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Allgemeine Zeitung. Nr. 46. Augsburg, 15. Februar 1840.

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Frankreich.

Nur die Rücksicht, daß ich Ihnen etwas berichte, was dem kunstliebenden Deutschland, somit unserer Aller Vaterlandsliebe nahe liegt, kann mich ermuthigen und mag mich entschuldigen, daß ich Ihnen von Kunst und ästhetischen Genüssen spreche, in einem Augenblick, wo Bellona die Zeitungsartikel zu dictiren scheint und das Schwert der Völker ungeduldig in seiner Scheide zuckt. Beiläufig sey auch gesagt, daß wir an die Nothwendigkeit dieser Kriegserklärungen nicht besonders glauben. - Ole Bull hat für nächsten Samstag ein Concert angesagt; wir werden ihn hören, und der Allgemeinen Zeitung, wie gewöhnlich, über diese neue Erscheinung nordischer, um nicht zu sagen deutscher Kunst in Paris berichten. Ole Bull wird ohne allen Zweifel hier, wie überall, den Beifall ernten, der seinem außerordentlichen, meisterhaften Spiele gebührt, Ole Bull aber hat bei seiner Ankunft hier einen großen und für einen Künstler seines Ranges unverzeihlichen Fehler begangen: er hat sich in den Journalen auf eine Weise ankündigen lassen, die nicht allein eine Verletzung aller Regeln der französischen Sprache, und darum ihren egoistischen Ursprung verräth, sondern die auch alles Maaß einer ungeschickten und anstößigen Marktschreierei übersteigt; ich will die Ausdrücke und die abscheuliche Sprache nicht wörtlich anführen, um dem großen Künstler nicht wehe zu thun, der vielleicht, ja wahrscheinlich, nicht selbst Schuld daran ist, aber mindestens möge ihm diese Oeffentlichkeit eine Warnung seyn, daß ein solcher Verstoß gegen die Schicklichkeit nicht ungeahndet hingeht, nicht vor den Franzosen, die sich mit bitterm Spott darüber auslassen, nicht vor den Landsleuten und Verehrern Ole Bulls, die sich durch diesen Spott gekränkt fühlen und das Recht haben, ihm deßhalb Vorwürfe zu machen. - Wir haben gestern einer musikalischen Feierlichkeit beigewohnt, die ein neuer Beweis ist, wie sehr die Werke unserer großen Meister mit wachsender Bewunderung und stets größerer Huldigung dahier gewürdigt werden. Nach dem, ich möchte sagen romantischen Sturme, der in der neuen französischen Tondichtung wie in den übrigen Gebieten der Kunst und Litteratur geherrscht, ist der öffentliche Geschmack zu mäßigern und darum reineren Genüssen zurückgekehrt. Wer hat seit zwei Jahren die Programme aller öffentlichen Concerte und die denkwürdigsten Sitzungen des Conservatoriums gefüllt? Mozart und Beethoven. Wer wird jetzt in den sich mehrenden engern Cirkeln der wahren Musikfreunde und Kenner, in den Quartetten und Quintetten gespielt? Mozart und Beethoven, und zwar mit einem Enthusiasmus der Zuhörer, mit einer stillen, frommen Verehrung, die unendlich für die ehrfurchtsvolle Achtung des Publicums, für das Große und Schöne überhaupt zeugt, und insbesondere ein Beweis ist, daß sein musikalischer Sinn geöffnet und mehr und mehr erleuchtet ist. Die Hauptstücke des Programms waren: die große Sonate von Beethoven, die er Creutzern gewidmet hatte, für Violine und Piano; das berühmte und nie genug zu preisende Quintett in G-Moll von Mozart, die erste gespielt von Allard, auf der Violine, und Miß Loveday auf dem Clavier, das letzte von Allard, Lenepveu, Croisilles, Fauvel und Chevillard. Vergönnen Sie diesen Namen in Ihrem Blatt einen Platz, damit sie Wiederhall in der Welt erhalten, und betrachten Sie nicht als poetische Ekstase, wenn ich Ihnen sage, daß meine Sprache zu arm und zu unmächtig ist, um den Eindruck zu schildern, den das Mozart'sche Quintett und namentlich das Adagio auf die Zuhörer hervorgebracht hat. Ich meines Ortes werde dieses Spiel, diese Töne nie vergessen. Alles, was die Phantasie von der Wirkung der Musik auf die belebte und unbelebte Welt Gewagtes und Kühnes je erfunden hat, schien mir in diesem Moment begreiflich und nothwendig. Wer in dem Augenblick des Adagio's in die Mitte dieser athem- und lautlosen Zuhörer getreten wäre, würde sie für eine Sammlung von bezauberten Gestalten oder in der glücklichsten Verzückung Dahingeschiedener genommen haben. Ich zweifle nicht mehr an der Wirkung von Orpheus' Leyer auf die Todten; und daß die Delphine des Meeres den Sänger Arion unversehrt an das gastliche Ufer getragen, war nur eine verdiente Huldigung, die sie der göttlichen Kunst des Apollo darbrachten. Wie kann ich das schöne und rührende Quartett unseres guten und ehrwürdigen Landsmanns, Karl Zeuner, besser und würdiger loben, als indem ich sage, daß es, zwischen der Sonate von Beethoven und dem Quintett von Mozart gespielt, den lautesten und einstimmigsten Beifall erhielt. Es herrscht in dieser kunst- und melodiereichen Dichtung jener Hauch von ächtdeutscher Inspiration, der nur durch langes Vertrautseyn mit den Meistern der Kunst und durch die Weihe des innern Berufs erlangt wird. Hr. Zeuner war gestern für das französische Publicum der unmittelbare und würdige Schüler von Mozart und Beethoven; was Wunder, daß seine Musik mit jener der beiden Heroen in ungetheilter Begeisterung gepriesen wurde!

Großbritannien.

(Beschluß der Debatten über die Buller'sche Motion.) Die glänzende Rede, womit Hr. Macaulay in der Sitzung vom 30 Jan. das Ministerium vertheidigte, schloß mit folgender Stelle: "Was für einen Grund haben wir, zu glauben, daß wir von einer Verwaltung, die der sehr ehrenw. Baronet (Peel) jetzt bildete, ein anderes Ergebniß erwarten konnten, als wir im Jahre 1829 sahen? Der Hr. Baronet ist immer noch derselbe, er ist immer noch ein Staatsmann. Ja, immer noch ein Staatsmann von großem Verstande, gemäßigt in seinen Meinungen, besonnen, frei von dem Fanatismus, den man in so reichem Maaße unter seinen Anhängern findet. Ich will nicht sagen, daß die Partei, die ihm folgt, noch immer dieselbe sey, sie hat sich verändert: sie ist heftiger und unduldsamer geworden, als sie selbst in den Tagen der Vergangenheit war. Ich urtheile nach der Sprache und den Lehren ihrer Presse, ich urtheile nach den Vorgängen in ihren öffentlichen Versammlungen, ich urtheile nach ihren Kanzeln (Stürmischer Zuruf der Ministeriellen), ihren Kanzeln, auf denen in jeder Woche Beleidigungen und Verleumdungen erschallen, welche selbst die Wahlbühne entehren würden. Einst rühmte sich die Torypartei, daß sie bei allen Glückswechseln Gefühle der Pflichttreue nähre - Gefühle, die selbst Irrthümer achtbar machen und der Dienstbarkeit etwas von der Würde und dem Adel der Freiheit geben. Ein großer Torydichter, der zu seinen Lebzeiten für seine Pflichttreue reichlich belohnt wurde, sagte:

"Our loyalty is still the same,
Whether it win or lose the game;
True as the dial to the sun,
Although it be not shone upon."
*)*) Jetzt sehen wir ein ganz anderes Geschlecht der Tories. Wir haben erlebt, daß eine neue Partei ihr Haupt erhob, ein Ungeheuer von einer Partei, aus den schlimmsten Theilen der Cavaliere und den schlimmsten Theilen der Rundköpfe zusammengesetzt. (Beifall und Gelächter.) Wir haben es erlebt, eine

*) Unsere Pflichttreue ist annoch dieselbe, mag sie das Spiel verlieren oder gewinnen; treu wie der Sonne der Weiser, auch wenn sie ihn nicht bescheint.
Frankreich.

Nur die Rücksicht, daß ich Ihnen etwas berichte, was dem kunstliebenden Deutschland, somit unserer Aller Vaterlandsliebe nahe liegt, kann mich ermuthigen und mag mich entschuldigen, daß ich Ihnen von Kunst und ästhetischen Genüssen spreche, in einem Augenblick, wo Bellona die Zeitungsartikel zu dictiren scheint und das Schwert der Völker ungeduldig in seiner Scheide zuckt. Beiläufig sey auch gesagt, daß wir an die Nothwendigkeit dieser Kriegserklärungen nicht besonders glauben. – Ole Bull hat für nächsten Samstag ein Concert angesagt; wir werden ihn hören, und der Allgemeinen Zeitung, wie gewöhnlich, über diese neue Erscheinung nordischer, um nicht zu sagen deutscher Kunst in Paris berichten. Ole Bull wird ohne allen Zweifel hier, wie überall, den Beifall ernten, der seinem außerordentlichen, meisterhaften Spiele gebührt, Ole Bull aber hat bei seiner Ankunft hier einen großen und für einen Künstler seines Ranges unverzeihlichen Fehler begangen: er hat sich in den Journalen auf eine Weise ankündigen lassen, die nicht allein eine Verletzung aller Regeln der französischen Sprache, und darum ihren egoistischen Ursprung verräth, sondern die auch alles Maaß einer ungeschickten und anstößigen Marktschreierei übersteigt; ich will die Ausdrücke und die abscheuliche Sprache nicht wörtlich anführen, um dem großen Künstler nicht wehe zu thun, der vielleicht, ja wahrscheinlich, nicht selbst Schuld daran ist, aber mindestens möge ihm diese Oeffentlichkeit eine Warnung seyn, daß ein solcher Verstoß gegen die Schicklichkeit nicht ungeahndet hingeht, nicht vor den Franzosen, die sich mit bitterm Spott darüber auslassen, nicht vor den Landsleuten und Verehrern Ole Bulls, die sich durch diesen Spott gekränkt fühlen und das Recht haben, ihm deßhalb Vorwürfe zu machen. – Wir haben gestern einer musikalischen Feierlichkeit beigewohnt, die ein neuer Beweis ist, wie sehr die Werke unserer großen Meister mit wachsender Bewunderung und stets größerer Huldigung dahier gewürdigt werden. Nach dem, ich möchte sagen romantischen Sturme, der in der neuen französischen Tondichtung wie in den übrigen Gebieten der Kunst und Litteratur geherrscht, ist der öffentliche Geschmack zu mäßigern und darum reineren Genüssen zurückgekehrt. Wer hat seit zwei Jahren die Programme aller öffentlichen Concerte und die denkwürdigsten Sitzungen des Conservatoriums gefüllt? Mozart und Beethoven. Wer wird jetzt in den sich mehrenden engern Cirkeln der wahren Musikfreunde und Kenner, in den Quartetten und Quintetten gespielt? Mozart und Beethoven, und zwar mit einem Enthusiasmus der Zuhörer, mit einer stillen, frommen Verehrung, die unendlich für die ehrfurchtsvolle Achtung des Publicums, für das Große und Schöne überhaupt zeugt, und insbesondere ein Beweis ist, daß sein musikalischer Sinn geöffnet und mehr und mehr erleuchtet ist. Die Hauptstücke des Programms waren: die große Sonate von Beethoven, die er Creutzern gewidmet hatte, für Violine und Piano; das berühmte und nie genug zu preisende Quintett in G-Moll von Mozart, die erste gespielt von Allard, auf der Violine, und Miß Loveday auf dem Clavier, das letzte von Allard, Lenepveu, Croisilles, Fauvel und Chevillard. Vergönnen Sie diesen Namen in Ihrem Blatt einen Platz, damit sie Wiederhall in der Welt erhalten, und betrachten Sie nicht als poetische Ekstase, wenn ich Ihnen sage, daß meine Sprache zu arm und zu unmächtig ist, um den Eindruck zu schildern, den das Mozart'sche Quintett und namentlich das Adagio auf die Zuhörer hervorgebracht hat. Ich meines Ortes werde dieses Spiel, diese Töne nie vergessen. Alles, was die Phantasie von der Wirkung der Musik auf die belebte und unbelebte Welt Gewagtes und Kühnes je erfunden hat, schien mir in diesem Moment begreiflich und nothwendig. Wer in dem Augenblick des Adagio's in die Mitte dieser athem- und lautlosen Zuhörer getreten wäre, würde sie für eine Sammlung von bezauberten Gestalten oder in der glücklichsten Verzückung Dahingeschiedener genommen haben. Ich zweifle nicht mehr an der Wirkung von Orpheus' Leyer auf die Todten; und daß die Delphine des Meeres den Sänger Arion unversehrt an das gastliche Ufer getragen, war nur eine verdiente Huldigung, die sie der göttlichen Kunst des Apollo darbrachten. Wie kann ich das schöne und rührende Quartett unseres guten und ehrwürdigen Landsmanns, Karl Zeuner, besser und würdiger loben, als indem ich sage, daß es, zwischen der Sonate von Beethoven und dem Quintett von Mozart gespielt, den lautesten und einstimmigsten Beifall erhielt. Es herrscht in dieser kunst- und melodiereichen Dichtung jener Hauch von ächtdeutscher Inspiration, der nur durch langes Vertrautseyn mit den Meistern der Kunst und durch die Weihe des innern Berufs erlangt wird. Hr. Zeuner war gestern für das französische Publicum der unmittelbare und würdige Schüler von Mozart und Beethoven; was Wunder, daß seine Musik mit jener der beiden Heroen in ungetheilter Begeisterung gepriesen wurde!

Großbritannien.

(Beschluß der Debatten über die Buller'sche Motion.) Die glänzende Rede, womit Hr. Macaulay in der Sitzung vom 30 Jan. das Ministerium vertheidigte, schloß mit folgender Stelle: „Was für einen Grund haben wir, zu glauben, daß wir von einer Verwaltung, die der sehr ehrenw. Baronet (Peel) jetzt bildete, ein anderes Ergebniß erwarten konnten, als wir im Jahre 1829 sahen? Der Hr. Baronet ist immer noch derselbe, er ist immer noch ein Staatsmann. Ja, immer noch ein Staatsmann von großem Verstande, gemäßigt in seinen Meinungen, besonnen, frei von dem Fanatismus, den man in so reichem Maaße unter seinen Anhängern findet. Ich will nicht sagen, daß die Partei, die ihm folgt, noch immer dieselbe sey, sie hat sich verändert: sie ist heftiger und unduldsamer geworden, als sie selbst in den Tagen der Vergangenheit war. Ich urtheile nach der Sprache und den Lehren ihrer Presse, ich urtheile nach den Vorgängen in ihren öffentlichen Versammlungen, ich urtheile nach ihren Kanzeln (Stürmischer Zuruf der Ministeriellen), ihren Kanzeln, auf denen in jeder Woche Beleidigungen und Verleumdungen erschallen, welche selbst die Wahlbühne entehren würden. Einst rühmte sich die Torypartei, daß sie bei allen Glückswechseln Gefühle der Pflichttreue nähre – Gefühle, die selbst Irrthümer achtbar machen und der Dienstbarkeit etwas von der Würde und dem Adel der Freiheit geben. Ein großer Torydichter, der zu seinen Lebzeiten für seine Pflichttreue reichlich belohnt wurde, sagte:

„Our loyalty is still the same,
Whether it win or lose the game;
True as the dial to the sun,
Although it be not shone upon.“
*)*) Jetzt sehen wir ein ganz anderes Geschlecht der Tories. Wir haben erlebt, daß eine neue Partei ihr Haupt erhob, ein Ungeheuer von einer Partei, aus den schlimmsten Theilen der Cavaliere und den schlimmsten Theilen der Rundköpfe zusammengesetzt. (Beifall und Gelächter.) Wir haben es erlebt, eine

*) Unsere Pflichttreue ist annoch dieselbe, mag sie das Spiel verlieren oder gewinnen; treu wie der Sonne der Weiser, auch wenn sie ihn nicht bescheint.
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Wer in dem Augenblick des Adagio's in die Mitte dieser athem- und lautlosen Zuhörer getreten wäre, würde sie für eine Sammlung von bezauberten Gestalten oder in der glücklichsten Verzückung Dahingeschiedener genommen haben. Ich zweifle nicht mehr an der Wirkung von Orpheus' Leyer auf die Todten; und daß die Delphine des Meeres den Sänger Arion unversehrt an das gastliche Ufer getragen, war nur eine verdiente Huldigung, die sie der göttlichen Kunst des Apollo darbrachten. Wie kann ich das schöne und rührende Quartett unseres guten und ehrwürdigen Landsmanns, Karl Zeuner, besser und würdiger loben, als indem ich sage, daß es, zwischen der Sonate von Beethoven und dem Quintett von Mozart gespielt, den lautesten und einstimmigsten Beifall erhielt. Es herrscht in dieser kunst- und melodiereichen Dichtung jener Hauch von ächtdeutscher Inspiration, der nur durch langes Vertrautseyn mit den Meistern der Kunst und durch die Weihe des innern Berufs erlangt wird. Hr. 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[0364/0012] Frankreich. _ Paris, 2 Febr. Nur die Rücksicht, daß ich Ihnen etwas berichte, was dem kunstliebenden Deutschland, somit unserer Aller Vaterlandsliebe nahe liegt, kann mich ermuthigen und mag mich entschuldigen, daß ich Ihnen von Kunst und ästhetischen Genüssen spreche, in einem Augenblick, wo Bellona die Zeitungsartikel zu dictiren scheint und das Schwert der Völker ungeduldig in seiner Scheide zuckt. Beiläufig sey auch gesagt, daß wir an die Nothwendigkeit dieser Kriegserklärungen nicht besonders glauben. – Ole Bull hat für nächsten Samstag ein Concert angesagt; wir werden ihn hören, und der Allgemeinen Zeitung, wie gewöhnlich, über diese neue Erscheinung nordischer, um nicht zu sagen deutscher Kunst in Paris berichten. Ole Bull wird ohne allen Zweifel hier, wie überall, den Beifall ernten, der seinem außerordentlichen, meisterhaften Spiele gebührt, Ole Bull aber hat bei seiner Ankunft hier einen großen und für einen Künstler seines Ranges unverzeihlichen Fehler begangen: er hat sich in den Journalen auf eine Weise ankündigen lassen, die nicht allein eine Verletzung aller Regeln der französischen Sprache, und darum ihren egoistischen Ursprung verräth, sondern die auch alles Maaß einer ungeschickten und anstößigen Marktschreierei übersteigt; ich will die Ausdrücke und die abscheuliche Sprache nicht wörtlich anführen, um dem großen Künstler nicht wehe zu thun, der vielleicht, ja wahrscheinlich, nicht selbst Schuld daran ist, aber mindestens möge ihm diese Oeffentlichkeit eine Warnung seyn, daß ein solcher Verstoß gegen die Schicklichkeit nicht ungeahndet hingeht, nicht vor den Franzosen, die sich mit bitterm Spott darüber auslassen, nicht vor den Landsleuten und Verehrern Ole Bulls, die sich durch diesen Spott gekränkt fühlen und das Recht haben, ihm deßhalb Vorwürfe zu machen. – Wir haben gestern einer musikalischen Feierlichkeit beigewohnt, die ein neuer Beweis ist, wie sehr die Werke unserer großen Meister mit wachsender Bewunderung und stets größerer Huldigung dahier gewürdigt werden. Nach dem, ich möchte sagen romantischen Sturme, der in der neuen französischen Tondichtung wie in den übrigen Gebieten der Kunst und Litteratur geherrscht, ist der öffentliche Geschmack zu mäßigern und darum reineren Genüssen zurückgekehrt. Wer hat seit zwei Jahren die Programme aller öffentlichen Concerte und die denkwürdigsten Sitzungen des Conservatoriums gefüllt? Mozart und Beethoven. Wer wird jetzt in den sich mehrenden engern Cirkeln der wahren Musikfreunde und Kenner, in den Quartetten und Quintetten gespielt? Mozart und Beethoven, und zwar mit einem Enthusiasmus der Zuhörer, mit einer stillen, frommen Verehrung, die unendlich für die ehrfurchtsvolle Achtung des Publicums, für das Große und Schöne überhaupt zeugt, und insbesondere ein Beweis ist, daß sein musikalischer Sinn geöffnet und mehr und mehr erleuchtet ist. Die Hauptstücke des Programms waren: die große Sonate von Beethoven, die er Creutzern gewidmet hatte, für Violine und Piano; das berühmte und nie genug zu preisende Quintett in G-Moll von Mozart, die erste gespielt von Allard, auf der Violine, und Miß Loveday auf dem Clavier, das letzte von Allard, Lenepveu, Croisilles, Fauvel und Chevillard. Vergönnen Sie diesen Namen in Ihrem Blatt einen Platz, damit sie Wiederhall in der Welt erhalten, und betrachten Sie nicht als poetische Ekstase, wenn ich Ihnen sage, daß meine Sprache zu arm und zu unmächtig ist, um den Eindruck zu schildern, den das Mozart'sche Quintett und namentlich das Adagio auf die Zuhörer hervorgebracht hat. Ich meines Ortes werde dieses Spiel, diese Töne nie vergessen. Alles, was die Phantasie von der Wirkung der Musik auf die belebte und unbelebte Welt Gewagtes und Kühnes je erfunden hat, schien mir in diesem Moment begreiflich und nothwendig. Wer in dem Augenblick des Adagio's in die Mitte dieser athem- und lautlosen Zuhörer getreten wäre, würde sie für eine Sammlung von bezauberten Gestalten oder in der glücklichsten Verzückung Dahingeschiedener genommen haben. Ich zweifle nicht mehr an der Wirkung von Orpheus' Leyer auf die Todten; und daß die Delphine des Meeres den Sänger Arion unversehrt an das gastliche Ufer getragen, war nur eine verdiente Huldigung, die sie der göttlichen Kunst des Apollo darbrachten. Wie kann ich das schöne und rührende Quartett unseres guten und ehrwürdigen Landsmanns, Karl Zeuner, besser und würdiger loben, als indem ich sage, daß es, zwischen der Sonate von Beethoven und dem Quintett von Mozart gespielt, den lautesten und einstimmigsten Beifall erhielt. Es herrscht in dieser kunst- und melodiereichen Dichtung jener Hauch von ächtdeutscher Inspiration, der nur durch langes Vertrautseyn mit den Meistern der Kunst und durch die Weihe des innern Berufs erlangt wird. Hr. Zeuner war gestern für das französische Publicum der unmittelbare und würdige Schüler von Mozart und Beethoven; was Wunder, daß seine Musik mit jener der beiden Heroen in ungetheilter Begeisterung gepriesen wurde! Großbritannien. (Beschluß der Debatten über die Buller'sche Motion.) Die glänzende Rede, womit Hr. Macaulay in der Sitzung vom 30 Jan. das Ministerium vertheidigte, schloß mit folgender Stelle: „Was für einen Grund haben wir, zu glauben, daß wir von einer Verwaltung, die der sehr ehrenw. Baronet (Peel) jetzt bildete, ein anderes Ergebniß erwarten konnten, als wir im Jahre 1829 sahen? Der Hr. Baronet ist immer noch derselbe, er ist immer noch ein Staatsmann. Ja, immer noch ein Staatsmann von großem Verstande, gemäßigt in seinen Meinungen, besonnen, frei von dem Fanatismus, den man in so reichem Maaße unter seinen Anhängern findet. Ich will nicht sagen, daß die Partei, die ihm folgt, noch immer dieselbe sey, sie hat sich verändert: sie ist heftiger und unduldsamer geworden, als sie selbst in den Tagen der Vergangenheit war. Ich urtheile nach der Sprache und den Lehren ihrer Presse, ich urtheile nach den Vorgängen in ihren öffentlichen Versammlungen, ich urtheile nach ihren Kanzeln (Stürmischer Zuruf der Ministeriellen), ihren Kanzeln, auf denen in jeder Woche Beleidigungen und Verleumdungen erschallen, welche selbst die Wahlbühne entehren würden. Einst rühmte sich die Torypartei, daß sie bei allen Glückswechseln Gefühle der Pflichttreue nähre – Gefühle, die selbst Irrthümer achtbar machen und der Dienstbarkeit etwas von der Würde und dem Adel der Freiheit geben. Ein großer Torydichter, der zu seinen Lebzeiten für seine Pflichttreue reichlich belohnt wurde, sagte: „Our loyalty is still the same, Whether it win or lose the game; True as the dial to the sun, Although it be not shone upon.“ *) *) Jetzt sehen wir ein ganz anderes Geschlecht der Tories. Wir haben erlebt, daß eine neue Partei ihr Haupt erhob, ein Ungeheuer von einer Partei, aus den schlimmsten Theilen der Cavaliere und den schlimmsten Theilen der Rundköpfe zusammengesetzt. (Beifall und Gelächter.) Wir haben es erlebt, eine *) Unsere Pflichttreue ist annoch dieselbe, mag sie das Spiel verlieren oder gewinnen; treu wie der Sonne der Weiser, auch wenn sie ihn nicht bescheint.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 46. Augsburg, 15. Februar 1840, S. 0364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_046_18400215/12>, abgerufen am 29.04.2024.