Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 44. Augsburg, 13. Februar 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

die ganze Wahlreform enthalten sey, und daß er für seinen Theil diese Reform weder annehmen noch bekämpfen werde.Ueber diese Inconsequenz verfiel die Kammer in großes Gelächter. Hr. Gauguier versuchte vergeblich, sich nach den genannten Rednern noch Gehör zu verschaffen, und die Kammer, in ihrer Geduld erschöpft, verwarf nach zwei zweifelhaften Proben seinen Vorschlag mit 198 unter 372 Stimmen. - Die Opposition hat sicher heute noch nicht ihr letztes Wort gesprochen; die imposante Minorität, die sich zu Gunsten dieses fast von Jedermann als unannehmbar anerkannten Vorschlags erklärt hat, muß auch wenig Hellsehenden beweisen, daß die Kammer nur eine Gelegenheit erwartet, um sich einem System anzuschließen, wodurch sie aus dem Zustande der Mißachtung oder der ehrgeizigen Habsucht, in den sie durch einige ihrer Mitglieder gerathen ist, heraustreten kann. Es handelt sich nicht davon, alle Staatsbeamten von dem legislativen Mandat und durch eine Art von Ostracismus auszuschließen; dieß wäre eine bedauernswerthe Maaßregel; es ist aber zweckmäßig, den Kreis der Unverträglichkeiten auszudehnen, und jener parlamentarischen Gierde, alle nur etwas wichtigen Staatsstellen der Ausbeutung einiger Ueberläufer preiszugeben, ein Ende zu zu machen."

*

Der Vorschlag von Gauguier über die Staatsdiener in der Kammer hat die Kammer sehr viel, das Publicum sehr wenig beschäftigt. Daß die Deputirten Staatsdiener seyn können, ist allerdings ein Uebel, aber nicht sowohl für die Kammer, als für die Administration, indem sie alle höhern Stellen wegnehmen, und die Carriere der Beamten und somit ihren Eifer paralysiren. Wenn man die Ordonnanz von Teste über die Reorganisation des Staatsraths liest, so kann man sehen, bis auf welchen Grad dieß wahr ist; man hat dabei ohne alle Rücksicht auf Verdienst die Deputirten befördert, und die Nichtdeputirten hintangesetzt, und so geht es in allen Theilen der höhern Administration. Dieß ist für das Land ein großes Uebel, aber weniger für die Kammer, denn wenn man auch auf diese Art Stimmen in der Kammer kauft oder belohnt, so ist es auf die für die Gesetzgebung am wenigsten schädliche Art, während man sich der Stimmen der Deputirten aus andern Classen durch Nachgiebigkeiten in der Gesetzgebung versichert, welche weit verderblicher wirken. Man hatte versucht, der Corruption der Staatsdiener dadurch zu steuern, daß man sie bei Beförderung einer neuen Wahl unterwarf, aber bisher sind nur zwei oder drei nicht wieder gewählt worden. Der Fehler liegt an der öffentlichen Meinung, welche nicht streng genug ist, aber dagegen gibt es kein Mittel. Die Corruption ist übrigens in der Kammer nicht größer, als man von einer ähnlichen Versammlung erwarten muß, sie ist geringer gegenwärtig als unter der Restauration, und weit geringer, als sie wohl im englischen Parlament war, wovon die Ursache zum Theil in der kurzen Dauer der Ministerien liegen mag. - Der König wünscht Guizot zum Grafen zu ernennen; Guizot hätte aber Unrecht, es anzunehmen, er ist ein zu bedeutender Mann, als daß ein neuer Titel seinen Einfluß vermehren könnte, und hier würde es ihn eher lächerlich machen, denn wenn die Nation in etwas republicanisch ist, so ist es in der Gleichgültigkeit gegen Titel.

Niederlande.
*

Der Fürst von Montfort ist vorgestern auf der Reise nach London in Rotterdam angekommen. - In den nächsten Tagen erwartet man in unsrer Residenz die kostbaren Gemälde, welche seit der belgischen Revolution im Palais des Prinzen von Oranien zu Brüssel aufbewahrt waren.

Deutschland.
**

Se. k. H. unser Kronprinz, der sich lebhaft für wissenschaftliche Forschungen interessirt, hat dem magnetischen Observatorium, dessen Errichtung an der hiesigen Sternwarte unlängst in der Allgemeinen Zeitung Beilage Nro. 27) erwähnt wurde, aus eignen Mitteln eine namhafte Summe zur Disposition gestellt. - In unserm Kunstverein sind nun die zur Verloosung bestimmten Kunstgegenstände, etwa 120 an der Zahl, unter welchen sich mehrere sehr werthvolle Leistungen befinden, in schönster Ordnung zu sehen; für diese Werke wurde die Summe von 18,000 fl verausgabt. Die Zahl der Mitglieder hat das zweite Tausend überschritten, und so dürfte etwa auf 18 Theilnehmer ein Treffer fallen. Die Verlosung selbst wird, wie alljährig, am 16 Febr. vorgenommen. - Man spricht hier fortwährend viel von einem Uebungslager bayerischer Truppen, das im August d. J. stattfinden soll.

Die Gesammtzahl der Studirenden auf der Universität Heidelberg beträgt in diesem Wintersemester 622, nämlich 195 Inländer und 427 Ausländer. - Gervinus befindet sich gegenwärtig in Heidelberg, wo er seine Studien gemacht und den akademischen Lehrstuhl zuerst betreten hat; er scheint seinen Aufenthalt dauernd dort nehmen zu wollen, da er sich auf dem rechten Neckarufer, an einem der schönsten Punkte des herrlichen Thals, ein Haus erbauen läßt. (Bad. Bl.)

*

Durch gefällige Mittheilung des Vorstandes der hiesigen Polizeibehörde bin ich in den Stand gesetzt, Ihnen einige statistische Angaben über die Saison des Jahrs 1839 zu übersenden, deren Zusammenstellung aus den Quellen erst im Verlauf des Winters unternommen wurde, und woraus sich ergibt, daß unter der Zahl von noch nicht ganz 20,000 Fremden, welche vom 15 Mai bis zum 25 Oct. des vorigen Jahrs in Baden eintrafen, folgende Rubriken sich bemerkbar machen: fürstliche Personen mit Gefolge 170; Amerikaner 211 Köpfe; Dänen und Schweden 86; Spanier 36; Russen 676; Polen 62; Italiener 85; Schweizer 457; Holländer 475; Belgier 231; Franzosen 4478; Engländer 3652, und Deutsche in der überwiegenden Mehrzahl von mehr als 8000, ungerechnet diejenigen Inländer, deren Namen nicht in die Badlisten eingetragen wurden; der Engländer waren um 826 weniger als der Franzosen, und dennoch waren sie, wie immer, am meisten bemerkbar, theils deßhalb, weil sie im Ganzen am längsten blieben, theils weil eine große Zahl der als Franzosen angeführten Personen aus Straßburg und dem Elsaß kam, und, obschon öfter wiederkehrend, stets nur kurze Zeit hindurch verweilte. - Beim Beginn des Winters hatte es den Anschein, als würden die fremden Gäste allesammt Baden verlassen; dem war jedoch nicht also, sondern eine kleine Gesellschaft blieb, und fand zum Theil noch später sich ein. Den General Guilleminot hielten bis jetzt die nun vollendeten oder wenigstens dem Abschluß ganz nahen Geschäfte, und er wird wahrscheinlich noch bis zur Mitte dieses Monats bleiben; Meyerbeer arbeitet, dem Vernehmen nach, an einem größern Werke; mehrere Engländer, Russen, Polen und Franzosen scheinen bis zur Saison aushalten zu wollen. Ein großer Theil dieser fremden Gesellschaft findet ihren Vereinigungspunkt im Theater, in welchem für sie ein paar Logen eigens decorirt, heizbar gemacht und beleuchtet worden, und wo sie durch die mittelmäßigen Darstellungen veralteter Stücke nicht in ihrem Verkehr gestört wird, weil sie sich wenig um das kümmert, was auf der Bühne vorgeht. - Das durch öffentliche Blätter von hier aus verbreitete Gerücht, ein Engländer sey wegen gröblicher Beleidigung hochgestellter Personen ausgewiesen worden,

die ganze Wahlreform enthalten sey, und daß er für seinen Theil diese Reform weder annehmen noch bekämpfen werde.Ueber diese Inconsequenz verfiel die Kammer in großes Gelächter. Hr. Gauguier versuchte vergeblich, sich nach den genannten Rednern noch Gehör zu verschaffen, und die Kammer, in ihrer Geduld erschöpft, verwarf nach zwei zweifelhaften Proben seinen Vorschlag mit 198 unter 372 Stimmen. – Die Opposition hat sicher heute noch nicht ihr letztes Wort gesprochen; die imposante Minorität, die sich zu Gunsten dieses fast von Jedermann als unannehmbar anerkannten Vorschlags erklärt hat, muß auch wenig Hellsehenden beweisen, daß die Kammer nur eine Gelegenheit erwartet, um sich einem System anzuschließen, wodurch sie aus dem Zustande der Mißachtung oder der ehrgeizigen Habsucht, in den sie durch einige ihrer Mitglieder gerathen ist, heraustreten kann. Es handelt sich nicht davon, alle Staatsbeamten von dem legislativen Mandat und durch eine Art von Ostracismus auszuschließen; dieß wäre eine bedauernswerthe Maaßregel; es ist aber zweckmäßig, den Kreis der Unverträglichkeiten auszudehnen, und jener parlamentarischen Gierde, alle nur etwas wichtigen Staatsstellen der Ausbeutung einiger Ueberläufer preiszugeben, ein Ende zu zu machen.“

*

Der Vorschlag von Gauguier über die Staatsdiener in der Kammer hat die Kammer sehr viel, das Publicum sehr wenig beschäftigt. Daß die Deputirten Staatsdiener seyn können, ist allerdings ein Uebel, aber nicht sowohl für die Kammer, als für die Administration, indem sie alle höhern Stellen wegnehmen, und die Carrière der Beamten und somit ihren Eifer paralysiren. Wenn man die Ordonnanz von Teste über die Reorganisation des Staatsraths liest, so kann man sehen, bis auf welchen Grad dieß wahr ist; man hat dabei ohne alle Rücksicht auf Verdienst die Deputirten befördert, und die Nichtdeputirten hintangesetzt, und so geht es in allen Theilen der höhern Administration. Dieß ist für das Land ein großes Uebel, aber weniger für die Kammer, denn wenn man auch auf diese Art Stimmen in der Kammer kauft oder belohnt, so ist es auf die für die Gesetzgebung am wenigsten schädliche Art, während man sich der Stimmen der Deputirten aus andern Classen durch Nachgiebigkeiten in der Gesetzgebung versichert, welche weit verderblicher wirken. Man hatte versucht, der Corruption der Staatsdiener dadurch zu steuern, daß man sie bei Beförderung einer neuen Wahl unterwarf, aber bisher sind nur zwei oder drei nicht wieder gewählt worden. Der Fehler liegt an der öffentlichen Meinung, welche nicht streng genug ist, aber dagegen gibt es kein Mittel. Die Corruption ist übrigens in der Kammer nicht größer, als man von einer ähnlichen Versammlung erwarten muß, sie ist geringer gegenwärtig als unter der Restauration, und weit geringer, als sie wohl im englischen Parlament war, wovon die Ursache zum Theil in der kurzen Dauer der Ministerien liegen mag. – Der König wünscht Guizot zum Grafen zu ernennen; Guizot hätte aber Unrecht, es anzunehmen, er ist ein zu bedeutender Mann, als daß ein neuer Titel seinen Einfluß vermehren könnte, und hier würde es ihn eher lächerlich machen, denn wenn die Nation in etwas republicanisch ist, so ist es in der Gleichgültigkeit gegen Titel.

Niederlande.
*✝

Der Fürst von Montfort ist vorgestern auf der Reise nach London in Rotterdam angekommen. – In den nächsten Tagen erwartet man in unsrer Residenz die kostbaren Gemälde, welche seit der belgischen Revolution im Palais des Prinzen von Oranien zu Brüssel aufbewahrt waren.

Deutschland.
**

Se. k. H. unser Kronprinz, der sich lebhaft für wissenschaftliche Forschungen interessirt, hat dem magnetischen Observatorium, dessen Errichtung an der hiesigen Sternwarte unlängst in der Allgemeinen Zeitung Beilage Nro. 27) erwähnt wurde, aus eignen Mitteln eine namhafte Summe zur Disposition gestellt. – In unserm Kunstverein sind nun die zur Verloosung bestimmten Kunstgegenstände, etwa 120 an der Zahl, unter welchen sich mehrere sehr werthvolle Leistungen befinden, in schönster Ordnung zu sehen; für diese Werke wurde die Summe von 18,000 fl verausgabt. Die Zahl der Mitglieder hat das zweite Tausend überschritten, und so dürfte etwa auf 18 Theilnehmer ein Treffer fallen. Die Verlosung selbst wird, wie alljährig, am 16 Febr. vorgenommen. – Man spricht hier fortwährend viel von einem Uebungslager bayerischer Truppen, das im August d. J. stattfinden soll.

Die Gesammtzahl der Studirenden auf der Universität Heidelberg beträgt in diesem Wintersemester 622, nämlich 195 Inländer und 427 Ausländer. – Gervinus befindet sich gegenwärtig in Heidelberg, wo er seine Studien gemacht und den akademischen Lehrstuhl zuerst betreten hat; er scheint seinen Aufenthalt dauernd dort nehmen zu wollen, da er sich auf dem rechten Neckarufer, an einem der schönsten Punkte des herrlichen Thals, ein Haus erbauen läßt. (Bad. Bl.)

*

Durch gefällige Mittheilung des Vorstandes der hiesigen Polizeibehörde bin ich in den Stand gesetzt, Ihnen einige statistische Angaben über die Saison des Jahrs 1839 zu übersenden, deren Zusammenstellung aus den Quellen erst im Verlauf des Winters unternommen wurde, und woraus sich ergibt, daß unter der Zahl von noch nicht ganz 20,000 Fremden, welche vom 15 Mai bis zum 25 Oct. des vorigen Jahrs in Baden eintrafen, folgende Rubriken sich bemerkbar machen: fürstliche Personen mit Gefolge 170; Amerikaner 211 Köpfe; Dänen und Schweden 86; Spanier 36; Russen 676; Polen 62; Italiener 85; Schweizer 457; Holländer 475; Belgier 231; Franzosen 4478; Engländer 3652, und Deutsche in der überwiegenden Mehrzahl von mehr als 8000, ungerechnet diejenigen Inländer, deren Namen nicht in die Badlisten eingetragen wurden; der Engländer waren um 826 weniger als der Franzosen, und dennoch waren sie, wie immer, am meisten bemerkbar, theils deßhalb, weil sie im Ganzen am längsten blieben, theils weil eine große Zahl der als Franzosen angeführten Personen aus Straßburg und dem Elsaß kam, und, obschon öfter wiederkehrend, stets nur kurze Zeit hindurch verweilte. – Beim Beginn des Winters hatte es den Anschein, als würden die fremden Gäste allesammt Baden verlassen; dem war jedoch nicht also, sondern eine kleine Gesellschaft blieb, und fand zum Theil noch später sich ein. Den General Guilleminot hielten bis jetzt die nun vollendeten oder wenigstens dem Abschluß ganz nahen Geschäfte, und er wird wahrscheinlich noch bis zur Mitte dieses Monats bleiben; Meyerbeer arbeitet, dem Vernehmen nach, an einem größern Werke; mehrere Engländer, Russen, Polen und Franzosen scheinen bis zur Saison aushalten zu wollen. Ein großer Theil dieser fremden Gesellschaft findet ihren Vereinigungspunkt im Theater, in welchem für sie ein paar Logen eigens decorirt, heizbar gemacht und beleuchtet worden, und wo sie durch die mittelmäßigen Darstellungen veralteter Stücke nicht in ihrem Verkehr gestört wird, weil sie sich wenig um das kümmert, was auf der Bühne vorgeht. – Das durch öffentliche Blätter von hier aus verbreitete Gerücht, ein Engländer sey wegen gröblicher Beleidigung hochgestellter Personen ausgewiesen worden,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0004" n="0348"/>
die ganze Wahlreform enthalten sey, und daß er für seinen Theil diese Reform weder annehmen noch bekämpfen werde.Ueber diese Inconsequenz verfiel die Kammer in großes Gelächter. Hr. Gauguier versuchte vergeblich, sich nach den genannten Rednern noch Gehör zu verschaffen, und die Kammer, in ihrer Geduld erschöpft, verwarf nach zwei zweifelhaften Proben seinen Vorschlag mit 198 unter 372 Stimmen. &#x2013; Die Opposition hat sicher heute noch nicht ihr letztes Wort gesprochen; die imposante Minorität, die sich zu Gunsten dieses fast von Jedermann als unannehmbar anerkannten Vorschlags erklärt hat, muß auch wenig Hellsehenden beweisen, daß die Kammer nur eine Gelegenheit erwartet, um sich einem System anzuschließen, wodurch sie aus dem Zustande der Mißachtung oder der ehrgeizigen Habsucht, in den sie durch einige ihrer Mitglieder gerathen ist, heraustreten kann. Es handelt sich nicht davon, alle Staatsbeamten von dem legislativen Mandat und durch eine Art von Ostracismus auszuschließen; dieß wäre eine bedauernswerthe Maaßregel; es ist aber zweckmäßig, den Kreis der Unverträglichkeiten auszudehnen, und jener parlamentarischen Gierde, alle nur etwas wichtigen Staatsstellen der Ausbeutung einiger Ueberläufer preiszugeben, ein Ende zu zu machen.&#x201C;</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>*</head>
          <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 8 Febr.</dateline>
          <p> Der Vorschlag von Gauguier über die Staatsdiener in der Kammer hat die Kammer sehr viel, das Publicum sehr wenig beschäftigt. Daß die Deputirten Staatsdiener seyn können, ist allerdings ein Uebel, aber nicht sowohl für die Kammer, als für die Administration, indem sie alle höhern Stellen wegnehmen, und die Carrière der Beamten und somit ihren Eifer paralysiren. Wenn man die Ordonnanz von Teste über die Reorganisation des Staatsraths liest, so kann man sehen, bis auf welchen Grad dieß wahr ist; man hat dabei ohne alle Rücksicht auf Verdienst die Deputirten befördert, und die Nichtdeputirten hintangesetzt, und so geht es in allen Theilen der höhern Administration. Dieß ist für das Land ein großes Uebel, aber weniger für die Kammer, denn wenn man auch auf diese Art Stimmen in der Kammer kauft oder belohnt, so ist es auf die für die Gesetzgebung am wenigsten schädliche Art, während man sich der Stimmen der Deputirten aus andern Classen durch Nachgiebigkeiten in der Gesetzgebung versichert, welche weit verderblicher wirken. Man hatte versucht, der Corruption der Staatsdiener dadurch zu steuern, daß man sie bei Beförderung einer neuen Wahl unterwarf, aber bisher sind nur zwei oder drei nicht wieder gewählt worden. Der Fehler liegt an der öffentlichen Meinung, welche nicht streng genug ist, aber dagegen gibt es kein Mittel. Die Corruption ist übrigens in der Kammer nicht größer, als man von einer ähnlichen Versammlung erwarten muß, sie ist geringer gegenwärtig als unter der Restauration, und weit geringer, als sie wohl im englischen Parlament war, wovon die Ursache zum Theil in der kurzen Dauer der Ministerien liegen mag. &#x2013; Der König wünscht Guizot zum Grafen zu ernennen; Guizot hätte aber Unrecht, es anzunehmen, er ist ein zu bedeutender Mann, als daß ein neuer Titel seinen Einfluß vermehren könnte, und hier würde es ihn eher lächerlich machen, denn wenn die Nation in etwas republicanisch ist, so ist es in der Gleichgültigkeit gegen Titel.</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Niederlande.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <head>*&#x271D;</head>
          <dateline><hi rendition="#b">Aus dem Haag,</hi> 4 Febr.</dateline>
          <p> Der Fürst von Montfort ist vorgestern auf der Reise nach London in Rotterdam angekommen. &#x2013; In den nächsten Tagen erwartet man in unsrer Residenz die kostbaren Gemälde, welche seit der belgischen Revolution im Palais des Prinzen von Oranien zu Brüssel aufbewahrt waren.</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Deutschland.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <head>**</head>
          <dateline><hi rendition="#b">München,</hi> 11 Febr.</dateline>
          <p> Se. k. H. unser Kronprinz, der sich lebhaft für wissenschaftliche Forschungen interessirt, hat dem magnetischen Observatorium, dessen Errichtung an der hiesigen Sternwarte unlängst in der Allgemeinen Zeitung Beilage Nro. 27) erwähnt wurde, aus eignen Mitteln eine namhafte Summe zur Disposition gestellt. &#x2013; In unserm Kunstverein sind nun die zur Verloosung bestimmten Kunstgegenstände, etwa 120 an der Zahl, unter welchen sich mehrere sehr werthvolle Leistungen befinden, in schönster Ordnung zu sehen; für diese Werke wurde die Summe von 18,000 fl verausgabt. Die Zahl der Mitglieder hat das zweite Tausend überschritten, und so dürfte etwa auf 18 Theilnehmer ein Treffer fallen. Die Verlosung selbst wird, wie alljährig, am 16 Febr. vorgenommen. &#x2013; Man spricht hier fortwährend viel von einem Uebungslager bayerischer Truppen, das im August d. J. stattfinden soll.</p><lb/>
          <p>Die Gesammtzahl der Studirenden auf der Universität <hi rendition="#g">Heidelberg</hi> beträgt in diesem Wintersemester 622, nämlich 195 Inländer und 427 Ausländer. &#x2013; Gervinus befindet sich gegenwärtig in Heidelberg, wo er seine Studien gemacht und den akademischen Lehrstuhl zuerst betreten hat; er scheint seinen Aufenthalt dauernd dort nehmen zu wollen, da er sich auf dem rechten Neckarufer, an einem der schönsten Punkte des herrlichen Thals, ein Haus erbauen läßt. (<hi rendition="#g">Bad</hi>. <hi rendition="#g">Bl</hi>.)</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>*</head>
          <dateline><hi rendition="#b">Baden-Baden,</hi> 7 Febr.</dateline>
          <p> Durch gefällige Mittheilung des Vorstandes der hiesigen Polizeibehörde bin ich in den Stand gesetzt, Ihnen einige statistische Angaben über die Saison des Jahrs 1839 zu übersenden, deren Zusammenstellung aus den Quellen erst im Verlauf des Winters unternommen wurde, und woraus sich ergibt, daß unter der Zahl von noch nicht ganz 20,000 Fremden, welche vom 15 Mai bis zum 25 Oct. des vorigen Jahrs in Baden eintrafen, folgende Rubriken sich bemerkbar machen: fürstliche Personen mit Gefolge 170; Amerikaner 211 Köpfe; Dänen und Schweden 86; Spanier 36; Russen 676; Polen 62; Italiener 85; Schweizer 457; Holländer 475; Belgier 231; Franzosen 4478; Engländer 3652, und Deutsche in der überwiegenden Mehrzahl von mehr als 8000, ungerechnet diejenigen Inländer, deren Namen nicht in die Badlisten eingetragen wurden; der Engländer waren um 826 weniger als der Franzosen, und dennoch waren sie, wie immer, am meisten bemerkbar, theils deßhalb, weil sie im Ganzen am längsten blieben, theils weil eine große Zahl der als Franzosen angeführten Personen aus Straßburg und dem Elsaß kam, und, obschon öfter wiederkehrend, stets nur kurze Zeit hindurch verweilte. &#x2013; Beim Beginn des Winters hatte es den Anschein, als würden die fremden Gäste allesammt Baden verlassen; dem war jedoch nicht also, sondern eine kleine Gesellschaft blieb, und fand zum Theil noch später sich ein. Den General Guilleminot hielten bis jetzt die nun vollendeten oder wenigstens dem Abschluß ganz nahen Geschäfte, und er wird wahrscheinlich noch bis zur Mitte dieses Monats bleiben; Meyerbeer arbeitet, dem Vernehmen nach, an einem größern Werke; mehrere Engländer, Russen, Polen und Franzosen scheinen bis zur Saison aushalten zu wollen. Ein großer Theil dieser fremden Gesellschaft findet ihren Vereinigungspunkt im Theater, in welchem für sie ein paar Logen eigens decorirt, heizbar gemacht und beleuchtet worden, und wo sie durch die mittelmäßigen Darstellungen veralteter Stücke nicht in ihrem Verkehr gestört wird, weil sie sich wenig um das kümmert, was auf der Bühne vorgeht. &#x2013; Das durch öffentliche Blätter von hier aus verbreitete Gerücht, ein Engländer sey wegen gröblicher Beleidigung hochgestellter Personen ausgewiesen worden,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0348/0004] die ganze Wahlreform enthalten sey, und daß er für seinen Theil diese Reform weder annehmen noch bekämpfen werde.Ueber diese Inconsequenz verfiel die Kammer in großes Gelächter. Hr. Gauguier versuchte vergeblich, sich nach den genannten Rednern noch Gehör zu verschaffen, und die Kammer, in ihrer Geduld erschöpft, verwarf nach zwei zweifelhaften Proben seinen Vorschlag mit 198 unter 372 Stimmen. – Die Opposition hat sicher heute noch nicht ihr letztes Wort gesprochen; die imposante Minorität, die sich zu Gunsten dieses fast von Jedermann als unannehmbar anerkannten Vorschlags erklärt hat, muß auch wenig Hellsehenden beweisen, daß die Kammer nur eine Gelegenheit erwartet, um sich einem System anzuschließen, wodurch sie aus dem Zustande der Mißachtung oder der ehrgeizigen Habsucht, in den sie durch einige ihrer Mitglieder gerathen ist, heraustreten kann. Es handelt sich nicht davon, alle Staatsbeamten von dem legislativen Mandat und durch eine Art von Ostracismus auszuschließen; dieß wäre eine bedauernswerthe Maaßregel; es ist aber zweckmäßig, den Kreis der Unverträglichkeiten auszudehnen, und jener parlamentarischen Gierde, alle nur etwas wichtigen Staatsstellen der Ausbeutung einiger Ueberläufer preiszugeben, ein Ende zu zu machen.“ * Paris, 8 Febr. Der Vorschlag von Gauguier über die Staatsdiener in der Kammer hat die Kammer sehr viel, das Publicum sehr wenig beschäftigt. Daß die Deputirten Staatsdiener seyn können, ist allerdings ein Uebel, aber nicht sowohl für die Kammer, als für die Administration, indem sie alle höhern Stellen wegnehmen, und die Carrière der Beamten und somit ihren Eifer paralysiren. Wenn man die Ordonnanz von Teste über die Reorganisation des Staatsraths liest, so kann man sehen, bis auf welchen Grad dieß wahr ist; man hat dabei ohne alle Rücksicht auf Verdienst die Deputirten befördert, und die Nichtdeputirten hintangesetzt, und so geht es in allen Theilen der höhern Administration. Dieß ist für das Land ein großes Uebel, aber weniger für die Kammer, denn wenn man auch auf diese Art Stimmen in der Kammer kauft oder belohnt, so ist es auf die für die Gesetzgebung am wenigsten schädliche Art, während man sich der Stimmen der Deputirten aus andern Classen durch Nachgiebigkeiten in der Gesetzgebung versichert, welche weit verderblicher wirken. Man hatte versucht, der Corruption der Staatsdiener dadurch zu steuern, daß man sie bei Beförderung einer neuen Wahl unterwarf, aber bisher sind nur zwei oder drei nicht wieder gewählt worden. Der Fehler liegt an der öffentlichen Meinung, welche nicht streng genug ist, aber dagegen gibt es kein Mittel. Die Corruption ist übrigens in der Kammer nicht größer, als man von einer ähnlichen Versammlung erwarten muß, sie ist geringer gegenwärtig als unter der Restauration, und weit geringer, als sie wohl im englischen Parlament war, wovon die Ursache zum Theil in der kurzen Dauer der Ministerien liegen mag. – Der König wünscht Guizot zum Grafen zu ernennen; Guizot hätte aber Unrecht, es anzunehmen, er ist ein zu bedeutender Mann, als daß ein neuer Titel seinen Einfluß vermehren könnte, und hier würde es ihn eher lächerlich machen, denn wenn die Nation in etwas republicanisch ist, so ist es in der Gleichgültigkeit gegen Titel. Niederlande. *✝Aus dem Haag, 4 Febr. Der Fürst von Montfort ist vorgestern auf der Reise nach London in Rotterdam angekommen. – In den nächsten Tagen erwartet man in unsrer Residenz die kostbaren Gemälde, welche seit der belgischen Revolution im Palais des Prinzen von Oranien zu Brüssel aufbewahrt waren. Deutschland. **München, 11 Febr. Se. k. H. unser Kronprinz, der sich lebhaft für wissenschaftliche Forschungen interessirt, hat dem magnetischen Observatorium, dessen Errichtung an der hiesigen Sternwarte unlängst in der Allgemeinen Zeitung Beilage Nro. 27) erwähnt wurde, aus eignen Mitteln eine namhafte Summe zur Disposition gestellt. – In unserm Kunstverein sind nun die zur Verloosung bestimmten Kunstgegenstände, etwa 120 an der Zahl, unter welchen sich mehrere sehr werthvolle Leistungen befinden, in schönster Ordnung zu sehen; für diese Werke wurde die Summe von 18,000 fl verausgabt. Die Zahl der Mitglieder hat das zweite Tausend überschritten, und so dürfte etwa auf 18 Theilnehmer ein Treffer fallen. Die Verlosung selbst wird, wie alljährig, am 16 Febr. vorgenommen. – Man spricht hier fortwährend viel von einem Uebungslager bayerischer Truppen, das im August d. J. stattfinden soll. Die Gesammtzahl der Studirenden auf der Universität Heidelberg beträgt in diesem Wintersemester 622, nämlich 195 Inländer und 427 Ausländer. – Gervinus befindet sich gegenwärtig in Heidelberg, wo er seine Studien gemacht und den akademischen Lehrstuhl zuerst betreten hat; er scheint seinen Aufenthalt dauernd dort nehmen zu wollen, da er sich auf dem rechten Neckarufer, an einem der schönsten Punkte des herrlichen Thals, ein Haus erbauen läßt. (Bad. Bl.) * Baden-Baden, 7 Febr. Durch gefällige Mittheilung des Vorstandes der hiesigen Polizeibehörde bin ich in den Stand gesetzt, Ihnen einige statistische Angaben über die Saison des Jahrs 1839 zu übersenden, deren Zusammenstellung aus den Quellen erst im Verlauf des Winters unternommen wurde, und woraus sich ergibt, daß unter der Zahl von noch nicht ganz 20,000 Fremden, welche vom 15 Mai bis zum 25 Oct. des vorigen Jahrs in Baden eintrafen, folgende Rubriken sich bemerkbar machen: fürstliche Personen mit Gefolge 170; Amerikaner 211 Köpfe; Dänen und Schweden 86; Spanier 36; Russen 676; Polen 62; Italiener 85; Schweizer 457; Holländer 475; Belgier 231; Franzosen 4478; Engländer 3652, und Deutsche in der überwiegenden Mehrzahl von mehr als 8000, ungerechnet diejenigen Inländer, deren Namen nicht in die Badlisten eingetragen wurden; der Engländer waren um 826 weniger als der Franzosen, und dennoch waren sie, wie immer, am meisten bemerkbar, theils deßhalb, weil sie im Ganzen am längsten blieben, theils weil eine große Zahl der als Franzosen angeführten Personen aus Straßburg und dem Elsaß kam, und, obschon öfter wiederkehrend, stets nur kurze Zeit hindurch verweilte. – Beim Beginn des Winters hatte es den Anschein, als würden die fremden Gäste allesammt Baden verlassen; dem war jedoch nicht also, sondern eine kleine Gesellschaft blieb, und fand zum Theil noch später sich ein. Den General Guilleminot hielten bis jetzt die nun vollendeten oder wenigstens dem Abschluß ganz nahen Geschäfte, und er wird wahrscheinlich noch bis zur Mitte dieses Monats bleiben; Meyerbeer arbeitet, dem Vernehmen nach, an einem größern Werke; mehrere Engländer, Russen, Polen und Franzosen scheinen bis zur Saison aushalten zu wollen. Ein großer Theil dieser fremden Gesellschaft findet ihren Vereinigungspunkt im Theater, in welchem für sie ein paar Logen eigens decorirt, heizbar gemacht und beleuchtet worden, und wo sie durch die mittelmäßigen Darstellungen veralteter Stücke nicht in ihrem Verkehr gestört wird, weil sie sich wenig um das kümmert, was auf der Bühne vorgeht. – Das durch öffentliche Blätter von hier aus verbreitete Gerücht, ein Engländer sey wegen gröblicher Beleidigung hochgestellter Personen ausgewiesen worden,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_044_18400213
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_044_18400213/4
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 44. Augsburg, 13. Februar 1840, S. 0348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_044_18400213/4>, abgerufen am 29.04.2024.