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Allgemeine Zeitung. Nr. 46. Augsburg, 15. Februar 1840.

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diese, welche keine Verantwortlichkeit hat, spricht ins Gelage hinein, deckt jede Blöße des Landes auf, oder gibt sich doch das Ansehen es zu thun, während die verantwortlichen Minister oft da ein tiefes Stillschweigen beobachten müssen, wo sie sich triumphirend vertheidigen könnten. Das eigentliche Bataillenroß der Tories aber bleiben vor der Hand die Socialisten, welche der Bischof von Exeter darum so schwarz macht, weil von dem geworfenen Koth der größte Theil den Ministern ankleben soll. Owen selbst ist entzückt über diese Angriffe, indem er nun dem Volke sagen kann: "seht, es läßt sich gegen mein System durch Vernunft nicht kämpfen, deßwegen rufen die Pfaffen die Gewalt auf, und möchten uns zu Martyrern machen!" Und wenn hie und da ein Bessergesinnter durch das gräßliche Gemälde von Gotteslästerung und Lastern, welches der Bischof mit so großer Beredsamkeit aufgestellt hat, sich von der Secte abwendet, so wird gewiß der leider so sehr verbreitete Haß gegen die Kirche und alle Autorität, so wie die natürliche Theilnahme für eine verfolgte Meinung, dem Schwärmer einen viel größeren Anhang verschaffen. Da jedoch die Ausführbarkeit seines Systems der Hauptsache nach, nämlich das Leben und Wirken in der Gemeinschaft, sich nur auf reine Gesinnung und Tugend bauen läßt, die meisten Anhänger aber offenbar ihm zuströmen, weil seine Theorie der Unverantwortlichkeit ihren lasterhaften Neigungen schmeichelt, so muß es trotz allem bischöflichen Verfolgungseifer bald wieder von selbst zerfallen. Sind doch alle praktischen Unternehmungen dieses Mannes in der alten wie in der neuen Welt fehlgeschlagen! - Das Unterhaus hat, mit beständiger Unterstützung Peels, gegen die Opposition einer bedeutenden Anzahl Tories, entschieden, daß Stockdale sowohl als sein Anwalt ins Gefängniß Newgate geschickt wurden, und daß die Sheriffs in Verhaft bleiben sollen. Indessen ist der Ton der letzten Debatten über diesen kitzlichen Gegenstand offenbar mäßiger; und man darf erwarten, daß bald Versuch gemacht werden wird, dem Haus sein Privilegium durch ein Gesetz zu sichern. Die Bürger Londons gebärden sich sehr unanständig bei der Sache; ihr Gelärm aber macht wenig Eindruck.

Frankreich.

Der neueste Moniteur enthält nun officiell die Ernennung des Hrn. Guizot zum französischen Botschafter in London.

* In der Sitzung der Deputirtenkammer am 10 Febr. ward der von der Pairskammer in der vorigen Session votirte Gesetzesentwurf über den k. Orden der Ehrenlegion verhandelt. Die Commission hatte nicht den Vorschlag gemacht, die Ernennungen mit den erloschenen Stellen in Verhältniß zu setzen, ein System, das von der Pairskammer verworfen worden war, sondern eine Ziffer festzustellen, welche bei den jährlichen Beförderungen nicht überschritten werden dürfe. Mehrere Redner ließen sich für und wider die Anträge der Commission vernehmen. Der Siegelbewahrer suchte besonders die Nachtheile dieses Systems darzuthun. Auch zeigte er, daß das Cabinet vom 12 Mai sehr sparsam in Austheilung von Legionskreuzen gewesen sey. Bei Abgang der Post war der Minister der öffentlichen Arbeiten auf der Tribune.

(Commerce.) Man versichert, daß die Vermittelungspartei vorschlagen werde, die Dotation des Herzogs von Nemours auf 300,000 Fr. zu reduciren und so das Beispiel des englischen Parlaments zu befolgen, das die Summe für den Prinzen Albert um zwei Fünftheile vermindert hat. Wir glauben, man könnte etwas Besseres thun.

Ueber die zu Glandier vorgefallene Vergiftungsgeschichte, von welcher ein Correspondent der Allgem. Zeitung Erwähnung machte, gibt die Gazette des Tribunaux in einem Schreiben aus Tulle einige Details: "Ein tiefes Geheimniß - schreibt der Berichterstatter - umhüllt noch diese Gräuelgeschichte. Laffarge war, sagt man, das Opfer eines längst schon listig ersonnenen Verbrechens. Aber die junge Frau, auf der gegenwärtig ein so entsetzlicher Verdacht haftet, sollte nicht auch sie vielleicht als das Opfer einer schrecklichen Rache ausersehen seyn? Ob die Nachforschungen der Justiz, denen die Angeklagte hätte entfliehen können, während sie dieselben selbst hervorgerufen hat, unter den dem Anschein nach sich so sehr widersprechenden Umständen die Wahrheit entdecken werden, ist vorauszusehen nicht möglich. Hier in Kürze, was man bis jetzt über diesen merkwürdigen Criminalfall erfahren. Fräulein C... hatte, ein Jahr vor ihrer Verheirathung mit Laffarge, in Paris einen jungen Mann zärtlich geliebt, dessen Eltern, wie die des Mädchens, in eine Heirath beider eingewilligt hatten. Das Fräulein erfuhr inzwischen, daß ihr Verlobter mit einem andern Mädchen in unerlaubter Verbindung lebe; sie gab ihm deßhalb den Abschied und sah ihn von diesem Tage an nicht wieder. Damals wurde Hr. Laffarge der Familie C... vorgestellt. Er hatte die Absicht, um Fräulein C... zu werben, einige Freunde machten die Vermittler und nach 17 Tagen war die Heirath geschlossen. Die Eheleute verließen Paris und zogen nach Glandier, dem einsamen Landaufenthalt Laffarge's, wo die an das glänzende Leben der Hauptstadt gewohnte junge Frau sich gar nicht heimlich fühlte; die etwas kleinstädtischen Manieren ihres Mannes trugen nicht dazu bei, sie die angenehme Zerstreuung von Paris vergessen zu lassen. In dieser peinlichen Stimmung schrieb sie an ihren Gatten einen Brief, worin sie ihm ihren Seelenzustand schilderte, ihm die Liebe gestand, die sie immer noch für jenen jungen Mann fühle, obwohl er ihrer unwürdig geworden. Sie erklärte zuletzt, sie wolle in die Einsamkeit flüchten und dort ein für immer gebrochenes Daseyn verbergen; wenn man sie daran hindern würde, wolle sie sich das Leben nehmen. Auf Hrn. Laffarge und seine Stiefmutter machte dieser Brief nur einen leichten Eindruck; sie hofften, die Exaltation der jungen Frau werde nicht lange dauern, sie vielmehr in ihr Schicksal sich fügen. Dieß schien in der That der Fall zu seyn. Sie gewann wenigstens äußerlich ihre Heiterkeit wieder, sie beschäftigte sich mit Reparaturen des alten Wohnhauses von Glandier und schien sich dort besser zu gefallen. Briefe, welche damals zwischen beiden Eheleuten gewechselt wurden, zeugen von der leidenschaftlichen Liebe Laffarge's für seine Frau und deren Neigung für ihn. Im Monat September 1839 reiste Laffarge, dessen Geschäfte in Verwirrung gerathen waren, nach Paris, um ein Patent für eine wichtige Entdeckung dort auszuwirken und ein Anlehn abzuschließen. Während seines Aufenthalts in Paris trug sich der erste Umstand zu, dessen die Anklage sich gegen Madame Laffarge bemächtigt hat. In einem ihrer Briefe voll zärtlicher Betheurungen schrieb sie ihrem Mann, sie habe Kuchen, die in Glandier gebacken worden, an ihn abgeschickt. Von diesen Kuchen möge er und ihre "vielgeliebte Schwester," für die sie stets die zärtlichste Neigung gezeigt hatte, an einem bestimmten Tag, zu einer bestimmten Stunde essen, während auch sie in Glandier zu derselben Zeit die gleiche Mahlzeit feiern und der Abwesenden gedenken wolle. Hr. Laffarge aß am 16 Dec. zur bezeichneten Stunde einen dieser Kuchen, fühlte bald darauf heftige Schmerzen und erbrach sich ... Dieß war nach der Meinung der Ankläger der erste Vergiftungsversuch. Indessen weiß man noch nicht, wer diese Kuchen gebacken; sie wurden ihr in Gegenwart ihrer Schwiegermutter und ihrer Dienstboten ins Zimmer gebracht und vor ihren Augen

diese, welche keine Verantwortlichkeit hat, spricht ins Gelage hinein, deckt jede Blöße des Landes auf, oder gibt sich doch das Ansehen es zu thun, während die verantwortlichen Minister oft da ein tiefes Stillschweigen beobachten müssen, wo sie sich triumphirend vertheidigen könnten. Das eigentliche Bataillenroß der Tories aber bleiben vor der Hand die Socialisten, welche der Bischof von Exeter darum so schwarz macht, weil von dem geworfenen Koth der größte Theil den Ministern ankleben soll. Owen selbst ist entzückt über diese Angriffe, indem er nun dem Volke sagen kann: „seht, es läßt sich gegen mein System durch Vernunft nicht kämpfen, deßwegen rufen die Pfaffen die Gewalt auf, und möchten uns zu Martyrern machen!“ Und wenn hie und da ein Bessergesinnter durch das gräßliche Gemälde von Gotteslästerung und Lastern, welches der Bischof mit so großer Beredsamkeit aufgestellt hat, sich von der Secte abwendet, so wird gewiß der leider so sehr verbreitete Haß gegen die Kirche und alle Autorität, so wie die natürliche Theilnahme für eine verfolgte Meinung, dem Schwärmer einen viel größeren Anhang verschaffen. Da jedoch die Ausführbarkeit seines Systems der Hauptsache nach, nämlich das Leben und Wirken in der Gemeinschaft, sich nur auf reine Gesinnung und Tugend bauen läßt, die meisten Anhänger aber offenbar ihm zuströmen, weil seine Theorie der Unverantwortlichkeit ihren lasterhaften Neigungen schmeichelt, so muß es trotz allem bischöflichen Verfolgungseifer bald wieder von selbst zerfallen. Sind doch alle praktischen Unternehmungen dieses Mannes in der alten wie in der neuen Welt fehlgeschlagen! – Das Unterhaus hat, mit beständiger Unterstützung Peels, gegen die Opposition einer bedeutenden Anzahl Tories, entschieden, daß Stockdale sowohl als sein Anwalt ins Gefängniß Newgate geschickt wurden, und daß die Sheriffs in Verhaft bleiben sollen. Indessen ist der Ton der letzten Debatten über diesen kitzlichen Gegenstand offenbar mäßiger; und man darf erwarten, daß bald Versuch gemacht werden wird, dem Haus sein Privilegium durch ein Gesetz zu sichern. Die Bürger Londons gebärden sich sehr unanständig bei der Sache; ihr Gelärm aber macht wenig Eindruck.

Frankreich.

Der neueste Moniteur enthält nun officiell die Ernennung des Hrn. Guizot zum französischen Botschafter in London.

* In der Sitzung der Deputirtenkammer am 10 Febr. ward der von der Pairskammer in der vorigen Session votirte Gesetzesentwurf über den k. Orden der Ehrenlegion verhandelt. Die Commission hatte nicht den Vorschlag gemacht, die Ernennungen mit den erloschenen Stellen in Verhältniß zu setzen, ein System, das von der Pairskammer verworfen worden war, sondern eine Ziffer festzustellen, welche bei den jährlichen Beförderungen nicht überschritten werden dürfe. Mehrere Redner ließen sich für und wider die Anträge der Commission vernehmen. Der Siegelbewahrer suchte besonders die Nachtheile dieses Systems darzuthun. Auch zeigte er, daß das Cabinet vom 12 Mai sehr sparsam in Austheilung von Legionskreuzen gewesen sey. Bei Abgang der Post war der Minister der öffentlichen Arbeiten auf der Tribune.

(Commerce.) Man versichert, daß die Vermittelungspartei vorschlagen werde, die Dotation des Herzogs von Nemours auf 300,000 Fr. zu reduciren und so das Beispiel des englischen Parlaments zu befolgen, das die Summe für den Prinzen Albert um zwei Fünftheile vermindert hat. Wir glauben, man könnte etwas Besseres thun.

Ueber die zu Glandier vorgefallene Vergiftungsgeschichte, von welcher ein Correspondent der Allgem. Zeitung Erwähnung machte, gibt die Gazette des Tribunaux in einem Schreiben aus Tulle einige Details: „Ein tiefes Geheimniß – schreibt der Berichterstatter – umhüllt noch diese Gräuelgeschichte. Laffarge war, sagt man, das Opfer eines längst schon listig ersonnenen Verbrechens. Aber die junge Frau, auf der gegenwärtig ein so entsetzlicher Verdacht haftet, sollte nicht auch sie vielleicht als das Opfer einer schrecklichen Rache ausersehen seyn? Ob die Nachforschungen der Justiz, denen die Angeklagte hätte entfliehen können, während sie dieselben selbst hervorgerufen hat, unter den dem Anschein nach sich so sehr widersprechenden Umständen die Wahrheit entdecken werden, ist vorauszusehen nicht möglich. Hier in Kürze, was man bis jetzt über diesen merkwürdigen Criminalfall erfahren. Fräulein C... hatte, ein Jahr vor ihrer Verheirathung mit Laffarge, in Paris einen jungen Mann zärtlich geliebt, dessen Eltern, wie die des Mädchens, in eine Heirath beider eingewilligt hatten. Das Fräulein erfuhr inzwischen, daß ihr Verlobter mit einem andern Mädchen in unerlaubter Verbindung lebe; sie gab ihm deßhalb den Abschied und sah ihn von diesem Tage an nicht wieder. Damals wurde Hr. Laffarge der Familie C... vorgestellt. Er hatte die Absicht, um Fräulein C... zu werben, einige Freunde machten die Vermittler und nach 17 Tagen war die Heirath geschlossen. Die Eheleute verließen Paris und zogen nach Glandier, dem einsamen Landaufenthalt Laffarge's, wo die an das glänzende Leben der Hauptstadt gewohnte junge Frau sich gar nicht heimlich fühlte; die etwas kleinstädtischen Manieren ihres Mannes trugen nicht dazu bei, sie die angenehme Zerstreuung von Paris vergessen zu lassen. In dieser peinlichen Stimmung schrieb sie an ihren Gatten einen Brief, worin sie ihm ihren Seelenzustand schilderte, ihm die Liebe gestand, die sie immer noch für jenen jungen Mann fühle, obwohl er ihrer unwürdig geworden. Sie erklärte zuletzt, sie wolle in die Einsamkeit flüchten und dort ein für immer gebrochenes Daseyn verbergen; wenn man sie daran hindern würde, wolle sie sich das Leben nehmen. Auf Hrn. Laffarge und seine Stiefmutter machte dieser Brief nur einen leichten Eindruck; sie hofften, die Exaltation der jungen Frau werde nicht lange dauern, sie vielmehr in ihr Schicksal sich fügen. Dieß schien in der That der Fall zu seyn. Sie gewann wenigstens äußerlich ihre Heiterkeit wieder, sie beschäftigte sich mit Reparaturen des alten Wohnhauses von Glandier und schien sich dort besser zu gefallen. Briefe, welche damals zwischen beiden Eheleuten gewechselt wurden, zeugen von der leidenschaftlichen Liebe Laffarge's für seine Frau und deren Neigung für ihn. Im Monat September 1839 reiste Laffarge, dessen Geschäfte in Verwirrung gerathen waren, nach Paris, um ein Patent für eine wichtige Entdeckung dort auszuwirken und ein Anlehn abzuschließen. Während seines Aufenthalts in Paris trug sich der erste Umstand zu, dessen die Anklage sich gegen Madame Laffarge bemächtigt hat. In einem ihrer Briefe voll zärtlicher Betheurungen schrieb sie ihrem Mann, sie habe Kuchen, die in Glandier gebacken worden, an ihn abgeschickt. Von diesen Kuchen möge er und ihre „vielgeliebte Schwester,“ für die sie stets die zärtlichste Neigung gezeigt hatte, an einem bestimmten Tag, zu einer bestimmten Stunde essen, während auch sie in Glandier zu derselben Zeit die gleiche Mahlzeit feiern und der Abwesenden gedenken wolle. Hr. Laffarge aß am 16 Dec. zur bezeichneten Stunde einen dieser Kuchen, fühlte bald darauf heftige Schmerzen und erbrach sich ... Dieß war nach der Meinung der Ankläger der erste Vergiftungsversuch. Indessen weiß man noch nicht, wer diese Kuchen gebacken; sie wurden ihr in Gegenwart ihrer Schwiegermutter und ihrer Dienstboten ins Zimmer gebracht und vor ihren Augen

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[0363/0003] diese, welche keine Verantwortlichkeit hat, spricht ins Gelage hinein, deckt jede Blöße des Landes auf, oder gibt sich doch das Ansehen es zu thun, während die verantwortlichen Minister oft da ein tiefes Stillschweigen beobachten müssen, wo sie sich triumphirend vertheidigen könnten. Das eigentliche Bataillenroß der Tories aber bleiben vor der Hand die Socialisten, welche der Bischof von Exeter darum so schwarz macht, weil von dem geworfenen Koth der größte Theil den Ministern ankleben soll. Owen selbst ist entzückt über diese Angriffe, indem er nun dem Volke sagen kann: „seht, es läßt sich gegen mein System durch Vernunft nicht kämpfen, deßwegen rufen die Pfaffen die Gewalt auf, und möchten uns zu Martyrern machen!“ Und wenn hie und da ein Bessergesinnter durch das gräßliche Gemälde von Gotteslästerung und Lastern, welches der Bischof mit so großer Beredsamkeit aufgestellt hat, sich von der Secte abwendet, so wird gewiß der leider so sehr verbreitete Haß gegen die Kirche und alle Autorität, so wie die natürliche Theilnahme für eine verfolgte Meinung, dem Schwärmer einen viel größeren Anhang verschaffen. Da jedoch die Ausführbarkeit seines Systems der Hauptsache nach, nämlich das Leben und Wirken in der Gemeinschaft, sich nur auf reine Gesinnung und Tugend bauen läßt, die meisten Anhänger aber offenbar ihm zuströmen, weil seine Theorie der Unverantwortlichkeit ihren lasterhaften Neigungen schmeichelt, so muß es trotz allem bischöflichen Verfolgungseifer bald wieder von selbst zerfallen. Sind doch alle praktischen Unternehmungen dieses Mannes in der alten wie in der neuen Welt fehlgeschlagen! – Das Unterhaus hat, mit beständiger Unterstützung Peels, gegen die Opposition einer bedeutenden Anzahl Tories, entschieden, daß Stockdale sowohl als sein Anwalt ins Gefängniß Newgate geschickt wurden, und daß die Sheriffs in Verhaft bleiben sollen. Indessen ist der Ton der letzten Debatten über diesen kitzlichen Gegenstand offenbar mäßiger; und man darf erwarten, daß bald Versuch gemacht werden wird, dem Haus sein Privilegium durch ein Gesetz zu sichern. Die Bürger Londons gebärden sich sehr unanständig bei der Sache; ihr Gelärm aber macht wenig Eindruck. Frankreich. _ Paris, 10 Febr. Der neueste Moniteur enthält nun officiell die Ernennung des Hrn. Guizot zum französischen Botschafter in London. * In der Sitzung der Deputirtenkammer am 10 Febr. ward der von der Pairskammer in der vorigen Session votirte Gesetzesentwurf über den k. Orden der Ehrenlegion verhandelt. Die Commission hatte nicht den Vorschlag gemacht, die Ernennungen mit den erloschenen Stellen in Verhältniß zu setzen, ein System, das von der Pairskammer verworfen worden war, sondern eine Ziffer festzustellen, welche bei den jährlichen Beförderungen nicht überschritten werden dürfe. Mehrere Redner ließen sich für und wider die Anträge der Commission vernehmen. Der Siegelbewahrer suchte besonders die Nachtheile dieses Systems darzuthun. Auch zeigte er, daß das Cabinet vom 12 Mai sehr sparsam in Austheilung von Legionskreuzen gewesen sey. Bei Abgang der Post war der Minister der öffentlichen Arbeiten auf der Tribune. (Commerce.) Man versichert, daß die Vermittelungspartei vorschlagen werde, die Dotation des Herzogs von Nemours auf 300,000 Fr. zu reduciren und so das Beispiel des englischen Parlaments zu befolgen, das die Summe für den Prinzen Albert um zwei Fünftheile vermindert hat. Wir glauben, man könnte etwas Besseres thun. Ueber die zu Glandier vorgefallene Vergiftungsgeschichte, von welcher ein Correspondent der Allgem. Zeitung Erwähnung machte, gibt die Gazette des Tribunaux in einem Schreiben aus Tulle einige Details: „Ein tiefes Geheimniß – schreibt der Berichterstatter – umhüllt noch diese Gräuelgeschichte. Laffarge war, sagt man, das Opfer eines längst schon listig ersonnenen Verbrechens. Aber die junge Frau, auf der gegenwärtig ein so entsetzlicher Verdacht haftet, sollte nicht auch sie vielleicht als das Opfer einer schrecklichen Rache ausersehen seyn? Ob die Nachforschungen der Justiz, denen die Angeklagte hätte entfliehen können, während sie dieselben selbst hervorgerufen hat, unter den dem Anschein nach sich so sehr widersprechenden Umständen die Wahrheit entdecken werden, ist vorauszusehen nicht möglich. Hier in Kürze, was man bis jetzt über diesen merkwürdigen Criminalfall erfahren. Fräulein C... hatte, ein Jahr vor ihrer Verheirathung mit Laffarge, in Paris einen jungen Mann zärtlich geliebt, dessen Eltern, wie die des Mädchens, in eine Heirath beider eingewilligt hatten. Das Fräulein erfuhr inzwischen, daß ihr Verlobter mit einem andern Mädchen in unerlaubter Verbindung lebe; sie gab ihm deßhalb den Abschied und sah ihn von diesem Tage an nicht wieder. Damals wurde Hr. Laffarge der Familie C... vorgestellt. Er hatte die Absicht, um Fräulein C... zu werben, einige Freunde machten die Vermittler und nach 17 Tagen war die Heirath geschlossen. Die Eheleute verließen Paris und zogen nach Glandier, dem einsamen Landaufenthalt Laffarge's, wo die an das glänzende Leben der Hauptstadt gewohnte junge Frau sich gar nicht heimlich fühlte; die etwas kleinstädtischen Manieren ihres Mannes trugen nicht dazu bei, sie die angenehme Zerstreuung von Paris vergessen zu lassen. In dieser peinlichen Stimmung schrieb sie an ihren Gatten einen Brief, worin sie ihm ihren Seelenzustand schilderte, ihm die Liebe gestand, die sie immer noch für jenen jungen Mann fühle, obwohl er ihrer unwürdig geworden. Sie erklärte zuletzt, sie wolle in die Einsamkeit flüchten und dort ein für immer gebrochenes Daseyn verbergen; wenn man sie daran hindern würde, wolle sie sich das Leben nehmen. Auf Hrn. Laffarge und seine Stiefmutter machte dieser Brief nur einen leichten Eindruck; sie hofften, die Exaltation der jungen Frau werde nicht lange dauern, sie vielmehr in ihr Schicksal sich fügen. Dieß schien in der That der Fall zu seyn. Sie gewann wenigstens äußerlich ihre Heiterkeit wieder, sie beschäftigte sich mit Reparaturen des alten Wohnhauses von Glandier und schien sich dort besser zu gefallen. Briefe, welche damals zwischen beiden Eheleuten gewechselt wurden, zeugen von der leidenschaftlichen Liebe Laffarge's für seine Frau und deren Neigung für ihn. Im Monat September 1839 reiste Laffarge, dessen Geschäfte in Verwirrung gerathen waren, nach Paris, um ein Patent für eine wichtige Entdeckung dort auszuwirken und ein Anlehn abzuschließen. Während seines Aufenthalts in Paris trug sich der erste Umstand zu, dessen die Anklage sich gegen Madame Laffarge bemächtigt hat. In einem ihrer Briefe voll zärtlicher Betheurungen schrieb sie ihrem Mann, sie habe Kuchen, die in Glandier gebacken worden, an ihn abgeschickt. Von diesen Kuchen möge er und ihre „vielgeliebte Schwester,“ für die sie stets die zärtlichste Neigung gezeigt hatte, an einem bestimmten Tag, zu einer bestimmten Stunde essen, während auch sie in Glandier zu derselben Zeit die gleiche Mahlzeit feiern und der Abwesenden gedenken wolle. Hr. Laffarge aß am 16 Dec. zur bezeichneten Stunde einen dieser Kuchen, fühlte bald darauf heftige Schmerzen und erbrach sich ... Dieß war nach der Meinung der Ankläger der erste Vergiftungsversuch. Indessen weiß man noch nicht, wer diese Kuchen gebacken; sie wurden ihr in Gegenwart ihrer Schwiegermutter und ihrer Dienstboten ins Zimmer gebracht und vor ihren Augen

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 46. Augsburg, 15. Februar 1840, S. 0363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_046_18400215/3>, abgerufen am 29.04.2024.