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Allgemeine Zeitung. Nr. 92. Augsburg, 1. April 1840.

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muß heute aufbrechen. Alles wird unter die Waffen getrieben, selbst die Kinderschulen; man sagt, ein Knabe könne immer, wenn man ihn das Schießen lehre, einen Mann todtschießen, und daher sollen auch die gegen den Feind marschiren. Aus Oberägypten erwartet man ansehnliche Verstärkungen; selbst die früher verschonten Oasen sind dießmal in Contribution gesetzt. Wenn alle diese buntscheckigen Truppen an irgend einem Ort versammelt sind, werde ich dort hinreisen, und Ihnen eine Schilderung derselben liefern, denn dort werden sich Menschen und Menschenracen versammeln, wie sie noch kein europäisches Auge sah. Alle bewohnten Länderstriche südlich von Tripolis werden zum großen Theil verlassen werden, um mit Wehr und Waffen dem Mehemed Ali zu Hülfe zu ziehen. Trotz aller seiner Tyrannei hat dieser Mann doch die große Kunst verstanden, sich überall Freunde zu erhalten, und zwar solche, die willig Alles opfern, wenn sein Hülferuf erschallt. Ist das nicht ein des Nachdenkens würdiger Gegenstand, und wenn Jemand sich damit abgibt, die Biographie eines solchen in jeder Hinsicht überaus merkwürdigen Mannes zu schreiben, ist es hinreichend, sie so hölzern, trocken und philisterhaft langweilig zu erzählen, wie es Hr. Rüppell bei Gelegenheit seiner Reise im Habesch thut, wo eigentlich diese Biographie gar nicht hingehört? Vergebens sucht man darin eine psychologische Beobachtung, nirgends findet sich eine Erklärung der Ursachen und ihrer überraschenden Wirkungen, überall vermißt man den Denker. Eine solche Biographie kommt mir immer vor, wie ein ausgestopfter Vogel, dem man die edelsten Theile herausgenommen, und allerhand Zeug hineingesteckt hat, bloß damit man mit seiner Haut prange.

Erst heute ist das gestern erwartete französische Dampfschiff gekommen, und hat wieder keine Briefe aus Frankreich mitgebracht, da das Dampfschiff von Malta nicht von Syra angekommen war. Wir wissen daher nicht, was man in Europa über die orientalischen Angelegenheiten entschieden hat. Der Pascha ist decidirt, nicht nachgeben zu wollen; er hat heute mit Sonnenuntergang Alexandria verlassen, und ist nach Kairo gereist, wo seine Anwesenheit für einige Tage sehr nothwendig ist. Er wird bald wieder zurückkehren; sollte etwas Wichtiges vorfallen, so kann er mit dem eisernen Dampfschiff in 24 Stunden von Kairo hier seyn. Ueber die Nationalgarde Alexandria's hat er sich geäußert, daß sie wohl auch auf den Schiffen zu gebrauchen sey, damit die Gevatter Schneider und Leineweber ein wenig das Klettern lernen, und gehörig ausgelüftet werden. Es geht das Gerücht von einer zu erscheinenden französischen Escadre, zu welchem Zweck weiß Niemand. Aus Syrien sind mehrere Generale hier eingetroffen, die bei der Vertheidigung Aegyptens verwendet werden sollen. Durch sie weiß man, daß die Districte von Jaffa, Jerusalem und Naplus bis über den Jordan hinaus stark mit Truppen besetzt sind. Ein dem Pascha feindlich gesinnter Consul hatte den Mißgriff begangen, in einem etwas heftigen Gespräch mit ihm sich zu äußern, daß eine Trennung Aegyptens von Syrien durch eine geschickte Landung wohl zu bewerkstelligen wäre, und daß ein solcher Plan wohl schon verabredet seyn möchte. Aber der Pascha wußte das auch, und hatte schon Befehl gegeben, dort Truppen aufzustellen; auf diese Aeußerung hin ließ er die Besatzung bedeutend verstärken. Vor einigen Tagen ist ein Courier aus Konstantinopel hier angekommen, der dem Pascha wichtige Nachrichten überbracht haben muß, denn gleich darauf sind die kriegerischen Rüstungen mit erneuter Thätigkeit betrieben worden. - Es werden immer noch einige Pestfälle signalisirt. Man sprach davon, die Marine in Quarantäne setzen zu wollen, was jedoch unterblieben ist. Die Ihnen aus einer andern Quelle so bestimmt berichtete Vermischung beider Flotten hat bis heute noch nicht stattgefunden. Mehemed Ali war Willens es zu thun, änderte aber in Folge dringender Vorstellungen diese Absicht. Dagegen ist die ganze türkische Flotte ägyptisch gekleidet, und wird mit ägyptischem Gelde gezahlt, zudem ist sie schon so fanatisirt, daß mehrere Europäer, die bei ihrem Exercierplatz vorüberritten, insultirt und unter unzähligen Giaurs und andern gebräuchlichen türkischen Politessen von den Soldaten mit Steinen geworfen wurden. Bei einem etwanigen Ausbruch würden diese Kerls den meisten Lärm machen, ob sie sich aber am besten gegen den Feind schlagen würden, ist eine andere Frage, welche die am besten beantworten können, welche die türkische Bravour bei Nisib kennen lernten.

Die levantische Post hat folgende Nachrichten aus Alexandrien vom 7 März gebracht: "Der Pascha ist nach Unterägypten abgereist; er geht zuerst nach Rosette, dann in das Delta und nach Cairo, und will sich selbst überzeugen, ob seine Befehle vollzogen worden sind, ob die Truppen die ihnen an gewissen Orten angewiesenen Stellungen besetzt hätten, und die Befestigungsarbeiten thätig betreiben. Die arabische Armee kehrt allmählich nach Syrien und nach Aegypten zurück; sie wird zur Vertheidigung dieser beiden Provinzen einen Effectivstand von 30,000 Mann regelmäßiger und kriegserfahrner Truppen liefern. Selim Pascha, der dieses Heer befehligte, ist nach Alexandrien zurückgekommen, und man hat ihm die Vertheidigung der Festungswerke dieses Platzes anvertraut. In Arabien ist nur ein Corps von 10,000 Mann unter dem Befehle Ismael Pascha's zur Beschützung der heiligen Orte zurückgeblieben. - Die Kriegsrüstungen werden überall mit größter Thätigkeit betrieben. Man vervollständigt in Syrien und Aegypten die Werke der Festungen und versieht diese mit Lebensmitteln und Munition. Zahlreiche Corps sind in einer gewissen Entfernung von den Küsten staffelförmig aufgestellt, und Ibrahim hält seine Armee in voller Zahl, da er vernommen hat, daß die türkische Armee sich zu Malatia und Koniah neu organisire und auf ein russisches Hülfscorps von 30,000 Mann rechne.

Berichtigung.

In der gestrigen Beilage S. 721 Sp. 1 Z. 3 lese man (Fall eines Engels) statt (Jocelyn).

muß heute aufbrechen. Alles wird unter die Waffen getrieben, selbst die Kinderschulen; man sagt, ein Knabe könne immer, wenn man ihn das Schießen lehre, einen Mann todtschießen, und daher sollen auch die gegen den Feind marschiren. Aus Oberägypten erwartet man ansehnliche Verstärkungen; selbst die früher verschonten Oasen sind dießmal in Contribution gesetzt. Wenn alle diese buntscheckigen Truppen an irgend einem Ort versammelt sind, werde ich dort hinreisen, und Ihnen eine Schilderung derselben liefern, denn dort werden sich Menschen und Menschenracen versammeln, wie sie noch kein europäisches Auge sah. Alle bewohnten Länderstriche südlich von Tripolis werden zum großen Theil verlassen werden, um mit Wehr und Waffen dem Mehemed Ali zu Hülfe zu ziehen. Trotz aller seiner Tyrannei hat dieser Mann doch die große Kunst verstanden, sich überall Freunde zu erhalten, und zwar solche, die willig Alles opfern, wenn sein Hülferuf erschallt. Ist das nicht ein des Nachdenkens würdiger Gegenstand, und wenn Jemand sich damit abgibt, die Biographie eines solchen in jeder Hinsicht überaus merkwürdigen Mannes zu schreiben, ist es hinreichend, sie so hölzern, trocken und philisterhaft langweilig zu erzählen, wie es Hr. Rüppell bei Gelegenheit seiner Reise im Habesch thut, wo eigentlich diese Biographie gar nicht hingehört? Vergebens sucht man darin eine psychologische Beobachtung, nirgends findet sich eine Erklärung der Ursachen und ihrer überraschenden Wirkungen, überall vermißt man den Denker. Eine solche Biographie kommt mir immer vor, wie ein ausgestopfter Vogel, dem man die edelsten Theile herausgenommen, und allerhand Zeug hineingesteckt hat, bloß damit man mit seiner Haut prange.

Erst heute ist das gestern erwartete französische Dampfschiff gekommen, und hat wieder keine Briefe aus Frankreich mitgebracht, da das Dampfschiff von Malta nicht von Syra angekommen war. Wir wissen daher nicht, was man in Europa über die orientalischen Angelegenheiten entschieden hat. Der Pascha ist decidirt, nicht nachgeben zu wollen; er hat heute mit Sonnenuntergang Alexandria verlassen, und ist nach Kairo gereist, wo seine Anwesenheit für einige Tage sehr nothwendig ist. Er wird bald wieder zurückkehren; sollte etwas Wichtiges vorfallen, so kann er mit dem eisernen Dampfschiff in 24 Stunden von Kairo hier seyn. Ueber die Nationalgarde Alexandria's hat er sich geäußert, daß sie wohl auch auf den Schiffen zu gebrauchen sey, damit die Gevatter Schneider und Leineweber ein wenig das Klettern lernen, und gehörig ausgelüftet werden. Es geht das Gerücht von einer zu erscheinenden französischen Escadre, zu welchem Zweck weiß Niemand. Aus Syrien sind mehrere Generale hier eingetroffen, die bei der Vertheidigung Aegyptens verwendet werden sollen. Durch sie weiß man, daß die Districte von Jaffa, Jerusalem und Naplus bis über den Jordan hinaus stark mit Truppen besetzt sind. Ein dem Pascha feindlich gesinnter Consul hatte den Mißgriff begangen, in einem etwas heftigen Gespräch mit ihm sich zu äußern, daß eine Trennung Aegyptens von Syrien durch eine geschickte Landung wohl zu bewerkstelligen wäre, und daß ein solcher Plan wohl schon verabredet seyn möchte. Aber der Pascha wußte das auch, und hatte schon Befehl gegeben, dort Truppen aufzustellen; auf diese Aeußerung hin ließ er die Besatzung bedeutend verstärken. Vor einigen Tagen ist ein Courier aus Konstantinopel hier angekommen, der dem Pascha wichtige Nachrichten überbracht haben muß, denn gleich darauf sind die kriegerischen Rüstungen mit erneuter Thätigkeit betrieben worden. – Es werden immer noch einige Pestfälle signalisirt. Man sprach davon, die Marine in Quarantäne setzen zu wollen, was jedoch unterblieben ist. Die Ihnen aus einer andern Quelle so bestimmt berichtete Vermischung beider Flotten hat bis heute noch nicht stattgefunden. Mehemed Ali war Willens es zu thun, änderte aber in Folge dringender Vorstellungen diese Absicht. Dagegen ist die ganze türkische Flotte ägyptisch gekleidet, und wird mit ägyptischem Gelde gezahlt, zudem ist sie schon so fanatisirt, daß mehrere Europäer, die bei ihrem Exercierplatz vorüberritten, insultirt und unter unzähligen Giaurs und andern gebräuchlichen türkischen Politessen von den Soldaten mit Steinen geworfen wurden. Bei einem etwanigen Ausbruch würden diese Kerls den meisten Lärm machen, ob sie sich aber am besten gegen den Feind schlagen würden, ist eine andere Frage, welche die am besten beantworten können, welche die türkische Bravour bei Nisib kennen lernten.

Die levantische Post hat folgende Nachrichten aus Alexandrien vom 7 März gebracht: „Der Pascha ist nach Unterägypten abgereist; er geht zuerst nach Rosette, dann in das Delta und nach Cairo, und will sich selbst überzeugen, ob seine Befehle vollzogen worden sind, ob die Truppen die ihnen an gewissen Orten angewiesenen Stellungen besetzt hätten, und die Befestigungsarbeiten thätig betreiben. Die arabische Armee kehrt allmählich nach Syrien und nach Aegypten zurück; sie wird zur Vertheidigung dieser beiden Provinzen einen Effectivstand von 30,000 Mann regelmäßiger und kriegserfahrner Truppen liefern. Selim Pascha, der dieses Heer befehligte, ist nach Alexandrien zurückgekommen, und man hat ihm die Vertheidigung der Festungswerke dieses Platzes anvertraut. In Arabien ist nur ein Corps von 10,000 Mann unter dem Befehle Ismael Pascha's zur Beschützung der heiligen Orte zurückgeblieben. – Die Kriegsrüstungen werden überall mit größter Thätigkeit betrieben. Man vervollständigt in Syrien und Aegypten die Werke der Festungen und versieht diese mit Lebensmitteln und Munition. Zahlreiche Corps sind in einer gewissen Entfernung von den Küsten staffelförmig aufgestellt, und Ibrahim hält seine Armee in voller Zahl, da er vernommen hat, daß die türkische Armee sich zu Malatia und Koniah neu organisire und auf ein russisches Hülfscorps von 30,000 Mann rechne.

Berichtigung.

In der gestrigen Beilage S. 721 Sp. 1 Z. 3 lese man (Fall eines Engels) statt (Jocelyn).

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[0736/0008] muß heute aufbrechen. Alles wird unter die Waffen getrieben, selbst die Kinderschulen; man sagt, ein Knabe könne immer, wenn man ihn das Schießen lehre, einen Mann todtschießen, und daher sollen auch die gegen den Feind marschiren. Aus Oberägypten erwartet man ansehnliche Verstärkungen; selbst die früher verschonten Oasen sind dießmal in Contribution gesetzt. Wenn alle diese buntscheckigen Truppen an irgend einem Ort versammelt sind, werde ich dort hinreisen, und Ihnen eine Schilderung derselben liefern, denn dort werden sich Menschen und Menschenracen versammeln, wie sie noch kein europäisches Auge sah. Alle bewohnten Länderstriche südlich von Tripolis werden zum großen Theil verlassen werden, um mit Wehr und Waffen dem Mehemed Ali zu Hülfe zu ziehen. Trotz aller seiner Tyrannei hat dieser Mann doch die große Kunst verstanden, sich überall Freunde zu erhalten, und zwar solche, die willig Alles opfern, wenn sein Hülferuf erschallt. Ist das nicht ein des Nachdenkens würdiger Gegenstand, und wenn Jemand sich damit abgibt, die Biographie eines solchen in jeder Hinsicht überaus merkwürdigen Mannes zu schreiben, ist es hinreichend, sie so hölzern, trocken und philisterhaft langweilig zu erzählen, wie es Hr. Rüppell bei Gelegenheit seiner Reise im Habesch thut, wo eigentlich diese Biographie gar nicht hingehört? Vergebens sucht man darin eine psychologische Beobachtung, nirgends findet sich eine Erklärung der Ursachen und ihrer überraschenden Wirkungen, überall vermißt man den Denker. Eine solche Biographie kommt mir immer vor, wie ein ausgestopfter Vogel, dem man die edelsten Theile herausgenommen, und allerhand Zeug hineingesteckt hat, bloß damit man mit seiner Haut prange. _ Alexandria, 6 März. Erst heute ist das gestern erwartete französische Dampfschiff gekommen, und hat wieder keine Briefe aus Frankreich mitgebracht, da das Dampfschiff von Malta nicht von Syra angekommen war. Wir wissen daher nicht, was man in Europa über die orientalischen Angelegenheiten entschieden hat. Der Pascha ist decidirt, nicht nachgeben zu wollen; er hat heute mit Sonnenuntergang Alexandria verlassen, und ist nach Kairo gereist, wo seine Anwesenheit für einige Tage sehr nothwendig ist. Er wird bald wieder zurückkehren; sollte etwas Wichtiges vorfallen, so kann er mit dem eisernen Dampfschiff in 24 Stunden von Kairo hier seyn. Ueber die Nationalgarde Alexandria's hat er sich geäußert, daß sie wohl auch auf den Schiffen zu gebrauchen sey, damit die Gevatter Schneider und Leineweber ein wenig das Klettern lernen, und gehörig ausgelüftet werden. Es geht das Gerücht von einer zu erscheinenden französischen Escadre, zu welchem Zweck weiß Niemand. Aus Syrien sind mehrere Generale hier eingetroffen, die bei der Vertheidigung Aegyptens verwendet werden sollen. Durch sie weiß man, daß die Districte von Jaffa, Jerusalem und Naplus bis über den Jordan hinaus stark mit Truppen besetzt sind. Ein dem Pascha feindlich gesinnter Consul hatte den Mißgriff begangen, in einem etwas heftigen Gespräch mit ihm sich zu äußern, daß eine Trennung Aegyptens von Syrien durch eine geschickte Landung wohl zu bewerkstelligen wäre, und daß ein solcher Plan wohl schon verabredet seyn möchte. Aber der Pascha wußte das auch, und hatte schon Befehl gegeben, dort Truppen aufzustellen; auf diese Aeußerung hin ließ er die Besatzung bedeutend verstärken. Vor einigen Tagen ist ein Courier aus Konstantinopel hier angekommen, der dem Pascha wichtige Nachrichten überbracht haben muß, denn gleich darauf sind die kriegerischen Rüstungen mit erneuter Thätigkeit betrieben worden. – Es werden immer noch einige Pestfälle signalisirt. Man sprach davon, die Marine in Quarantäne setzen zu wollen, was jedoch unterblieben ist. Die Ihnen aus einer andern Quelle so bestimmt berichtete Vermischung beider Flotten hat bis heute noch nicht stattgefunden. Mehemed Ali war Willens es zu thun, änderte aber in Folge dringender Vorstellungen diese Absicht. Dagegen ist die ganze türkische Flotte ägyptisch gekleidet, und wird mit ägyptischem Gelde gezahlt, zudem ist sie schon so fanatisirt, daß mehrere Europäer, die bei ihrem Exercierplatz vorüberritten, insultirt und unter unzähligen Giaurs und andern gebräuchlichen türkischen Politessen von den Soldaten mit Steinen geworfen wurden. Bei einem etwanigen Ausbruch würden diese Kerls den meisten Lärm machen, ob sie sich aber am besten gegen den Feind schlagen würden, ist eine andere Frage, welche die am besten beantworten können, welche die türkische Bravour bei Nisib kennen lernten. _ Toulon, 24 März. Die levantische Post hat folgende Nachrichten aus Alexandrien vom 7 März gebracht: „Der Pascha ist nach Unterägypten abgereist; er geht zuerst nach Rosette, dann in das Delta und nach Cairo, und will sich selbst überzeugen, ob seine Befehle vollzogen worden sind, ob die Truppen die ihnen an gewissen Orten angewiesenen Stellungen besetzt hätten, und die Befestigungsarbeiten thätig betreiben. Die arabische Armee kehrt allmählich nach Syrien und nach Aegypten zurück; sie wird zur Vertheidigung dieser beiden Provinzen einen Effectivstand von 30,000 Mann regelmäßiger und kriegserfahrner Truppen liefern. Selim Pascha, der dieses Heer befehligte, ist nach Alexandrien zurückgekommen, und man hat ihm die Vertheidigung der Festungswerke dieses Platzes anvertraut. In Arabien ist nur ein Corps von 10,000 Mann unter dem Befehle Ismael Pascha's zur Beschützung der heiligen Orte zurückgeblieben. – Die Kriegsrüstungen werden überall mit größter Thätigkeit betrieben. Man vervollständigt in Syrien und Aegypten die Werke der Festungen und versieht diese mit Lebensmitteln und Munition. Zahlreiche Corps sind in einer gewissen Entfernung von den Küsten staffelförmig aufgestellt, und Ibrahim hält seine Armee in voller Zahl, da er vernommen hat, daß die türkische Armee sich zu Malatia und Koniah neu organisire und auf ein russisches Hülfscorps von 30,000 Mann rechne. Berichtigung. In der gestrigen Beilage S. 721 Sp. 1 Z. 3 lese man (Fall eines Engels) statt (Jocelyn).

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 92. Augsburg, 1. April 1840, S. 0736. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_092_18400401/8>, abgerufen am 27.04.2024.