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Allgemeine Zeitung. Nr. 44. Augsburg, 13. Februar 1840.

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welche die Kirgisen von den Turkomanen trennt, von einer Armee schwerlich in weniger als vierzig Tagen zurückgelegt werden kann.

Türkei.
Sun

Das Verfahren Mehemed Ali's hat seine Früchte getragen. Seine Emissäre waren in Albanien und Griechenland nicht müßig. Es gelang ihnen durch eine kräftige Unterstützung von Seite fremder Agenten die Gemüther der christlichen Bewohner in der europäischen Türkei und im freien Griechenland so aufzuregen, daß der allgemeine Ausbruch, der vielleicht nach einigen Monaten mit Erfolg hätte gekrönt werden können, schon auf den 12 Jan. festgesetzt wurde. Es scheint, daß man mit vieler Umsicht für alle Eventualitäten im voraus gesorgt hatte; man wußte sogar ein Mittel in Bereitschaft zu halten, um den Verdacht der Unternehmung auf eine andere Macht zu wälzen, nämlich durch die Proclamirung des Grafen Kapodistrias zum Präsidenten des neuen Staats. Leicht glaubte man in der Folge durch die großen Chancen, welche die Verwirrung der Umstände darbieten würden, dieses Namens los werden zu können. Der Streich ist für den Augenblick vereitelt durch die Wachsamkeit der griechischen Regierung, vielleicht auch durch die Ruhmredigkeit des französischen Generalconsuls in Janina, des Hrn. Grasset, der bei seiner Anwesenheit in Athen über bevorstehende Unruhen in den griechischen Provinzen der Türkei sich in einem sehr zuversichtlichen Ton äußern zu dürfen glaubte, und durch die Eitelkeit, für einen großen Politiker gehalten zu werden, sich verleiten ließ, die allgemeine Aufmerksamkeit in ungewöhnlichem Grade zu erregen.

***

Der Minister des Aeußern, Reschid Pascha, hat den Repräsentanten der Großmächte die durch Kiamil Pascha von Aegypten überbrachte Erwiederung Mehemed Ali's auf die Zusendung des Hattischerifs und seinen Inhalt, dann auch den Bericht mitgetheilt, welchen Kiamil über seine Mission und seine zwei Conferenzen mit dem Vicekönig an die Pforte abgestattet hat. Der Inhalt dieser Actenstücke gibt wenig neue Aufschlüsse über die Lage der Dinge. Mehemed Ali's Antwortschreiben ist wie gewöhnlich mit Betheurungen seiner unwandelbaren Treue gegen den Großsultan angefüllt, und mit Versicherungen, wie sehr er mit den im Hattischerif aufgestellten Grundsätzen einverstanden sey, da er seit lange her, schon vor Erlassung desselben, im Geiste dieser Grundsätze zu handeln sich bestrebt habe. Kiamil Pascha drückt sich in seinem Bericht über den ihm in Alexandrien und Kairo gewordenen Empfang mit ziemlicher Zufriedenheit aus und theilt den bekannten Vorschlag des Vicekönigs hinsichtlich der Abtretung Arabiens und der heiligen Städte mit, wobei er die Bemerkung nicht unterdrückt, daß eine solche Cession mehr Spott als Ernst ähnlich sehe, da sie ohne die gleichtige Abtretung Syriens als ganz bedeutungslos erscheine. Nicht günstig äußert sich Kiamil über die aus dem persönlichen Benehmen des Vicekönigs hervorleuchtenden Intentionen, die nach seiner Meinung den Geist seines frühern Ehrgeizes nicht im mindesten verläugnen. Uebrigens werde Mehemed Ali es wohl bei den stattgehabten Demonstrationen am Taurus bewenden lassen und schwerlich neue wagen, da eine Schilderhebung seine Lage leicht verschlimmern dürfte. - So wenig diese Demonstrationen auch bedeuten mögen, haben sie die Pforte doch neuerdings in Allarm versetzt. Die nächste Wirkung davon scheint der im Divan gefaßte Beschluß, eine Anleihe von 10 Millionen Franken zu contrahiren, die, wie man glaubt, zur völligen Reorganisirung der asiatischen Armee verwendet werden dürften. Auch bemerke ich seit einigen Tagen, daß eine bedeutende Anzahl Juwelen und eine Menge anderer Kostbarkeiten aus dem Serail veräußert werden. Alles dieß scheint darauf zu deuten, daß die Pforte über Mehemeds Absichten beunruhigt ist. Sollten die vorzüglichsten Engpässe des Taurus, die sich gegenwärtig in ägyptischen Händen befinden, durch die europäische Pentarchie bleibend dem Vicekönig zuerkannt werden, so wäre ohne Widerrede ein Zustand, der die Türkei erdrücken und erschöpfen müßte, zu einem bleibenden gemacht. - Eine neue Epoche größerer Geselligkeit scheint unter den Bewohnern Pera's eintreten zu sollen. Auf dem hiesigen Casino ward Sonnabend ein Ballfest gegeben, das stark besucht und durch eine ziemliche Anzahl ausgezeichneter griechischer Schönheiten, die mit ihrem Costume und ihren Edelsteinen Etalage machten, belebt war. Montag gab der Internuntius einen Ball, auf dem das diplomatische Corps und hiesige hohe Notabilitäten sich versammelten. Man bemerkte darunter den Fürsten Michael Obrenowitsch mit einem großen Gefolge. Die tanzlustige Jugend aus den fashionablen Kreisen wird heuer Konstantinopel nicht so langweilig wie gewöhnlich finden, da fast alle europäischen Missionen zur Feier des Carnevals mit Tanzfesten beitragen werden.

Aegypten.

Nach Abfahrt des letzten Paketboots hat der französische Consul mit dem Pascha eine lange Unterredung gehabt, worin er letzteren nochmals zu überzeugen suchte, daß obgleich Frankreich günstig für ihn gestimmt sey, es sich doch nicht seinetwegen mit seinen Alliirten entzweien werde; er möge es reiflich überlegen, bevor er sich der Entscheidung der verbündeten Mächte widersetze, jetzt könne er vielleicht noch günstigere Bedingungen als später erlangen. Der Consul soll ihm das Schicksal Napoleons als warnendes Beispiel vor die Augen gehalten haben. Alles aber scheint, gleich den früheren Ermahnungen des Grafen Medem, keinen andern Eindruck auf ihn gemacht zu haben, als ihn zu neuen Vertheidigungsmaaßregeln anzureizen. So verstärkt man seit einigen Tagen die Batterien längs der Küste; ein Lager von 8000 Mann (5000 Beduinen und 3000 Mann Cavallerie) wird in der Nähe zusammen gezogen und die Nationalmiliz mobilisirt; 6400 Türken und Araber haben sich bereits einschreiben lassen. Die Officiere sind ernannt, und Waffen sollen ihnen nächstens ausgetheilt werden. Die Landungstruppen, die sich an Bord der türkischen Flotte befinden, werden täglich am Lande exercirt, und die Kanoniere an die Bedienung der Feldstücke gewöhnt. So bereitet man Alles zu einem hartnäckigen Widerstande vor. Diese kriegerischen Demonstrationen können indessen dem Pascha in Europa nur Schaden bringen, indem sie seine Klugheit, seine Einsicht, die ihm bis jetzt Niemand abläugnete, in ein schiefes Licht stellen; denn, was soll man von einem Manne denken, der sich im Stande glaubt, mit seinen schwachen Mitteln ganz Europa widerstehen zu können? Er hält freilich nur die Engländer für seine Feinde, glaubt, daß nur sie etwas gegen ihn unternehmen würden. Leider hat das französische Cabinet viel dazu beigetragen, ihn in dieser Meinung zu bestärken. Er sagte neulich, er sehe wohl, daß die Engländer wünschten, er möchte, wie einstens der Dey von Algier die Franzosen, sie durch einen Fächerschlag zu seinen persönlichen Feinden machen, dieß werde aber niemals der Fall seyn. Die französische Thronrede hat hier nur wenig Sensation erregt, sie ist hinsichtlich der orientalischen Angelegenheiten zu zweideutig, der Pascha kann daraus nichts Bestimmtes ersehen, sie hat ihn auch eher hartnäckiger gestimmt, denn nach dem, was der französische und der russische Consul ihm seit vierzehn Tagen vorpredigen, war er der Meinung, daß Frankreich sich bestimmter

welche die Kirgisen von den Turkomanen trennt, von einer Armee schwerlich in weniger als vierzig Tagen zurückgelegt werden kann.

Türkei.

Das Verfahren Mehemed Ali's hat seine Früchte getragen. Seine Emissäre waren in Albanien und Griechenland nicht müßig. Es gelang ihnen durch eine kräftige Unterstützung von Seite fremder Agenten die Gemüther der christlichen Bewohner in der europäischen Türkei und im freien Griechenland so aufzuregen, daß der allgemeine Ausbruch, der vielleicht nach einigen Monaten mit Erfolg hätte gekrönt werden können, schon auf den 12 Jan. festgesetzt wurde. Es scheint, daß man mit vieler Umsicht für alle Eventualitäten im voraus gesorgt hatte; man wußte sogar ein Mittel in Bereitschaft zu halten, um den Verdacht der Unternehmung auf eine andere Macht zu wälzen, nämlich durch die Proclamirung des Grafen Kapodistrias zum Präsidenten des neuen Staats. Leicht glaubte man in der Folge durch die großen Chancen, welche die Verwirrung der Umstände darbieten würden, dieses Namens los werden zu können. Der Streich ist für den Augenblick vereitelt durch die Wachsamkeit der griechischen Regierung, vielleicht auch durch die Ruhmredigkeit des französischen Generalconsuls in Janina, des Hrn. Grasset, der bei seiner Anwesenheit in Athen über bevorstehende Unruhen in den griechischen Provinzen der Türkei sich in einem sehr zuversichtlichen Ton äußern zu dürfen glaubte, und durch die Eitelkeit, für einen großen Politiker gehalten zu werden, sich verleiten ließ, die allgemeine Aufmerksamkeit in ungewöhnlichem Grade zu erregen.

***

Der Minister des Aeußern, Reschid Pascha, hat den Repräsentanten der Großmächte die durch Kiamil Pascha von Aegypten überbrachte Erwiederung Mehemed Ali's auf die Zusendung des Hattischerifs und seinen Inhalt, dann auch den Bericht mitgetheilt, welchen Kiamil über seine Mission und seine zwei Conferenzen mit dem Vicekönig an die Pforte abgestattet hat. Der Inhalt dieser Actenstücke gibt wenig neue Aufschlüsse über die Lage der Dinge. Mehemed Ali's Antwortschreiben ist wie gewöhnlich mit Betheurungen seiner unwandelbaren Treue gegen den Großsultan angefüllt, und mit Versicherungen, wie sehr er mit den im Hattischerif aufgestellten Grundsätzen einverstanden sey, da er seit lange her, schon vor Erlassung desselben, im Geiste dieser Grundsätze zu handeln sich bestrebt habe. Kiamil Pascha drückt sich in seinem Bericht über den ihm in Alexandrien und Kairo gewordenen Empfang mit ziemlicher Zufriedenheit aus und theilt den bekannten Vorschlag des Vicekönigs hinsichtlich der Abtretung Arabiens und der heiligen Städte mit, wobei er die Bemerkung nicht unterdrückt, daß eine solche Cession mehr Spott als Ernst ähnlich sehe, da sie ohne die gleichtige Abtretung Syriens als ganz bedeutungslos erscheine. Nicht günstig äußert sich Kiamil über die aus dem persönlichen Benehmen des Vicekönigs hervorleuchtenden Intentionen, die nach seiner Meinung den Geist seines frühern Ehrgeizes nicht im mindesten verläugnen. Uebrigens werde Mehemed Ali es wohl bei den stattgehabten Demonstrationen am Taurus bewenden lassen und schwerlich neue wagen, da eine Schilderhebung seine Lage leicht verschlimmern dürfte. – So wenig diese Demonstrationen auch bedeuten mögen, haben sie die Pforte doch neuerdings in Allarm versetzt. Die nächste Wirkung davon scheint der im Divan gefaßte Beschluß, eine Anleihe von 10 Millionen Franken zu contrahiren, die, wie man glaubt, zur völligen Reorganisirung der asiatischen Armee verwendet werden dürften. Auch bemerke ich seit einigen Tagen, daß eine bedeutende Anzahl Juwelen und eine Menge anderer Kostbarkeiten aus dem Serail veräußert werden. Alles dieß scheint darauf zu deuten, daß die Pforte über Mehemeds Absichten beunruhigt ist. Sollten die vorzüglichsten Engpässe des Taurus, die sich gegenwärtig in ägyptischen Händen befinden, durch die europäische Pentarchie bleibend dem Vicekönig zuerkannt werden, so wäre ohne Widerrede ein Zustand, der die Türkei erdrücken und erschöpfen müßte, zu einem bleibenden gemacht. – Eine neue Epoche größerer Geselligkeit scheint unter den Bewohnern Pera's eintreten zu sollen. Auf dem hiesigen Casino ward Sonnabend ein Ballfest gegeben, das stark besucht und durch eine ziemliche Anzahl ausgezeichneter griechischer Schönheiten, die mit ihrem Costume und ihren Edelsteinen Etalage machten, belebt war. Montag gab der Internuntius einen Ball, auf dem das diplomatische Corps und hiesige hohe Notabilitäten sich versammelten. Man bemerkte darunter den Fürsten Michael Obrenowitsch mit einem großen Gefolge. Die tanzlustige Jugend aus den fashionablen Kreisen wird heuer Konstantinopel nicht so langweilig wie gewöhnlich finden, da fast alle europäischen Missionen zur Feier des Carnevals mit Tanzfesten beitragen werden.

Aegypten.

Nach Abfahrt des letzten Paketboots hat der französische Consul mit dem Pascha eine lange Unterredung gehabt, worin er letzteren nochmals zu überzeugen suchte, daß obgleich Frankreich günstig für ihn gestimmt sey, es sich doch nicht seinetwegen mit seinen Alliirten entzweien werde; er möge es reiflich überlegen, bevor er sich der Entscheidung der verbündeten Mächte widersetze, jetzt könne er vielleicht noch günstigere Bedingungen als später erlangen. Der Consul soll ihm das Schicksal Napoleons als warnendes Beispiel vor die Augen gehalten haben. Alles aber scheint, gleich den früheren Ermahnungen des Grafen Medem, keinen andern Eindruck auf ihn gemacht zu haben, als ihn zu neuen Vertheidigungsmaaßregeln anzureizen. So verstärkt man seit einigen Tagen die Batterien längs der Küste; ein Lager von 8000 Mann (5000 Beduinen und 3000 Mann Cavallerie) wird in der Nähe zusammen gezogen und die Nationalmiliz mobilisirt; 6400 Türken und Araber haben sich bereits einschreiben lassen. Die Officiere sind ernannt, und Waffen sollen ihnen nächstens ausgetheilt werden. Die Landungstruppen, die sich an Bord der türkischen Flotte befinden, werden täglich am Lande exercirt, und die Kanoniere an die Bedienung der Feldstücke gewöhnt. So bereitet man Alles zu einem hartnäckigen Widerstande vor. Diese kriegerischen Demonstrationen können indessen dem Pascha in Europa nur Schaden bringen, indem sie seine Klugheit, seine Einsicht, die ihm bis jetzt Niemand abläugnete, in ein schiefes Licht stellen; denn, was soll man von einem Manne denken, der sich im Stande glaubt, mit seinen schwachen Mitteln ganz Europa widerstehen zu können? Er hält freilich nur die Engländer für seine Feinde, glaubt, daß nur sie etwas gegen ihn unternehmen würden. Leider hat das französische Cabinet viel dazu beigetragen, ihn in dieser Meinung zu bestärken. Er sagte neulich, er sehe wohl, daß die Engländer wünschten, er möchte, wie einstens der Dey von Algier die Franzosen, sie durch einen Fächerschlag zu seinen persönlichen Feinden machen, dieß werde aber niemals der Fall seyn. Die französische Thronrede hat hier nur wenig Sensation erregt, sie ist hinsichtlich der orientalischen Angelegenheiten zu zweideutig, der Pascha kann daraus nichts Bestimmtes ersehen, sie hat ihn auch eher hartnäckiger gestimmt, denn nach dem, was der französische und der russische Consul ihm seit vierzehn Tagen vorpredigen, war er der Meinung, daß Frankreich sich bestimmter

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[0351/0007] welche die Kirgisen von den Turkomanen trennt, von einer Armee schwerlich in weniger als vierzig Tagen zurückgelegt werden kann. Türkei. ☉Ancona, 31 Jan. Das Verfahren Mehemed Ali's hat seine Früchte getragen. Seine Emissäre waren in Albanien und Griechenland nicht müßig. Es gelang ihnen durch eine kräftige Unterstützung von Seite fremder Agenten die Gemüther der christlichen Bewohner in der europäischen Türkei und im freien Griechenland so aufzuregen, daß der allgemeine Ausbruch, der vielleicht nach einigen Monaten mit Erfolg hätte gekrönt werden können, schon auf den 12 Jan. festgesetzt wurde. Es scheint, daß man mit vieler Umsicht für alle Eventualitäten im voraus gesorgt hatte; man wußte sogar ein Mittel in Bereitschaft zu halten, um den Verdacht der Unternehmung auf eine andere Macht zu wälzen, nämlich durch die Proclamirung des Grafen Kapodistrias zum Präsidenten des neuen Staats. Leicht glaubte man in der Folge durch die großen Chancen, welche die Verwirrung der Umstände darbieten würden, dieses Namens los werden zu können. Der Streich ist für den Augenblick vereitelt durch die Wachsamkeit der griechischen Regierung, vielleicht auch durch die Ruhmredigkeit des französischen Generalconsuls in Janina, des Hrn. Grasset, der bei seiner Anwesenheit in Athen über bevorstehende Unruhen in den griechischen Provinzen der Türkei sich in einem sehr zuversichtlichen Ton äußern zu dürfen glaubte, und durch die Eitelkeit, für einen großen Politiker gehalten zu werden, sich verleiten ließ, die allgemeine Aufmerksamkeit in ungewöhnlichem Grade zu erregen. *** Konstantinopel, 29 Jan. Der Minister des Aeußern, Reschid Pascha, hat den Repräsentanten der Großmächte die durch Kiamil Pascha von Aegypten überbrachte Erwiederung Mehemed Ali's auf die Zusendung des Hattischerifs und seinen Inhalt, dann auch den Bericht mitgetheilt, welchen Kiamil über seine Mission und seine zwei Conferenzen mit dem Vicekönig an die Pforte abgestattet hat. Der Inhalt dieser Actenstücke gibt wenig neue Aufschlüsse über die Lage der Dinge. Mehemed Ali's Antwortschreiben ist wie gewöhnlich mit Betheurungen seiner unwandelbaren Treue gegen den Großsultan angefüllt, und mit Versicherungen, wie sehr er mit den im Hattischerif aufgestellten Grundsätzen einverstanden sey, da er seit lange her, schon vor Erlassung desselben, im Geiste dieser Grundsätze zu handeln sich bestrebt habe. Kiamil Pascha drückt sich in seinem Bericht über den ihm in Alexandrien und Kairo gewordenen Empfang mit ziemlicher Zufriedenheit aus und theilt den bekannten Vorschlag des Vicekönigs hinsichtlich der Abtretung Arabiens und der heiligen Städte mit, wobei er die Bemerkung nicht unterdrückt, daß eine solche Cession mehr Spott als Ernst ähnlich sehe, da sie ohne die gleichtige Abtretung Syriens als ganz bedeutungslos erscheine. Nicht günstig äußert sich Kiamil über die aus dem persönlichen Benehmen des Vicekönigs hervorleuchtenden Intentionen, die nach seiner Meinung den Geist seines frühern Ehrgeizes nicht im mindesten verläugnen. Uebrigens werde Mehemed Ali es wohl bei den stattgehabten Demonstrationen am Taurus bewenden lassen und schwerlich neue wagen, da eine Schilderhebung seine Lage leicht verschlimmern dürfte. – So wenig diese Demonstrationen auch bedeuten mögen, haben sie die Pforte doch neuerdings in Allarm versetzt. Die nächste Wirkung davon scheint der im Divan gefaßte Beschluß, eine Anleihe von 10 Millionen Franken zu contrahiren, die, wie man glaubt, zur völligen Reorganisirung der asiatischen Armee verwendet werden dürften. Auch bemerke ich seit einigen Tagen, daß eine bedeutende Anzahl Juwelen und eine Menge anderer Kostbarkeiten aus dem Serail veräußert werden. Alles dieß scheint darauf zu deuten, daß die Pforte über Mehemeds Absichten beunruhigt ist. Sollten die vorzüglichsten Engpässe des Taurus, die sich gegenwärtig in ägyptischen Händen befinden, durch die europäische Pentarchie bleibend dem Vicekönig zuerkannt werden, so wäre ohne Widerrede ein Zustand, der die Türkei erdrücken und erschöpfen müßte, zu einem bleibenden gemacht. – Eine neue Epoche größerer Geselligkeit scheint unter den Bewohnern Pera's eintreten zu sollen. Auf dem hiesigen Casino ward Sonnabend ein Ballfest gegeben, das stark besucht und durch eine ziemliche Anzahl ausgezeichneter griechischer Schönheiten, die mit ihrem Costume und ihren Edelsteinen Etalage machten, belebt war. Montag gab der Internuntius einen Ball, auf dem das diplomatische Corps und hiesige hohe Notabilitäten sich versammelten. Man bemerkte darunter den Fürsten Michael Obrenowitsch mit einem großen Gefolge. Die tanzlustige Jugend aus den fashionablen Kreisen wird heuer Konstantinopel nicht so langweilig wie gewöhnlich finden, da fast alle europäischen Missionen zur Feier des Carnevals mit Tanzfesten beitragen werden. Aegypten. _ Alexandria, 16 Jan. Nach Abfahrt des letzten Paketboots hat der französische Consul mit dem Pascha eine lange Unterredung gehabt, worin er letzteren nochmals zu überzeugen suchte, daß obgleich Frankreich günstig für ihn gestimmt sey, es sich doch nicht seinetwegen mit seinen Alliirten entzweien werde; er möge es reiflich überlegen, bevor er sich der Entscheidung der verbündeten Mächte widersetze, jetzt könne er vielleicht noch günstigere Bedingungen als später erlangen. Der Consul soll ihm das Schicksal Napoleons als warnendes Beispiel vor die Augen gehalten haben. Alles aber scheint, gleich den früheren Ermahnungen des Grafen Medem, keinen andern Eindruck auf ihn gemacht zu haben, als ihn zu neuen Vertheidigungsmaaßregeln anzureizen. So verstärkt man seit einigen Tagen die Batterien längs der Küste; ein Lager von 8000 Mann (5000 Beduinen und 3000 Mann Cavallerie) wird in der Nähe zusammen gezogen und die Nationalmiliz mobilisirt; 6400 Türken und Araber haben sich bereits einschreiben lassen. Die Officiere sind ernannt, und Waffen sollen ihnen nächstens ausgetheilt werden. Die Landungstruppen, die sich an Bord der türkischen Flotte befinden, werden täglich am Lande exercirt, und die Kanoniere an die Bedienung der Feldstücke gewöhnt. So bereitet man Alles zu einem hartnäckigen Widerstande vor. Diese kriegerischen Demonstrationen können indessen dem Pascha in Europa nur Schaden bringen, indem sie seine Klugheit, seine Einsicht, die ihm bis jetzt Niemand abläugnete, in ein schiefes Licht stellen; denn, was soll man von einem Manne denken, der sich im Stande glaubt, mit seinen schwachen Mitteln ganz Europa widerstehen zu können? Er hält freilich nur die Engländer für seine Feinde, glaubt, daß nur sie etwas gegen ihn unternehmen würden. Leider hat das französische Cabinet viel dazu beigetragen, ihn in dieser Meinung zu bestärken. Er sagte neulich, er sehe wohl, daß die Engländer wünschten, er möchte, wie einstens der Dey von Algier die Franzosen, sie durch einen Fächerschlag zu seinen persönlichen Feinden machen, dieß werde aber niemals der Fall seyn. Die französische Thronrede hat hier nur wenig Sensation erregt, sie ist hinsichtlich der orientalischen Angelegenheiten zu zweideutig, der Pascha kann daraus nichts Bestimmtes ersehen, sie hat ihn auch eher hartnäckiger gestimmt, denn nach dem, was der französische und der russische Consul ihm seit vierzehn Tagen vorpredigen, war er der Meinung, daß Frankreich sich bestimmter

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 44. Augsburg, 13. Februar 1840, S. 0351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_044_18400213/7>, abgerufen am 29.04.2024.