Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 103. Augsburg, 12. April 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Habsburg rühmlich bekannte Fürst Lichnowsky aus Mailand hier eingetroffen; sein Sohn, Fürst Felix Lichnowsky, verweilt schon seit einiger Zeit in unserer Stadt.

Wir haben mit unseren ansehnlichen musikalischen Mitteln ehegestern ein neues Oratorium: "die Zerstörung von Jerusalem" aufführen gehört, dessen Componist, Ferdinand Hiller aus Frankfurt a. M., sich darin der erfreulicheren Richtung anschließt, welche die neuere geistliche Musik durch Mendelssohn-Bartholdy's Paulus erhalten hat. Der elegische Grundton des Ganzen erinnert an den Geist der besseren Arbeiten der Düsseldorfer Malerschule, und erreicht in dem Klagelied des Jeremias die eigenthümlichste Ausbildung; wir vermissen nur eine dem Gegenstande angemessene vielseitigere und vollere Kraftentwicklung. - Von Mendelssohn-Bartholdy, der zur Zeit fast der gefeiertste Mann Leipzigs ist, haben wir in seinen Liederheften neuerdings ein Geschenk erhalten, das zu den bedeutendsten Erscheinungen im Gebiete der Musik zu rechnen ist. Er bringt durch die Gefühlstiefe und classische Einfachheit seiner Frühlings- und Volkslieder eine hinreißende Wirkung hervor. Der Mahnungen ergehen immer mehrere an ihn, seine Kräfte auch einmal an einer Oper zu versuchen, und sich damit, wie nicht anders von ihm zu erwarten, dem verderblichen neuesten Geschmacke entgegen zu stellen. - Friedrich v. Raumers in statistischer Hinsicht so bedeutende Briefe über Italien haben so eben bei Brockhaus die Presse verlassen und gewinnen durch die neuesten Ereignisse im Königreich Neapel ein zweifaches Interesse. Sie stellen die verrufene Angelegenheit des sicilischen Schwefelmonopols in ein vollkommen klares Licht, und lassen auf den Minister S. Angelo einen schweren Stein fallen. Nach Raumer meinte es nur der entlassene Fürst von Cassaro mit dem Lande redlich. - Auch das seit so langen Jahren verzögerte Erscheinen von Hagens Minnesingern läßt uns die Barth'sche Verlagshandlung noch immer vergebens harren, und es ist fast unglaublich, wie weit sie ihr in dieser Hinsicht so eigenthümliches System durchführt. - Professor Albrecht aus Göttingen verweilt und liest fortwährend auf unserer Universität, und man begreift nicht, warum eine öffentliche Anstellung dieses Gelehrten, den man doch von keiner Seite hier ungern sieht, nicht bewerkstelligt werden kann. - Wir treffen bereits Anstalten zur Feier des Buchdruckerfestes, und sehen den Bau des auf dreitausend Personen berechneten Festsaales auf dem Grimmaischen Platze beginnen. Unsere Stadt dürfte beinahe zu klein zur Aufnahme der erwarteten Fremden werden, welche die Bevölkerung vielleicht um das Doppelte erhöhen.

Senator Jenisch, der seit einiger Zeit von Kopenhagen zurückgekommen ist, rühmt die freundschaftlichen Gesinnungen der dortigen Regierung gegen die Hansestädte. Sie scheint nun überzeugt, daß der Wohlstand Holsteins von dem blühenden Handel Hamburgs und Lübecks bedungen wird, daß also die Interessen des Herzogthums mit denen der Städte innigst verwebt sind. Um die Unterhandlungen, welche er angeknüpft, fortzusetzen, und wo möglich abzuschließen, werden sich der Senator Müller von Lübeck und der Syndicus Dr. Sieveking von hier binnen kurzem nach der dänischen Hauptstadt begeben. Es ist sehr zu wünschen, daß die Regierungen zugleich mit der streitigen Zollfrage sich auch über die Eisenbahnangelegenheit verständigen. Zwar ist die Altona-Hamburg-Lübecker Eisenbahngesellschaft längst aufgelöst; aber sobald die gouvernementalen Behinderungen aus dem Wege geräumt sind, werden die Capitalien nicht lange auf sich warten lassen, hier, wo es sich um eine nur 7 Meilen lange Bahn ohne die geringsten Territorialschwierigkeiten handelt, die nicht nur zwei volkreiche in starkem Verkehr stehende Seehäfen verbinden, sondern die über diesen kurzen Isthmus zwei große Meere vereinigen soll. Gewiß ist dieses nicht allein eine deutsche, es ist eine europäische Angelegenheit, welche von aufgeklärten Regierungen befördert werden muß. Wir dürfen uns daher der Hoffnung hingeben, diesen Wunsch erfüllt zu sehen.

Oesterreich.

Zu den merkwürdigsten Erscheinungen der Zeit gehört ohne Zweifel der Umstand, daß in der österreichischen Monarchie nicht selten Acte der Gesetzgebung und Regierung vorkommen, die in jedem andern Lande hundert Federn in Bewegung setzen, alle Zeitungen füllen, und der Regierung das, was man Popularität nennt, im Ueberflusse verschaffen würden, wenn sie dessen bedürfte, hier aber ruhig, ohne Aufregung, ja fast ohne sonderlich besprochen zu werden, vorübergehen. Nachdem im Jahr 1835 die wegen politischer Verbrechen Verurtheilten in so weit begnadigt waren, daß sie, wenn sie es wünschten, der Kerkerstrafe entlassen und nach Amerika deportirt werden konnten, wurden im Jahr 1838 bei der Mailänder Krönung die übrigen, aus demselben Grunde noch in Haft befindlicheu Individuen ebenfalls in Freiheit gesetzt, und den im Auslande sich aufhaltenden Flüchtlingen die Rückkehr gestattet. - Vor wenigen Wochen hat nun, wie ich aus sicherer Quelle erfahre, der Kaiser aus eigner Bewegung nicht nur jene begnadigt, die wegen der genannten Verbrechen in contumaciam verurtheilt waren, sondern auch den eben Genannten, so wie den im Jahr 1835 Deportirten die Rückkehr in die Heimath gestattet. Ebenso erfreulich und wahrhaft rührend, wie der Act der Gnade selbst, ist die fast unscheinbare, alle Ostentation, alles Aufsehen geflissentlich vermeidende Form desselben. Kein Patent verkündete die geschehene Begnadigung; es erging auch keine öffentliche Bekanntmachung anderer Art, sondern es wurden einfach die betreffenden Behörden von dem kaiserlichen Willen in Kenntniß gesetzt und die Begnadigten selbst durch die kaiserlichen Gesandten von einem Acte verständigt, der ihnen eine Gnade gewährte, auf die sie kaum gehofft und um welche zu bitten sie nicht gewagt hatten. Graf Gonfalonieri ist bereits nach Mailand zurückgekehrt.

Aegypten.

Der Pascha kehrte am 13 wieder aus Kairo zurück, um die aus Europa erwarteten Depeschen in Empfang zu nehmen. Er ward jedoch getäuscht, da die Marseiller Post wieder ausblieb, während ein Dampfschiff, das der Pascha kaufen wird, in neun Tagen aus Livorno kam. Das Ausbleiben der französischen Post ist diesen Winter so häufig geschehen, daß man hier anfängt zu glauben, es geschehe absichtlich, von anderer Seite wird behauptet, die Maschinen seyen durch den dreijährigen Dienst zu abgenutzt, und wenn die Postdampfboote nicht bald mit andern versehen würden, höre die Dampfbootcommunication bald auf. Neues gibt es gar nichts. Die kriegerischen Rüstungen werden nach wie vor fortgesetzt. Ein Theil der erwarteten Infanterie ist angekommen. Auch die Artillerieschule von Tursa hat den bestimmten Befehl erhalten, sich nach Alexandria einzuschiffen; sie wird hier in das Artillerieregiment eingereiht werden. Ein anderes Artillerieregiment mit 10 Batterien wird ebenfalls hier erwartet. Ueber diese ganze hier versammelte Truppenmasse hat der aus dem Hedschas zurückgekehrte Selim Pascha den Oberbefehl erhalten. Erst dann werden die bedrohten Punkte besetzt, und überhaupt die geeigneten Vertheidigungsmaaßregeln ergriffen werden, wenn die Nachrichten aus Europa bestimmter lauten.

Habsburg rühmlich bekannte Fürst Lichnowsky aus Mailand hier eingetroffen; sein Sohn, Fürst Felix Lichnowsky, verweilt schon seit einiger Zeit in unserer Stadt.

Wir haben mit unseren ansehnlichen musikalischen Mitteln ehegestern ein neues Oratorium: „die Zerstörung von Jerusalem“ aufführen gehört, dessen Componist, Ferdinand Hiller aus Frankfurt a. M., sich darin der erfreulicheren Richtung anschließt, welche die neuere geistliche Musik durch Mendelssohn-Bartholdy's Paulus erhalten hat. Der elegische Grundton des Ganzen erinnert an den Geist der besseren Arbeiten der Düsseldorfer Malerschule, und erreicht in dem Klagelied des Jeremias die eigenthümlichste Ausbildung; wir vermissen nur eine dem Gegenstande angemessene vielseitigere und vollere Kraftentwicklung. – Von Mendelssohn-Bartholdy, der zur Zeit fast der gefeiertste Mann Leipzigs ist, haben wir in seinen Liederheften neuerdings ein Geschenk erhalten, das zu den bedeutendsten Erscheinungen im Gebiete der Musik zu rechnen ist. Er bringt durch die Gefühlstiefe und classische Einfachheit seiner Frühlings- und Volkslieder eine hinreißende Wirkung hervor. Der Mahnungen ergehen immer mehrere an ihn, seine Kräfte auch einmal an einer Oper zu versuchen, und sich damit, wie nicht anders von ihm zu erwarten, dem verderblichen neuesten Geschmacke entgegen zu stellen. – Friedrich v. Raumers in statistischer Hinsicht so bedeutende Briefe über Italien haben so eben bei Brockhaus die Presse verlassen und gewinnen durch die neuesten Ereignisse im Königreich Neapel ein zweifaches Interesse. Sie stellen die verrufene Angelegenheit des sicilischen Schwefelmonopols in ein vollkommen klares Licht, und lassen auf den Minister S. Angelo einen schweren Stein fallen. Nach Raumer meinte es nur der entlassene Fürst von Cassaro mit dem Lande redlich. – Auch das seit so langen Jahren verzögerte Erscheinen von Hagens Minnesingern läßt uns die Barth'sche Verlagshandlung noch immer vergebens harren, und es ist fast unglaublich, wie weit sie ihr in dieser Hinsicht so eigenthümliches System durchführt. – Professor Albrecht aus Göttingen verweilt und liest fortwährend auf unserer Universität, und man begreift nicht, warum eine öffentliche Anstellung dieses Gelehrten, den man doch von keiner Seite hier ungern sieht, nicht bewerkstelligt werden kann. – Wir treffen bereits Anstalten zur Feier des Buchdruckerfestes, und sehen den Bau des auf dreitausend Personen berechneten Festsaales auf dem Grimmaischen Platze beginnen. Unsere Stadt dürfte beinahe zu klein zur Aufnahme der erwarteten Fremden werden, welche die Bevölkerung vielleicht um das Doppelte erhöhen.

Senator Jenisch, der seit einiger Zeit von Kopenhagen zurückgekommen ist, rühmt die freundschaftlichen Gesinnungen der dortigen Regierung gegen die Hansestädte. Sie scheint nun überzeugt, daß der Wohlstand Holsteins von dem blühenden Handel Hamburgs und Lübecks bedungen wird, daß also die Interessen des Herzogthums mit denen der Städte innigst verwebt sind. Um die Unterhandlungen, welche er angeknüpft, fortzusetzen, und wo möglich abzuschließen, werden sich der Senator Müller von Lübeck und der Syndicus Dr. Sieveking von hier binnen kurzem nach der dänischen Hauptstadt begeben. Es ist sehr zu wünschen, daß die Regierungen zugleich mit der streitigen Zollfrage sich auch über die Eisenbahnangelegenheit verständigen. Zwar ist die Altona-Hamburg-Lübecker Eisenbahngesellschaft längst aufgelöst; aber sobald die gouvernementalen Behinderungen aus dem Wege geräumt sind, werden die Capitalien nicht lange auf sich warten lassen, hier, wo es sich um eine nur 7 Meilen lange Bahn ohne die geringsten Territorialschwierigkeiten handelt, die nicht nur zwei volkreiche in starkem Verkehr stehende Seehäfen verbinden, sondern die über diesen kurzen Isthmus zwei große Meere vereinigen soll. Gewiß ist dieses nicht allein eine deutsche, es ist eine europäische Angelegenheit, welche von aufgeklärten Regierungen befördert werden muß. Wir dürfen uns daher der Hoffnung hingeben, diesen Wunsch erfüllt zu sehen.

Oesterreich.

Zu den merkwürdigsten Erscheinungen der Zeit gehört ohne Zweifel der Umstand, daß in der österreichischen Monarchie nicht selten Acte der Gesetzgebung und Regierung vorkommen, die in jedem andern Lande hundert Federn in Bewegung setzen, alle Zeitungen füllen, und der Regierung das, was man Popularität nennt, im Ueberflusse verschaffen würden, wenn sie dessen bedürfte, hier aber ruhig, ohne Aufregung, ja fast ohne sonderlich besprochen zu werden, vorübergehen. Nachdem im Jahr 1835 die wegen politischer Verbrechen Verurtheilten in so weit begnadigt waren, daß sie, wenn sie es wünschten, der Kerkerstrafe entlassen und nach Amerika deportirt werden konnten, wurden im Jahr 1838 bei der Mailänder Krönung die übrigen, aus demselben Grunde noch in Haft befindlicheu Individuen ebenfalls in Freiheit gesetzt, und den im Auslande sich aufhaltenden Flüchtlingen die Rückkehr gestattet. – Vor wenigen Wochen hat nun, wie ich aus sicherer Quelle erfahre, der Kaiser aus eigner Bewegung nicht nur jene begnadigt, die wegen der genannten Verbrechen in contumaciam verurtheilt waren, sondern auch den eben Genannten, so wie den im Jahr 1835 Deportirten die Rückkehr in die Heimath gestattet. Ebenso erfreulich und wahrhaft rührend, wie der Act der Gnade selbst, ist die fast unscheinbare, alle Ostentation, alles Aufsehen geflissentlich vermeidende Form desselben. Kein Patent verkündete die geschehene Begnadigung; es erging auch keine öffentliche Bekanntmachung anderer Art, sondern es wurden einfach die betreffenden Behörden von dem kaiserlichen Willen in Kenntniß gesetzt und die Begnadigten selbst durch die kaiserlichen Gesandten von einem Acte verständigt, der ihnen eine Gnade gewährte, auf die sie kaum gehofft und um welche zu bitten sie nicht gewagt hatten. Graf Gonfalonieri ist bereits nach Mailand zurückgekehrt.

Aegypten.

Der Pascha kehrte am 13 wieder aus Kairo zurück, um die aus Europa erwarteten Depeschen in Empfang zu nehmen. Er ward jedoch getäuscht, da die Marseiller Post wieder ausblieb, während ein Dampfschiff, das der Pascha kaufen wird, in neun Tagen aus Livorno kam. Das Ausbleiben der französischen Post ist diesen Winter so häufig geschehen, daß man hier anfängt zu glauben, es geschehe absichtlich, von anderer Seite wird behauptet, die Maschinen seyen durch den dreijährigen Dienst zu abgenutzt, und wenn die Postdampfboote nicht bald mit andern versehen würden, höre die Dampfbootcommunication bald auf. Neues gibt es gar nichts. Die kriegerischen Rüstungen werden nach wie vor fortgesetzt. Ein Theil der erwarteten Infanterie ist angekommen. Auch die Artillerieschule von Tursa hat den bestimmten Befehl erhalten, sich nach Alexandria einzuschiffen; sie wird hier in das Artillerieregiment eingereiht werden. Ein anderes Artillerieregiment mit 10 Batterien wird ebenfalls hier erwartet. Ueber diese ganze hier versammelte Truppenmasse hat der aus dem Hedschas zurückgekehrte Selim Pascha den Oberbefehl erhalten. Erst dann werden die bedrohten Punkte besetzt, und überhaupt die geeigneten Vertheidigungsmaaßregeln ergriffen werden, wenn die Nachrichten aus Europa bestimmter lauten.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0007" n="0823"/>
Habsburg rühmlich bekannte Fürst Lichnowsky aus Mailand hier eingetroffen; sein Sohn, Fürst Felix Lichnowsky, verweilt schon seit einiger Zeit in unserer Stadt.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <gap reason="insignificant" unit="chars" quantity="1"/>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Leipzig,</hi> 4 April.</dateline>
          <p> Wir haben mit unseren ansehnlichen musikalischen Mitteln ehegestern ein neues Oratorium: &#x201E;die Zerstörung von Jerusalem&#x201C; aufführen gehört, dessen Componist, Ferdinand <hi rendition="#g">Hiller</hi> aus Frankfurt a. M., sich darin der erfreulicheren Richtung anschließt, welche die neuere geistliche Musik durch Mendelssohn-Bartholdy's Paulus erhalten hat. Der elegische Grundton des Ganzen erinnert an den Geist der besseren Arbeiten der Düsseldorfer Malerschule, und erreicht in dem Klagelied des Jeremias die eigenthümlichste Ausbildung; wir vermissen nur eine dem Gegenstande angemessene vielseitigere und vollere Kraftentwicklung. &#x2013; Von <hi rendition="#g">Mendelssohn</hi>-<hi rendition="#g">Bartholdy</hi>, der zur Zeit fast der gefeiertste Mann Leipzigs ist, haben wir in seinen Liederheften neuerdings ein Geschenk erhalten, das zu den bedeutendsten Erscheinungen im Gebiete der Musik zu rechnen ist. Er bringt durch die Gefühlstiefe und classische Einfachheit seiner Frühlings- und Volkslieder eine hinreißende Wirkung hervor. Der Mahnungen ergehen immer mehrere an ihn, seine Kräfte auch einmal an einer Oper zu versuchen, und sich damit, wie nicht anders von ihm zu erwarten, dem verderblichen neuesten Geschmacke entgegen zu stellen. &#x2013; Friedrich v. <hi rendition="#g">Raumers</hi> in statistischer Hinsicht so bedeutende Briefe über Italien haben so eben bei Brockhaus die Presse verlassen und gewinnen durch die neuesten Ereignisse im Königreich Neapel ein zweifaches Interesse. Sie stellen die verrufene Angelegenheit des sicilischen Schwefelmonopols in ein vollkommen klares Licht, und lassen auf den Minister S. Angelo einen schweren Stein fallen. Nach Raumer meinte es nur der entlassene Fürst von Cassaro mit dem Lande redlich. &#x2013; Auch das seit so langen Jahren verzögerte Erscheinen von Hagens Minnesingern läßt uns die Barth'sche Verlagshandlung noch immer vergebens harren, und es ist fast unglaublich, wie weit sie ihr in dieser Hinsicht so eigenthümliches System durchführt. &#x2013; Professor Albrecht aus Göttingen verweilt und liest fortwährend auf unserer Universität, und man begreift nicht, warum eine öffentliche Anstellung dieses Gelehrten, den man doch von keiner Seite hier ungern sieht, nicht bewerkstelligt werden kann. &#x2013; Wir treffen bereits Anstalten zur Feier des Buchdruckerfestes, und sehen den Bau des auf dreitausend Personen berechneten Festsaales auf dem Grimmaischen Platze beginnen. Unsere Stadt dürfte beinahe zu klein zur Aufnahme der erwarteten Fremden werden, welche die Bevölkerung vielleicht um das Doppelte erhöhen.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <gap reason="insignificant" unit="chars" quantity="1"/>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Hamburg,</hi> 5 April.</dateline>
          <p> Senator Jenisch, der seit einiger Zeit von Kopenhagen zurückgekommen ist, rühmt die freundschaftlichen Gesinnungen der dortigen Regierung gegen die Hansestädte. Sie scheint nun überzeugt, daß der Wohlstand Holsteins von dem blühenden Handel Hamburgs und Lübecks bedungen wird, daß also die Interessen des Herzogthums mit denen der Städte innigst verwebt sind. Um die Unterhandlungen, welche er angeknüpft, fortzusetzen, und wo möglich abzuschließen, werden sich der Senator Müller von Lübeck und der Syndicus Dr. Sieveking von hier binnen kurzem nach der dänischen Hauptstadt begeben. Es ist sehr zu wünschen, daß die Regierungen zugleich mit der streitigen Zollfrage sich auch über die Eisenbahnangelegenheit verständigen. Zwar ist die Altona-Hamburg-Lübecker Eisenbahngesellschaft längst aufgelöst; aber sobald die gouvernementalen Behinderungen aus dem Wege geräumt sind, werden die Capitalien nicht lange auf sich warten lassen, hier, wo es sich um eine nur 7 Meilen lange Bahn ohne die geringsten Territorialschwierigkeiten handelt, die nicht nur zwei volkreiche in starkem Verkehr stehende Seehäfen verbinden, sondern die über diesen kurzen Isthmus zwei große Meere vereinigen soll. Gewiß ist dieses nicht allein eine deutsche, es ist eine europäische Angelegenheit, welche von aufgeklärten Regierungen befördert werden muß. Wir dürfen uns daher der Hoffnung hingeben, diesen Wunsch erfüllt zu sehen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Oesterreich.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Von der italienischen Gränze,</hi> 6 April.</dateline>
          <p> Zu den merkwürdigsten Erscheinungen der Zeit gehört ohne Zweifel der Umstand, daß in der österreichischen Monarchie nicht selten Acte der Gesetzgebung und Regierung vorkommen, die in jedem andern Lande hundert Federn in Bewegung setzen, alle Zeitungen füllen, und der Regierung das, was man Popularität nennt, im Ueberflusse verschaffen würden, wenn sie dessen bedürfte, hier aber ruhig, ohne Aufregung, ja fast ohne sonderlich besprochen zu werden, vorübergehen. Nachdem im Jahr 1835 die wegen politischer Verbrechen Verurtheilten in so weit begnadigt waren, daß sie, wenn sie es wünschten, der Kerkerstrafe entlassen und nach Amerika deportirt werden konnten, wurden im Jahr 1838 bei der Mailänder Krönung die übrigen, aus demselben Grunde noch in Haft befindlicheu Individuen ebenfalls in Freiheit gesetzt, und den im Auslande sich aufhaltenden Flüchtlingen die Rückkehr gestattet. &#x2013; Vor wenigen Wochen hat nun, wie ich aus sicherer Quelle erfahre, der Kaiser aus eigner Bewegung nicht nur jene begnadigt, die wegen der genannten Verbrechen in contumaciam verurtheilt waren, sondern auch den eben Genannten, so wie den im Jahr 1835 Deportirten die Rückkehr in die Heimath gestattet. Ebenso erfreulich und wahrhaft rührend, wie der Act der Gnade selbst, ist die fast unscheinbare, alle Ostentation, alles Aufsehen geflissentlich vermeidende Form desselben. Kein Patent verkündete die geschehene Begnadigung; es erging auch keine öffentliche Bekanntmachung anderer Art, sondern es wurden einfach die betreffenden Behörden von dem kaiserlichen Willen in Kenntniß gesetzt und die Begnadigten selbst durch die kaiserlichen Gesandten von einem Acte verständigt, der ihnen eine Gnade gewährte, auf die sie kaum gehofft und um welche zu bitten sie nicht gewagt hatten. Graf Gonfalonieri ist bereits nach Mailand zurückgekehrt.</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Aegypten.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Alexandria,</hi> 18 März.</dateline>
          <p> Der Pascha kehrte am 13 wieder aus Kairo zurück, um die aus Europa erwarteten Depeschen in Empfang zu nehmen. Er ward jedoch getäuscht, da die Marseiller Post wieder ausblieb, während ein Dampfschiff, das der Pascha kaufen wird, in neun Tagen aus Livorno kam. Das Ausbleiben der französischen Post ist diesen Winter so häufig geschehen, daß man hier anfängt zu glauben, es geschehe absichtlich, von anderer Seite wird behauptet, die Maschinen seyen durch den dreijährigen Dienst zu abgenutzt, und wenn die Postdampfboote nicht bald mit andern versehen würden, höre die Dampfbootcommunication bald auf. Neues gibt es gar nichts. Die kriegerischen Rüstungen werden nach wie vor fortgesetzt. Ein Theil der erwarteten Infanterie ist angekommen. Auch die Artillerieschule von Tursa hat den bestimmten Befehl erhalten, sich nach Alexandria einzuschiffen; sie wird hier in das Artillerieregiment eingereiht werden. Ein anderes Artillerieregiment mit 10 Batterien wird ebenfalls hier erwartet. Ueber diese ganze hier versammelte Truppenmasse hat der aus dem Hedschas zurückgekehrte Selim Pascha den Oberbefehl erhalten. Erst dann werden die bedrohten Punkte besetzt, und überhaupt die geeigneten Vertheidigungsmaaßregeln ergriffen werden, wenn die Nachrichten aus Europa bestimmter lauten.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0823/0007] Habsburg rühmlich bekannte Fürst Lichnowsky aus Mailand hier eingetroffen; sein Sohn, Fürst Felix Lichnowsky, verweilt schon seit einiger Zeit in unserer Stadt. _ Leipzig, 4 April. Wir haben mit unseren ansehnlichen musikalischen Mitteln ehegestern ein neues Oratorium: „die Zerstörung von Jerusalem“ aufführen gehört, dessen Componist, Ferdinand Hiller aus Frankfurt a. M., sich darin der erfreulicheren Richtung anschließt, welche die neuere geistliche Musik durch Mendelssohn-Bartholdy's Paulus erhalten hat. Der elegische Grundton des Ganzen erinnert an den Geist der besseren Arbeiten der Düsseldorfer Malerschule, und erreicht in dem Klagelied des Jeremias die eigenthümlichste Ausbildung; wir vermissen nur eine dem Gegenstande angemessene vielseitigere und vollere Kraftentwicklung. – Von Mendelssohn-Bartholdy, der zur Zeit fast der gefeiertste Mann Leipzigs ist, haben wir in seinen Liederheften neuerdings ein Geschenk erhalten, das zu den bedeutendsten Erscheinungen im Gebiete der Musik zu rechnen ist. Er bringt durch die Gefühlstiefe und classische Einfachheit seiner Frühlings- und Volkslieder eine hinreißende Wirkung hervor. Der Mahnungen ergehen immer mehrere an ihn, seine Kräfte auch einmal an einer Oper zu versuchen, und sich damit, wie nicht anders von ihm zu erwarten, dem verderblichen neuesten Geschmacke entgegen zu stellen. – Friedrich v. Raumers in statistischer Hinsicht so bedeutende Briefe über Italien haben so eben bei Brockhaus die Presse verlassen und gewinnen durch die neuesten Ereignisse im Königreich Neapel ein zweifaches Interesse. Sie stellen die verrufene Angelegenheit des sicilischen Schwefelmonopols in ein vollkommen klares Licht, und lassen auf den Minister S. Angelo einen schweren Stein fallen. Nach Raumer meinte es nur der entlassene Fürst von Cassaro mit dem Lande redlich. – Auch das seit so langen Jahren verzögerte Erscheinen von Hagens Minnesingern läßt uns die Barth'sche Verlagshandlung noch immer vergebens harren, und es ist fast unglaublich, wie weit sie ihr in dieser Hinsicht so eigenthümliches System durchführt. – Professor Albrecht aus Göttingen verweilt und liest fortwährend auf unserer Universität, und man begreift nicht, warum eine öffentliche Anstellung dieses Gelehrten, den man doch von keiner Seite hier ungern sieht, nicht bewerkstelligt werden kann. – Wir treffen bereits Anstalten zur Feier des Buchdruckerfestes, und sehen den Bau des auf dreitausend Personen berechneten Festsaales auf dem Grimmaischen Platze beginnen. Unsere Stadt dürfte beinahe zu klein zur Aufnahme der erwarteten Fremden werden, welche die Bevölkerung vielleicht um das Doppelte erhöhen. _ Hamburg, 5 April. Senator Jenisch, der seit einiger Zeit von Kopenhagen zurückgekommen ist, rühmt die freundschaftlichen Gesinnungen der dortigen Regierung gegen die Hansestädte. Sie scheint nun überzeugt, daß der Wohlstand Holsteins von dem blühenden Handel Hamburgs und Lübecks bedungen wird, daß also die Interessen des Herzogthums mit denen der Städte innigst verwebt sind. Um die Unterhandlungen, welche er angeknüpft, fortzusetzen, und wo möglich abzuschließen, werden sich der Senator Müller von Lübeck und der Syndicus Dr. Sieveking von hier binnen kurzem nach der dänischen Hauptstadt begeben. Es ist sehr zu wünschen, daß die Regierungen zugleich mit der streitigen Zollfrage sich auch über die Eisenbahnangelegenheit verständigen. Zwar ist die Altona-Hamburg-Lübecker Eisenbahngesellschaft längst aufgelöst; aber sobald die gouvernementalen Behinderungen aus dem Wege geräumt sind, werden die Capitalien nicht lange auf sich warten lassen, hier, wo es sich um eine nur 7 Meilen lange Bahn ohne die geringsten Territorialschwierigkeiten handelt, die nicht nur zwei volkreiche in starkem Verkehr stehende Seehäfen verbinden, sondern die über diesen kurzen Isthmus zwei große Meere vereinigen soll. Gewiß ist dieses nicht allein eine deutsche, es ist eine europäische Angelegenheit, welche von aufgeklärten Regierungen befördert werden muß. Wir dürfen uns daher der Hoffnung hingeben, diesen Wunsch erfüllt zu sehen. Oesterreich. _ Von der italienischen Gränze, 6 April. Zu den merkwürdigsten Erscheinungen der Zeit gehört ohne Zweifel der Umstand, daß in der österreichischen Monarchie nicht selten Acte der Gesetzgebung und Regierung vorkommen, die in jedem andern Lande hundert Federn in Bewegung setzen, alle Zeitungen füllen, und der Regierung das, was man Popularität nennt, im Ueberflusse verschaffen würden, wenn sie dessen bedürfte, hier aber ruhig, ohne Aufregung, ja fast ohne sonderlich besprochen zu werden, vorübergehen. Nachdem im Jahr 1835 die wegen politischer Verbrechen Verurtheilten in so weit begnadigt waren, daß sie, wenn sie es wünschten, der Kerkerstrafe entlassen und nach Amerika deportirt werden konnten, wurden im Jahr 1838 bei der Mailänder Krönung die übrigen, aus demselben Grunde noch in Haft befindlicheu Individuen ebenfalls in Freiheit gesetzt, und den im Auslande sich aufhaltenden Flüchtlingen die Rückkehr gestattet. – Vor wenigen Wochen hat nun, wie ich aus sicherer Quelle erfahre, der Kaiser aus eigner Bewegung nicht nur jene begnadigt, die wegen der genannten Verbrechen in contumaciam verurtheilt waren, sondern auch den eben Genannten, so wie den im Jahr 1835 Deportirten die Rückkehr in die Heimath gestattet. Ebenso erfreulich und wahrhaft rührend, wie der Act der Gnade selbst, ist die fast unscheinbare, alle Ostentation, alles Aufsehen geflissentlich vermeidende Form desselben. Kein Patent verkündete die geschehene Begnadigung; es erging auch keine öffentliche Bekanntmachung anderer Art, sondern es wurden einfach die betreffenden Behörden von dem kaiserlichen Willen in Kenntniß gesetzt und die Begnadigten selbst durch die kaiserlichen Gesandten von einem Acte verständigt, der ihnen eine Gnade gewährte, auf die sie kaum gehofft und um welche zu bitten sie nicht gewagt hatten. Graf Gonfalonieri ist bereits nach Mailand zurückgekehrt. Aegypten. _ Alexandria, 18 März. Der Pascha kehrte am 13 wieder aus Kairo zurück, um die aus Europa erwarteten Depeschen in Empfang zu nehmen. Er ward jedoch getäuscht, da die Marseiller Post wieder ausblieb, während ein Dampfschiff, das der Pascha kaufen wird, in neun Tagen aus Livorno kam. Das Ausbleiben der französischen Post ist diesen Winter so häufig geschehen, daß man hier anfängt zu glauben, es geschehe absichtlich, von anderer Seite wird behauptet, die Maschinen seyen durch den dreijährigen Dienst zu abgenutzt, und wenn die Postdampfboote nicht bald mit andern versehen würden, höre die Dampfbootcommunication bald auf. Neues gibt es gar nichts. Die kriegerischen Rüstungen werden nach wie vor fortgesetzt. Ein Theil der erwarteten Infanterie ist angekommen. Auch die Artillerieschule von Tursa hat den bestimmten Befehl erhalten, sich nach Alexandria einzuschiffen; sie wird hier in das Artillerieregiment eingereiht werden. Ein anderes Artillerieregiment mit 10 Batterien wird ebenfalls hier erwartet. Ueber diese ganze hier versammelte Truppenmasse hat der aus dem Hedschas zurückgekehrte Selim Pascha den Oberbefehl erhalten. Erst dann werden die bedrohten Punkte besetzt, und überhaupt die geeigneten Vertheidigungsmaaßregeln ergriffen werden, wenn die Nachrichten aus Europa bestimmter lauten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_103_18400412
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_103_18400412/7
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 103. Augsburg, 12. April 1840, S. 0823. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_103_18400412/7>, abgerufen am 29.04.2024.