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Allgemeine Zeitung. Nr. 46. Augsburg, 15. Februar 1840.

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(M. Chronicle.) Fast alle französischen Blätter behaupteten, daß Guizots Ernennung dem Könige durch eine allgemeine Emeute seines Cabinets aufgezwungen worden sey. Die Idee, daß solche Menschen wie Marschall Soult, Villemain und Duchatel verschworen seyen, des Königs Händen das Scepter zu entwinden, ist zu lächerlich, um ernsthaft angehört, geschweige denn geglaubt zu werden. Er, der in den letzten zehn Jahren jeden Staatsmann und jede Kammer in Frankreich hinters Licht führte, kann das jetzige Cabinet von altklugen Schulbuben mit Leichtigkeit abschütteln, sollten sie je versuchen, ihn einzuschüchtern. Ist aber ein Versprechen zu umgehen oder eine neue Politik einzuschlagen, so läßt sich leicht eine solche Scene herbeiführen, die dem Könige der Franzosen gestattet, allen Tadel und jede Verantwortlichkeit auf seine Minister zu werfen. Das dient für den General Sebastiani als Entschuldigung für das Vergessen seiner Dienste, und für England als Entschuldigung für neue Feindseligkeit im Benehmen. Dennoch freuen wir uns, einen solchen Mann wie Guizot hergesendet zu erhalten. Ein Mann von seinem Scharfblicke wird eine richtige Ansicht von dem Zustande der englischen Meinung nach Hause schicken, und eine genauere Kenntniß von dem erlangen, worauf Frankreichs Anforderungen sich beschränken sollten. Guizot war in dem Cabinet, welches den König der Franzosen die Königin Isabelle von Spanien anzuerkennen veranlaßte; er trat dann in der Deputirtenkammer auf und erklärte, daß die Quadrupelallianz gar nichts bedeute und von Frankreichs Seite keine Anstrengung zum Besten der Constitutionellen in Spanien nöthig mache. Guizot und seine Partei versanken in die Schande einer solchen Nachgiebigkeit gegen des Königs Ansichten, um Thiers zu besiegen. In der auswärtigen Politik hat also Guizot nicht bloß einen Ruf zu erwerben, sondern wiederherzustellen. Seine Geschicklichkeit für beides ziehen wir nicht in Zweifel, und wenn durch einen ausgezeichneten Gesandten, der unter den gegenwärtigen Verhältnissen nach England kommt, Ruhm zu erlangen ist, so muß dieß als Friedensstifter geschehen. Um Krieg zu erklären, würde ein schnurrbärtiger Adjutant des Marschalls Soult genügen, und wenn Frankreich bloß in seiner vorigen Politik beharren und fortfahren wollte, warum da ändern? Wir betrachten demgemäß Guizot als den Unternehmer einer Friedensbotschaft, im Begriff, Vollmachten mitzubringen, um diejenigen Concessionen zu machen, die allein Harmonie zwischen den Ländern wiederherstellen können. Zwar betrachten einige französische Journale Guizots Ernennung wie eine dem König abgedrungene kriegerische Maaßregel; doch bezweifeln wir, daß das französische Cabinet dem Könige der Franzosen etwas abzudringen vermöge, was dieser nicht hergeben wolle. Die französische Regierung wird einhalten, bevor sie ein Bündniß wegweist, das, richtig verstanden und ehrlich gehalten, den Interessen beider Länder dienen müßte. Marschall Soult lieferte, wie wir hören, bereits einen Beweis, daß er die Fortdauer der Freundschaft wünsche, indem er einen Rath berufen und entschieden hat, daß die Hauptanträge der brittischen Commissarien für die Unterhandlung eines Handelsvertrags zwischen beiden Ländern angenommen werden sollen. Dazu können wir nur Glück wünschen und uns freuen!

Se. Durchl. der Fürst von Montfort (Hieronymus Napoleon) ist über Rotterdam in England eingetroffen. Man bringt die Reise des Fürsten mit der Verwerthung der vom Cardinal Fesch hinterlassenen Gemäldegalerie in Verbindung.

Ueberall trifft man Anstalten, die Vermählung der Königin würdig zu feiern, durch Beleuchtungen, Volksfeste, große Essen u. dgl. Selbst die Tories können sich nicht von den allgemeinen Freudenbezeugungen ausschließen, wie auch gewiß viele derselben an der Freude und den Hoffnungen der Nation bei dieser wichtigen Angelegenheit herzlich Antheil nehmen. Gar vielen aber ist sie Galle und Wermuth, und diese lassen sich nicht nur in engern Kreisen in solchem Sinne vernehmen, sondern wollen auch, wie man erfährt, künftigen Montag durch das Tragen schwarzer Florrosetten ihr Mißfallen öffentlich an den Tag legen. Inzwischen haben ihre Blätter die Aufgabe, ihre Partei von dem Vorwurfe zu reinigen, daß der Adel derselben durch sein Widerstreben gegen die Annahme der Naturalisationsbill, wie sie ihm zuerst vorgelegt wurde, der Königin eine Kränkung zuzufügen gedacht, besonders aber dadurch, daß Wellington darauf bestanden, man müsse mit der Berathung auf die Rückkehr des eben abwesenden Lord Lyndhurst warten. Der Herzog selbst meinte dabei gewiß nichts Arges; aber er muß oft seiner Partei etwas zu gefallen thun, sieht auch wohl jetzt nicht immer gleich ein, wenn sie ihn mißbraucht. Auf jeden Fall haben die Whigs den Vortheil von der Sache, daß ihre Gegner zur Defensive gezwungen sind, und die Königin sich wirklich von denselben tief verletzt fühlt. Als Lord Melbourne ihr hinterbrachte, die edlen Lords seyen zwar bereit, dem Prinzen den Rang über sich selbst einzuräumen, nicht aber ihm den Vortritt vor den Mitgliedern der königlichen Familie zu gestatten, bis man die Einwilligung des muthmaßlichen Thronerben, des Königs von Hannover, eingeholt habe, soll sie hastig die Feder ergriffen und die fragliche Clausel über den dem Prinzen zu ertheilenden Rang gestrichen haben, mit dem Bemerken: sie wisse, welche Rechte die Krone in dieser Beziehung besitze, und werde solche auszuüben wissen, ohne beim Oberhaus um eine Gnade zu betteln. Dieß wird um so eher geglaubt, als es dem bekannten Charakter der Königin ähnlich sieht. Beide Häuser haben gestern ihre Sitzungen bis Dienstag vertagt. Im Laufe der Woche bewilligten beide den Officieren und Truppen, welche den Feldzug in Kabul so glorreich geendigt, den Dank der Nation; dabei beeiferten sich sowohl Wellington als Peel, dem Generalgouverneur von Indien für die große Umsicht, womit er für diesen glücklichen Ausgang gesorgt, das höchste Lob zu ertheilen; obgleich sie sich noch nicht entschließen konnten, die Politik des Unternehmens selbst zu preisen. Dagegen machten die Lords Colchester und Hardwicke wieder einen Ausfall gegen das Ministerium über den Zustand unserer Marine, besonders in Bezug auf die geringen Anstalten zur Vertheidigung unserer Küsten, indem sie wieder das alte Lied von der bedeutenden Zunahme der russischen und französischen Seemacht sangen. Der Herzog von Wellington stimmte ihnen so weit bei, daß er der Regierung vorwarf, unsere Handelsverhältnisse mit China vernachlässigt zu haben. Die Lords Minto und Melbourne gaben die gewöhnliche Antwort, daß nicht die geringste Wahrscheinlichkeit vorhanden sey, die Flotten von Rußland und Frankreich gegen uns gerüstet zu sehen, im Fall der Noth aber England in wenigen Monaten eine Flotte auszurüsten vermöge, die sich mit jeder feindlichen Flotte messen könne. Daß die Nation es nicht ertragen würde, in Friedenszeit eine Seemacht aufzustellen, wie man sie im Kriege bedürfe; aus demselben Grunde sey es also auch nicht möglich in jedem Hafen oder auf jeder Küste der Welt, wohin brittische Kauffahrer segeln, Kriegsschiffe zu halten, um jeder möglichen Beschimpfung unserer Flagge vorzubeugen. Ueber den Vorwurf aber, daß immer noch keine Schiffe nach China abgegangen seyen, beobachteten die Minister ein staatskluges Stillschweigen. Und hier zeigte sich wieder offenbar der Vortheil, welchen eine Opposition über ein Ministerium hat, wenn von auswärtigen Angelegenheiten die Rede ist; denn

(M. Chronicle.) Fast alle französischen Blätter behaupteten, daß Guizots Ernennung dem Könige durch eine allgemeine Emeute seines Cabinets aufgezwungen worden sey. Die Idee, daß solche Menschen wie Marschall Soult, Villemain und Duchatel verschworen seyen, des Königs Händen das Scepter zu entwinden, ist zu lächerlich, um ernsthaft angehört, geschweige denn geglaubt zu werden. Er, der in den letzten zehn Jahren jeden Staatsmann und jede Kammer in Frankreich hinters Licht führte, kann das jetzige Cabinet von altklugen Schulbuben mit Leichtigkeit abschütteln, sollten sie je versuchen, ihn einzuschüchtern. Ist aber ein Versprechen zu umgehen oder eine neue Politik einzuschlagen, so läßt sich leicht eine solche Scene herbeiführen, die dem Könige der Franzosen gestattet, allen Tadel und jede Verantwortlichkeit auf seine Minister zu werfen. Das dient für den General Sebastiani als Entschuldigung für das Vergessen seiner Dienste, und für England als Entschuldigung für neue Feindseligkeit im Benehmen. Dennoch freuen wir uns, einen solchen Mann wie Guizot hergesendet zu erhalten. Ein Mann von seinem Scharfblicke wird eine richtige Ansicht von dem Zustande der englischen Meinung nach Hause schicken, und eine genauere Kenntniß von dem erlangen, worauf Frankreichs Anforderungen sich beschränken sollten. Guizot war in dem Cabinet, welches den König der Franzosen die Königin Isabelle von Spanien anzuerkennen veranlaßte; er trat dann in der Deputirtenkammer auf und erklärte, daß die Quadrupelallianz gar nichts bedeute und von Frankreichs Seite keine Anstrengung zum Besten der Constitutionellen in Spanien nöthig mache. Guizot und seine Partei versanken in die Schande einer solchen Nachgiebigkeit gegen des Königs Ansichten, um Thiers zu besiegen. In der auswärtigen Politik hat also Guizot nicht bloß einen Ruf zu erwerben, sondern wiederherzustellen. Seine Geschicklichkeit für beides ziehen wir nicht in Zweifel, und wenn durch einen ausgezeichneten Gesandten, der unter den gegenwärtigen Verhältnissen nach England kommt, Ruhm zu erlangen ist, so muß dieß als Friedensstifter geschehen. Um Krieg zu erklären, würde ein schnurrbärtiger Adjutant des Marschalls Soult genügen, und wenn Frankreich bloß in seiner vorigen Politik beharren und fortfahren wollte, warum da ändern? Wir betrachten demgemäß Guizot als den Unternehmer einer Friedensbotschaft, im Begriff, Vollmachten mitzubringen, um diejenigen Concessionen zu machen, die allein Harmonie zwischen den Ländern wiederherstellen können. Zwar betrachten einige französische Journale Guizots Ernennung wie eine dem König abgedrungene kriegerische Maaßregel; doch bezweifeln wir, daß das französische Cabinet dem Könige der Franzosen etwas abzudringen vermöge, was dieser nicht hergeben wolle. Die französische Regierung wird einhalten, bevor sie ein Bündniß wegweist, das, richtig verstanden und ehrlich gehalten, den Interessen beider Länder dienen müßte. Marschall Soult lieferte, wie wir hören, bereits einen Beweis, daß er die Fortdauer der Freundschaft wünsche, indem er einen Rath berufen und entschieden hat, daß die Hauptanträge der brittischen Commissarien für die Unterhandlung eines Handelsvertrags zwischen beiden Ländern angenommen werden sollen. Dazu können wir nur Glück wünschen und uns freuen!

Se. Durchl. der Fürst von Montfort (Hieronymus Napoleon) ist über Rotterdam in England eingetroffen. Man bringt die Reise des Fürsten mit der Verwerthung der vom Cardinal Fesch hinterlassenen Gemäldegalerie in Verbindung.

Ueberall trifft man Anstalten, die Vermählung der Königin würdig zu feiern, durch Beleuchtungen, Volksfeste, große Essen u. dgl. Selbst die Tories können sich nicht von den allgemeinen Freudenbezeugungen ausschließen, wie auch gewiß viele derselben an der Freude und den Hoffnungen der Nation bei dieser wichtigen Angelegenheit herzlich Antheil nehmen. Gar vielen aber ist sie Galle und Wermuth, und diese lassen sich nicht nur in engern Kreisen in solchem Sinne vernehmen, sondern wollen auch, wie man erfährt, künftigen Montag durch das Tragen schwarzer Florrosetten ihr Mißfallen öffentlich an den Tag legen. Inzwischen haben ihre Blätter die Aufgabe, ihre Partei von dem Vorwurfe zu reinigen, daß der Adel derselben durch sein Widerstreben gegen die Annahme der Naturalisationsbill, wie sie ihm zuerst vorgelegt wurde, der Königin eine Kränkung zuzufügen gedacht, besonders aber dadurch, daß Wellington darauf bestanden, man müsse mit der Berathung auf die Rückkehr des eben abwesenden Lord Lyndhurst warten. Der Herzog selbst meinte dabei gewiß nichts Arges; aber er muß oft seiner Partei etwas zu gefallen thun, sieht auch wohl jetzt nicht immer gleich ein, wenn sie ihn mißbraucht. Auf jeden Fall haben die Whigs den Vortheil von der Sache, daß ihre Gegner zur Defensive gezwungen sind, und die Königin sich wirklich von denselben tief verletzt fühlt. Als Lord Melbourne ihr hinterbrachte, die edlen Lords seyen zwar bereit, dem Prinzen den Rang über sich selbst einzuräumen, nicht aber ihm den Vortritt vor den Mitgliedern der königlichen Familie zu gestatten, bis man die Einwilligung des muthmaßlichen Thronerben, des Königs von Hannover, eingeholt habe, soll sie hastig die Feder ergriffen und die fragliche Clausel über den dem Prinzen zu ertheilenden Rang gestrichen haben, mit dem Bemerken: sie wisse, welche Rechte die Krone in dieser Beziehung besitze, und werde solche auszuüben wissen, ohne beim Oberhaus um eine Gnade zu betteln. Dieß wird um so eher geglaubt, als es dem bekannten Charakter der Königin ähnlich sieht. Beide Häuser haben gestern ihre Sitzungen bis Dienstag vertagt. Im Laufe der Woche bewilligten beide den Officieren und Truppen, welche den Feldzug in Kabul so glorreich geendigt, den Dank der Nation; dabei beeiferten sich sowohl Wellington als Peel, dem Generalgouverneur von Indien für die große Umsicht, womit er für diesen glücklichen Ausgang gesorgt, das höchste Lob zu ertheilen; obgleich sie sich noch nicht entschließen konnten, die Politik des Unternehmens selbst zu preisen. Dagegen machten die Lords Colchester und Hardwicke wieder einen Ausfall gegen das Ministerium über den Zustand unserer Marine, besonders in Bezug auf die geringen Anstalten zur Vertheidigung unserer Küsten, indem sie wieder das alte Lied von der bedeutenden Zunahme der russischen und französischen Seemacht sangen. Der Herzog von Wellington stimmte ihnen so weit bei, daß er der Regierung vorwarf, unsere Handelsverhältnisse mit China vernachlässigt zu haben. Die Lords Minto und Melbourne gaben die gewöhnliche Antwort, daß nicht die geringste Wahrscheinlichkeit vorhanden sey, die Flotten von Rußland und Frankreich gegen uns gerüstet zu sehen, im Fall der Noth aber England in wenigen Monaten eine Flotte auszurüsten vermöge, die sich mit jeder feindlichen Flotte messen könne. Daß die Nation es nicht ertragen würde, in Friedenszeit eine Seemacht aufzustellen, wie man sie im Kriege bedürfe; aus demselben Grunde sey es also auch nicht möglich in jedem Hafen oder auf jeder Küste der Welt, wohin brittische Kauffahrer segeln, Kriegsschiffe zu halten, um jeder möglichen Beschimpfung unserer Flagge vorzubeugen. Ueber den Vorwurf aber, daß immer noch keine Schiffe nach China abgegangen seyen, beobachteten die Minister ein staatskluges Stillschweigen. Und hier zeigte sich wieder offenbar der Vortheil, welchen eine Opposition über ein Ministerium hat, wenn von auswärtigen Angelegenheiten die Rede ist; denn

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[0362/0002] (M. Chronicle.) Fast alle französischen Blätter behaupteten, daß Guizots Ernennung dem Könige durch eine allgemeine Emeute seines Cabinets aufgezwungen worden sey. Die Idee, daß solche Menschen wie Marschall Soult, Villemain und Duchatel verschworen seyen, des Königs Händen das Scepter zu entwinden, ist zu lächerlich, um ernsthaft angehört, geschweige denn geglaubt zu werden. Er, der in den letzten zehn Jahren jeden Staatsmann und jede Kammer in Frankreich hinters Licht führte, kann das jetzige Cabinet von altklugen Schulbuben mit Leichtigkeit abschütteln, sollten sie je versuchen, ihn einzuschüchtern. Ist aber ein Versprechen zu umgehen oder eine neue Politik einzuschlagen, so läßt sich leicht eine solche Scene herbeiführen, die dem Könige der Franzosen gestattet, allen Tadel und jede Verantwortlichkeit auf seine Minister zu werfen. Das dient für den General Sebastiani als Entschuldigung für das Vergessen seiner Dienste, und für England als Entschuldigung für neue Feindseligkeit im Benehmen. Dennoch freuen wir uns, einen solchen Mann wie Guizot hergesendet zu erhalten. Ein Mann von seinem Scharfblicke wird eine richtige Ansicht von dem Zustande der englischen Meinung nach Hause schicken, und eine genauere Kenntniß von dem erlangen, worauf Frankreichs Anforderungen sich beschränken sollten. Guizot war in dem Cabinet, welches den König der Franzosen die Königin Isabelle von Spanien anzuerkennen veranlaßte; er trat dann in der Deputirtenkammer auf und erklärte, daß die Quadrupelallianz gar nichts bedeute und von Frankreichs Seite keine Anstrengung zum Besten der Constitutionellen in Spanien nöthig mache. Guizot und seine Partei versanken in die Schande einer solchen Nachgiebigkeit gegen des Königs Ansichten, um Thiers zu besiegen. In der auswärtigen Politik hat also Guizot nicht bloß einen Ruf zu erwerben, sondern wiederherzustellen. Seine Geschicklichkeit für beides ziehen wir nicht in Zweifel, und wenn durch einen ausgezeichneten Gesandten, der unter den gegenwärtigen Verhältnissen nach England kommt, Ruhm zu erlangen ist, so muß dieß als Friedensstifter geschehen. Um Krieg zu erklären, würde ein schnurrbärtiger Adjutant des Marschalls Soult genügen, und wenn Frankreich bloß in seiner vorigen Politik beharren und fortfahren wollte, warum da ändern? Wir betrachten demgemäß Guizot als den Unternehmer einer Friedensbotschaft, im Begriff, Vollmachten mitzubringen, um diejenigen Concessionen zu machen, die allein Harmonie zwischen den Ländern wiederherstellen können. Zwar betrachten einige französische Journale Guizots Ernennung wie eine dem König abgedrungene kriegerische Maaßregel; doch bezweifeln wir, daß das französische Cabinet dem Könige der Franzosen etwas abzudringen vermöge, was dieser nicht hergeben wolle. Die französische Regierung wird einhalten, bevor sie ein Bündniß wegweist, das, richtig verstanden und ehrlich gehalten, den Interessen beider Länder dienen müßte. Marschall Soult lieferte, wie wir hören, bereits einen Beweis, daß er die Fortdauer der Freundschaft wünsche, indem er einen Rath berufen und entschieden hat, daß die Hauptanträge der brittischen Commissarien für die Unterhandlung eines Handelsvertrags zwischen beiden Ländern angenommen werden sollen. Dazu können wir nur Glück wünschen und uns freuen! Se. Durchl. der Fürst von Montfort (Hieronymus Napoleon) ist über Rotterdam in England eingetroffen. Man bringt die Reise des Fürsten mit der Verwerthung der vom Cardinal Fesch hinterlassenen Gemäldegalerie in Verbindung. _ London, 8 Febr. Ueberall trifft man Anstalten, die Vermählung der Königin würdig zu feiern, durch Beleuchtungen, Volksfeste, große Essen u. dgl. Selbst die Tories können sich nicht von den allgemeinen Freudenbezeugungen ausschließen, wie auch gewiß viele derselben an der Freude und den Hoffnungen der Nation bei dieser wichtigen Angelegenheit herzlich Antheil nehmen. Gar vielen aber ist sie Galle und Wermuth, und diese lassen sich nicht nur in engern Kreisen in solchem Sinne vernehmen, sondern wollen auch, wie man erfährt, künftigen Montag durch das Tragen schwarzer Florrosetten ihr Mißfallen öffentlich an den Tag legen. Inzwischen haben ihre Blätter die Aufgabe, ihre Partei von dem Vorwurfe zu reinigen, daß der Adel derselben durch sein Widerstreben gegen die Annahme der Naturalisationsbill, wie sie ihm zuerst vorgelegt wurde, der Königin eine Kränkung zuzufügen gedacht, besonders aber dadurch, daß Wellington darauf bestanden, man müsse mit der Berathung auf die Rückkehr des eben abwesenden Lord Lyndhurst warten. Der Herzog selbst meinte dabei gewiß nichts Arges; aber er muß oft seiner Partei etwas zu gefallen thun, sieht auch wohl jetzt nicht immer gleich ein, wenn sie ihn mißbraucht. Auf jeden Fall haben die Whigs den Vortheil von der Sache, daß ihre Gegner zur Defensive gezwungen sind, und die Königin sich wirklich von denselben tief verletzt fühlt. Als Lord Melbourne ihr hinterbrachte, die edlen Lords seyen zwar bereit, dem Prinzen den Rang über sich selbst einzuräumen, nicht aber ihm den Vortritt vor den Mitgliedern der königlichen Familie zu gestatten, bis man die Einwilligung des muthmaßlichen Thronerben, des Königs von Hannover, eingeholt habe, soll sie hastig die Feder ergriffen und die fragliche Clausel über den dem Prinzen zu ertheilenden Rang gestrichen haben, mit dem Bemerken: sie wisse, welche Rechte die Krone in dieser Beziehung besitze, und werde solche auszuüben wissen, ohne beim Oberhaus um eine Gnade zu betteln. Dieß wird um so eher geglaubt, als es dem bekannten Charakter der Königin ähnlich sieht. Beide Häuser haben gestern ihre Sitzungen bis Dienstag vertagt. Im Laufe der Woche bewilligten beide den Officieren und Truppen, welche den Feldzug in Kabul so glorreich geendigt, den Dank der Nation; dabei beeiferten sich sowohl Wellington als Peel, dem Generalgouverneur von Indien für die große Umsicht, womit er für diesen glücklichen Ausgang gesorgt, das höchste Lob zu ertheilen; obgleich sie sich noch nicht entschließen konnten, die Politik des Unternehmens selbst zu preisen. Dagegen machten die Lords Colchester und Hardwicke wieder einen Ausfall gegen das Ministerium über den Zustand unserer Marine, besonders in Bezug auf die geringen Anstalten zur Vertheidigung unserer Küsten, indem sie wieder das alte Lied von der bedeutenden Zunahme der russischen und französischen Seemacht sangen. Der Herzog von Wellington stimmte ihnen so weit bei, daß er der Regierung vorwarf, unsere Handelsverhältnisse mit China vernachlässigt zu haben. Die Lords Minto und Melbourne gaben die gewöhnliche Antwort, daß nicht die geringste Wahrscheinlichkeit vorhanden sey, die Flotten von Rußland und Frankreich gegen uns gerüstet zu sehen, im Fall der Noth aber England in wenigen Monaten eine Flotte auszurüsten vermöge, die sich mit jeder feindlichen Flotte messen könne. Daß die Nation es nicht ertragen würde, in Friedenszeit eine Seemacht aufzustellen, wie man sie im Kriege bedürfe; aus demselben Grunde sey es also auch nicht möglich in jedem Hafen oder auf jeder Küste der Welt, wohin brittische Kauffahrer segeln, Kriegsschiffe zu halten, um jeder möglichen Beschimpfung unserer Flagge vorzubeugen. Ueber den Vorwurf aber, daß immer noch keine Schiffe nach China abgegangen seyen, beobachteten die Minister ein staatskluges Stillschweigen. Und hier zeigte sich wieder offenbar der Vortheil, welchen eine Opposition über ein Ministerium hat, wenn von auswärtigen Angelegenheiten die Rede ist; denn

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 46. Augsburg, 15. Februar 1840, S. 0362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_046_18400215/2>, abgerufen am 27.04.2024.