hrn. v. Brunnows seyen angenommen, und sofort äußern die Zeitungen vom 24 sich in einem Ton, der unser größtes Staunen erregt. Selbst indem sie ihre Unwissenheit über den eigentlichen Inhalt der Brunnow'schen Vorschläge eingestehen, bezeichnen sie deren Annahme doch als etwas Ungeheuerliches, als eine Kriegserklärung, als einen Umsturz des ganzen Status quo von Europa. Angenommen, Rußland und England wären über einen Plan zur

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[0299/0003] Mögen die Whigs nach wie vor auf den Regierungsplätzen sitzen; die Regierungsgewalt wird doch thatsächlich von den Tories gehandhabt, und unser ist die Autorität dieses Landes.“ (Rauschender Zuruf der Opposition.) Schlüßlich erklärte Lord Stanley, er denke nicht daran, die Katholiken ihres Glaubens wegen von den Aemtern auszuschließen; was er unter einer „protestantischen Regierung“ verstehe, sey eine solche, die sich von allem Einflusse des Papstes frei bewahre, und in diesem Sinn werde er stets die Staatskirche unterstützen. Der ministerielle Hauptredner des Abends war Hr. Fox Maule, Unterstaatssecretär des Innern. Am 31 Januar wurden die Debatten durch Lord Morpeth, den Generalsecretär für Irland, wieder aufgenommen, der besonders die Ausstellungen der Tories hinsichtlich der Verwaltung dieses Landes zu beantworten übernahm. Nach mehrern Zwischenrednern wollte Hr. Maclean den Kampf wieder auf das Feld auswärtiger Politik hinüberspielen, ward aber mit Zeichen der Ungeduld unterbrochen. Beim Abgang der Post hatte Hr. O'Connell einen mit Epigrammen reichlich gewürzten Vortrag begonnen. (Standard.) Wir haben Grund zu glauben, daß bis zum 27 Jan. die Minister entschlossen waren, bei Gelegenheit der Vermählung Ihrer Maj. weder neue Pairs zu creiren, noch die in solchen Fällen üblichen Avancements in der Armee und Flotte vorzunehmen. Als die Gründe dieses außergewöhnlichen Entschlusses führt man an, einmal daß die durch die Pairsernennungen entstehenden Lücken und sofortigen „neuen“ Wahlen im Unterhaus es den Ministern leicht unmöglich machen könnten, sich länger im Amte zu behaupten, ohne das Parlament aufzulösen, und dann daß bei dem jetzigen Stande der Staatsrevenuen das Land die Unkosten nicht tragen könne, die ein großes Avancement in Heer und Flotte veranlassen würde. Ob die Minister sich seitdem eines Andern besonnen, wissen wir nicht; empörend aber wär' es gewiß, wenn die Minister, nachdem sie die Keckheit hatten, eine unnöthige und übermäßige Apanage für den Gemahl der Königin zu begehren, nun dennoch Heer und Flotte das ihnen zustehende Recht unter dem Vorwande vorzuenthalten versuchen wollten, daß das Land zu arm sey, seine hartangestrengten und schlechtbezahlten Diener und Vertheidiger zu bezahlen. Die Journale enthalten neuerdings mancherlei Notizen über fortdauernde Chartistenumtriebe, die sich theils in öffentlichen Versammlungen, theils auch in Einzelversuchen von Ruhestörungen kundgeben. Das in Westminsterhall versammelte Richtercollegium hat, wie erwähnt, durch ein Mehr von 9 gegen 6 Stimmen den reservirten formalen Rechtspunkt gegen Frost und seine Genossen entschieden, so daß diesen also nur noch die Hoffnung auf königliche Begnadigung bleibt. Die Freunde der Angeklagten bauen ihre dießfallsige Erwartung auf den Umstand, daß jener Entscheid nicht einstimmig war, auf die von den Geschwornen ihrem Schuldig beigefügte Empfehlung an die königliche Gnade und auf die vielen Petitionen, die seitdem zu Gunsten derselben aus England und Schottland an das Parlament gelangen. Das Treiben der Chartisten überhaupt, und der Zustand von Süd-Wales insbesondere, ist aber nicht von der Art, daß daraus ein Grund für die Begnadigung geschöpft werden könnte. Während man zu Monmouth bereits Anstalten zur Hinrichtung trifft, werden auf dem Lande die Zeugen bedroht, und neue Aufstände vorbereitet. In letzter Woche wurden in einem Bergwerksbezirk 70,000 Pf. St. an Arbeitslohn ausbezahlt, die Arbeiter aber behalten ihr Geld, und weigern sich ihre Rechnungen zu zahlen. Ein neuer Sturm droht. Die Patrouillen und Wachen sind verdoppelt. Zu Bradford, im südwestlichen Yorkshire, schritten die Behörden eben zur rechten Zeit ein, um einen schon begonnenen Ausbruch zu unterdrücken. Sonntag den 26 Jan. erhielten sie die Nachricht, daß ein Aufstand drohe, und trafen sofort ihre Anstalten. Montag Morgens um 2 Uhr rückte eine Abtheilung Constabler auf den grünen Markt, einen großen offenen Platz. Hier wurden sie zweier verdächtigen Männer gewahr, und riefen nach der Wache. Aus dem Wachhaus antworteten zwei Wächter, sie seyen Gefangene der Chartisten. Die Constabler rückten vor, sahen Leute mit Piken vor dem Wachhaus, und nahmen diese fest, ehe sie von ihren Waffen Gebrauch machen konnten. Zur nämlichen Zeit zogen sich kleine bewaffnete Banden gegen den Markt, zerstreuten sich aber, als sie das Geschrei ihrer gefangenen Cameraden hörten, nach allen Richtungen. Acht Mann wurden verhaftet. Man fand eine Anzahl Handgranaten, Zündruthen und Piken. Die ganze Nacht über blieb eine Abtheilung Husaren und Infanterie auf dem Rathhaus unter den Waffen; aus Leeds sind Kanonen dahin abgegangen. – In einer Chartistenversammlung in Newcastle, welche die Rettung des Lebens der „englischen Martyrer“ – wie man Frost und seine Gesellen nennt – zum Zweck hatte, äußerte ein gewisser James Ayres unter Anderm: „Ehe Frost den Leidenschaften einer schlechten Faction geopfert wird, will ich lieber England von einem Ende bis zum andern in Blut und Flammen sehen. Ehe Frost am Galgen hängen soll, will ich lieber Lord Melbourne und einen andern vornehmen Mann daran hängen sehen. Begnadigt Ihre Maj. nicht die edlen Martyrer unsrer Sache, dann soll im Lande Blut fließen wie Wasser, und der Hochzeittag der Königin dürfte aus einem Freudentag zu einem Tag allgemeiner Trauer werden u. s. w.“ Die wüthende Jacobinerrede wurde mit dem betäubendsten Applaus belohnt. Das M. Chronicle enthält über die orientalische Frage wieder einen Artikel, welchen das Journal des Débats, das ihn übersetzt, also bevorwortet: „Wir fügen diesem Artikel nur wenige Betrachtungen an, weil die wichtigen Angelegenheiten, von denen er handelt, was man auch sagen möge, noch keine entscheidende Lösung erhalten haben, und dann auch weil wir das Beispiel des Chronicle nicht nachahmen und Bitterkeit in die Verhältnisse werfen wollen, deren Aufrechthaltung uns jederzeit am Herzen liegt. So gern wir auch glauben wollen, daß die englische Regierung mindestens der Form dieses Artikels fremd ist, so bedauern wir doch, in dem Hauptorgan der Partei, die sich immer als die anhänglichste an die französische Allianz gezeigt hat, Kundgebungen einer so ausgesprochenen und dabei um ihre Rechtfertigung so verlegenen üblen Laune zu finden. Um sich Recht zu geben, findet das Chronicle kein besseres Mittel, als daß es die Politik der französischen Regierung gänzlich verdreht, sie unter einem ganz unrichtigen Gesichtspunkt darstellt, und ihr einen Mangel an Freimuth und Würde vorrückt, den wir unsrerseits bloß in der Sprache des englischen Blattes finden.“ Der Artikel des M. Chronicle lautet: „Die Pariser Journale beschäftigen sich viel mit den zwischen Hrn. v. Brunnow und der brittischen Regierung obschwebenden Unterhandlungen. Am 23 Jan. gelangte nach Paris die Nachricht, die Vorschläge Hrn. v. Brunnows seyen angenommen, und sofort äußern die Zeitungen vom 24 sich in einem Ton, der unser größtes Staunen erregt. Selbst indem sie ihre Unwissenheit über den eigentlichen Inhalt der Brunnow'schen Vorschläge eingestehen, bezeichnen sie deren Annahme doch als etwas Ungeheuerliches, als eine Kriegserklärung, als einen Umsturz des ganzen Status quo von Europa. Angenommen, Rußland und England wären über einen Plan zur

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 34. Augsburg, 3. Februar 1840, S. 0299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_038_18400207/3>, abgerufen am 29.04.2024.