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Allgemeine Zeitung. Nr. 69. Augsburg, 9. März 1840.

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Tendenz eines solchen Gesetzes wäre mithin demoralisirend. Schon im Senate wurde hierüber Vieles hin- und hergesprochen, und der damalige Justizminister, Hr. Ernst, jetzt Professor bei der Universität Löwen, schlug den Mittelweg vor, in Fällen, wo der Tod oder schwere Verwundung erfolgt sey, das gewöhnliche Gesetz für hinreichend zu erklären, dabei aber der Jury die Ressource der "mildernden Umstände" zu überlassen, die sie jedesmal anwenden könne, wenn der Duellant Schonung verdiene. Der Senat modificirte hiernach sein Project, die Repräsentantenkammer scheint indessen das Ganze wieder umschmelzen zu wollen. Im Grunde käme es vor Allem auf ein wirksames Gesetz gegen Verleumdungen an, namentlich gegen diejenigen, die sich die schlechte Presse tagtäglich erlaubt. Die gegenwärtige Legislation ist hiegegen unzulänglich, auch hatte der Justizminister Ernst ein solches versprochen. Er ist indessen mit seinem Entwurfe nicht zu Stande gekommen, und obgleich sein gegenwärtiger Nachfolger, Hr. Raikem, ebenfalls die Nothwendigkeit eines solchen Gesetzes eingesteht, so scheint er doch noch gar nicht darauf vorbereitet, vor den Kammern mit einem derartigen Entwurf aufzutreten. Erst nach einigen Tagen werden die Debatten fortgesetzt werden können, da bei Gelegenheit des Carnevals die Kammer nicht mehr genug anwesende Mitglieder zählt.

Deutschland.

(Fortsetzung der Verhandlungen der zweiten Kammer über die hannover'sche Verfassungsangelegenheit.) Abg. Braun äußerte im Verfolg seiner sehr umfassenden Rede unter Anderm: "Ist der hohe Bund incompetent zur Schlichtung derartiger Wirren, so entsteht die Frage: gibt es keine andere verfassungsmäßige Macht in Deutschland, die diesem Berufe zu genügen gewilligt und berechtigt sey? Wir müssen ein Nein! antworten, ein Nein, das uns um so schmerzlicher ist, als darin zugleich die Affirmative liegt, daß Störungen des öffentlichen Rechtszustandes, wenn sie des nämlichen Ursprungs, wenn sie die nämlichen nach Inhalt, Zweck und Richtung wie die in Hannover sind, auf verfassungsmäßigem Weg in Deutschland nicht ausgeglichen werden können. Es fehlt nach dem in der eigenen Entscheidung des hohen Bundes über die hannover'sche Frage liegenden Princip das competente Tribunal einer helfenden, einer restituirenden Macht. Kann aber dieser Zustand der Dinge dem Freunde des deutschen Vaterlandes gleichgültig seyn? Kann es insonderheit den constitutionellen Völkern gleichgültig seyn, wenn in dem Buch ihres Staatsrechts das Blatt fehlt, das in den Fällen von Störungen des öffentlichen Rechtszustandes von oben her über die dagegen anzuwendenden gesetzlichen Mittel handelt, zumal ja den Störungen der nämlichen Art von unten in den weitläufigen Capiteln über Hochverrath etc. eine genaue und feste Norm gebende Behandlung zu Theil geworden ist? Wäre ihnen dieser Zustand gleichgültig, hätten die Nationen, oder was dasselbe ist, ihre Vertreter, kein Recht der Mitsprache darüber, kein Recht des Verlangens nach Abhülfe, nun, so müßte ihnen auch ihre rechtliche Existenz gleichgültig seyn, so müßten sie auch keine Befugniß haben, sich gegen Versuche der Beendigung dieser Existenz zu erklären.... Daß, so lange die Reichsgerichte in Deutschland nicht ersetzt sind, es an einer wahren Garantie des Rechts fehle, dieß erkannte auch, neben den von dem vorigen Sprecher angeführten Autoritäten, eben bei Beleuchtung der hannover'schen Verhältnisse ein Mann an, der vorzugsweise darüber zu sprechen befähigt ist, dieß sprach auch Stüve in seiner Schrift über den gegenwärtigen Zustand Hannovers aus.... Uebrigens spreche ich die vertrauensvolle Ueberzeugung aus, daß aus dem gegenwärtigen Kampfe zwischen zwei feindlichen Principien siegreich das Recht hervorgehen werde, indem, wenn auch die Frucht dieses uns gewiß gemeinsamen Wunsches nicht zeitigen wird unter der Sonne, die in den nächsten Sommern scheint, doch, ist auch das Wann ungewiß, das Daß sie reifen werde, in Gewißheit ruht. Denn sie wächst ja an dem Baume des Erkenntnisses, der trotz den Stürmen, die durch seine Wipfel ziehen, sicher steht auf deutschem Boden und mehr und mehr erstarkt; an dem Baume, der, wie er einst die Blüthe der Kirchenreformation getragen, so auch den Keim der politischen birgt; an dem Baume, unter dem die Geisterwelt verkehrt, und der nur von Aberglauben, sey er ein freiwilliger oder ein unfreiwilliger, als Geisterspuk bezeichnet und geflohen wird."

Secretär Hänsel äußerte unter Anderm: "Ich ehre den vorliegenden Bericht wegen seiner Gründlichkeit und ruhigen Haltung; doch bedaure ich, daß er in gewissen Beziehungen den Schleier nicht lüftet, daß er uns namentlich das vorenthält, was über das allerdings feste und unerschütterliche Vertrauen zu unserer Regierung einen neuen Glanz verbreiten würde. Doch ich fühle mich als Beamter noch zu einer Art von Vorwurf gegen den Bericht hingezogen. Er hebt nur das große Beispiel der sieben Göttinger Professoren heraus und berührt es kaum, daß abhängigere Männer, daß untere Beamte jede blutlose Waffe ergriffen und Alles aufgeopfert haben, um ihrem Vaterlande das höchste und heiligste Gut, das Recht, zu erhalten. Solchen Männern gebührt in unserer Kammer gleiche Anerkennung. Darum wünsche ich, daß die Deputation im Laufe der Debatte sich auch in dieser Beziehung rechtfertigen möge."

Abgeordnete Todt hielt eine Rede, welche viele Anfechtungen erlitt. Wer heben nur Folgendes aus, um den Gang der Debatten zu bezeichnen: "Um den Bericht zu vertheidigen, ist meine schwache Rede um so weniger erforderlich, als ein Angriff noch nicht erfolgt ist und wohl auch schwerlich erfolgen wird. Oder sollte ich mich irren, wenn ich mich der Hoffnung hingebe daß, wenn je ein Deputationsgutachten in einer hochwichtigen Angelegenheit in dieser Kammer einstimmig durchgegangen ist, es bei dem vorliegenden der Fall seyn werde? Wenn wir früher verschiedener Ansicht über den vorliegenden Gegenstand waren, so lag es darin, daß das traurige Ereigniß noch nicht so weit gediehen war, wie es gegenwärtig der Fall ist. Das Schreckliche ist geschehen! Ein in anerkannter Wirksamkeit bestandenes Staatsgrundgesetz ist zertrümmert, und unter den unheilvollen Schlägen dieses Wagnisses bebt ein bejammernswerthes Volk. Was im Gefolge eines solchen Umsturzes sich nur immer befinden kann, das tritt in unübersehbarer Reihe, wie ein großes Leichenbegängniß, vor unsern Blick. Deputirtenwahlen, durch bis zum Lächerlichen zusammengeschrumpfte Minoritäten - hervorgerufene ungesetzliche Landtage von einer Handvoll erkaufter Kammermitglieder - servile Adressen, die man, wenn man sie nicht erschleichen kann..."

Staatsminister v. Zeschau: "Wenn diese Rede, wie sie dermalen begonnen, ihren Fortgang nimmt, so muß das Ministerium darauf antragen, daß die fernere Verhandlung in geheimer Sitzung stattfinde."

Abg. Todt: "Es thut mir leid, dieß vernehmen zu müssen; ich glaube aber nicht, daß ich über die in der Verfassungsurkunde und Landtagsordnung mir gezogenen Schranken hinausgetreten bin. Um jedoch die angefangene Schilderung, wenn solche Schranken gezogen seyn sollen, zu unterbrechen, bemerke ich nur im Allgemeinen noch, daß in Hannover ein Zustand der Rechtlosigkeit eingetreten ist, der keine Beschreibung zuläßt. Was hat nun aber das Volk gethan, daß man ihm auf diese

Tendenz eines solchen Gesetzes wäre mithin demoralisirend. Schon im Senate wurde hierüber Vieles hin- und hergesprochen, und der damalige Justizminister, Hr. Ernst, jetzt Professor bei der Universität Löwen, schlug den Mittelweg vor, in Fällen, wo der Tod oder schwere Verwundung erfolgt sey, das gewöhnliche Gesetz für hinreichend zu erklären, dabei aber der Jury die Ressource der „mildernden Umstände“ zu überlassen, die sie jedesmal anwenden könne, wenn der Duellant Schonung verdiene. Der Senat modificirte hiernach sein Project, die Repräsentantenkammer scheint indessen das Ganze wieder umschmelzen zu wollen. Im Grunde käme es vor Allem auf ein wirksames Gesetz gegen Verleumdungen an, namentlich gegen diejenigen, die sich die schlechte Presse tagtäglich erlaubt. Die gegenwärtige Legislation ist hiegegen unzulänglich, auch hatte der Justizminister Ernst ein solches versprochen. Er ist indessen mit seinem Entwurfe nicht zu Stande gekommen, und obgleich sein gegenwärtiger Nachfolger, Hr. Raikem, ebenfalls die Nothwendigkeit eines solchen Gesetzes eingesteht, so scheint er doch noch gar nicht darauf vorbereitet, vor den Kammern mit einem derartigen Entwurf aufzutreten. Erst nach einigen Tagen werden die Debatten fortgesetzt werden können, da bei Gelegenheit des Carnevals die Kammer nicht mehr genug anwesende Mitglieder zählt.

Deutschland.

(Fortsetzung der Verhandlungen der zweiten Kammer über die hannover'sche Verfassungsangelegenheit.) Abg. Braun äußerte im Verfolg seiner sehr umfassenden Rede unter Anderm: „Ist der hohe Bund incompetent zur Schlichtung derartiger Wirren, so entsteht die Frage: gibt es keine andere verfassungsmäßige Macht in Deutschland, die diesem Berufe zu genügen gewilligt und berechtigt sey? Wir müssen ein Nein! antworten, ein Nein, das uns um so schmerzlicher ist, als darin zugleich die Affirmative liegt, daß Störungen des öffentlichen Rechtszustandes, wenn sie des nämlichen Ursprungs, wenn sie die nämlichen nach Inhalt, Zweck und Richtung wie die in Hannover sind, auf verfassungsmäßigem Weg in Deutschland nicht ausgeglichen werden können. Es fehlt nach dem in der eigenen Entscheidung des hohen Bundes über die hannover'sche Frage liegenden Princip das competente Tribunal einer helfenden, einer restituirenden Macht. Kann aber dieser Zustand der Dinge dem Freunde des deutschen Vaterlandes gleichgültig seyn? Kann es insonderheit den constitutionellen Völkern gleichgültig seyn, wenn in dem Buch ihres Staatsrechts das Blatt fehlt, das in den Fällen von Störungen des öffentlichen Rechtszustandes von oben her über die dagegen anzuwendenden gesetzlichen Mittel handelt, zumal ja den Störungen der nämlichen Art von unten in den weitläufigen Capiteln über Hochverrath etc. eine genaue und feste Norm gebende Behandlung zu Theil geworden ist? Wäre ihnen dieser Zustand gleichgültig, hätten die Nationen, oder was dasselbe ist, ihre Vertreter, kein Recht der Mitsprache darüber, kein Recht des Verlangens nach Abhülfe, nun, so müßte ihnen auch ihre rechtliche Existenz gleichgültig seyn, so müßten sie auch keine Befugniß haben, sich gegen Versuche der Beendigung dieser Existenz zu erklären.... Daß, so lange die Reichsgerichte in Deutschland nicht ersetzt sind, es an einer wahren Garantie des Rechts fehle, dieß erkannte auch, neben den von dem vorigen Sprecher angeführten Autoritäten, eben bei Beleuchtung der hannover'schen Verhältnisse ein Mann an, der vorzugsweise darüber zu sprechen befähigt ist, dieß sprach auch Stüve in seiner Schrift über den gegenwärtigen Zustand Hannovers aus.... Uebrigens spreche ich die vertrauensvolle Ueberzeugung aus, daß aus dem gegenwärtigen Kampfe zwischen zwei feindlichen Principien siegreich das Recht hervorgehen werde, indem, wenn auch die Frucht dieses uns gewiß gemeinsamen Wunsches nicht zeitigen wird unter der Sonne, die in den nächsten Sommern scheint, doch, ist auch das Wann ungewiß, das Daß sie reifen werde, in Gewißheit ruht. Denn sie wächst ja an dem Baume des Erkenntnisses, der trotz den Stürmen, die durch seine Wipfel ziehen, sicher steht auf deutschem Boden und mehr und mehr erstarkt; an dem Baume, der, wie er einst die Blüthe der Kirchenreformation getragen, so auch den Keim der politischen birgt; an dem Baume, unter dem die Geisterwelt verkehrt, und der nur von Aberglauben, sey er ein freiwilliger oder ein unfreiwilliger, als Geisterspuk bezeichnet und geflohen wird.“

Secretär Hänsel äußerte unter Anderm: „Ich ehre den vorliegenden Bericht wegen seiner Gründlichkeit und ruhigen Haltung; doch bedaure ich, daß er in gewissen Beziehungen den Schleier nicht lüftet, daß er uns namentlich das vorenthält, was über das allerdings feste und unerschütterliche Vertrauen zu unserer Regierung einen neuen Glanz verbreiten würde. Doch ich fühle mich als Beamter noch zu einer Art von Vorwurf gegen den Bericht hingezogen. Er hebt nur das große Beispiel der sieben Göttinger Professoren heraus und berührt es kaum, daß abhängigere Männer, daß untere Beamte jede blutlose Waffe ergriffen und Alles aufgeopfert haben, um ihrem Vaterlande das höchste und heiligste Gut, das Recht, zu erhalten. Solchen Männern gebührt in unserer Kammer gleiche Anerkennung. Darum wünsche ich, daß die Deputation im Laufe der Debatte sich auch in dieser Beziehung rechtfertigen möge.“

Abgeordnete Todt hielt eine Rede, welche viele Anfechtungen erlitt. Wer heben nur Folgendes aus, um den Gang der Debatten zu bezeichnen: „Um den Bericht zu vertheidigen, ist meine schwache Rede um so weniger erforderlich, als ein Angriff noch nicht erfolgt ist und wohl auch schwerlich erfolgen wird. Oder sollte ich mich irren, wenn ich mich der Hoffnung hingebe daß, wenn je ein Deputationsgutachten in einer hochwichtigen Angelegenheit in dieser Kammer einstimmig durchgegangen ist, es bei dem vorliegenden der Fall seyn werde? Wenn wir früher verschiedener Ansicht über den vorliegenden Gegenstand waren, so lag es darin, daß das traurige Ereigniß noch nicht so weit gediehen war, wie es gegenwärtig der Fall ist. Das Schreckliche ist geschehen! Ein in anerkannter Wirksamkeit bestandenes Staatsgrundgesetz ist zertrümmert, und unter den unheilvollen Schlägen dieses Wagnisses bebt ein bejammernswerthes Volk. Was im Gefolge eines solchen Umsturzes sich nur immer befinden kann, das tritt in unübersehbarer Reihe, wie ein großes Leichenbegängniß, vor unsern Blick. Deputirtenwahlen, durch bis zum Lächerlichen zusammengeschrumpfte Minoritäten – hervorgerufene ungesetzliche Landtage von einer Handvoll erkaufter Kammermitglieder – servile Adressen, die man, wenn man sie nicht erschleichen kann...“

Staatsminister v. Zeschau: „Wenn diese Rede, wie sie dermalen begonnen, ihren Fortgang nimmt, so muß das Ministerium darauf antragen, daß die fernere Verhandlung in geheimer Sitzung stattfinde.“

Abg. Todt: „Es thut mir leid, dieß vernehmen zu müssen; ich glaube aber nicht, daß ich über die in der Verfassungsurkunde und Landtagsordnung mir gezogenen Schranken hinausgetreten bin. Um jedoch die angefangene Schilderung, wenn solche Schranken gezogen seyn sollen, zu unterbrechen, bemerke ich nur im Allgemeinen noch, daß in Hannover ein Zustand der Rechtlosigkeit eingetreten ist, der keine Beschreibung zuläßt. Was hat nun aber das Volk gethan, daß man ihm auf diese

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[0548/0012] Tendenz eines solchen Gesetzes wäre mithin demoralisirend. Schon im Senate wurde hierüber Vieles hin- und hergesprochen, und der damalige Justizminister, Hr. Ernst, jetzt Professor bei der Universität Löwen, schlug den Mittelweg vor, in Fällen, wo der Tod oder schwere Verwundung erfolgt sey, das gewöhnliche Gesetz für hinreichend zu erklären, dabei aber der Jury die Ressource der „mildernden Umstände“ zu überlassen, die sie jedesmal anwenden könne, wenn der Duellant Schonung verdiene. Der Senat modificirte hiernach sein Project, die Repräsentantenkammer scheint indessen das Ganze wieder umschmelzen zu wollen. Im Grunde käme es vor Allem auf ein wirksames Gesetz gegen Verleumdungen an, namentlich gegen diejenigen, die sich die schlechte Presse tagtäglich erlaubt. Die gegenwärtige Legislation ist hiegegen unzulänglich, auch hatte der Justizminister Ernst ein solches versprochen. Er ist indessen mit seinem Entwurfe nicht zu Stande gekommen, und obgleich sein gegenwärtiger Nachfolger, Hr. Raikem, ebenfalls die Nothwendigkeit eines solchen Gesetzes eingesteht, so scheint er doch noch gar nicht darauf vorbereitet, vor den Kammern mit einem derartigen Entwurf aufzutreten. Erst nach einigen Tagen werden die Debatten fortgesetzt werden können, da bei Gelegenheit des Carnevals die Kammer nicht mehr genug anwesende Mitglieder zählt. Deutschland. _ Dresden. 24 Febr. (Fortsetzung der Verhandlungen der zweiten Kammer über die hannover'sche Verfassungsangelegenheit.) Abg. Braun äußerte im Verfolg seiner sehr umfassenden Rede unter Anderm: „Ist der hohe Bund incompetent zur Schlichtung derartiger Wirren, so entsteht die Frage: gibt es keine andere verfassungsmäßige Macht in Deutschland, die diesem Berufe zu genügen gewilligt und berechtigt sey? Wir müssen ein Nein! antworten, ein Nein, das uns um so schmerzlicher ist, als darin zugleich die Affirmative liegt, daß Störungen des öffentlichen Rechtszustandes, wenn sie des nämlichen Ursprungs, wenn sie die nämlichen nach Inhalt, Zweck und Richtung wie die in Hannover sind, auf verfassungsmäßigem Weg in Deutschland nicht ausgeglichen werden können. Es fehlt nach dem in der eigenen Entscheidung des hohen Bundes über die hannover'sche Frage liegenden Princip das competente Tribunal einer helfenden, einer restituirenden Macht. Kann aber dieser Zustand der Dinge dem Freunde des deutschen Vaterlandes gleichgültig seyn? Kann es insonderheit den constitutionellen Völkern gleichgültig seyn, wenn in dem Buch ihres Staatsrechts das Blatt fehlt, das in den Fällen von Störungen des öffentlichen Rechtszustandes von oben her über die dagegen anzuwendenden gesetzlichen Mittel handelt, zumal ja den Störungen der nämlichen Art von unten in den weitläufigen Capiteln über Hochverrath etc. eine genaue und feste Norm gebende Behandlung zu Theil geworden ist? Wäre ihnen dieser Zustand gleichgültig, hätten die Nationen, oder was dasselbe ist, ihre Vertreter, kein Recht der Mitsprache darüber, kein Recht des Verlangens nach Abhülfe, nun, so müßte ihnen auch ihre rechtliche Existenz gleichgültig seyn, so müßten sie auch keine Befugniß haben, sich gegen Versuche der Beendigung dieser Existenz zu erklären.... 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Denn sie wächst ja an dem Baume des Erkenntnisses, der trotz den Stürmen, die durch seine Wipfel ziehen, sicher steht auf deutschem Boden und mehr und mehr erstarkt; an dem Baume, der, wie er einst die Blüthe der Kirchenreformation getragen, so auch den Keim der politischen birgt; an dem Baume, unter dem die Geisterwelt verkehrt, und der nur von Aberglauben, sey er ein freiwilliger oder ein unfreiwilliger, als Geisterspuk bezeichnet und geflohen wird.“ Secretär Hänsel äußerte unter Anderm: „Ich ehre den vorliegenden Bericht wegen seiner Gründlichkeit und ruhigen Haltung; doch bedaure ich, daß er in gewissen Beziehungen den Schleier nicht lüftet, daß er uns namentlich das vorenthält, was über das allerdings feste und unerschütterliche Vertrauen zu unserer Regierung einen neuen Glanz verbreiten würde. Doch ich fühle mich als Beamter noch zu einer Art von Vorwurf gegen den Bericht hingezogen. Er hebt nur das große Beispiel der sieben Göttinger Professoren heraus und berührt es kaum, daß abhängigere Männer, daß untere Beamte jede blutlose Waffe ergriffen und Alles aufgeopfert haben, um ihrem Vaterlande das höchste und heiligste Gut, das Recht, zu erhalten. Solchen Männern gebührt in unserer Kammer gleiche Anerkennung. Darum wünsche ich, daß die Deputation im Laufe der Debatte sich auch in dieser Beziehung rechtfertigen möge.“ Abgeordnete Todt hielt eine Rede, welche viele Anfechtungen erlitt. Wer heben nur Folgendes aus, um den Gang der Debatten zu bezeichnen: „Um den Bericht zu vertheidigen, ist meine schwache Rede um so weniger erforderlich, als ein Angriff noch nicht erfolgt ist und wohl auch schwerlich erfolgen wird. Oder sollte ich mich irren, wenn ich mich der Hoffnung hingebe daß, wenn je ein Deputationsgutachten in einer hochwichtigen Angelegenheit in dieser Kammer einstimmig durchgegangen ist, es bei dem vorliegenden der Fall seyn werde? Wenn wir früher verschiedener Ansicht über den vorliegenden Gegenstand waren, so lag es darin, daß das traurige Ereigniß noch nicht so weit gediehen war, wie es gegenwärtig der Fall ist. Das Schreckliche ist geschehen! Ein in anerkannter Wirksamkeit bestandenes Staatsgrundgesetz ist zertrümmert, und unter den unheilvollen Schlägen dieses Wagnisses bebt ein bejammernswerthes Volk. Was im Gefolge eines solchen Umsturzes sich nur immer befinden kann, das tritt in unübersehbarer Reihe, wie ein großes Leichenbegängniß, vor unsern Blick. Deputirtenwahlen, durch bis zum Lächerlichen zusammengeschrumpfte Minoritäten – hervorgerufene ungesetzliche Landtage von einer Handvoll erkaufter Kammermitglieder – servile Adressen, die man, wenn man sie nicht erschleichen kann...“ Staatsminister v. Zeschau: „Wenn diese Rede, wie sie dermalen begonnen, ihren Fortgang nimmt, so muß das Ministerium darauf antragen, daß die fernere Verhandlung in geheimer Sitzung stattfinde.“ Abg. Todt: „Es thut mir leid, dieß vernehmen zu müssen; ich glaube aber nicht, daß ich über die in der Verfassungsurkunde und Landtagsordnung mir gezogenen Schranken hinausgetreten bin. Um jedoch die angefangene Schilderung, wenn solche Schranken gezogen seyn sollen, zu unterbrechen, bemerke ich nur im Allgemeinen noch, daß in Hannover ein Zustand der Rechtlosigkeit eingetreten ist, der keine Beschreibung zuläßt. Was hat nun aber das Volk gethan, daß man ihm auf diese

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 69. Augsburg, 9. März 1840, S. 0548. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_069_18400309/12>, abgerufen am 29.04.2024.