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Allgemeine Zeitung. Nr. 108. Augsburg, 17. April 1840.

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Sir G. Lushington. Er suchte darzulegen, daß keinerlei Vorsicht, nicht die umständlichste Instruction, die friedlichen Verhältnisse mit China hätte erhalten können. Es liege in der Natur eines so lang geführten, bei dem chinesischen Volke so beliebten Handels, daß er nicht ohne einen Bruch habe gehemmt werden können. Wenn keine Strafe, selbst nicht der Tod die Chinesen habe abhalten können, sich dem Genusse des Opiums hinzugeben, so scheine es ihm wenig besser als Wahnsinn, voraussetzen zu wollen, eine Ordre des Oberaufsehers oder eine Maaßregel der brittischen Regierung hätte da einen plötzlichen Stillstand gebieten können. Uebrigens liege es im Charakter der chinesischen Regierung, nachzugeben, so wie sie etwas eingeschüchtert sey. Lord Sandon entgegnete auf der Toryseite, Sir J. C. Hobhouse aus den Reihen des Ministeriums, bis Sir R. Peel sich erhob, und der Ungeduld einzelner Mitglieder, die den Schluß verlangten, die Größe der Frage entgegen hielt, die einen Krieg einschließe mit einem Drittheil der Bewohner der ganzen Erde (?), so daß es wohl der Mühe lohne, ein paar Nächte dieser Discussion zu weihen, wenn man kaum erst sechs Nächte über Korngesetze gestritten. Er frage, welches Ereigniß des europäischen Kriegs von der Opposition ohne Prüfung in offenem Parlament gelassen worden sey - ob die Schelde-Expedition oder die Uebereinkunft von Cintra, der Verlust der amerikanischen Colonien oder die Schlacht von Talavera? Die Herren auf der Gegenseite riethen zur Vorsicht, und wünschten, statt über China, lieber eine Abstimmung über die Registrirungsbill, oder das Maynooth-College, vielleicht gar über den Peel-Club in Glasgow (schallendes Gelächter); aber dürfe wohl das, daß an einer Frage Krieg oder Frieden hänge, die Minister schützen vor offener Untersuchung ihres Benehmens? Der Krieg möge gerecht, politisch, nothwendig seyn, ohne daß deßwegen geläugnet werden könne, daß diese Nothwendigkeit durch die Mißgriffe der Regierung herbeigeführt worden. Diesen Satz, beruhend auf der Distinction zwischen der Nothwendigkeit des Kriegs und der ursprünglichen Veranlassung dazu, führte der Baronet in einer Rede aus, die selbst von den Gegnern ein Meisterstück von Gewandtheit genannt wird. Sir Robert schloß mit den Worten: "Bei gänzlicher Ermangelung des Vertrauens in Ihrer Maj. Minister will ich einen Wunsch ausdrücken, in welchen die Partei des ehrenwerthen Mitglieds für Edinburg mit einstimmen wird. Ich bitte den allmächtigen Lenker der Dinge, von dem Alles was recht und gut ist ausgeht, ich bitte Gott, daß er den Geist jenes Volkes lenke, daß er die Leiden von ihm abwende, und von uns die Gefahren, welche übrigens, ich muß es bekennen, nur eine gerechte Folge der Nachlässigkeit und der Unfähigkeit derer wären, die uns regieren." - Es war kurz vor 2 Uhr Nachts, als der Führer der Tories diese vom schallenden Beifall der Hälfte des Hauses begleitete Rede schloß. Da trat ihm der Staatssecretär des Auswärtigen, Lord Palmerston, entgegen. Er sprach gegen dritthalb Stunden, mit Ernst, Humor und Spott die Einwürfe der Gegner beleuchtend. Am meisten Eindruck machte, als er eine eben erst von den China-Handelsherren von London erhaltene Adresse vorlas, worin sie die Regierung beschwören, von der vollen Energie der angeordneten Maaßregeln nicht das Mindeste nachzulassen. Zuletzt spottete er des Antragstellers, der in Betreff des letzten Krieges in Afghanistan so lange mit tadelnden Demonstrationen gedroht habe, bis er durch den Sieg überrascht worden sey, und, gern oder ungern, in den Dank habe mit einstimmen müssen, den das Parlament der Tapferkeit der Armee votirte. So müsse er auch jetzt eilen, auf daß nicht eine Nachricht des Triumphs ihn überrasche, und noch einmal den Versuch vereitle, um Parteizwecke willen das Ministerium zu stürzen. - Zum Schluß resumirte Sir J. Graham die Debatten. Bei der Abstimmung ergaben sich 261 Stimmen für, 271 gegen die Motion. Majorität für die Minister, 10. Betäubender Freuderuf von der ministeriellen Seite. Gegen 5 Uhr früh trennte sich das Haus.

Frankreich.

In der Pairskammer vom 11 April erstattete der Herzog v. Broglie den Bericht über die geheimen Fonds. "Man weiß (sagt das Journal des Debats, das seinen kleinen Krieg gegen das Ministerium fortsetzt), man weiß, daß das Ministerium unter dem Patronat des Herzogs v. Broglie geboren ward; die Conclusionen des Berichts waren daher leicht vorauszusehen: sie sind dem Cabinette günstig. Der edle Herzog glaubte aber dabei sein Glaubensbekenntniß ablegen zu müssen. Er scheint jene neu erfundene Regierung, die man die parlamentare nennt, nicht zu kennen; wenigstens beobachtete er über diesen delicaten Punkt ein beredtes Schweigen. Dagegen mahnte er, wie ein wahrer Conservativer, an die Grundsätze und Bedingungen der Repräsentativregierung. Wem hat er diese Lection gelesen? Wohl nicht der conservativen Partei. In Betreff der Personen des Ministeriums war des Herzogs Sprache nicht minder bezeichnend: er drückte sich mit Wohlwollen, mit Salbung, mit vollkommener Freundlichkeit über sie aus; er nahm das Cabinet unter seinen hohen Schutz; er verbürgte sich für dessen Intentionen und Handlungen; er nahm für dasselbe das Vertrauen, die Sympathie der Kammer in Anspruch; er findet nichts, was für den Augenblick zu tadeln, für die Zukunft zu fürchten wäre - kurz, der Herzog sieht das Ministerium mit den Augen eines Vaters an: er ist Optimist."

Die gestern aus einer stenographirten Mittheilung gegebene Darstellung der Sitzung der Deputirtenkammer vom 11 April enthielt in dem Vortrage des Hrn. Thiers und den darin angegebenen Summen bedeutende Irrthümer. Hr. Thiers sagte nämlich: "Die Regierung von Buenos-Ayres widerstand bisher der Mäßigung unserer Forderungen und der freundschaftlichen Intervention derjenigen Seemächte, welche dabei interessirt sind, diese Differenz beendigt zu sehen. Die Ehre Frankreichs forderte eine Genugthuung. Die Blokade des la Plata ward verstärkt und soll ferner verstärkt werden; nöthigenfalls würden auch noch andere Mittel ergriffen werden." Auf die Bemerkung, daß die französischen Seeleute in Amerika nützliche Verbündete mit gemeinschaftlichem Interesse gefunden hätten, fuhr Hr. Thiers fort: "Unsere Agenten haben unvermeidliche Ausgaben gemacht: es wurden 1,700,000 Fr. ausgegeben. Der von der Kammer unter dem Titel geheimer Fonds bewilligte Credit belief sich nur auf 300,000 Fr.; das gegenwärtige Ministerium hat nicht geglaubt, den Zuschuß des Credits unter dem Titel geheimer Fonds verlangen zu müssen; es verlangt ihn unter der gewöhnlichen Form von Crediten, die für verschiedene öffentliche Dienste bestimmt sind. Bei meinem Eintritt in das Departement der auswärtigen Angelegenheiten habe ich unterm 9 März bestimmte Instructionen gegeben, welche neue Opfer solcher Art verhindern werden." Der von Hrn. Thiers sodann eingegebene Gesetzesentwurf trägt auf Bewilligung eines außerordentlichen Credits von 1,500,000 Fr. an.

(Capitole.) Der Vorschlag des Hrn. Remilly wird die Freunde des Hrn. Odilon-Barrot in die Nothwendigkeit versetzen, einen Anfang der Reform anzunehmen, wenn sie sich nicht einer strafbaren Apostasie schuldig machen wollen.

Wegen der Ruhestörungen zu Lons le Saulnier sind etwa 50 Personen verhaftet. In Gueret, St. Gervais und Lillebonne ist die Ordnung hergestellt.

Sir G. Lushington. Er suchte darzulegen, daß keinerlei Vorsicht, nicht die umständlichste Instruction, die friedlichen Verhältnisse mit China hätte erhalten können. Es liege in der Natur eines so lang geführten, bei dem chinesischen Volke so beliebten Handels, daß er nicht ohne einen Bruch habe gehemmt werden können. Wenn keine Strafe, selbst nicht der Tod die Chinesen habe abhalten können, sich dem Genusse des Opiums hinzugeben, so scheine es ihm wenig besser als Wahnsinn, voraussetzen zu wollen, eine Ordre des Oberaufsehers oder eine Maaßregel der brittischen Regierung hätte da einen plötzlichen Stillstand gebieten können. Uebrigens liege es im Charakter der chinesischen Regierung, nachzugeben, so wie sie etwas eingeschüchtert sey. Lord Sandon entgegnete auf der Toryseite, Sir J. C. Hobhouse aus den Reihen des Ministeriums, bis Sir R. Peel sich erhob, und der Ungeduld einzelner Mitglieder, die den Schluß verlangten, die Größe der Frage entgegen hielt, die einen Krieg einschließe mit einem Drittheil der Bewohner der ganzen Erde (?), so daß es wohl der Mühe lohne, ein paar Nächte dieser Discussion zu weihen, wenn man kaum erst sechs Nächte über Korngesetze gestritten. Er frage, welches Ereigniß des europäischen Kriegs von der Opposition ohne Prüfung in offenem Parlament gelassen worden sey – ob die Schelde-Expedition oder die Uebereinkunft von Cintra, der Verlust der amerikanischen Colonien oder die Schlacht von Talavera? Die Herren auf der Gegenseite riethen zur Vorsicht, und wünschten, statt über China, lieber eine Abstimmung über die Registrirungsbill, oder das Maynooth-College, vielleicht gar über den Peel-Club in Glasgow (schallendes Gelächter); aber dürfe wohl das, daß an einer Frage Krieg oder Frieden hänge, die Minister schützen vor offener Untersuchung ihres Benehmens? Der Krieg möge gerecht, politisch, nothwendig seyn, ohne daß deßwegen geläugnet werden könne, daß diese Nothwendigkeit durch die Mißgriffe der Regierung herbeigeführt worden. Diesen Satz, beruhend auf der Distinction zwischen der Nothwendigkeit des Kriegs und der ursprünglichen Veranlassung dazu, führte der Baronet in einer Rede aus, die selbst von den Gegnern ein Meisterstück von Gewandtheit genannt wird. Sir Robert schloß mit den Worten: „Bei gänzlicher Ermangelung des Vertrauens in Ihrer Maj. Minister will ich einen Wunsch ausdrücken, in welchen die Partei des ehrenwerthen Mitglieds für Edinburg mit einstimmen wird. Ich bitte den allmächtigen Lenker der Dinge, von dem Alles was recht und gut ist ausgeht, ich bitte Gott, daß er den Geist jenes Volkes lenke, daß er die Leiden von ihm abwende, und von uns die Gefahren, welche übrigens, ich muß es bekennen, nur eine gerechte Folge der Nachlässigkeit und der Unfähigkeit derer wären, die uns regieren.“ – Es war kurz vor 2 Uhr Nachts, als der Führer der Tories diese vom schallenden Beifall der Hälfte des Hauses begleitete Rede schloß. Da trat ihm der Staatssecretär des Auswärtigen, Lord Palmerston, entgegen. Er sprach gegen dritthalb Stunden, mit Ernst, Humor und Spott die Einwürfe der Gegner beleuchtend. Am meisten Eindruck machte, als er eine eben erst von den China-Handelsherren von London erhaltene Adresse vorlas, worin sie die Regierung beschwören, von der vollen Energie der angeordneten Maaßregeln nicht das Mindeste nachzulassen. Zuletzt spottete er des Antragstellers, der in Betreff des letzten Krieges in Afghanistan so lange mit tadelnden Demonstrationen gedroht habe, bis er durch den Sieg überrascht worden sey, und, gern oder ungern, in den Dank habe mit einstimmen müssen, den das Parlament der Tapferkeit der Armee votirte. So müsse er auch jetzt eilen, auf daß nicht eine Nachricht des Triumphs ihn überrasche, und noch einmal den Versuch vereitle, um Parteizwecke willen das Ministerium zu stürzen. – Zum Schluß resumirte Sir J. Graham die Debatten. Bei der Abstimmung ergaben sich 261 Stimmen für, 271 gegen die Motion. Majorität für die Minister, 10. Betäubender Freuderuf von der ministeriellen Seite. Gegen 5 Uhr früh trennte sich das Haus.

Frankreich.

In der Pairskammer vom 11 April erstattete der Herzog v. Broglie den Bericht über die geheimen Fonds. „Man weiß (sagt das Journal des Débats, das seinen kleinen Krieg gegen das Ministerium fortsetzt), man weiß, daß das Ministerium unter dem Patronat des Herzogs v. Broglie geboren ward; die Conclusionen des Berichts waren daher leicht vorauszusehen: sie sind dem Cabinette günstig. Der edle Herzog glaubte aber dabei sein Glaubensbekenntniß ablegen zu müssen. Er scheint jene neu erfundene Regierung, die man die parlamentare nennt, nicht zu kennen; wenigstens beobachtete er über diesen delicaten Punkt ein beredtes Schweigen. Dagegen mahnte er, wie ein wahrer Conservativer, an die Grundsätze und Bedingungen der Repräsentativregierung. Wem hat er diese Lection gelesen? Wohl nicht der conservativen Partei. In Betreff der Personen des Ministeriums war des Herzogs Sprache nicht minder bezeichnend: er drückte sich mit Wohlwollen, mit Salbung, mit vollkommener Freundlichkeit über sie aus; er nahm das Cabinet unter seinen hohen Schutz; er verbürgte sich für dessen Intentionen und Handlungen; er nahm für dasselbe das Vertrauen, die Sympathie der Kammer in Anspruch; er findet nichts, was für den Augenblick zu tadeln, für die Zukunft zu fürchten wäre – kurz, der Herzog sieht das Ministerium mit den Augen eines Vaters an: er ist Optimist.“

Die gestern aus einer stenographirten Mittheilung gegebene Darstellung der Sitzung der Deputirtenkammer vom 11 April enthielt in dem Vortrage des Hrn. Thiers und den darin angegebenen Summen bedeutende Irrthümer. Hr. Thiers sagte nämlich: „Die Regierung von Buenos-Ayres widerstand bisher der Mäßigung unserer Forderungen und der freundschaftlichen Intervention derjenigen Seemächte, welche dabei interessirt sind, diese Differenz beendigt zu sehen. Die Ehre Frankreichs forderte eine Genugthuung. Die Blokade des la Plata ward verstärkt und soll ferner verstärkt werden; nöthigenfalls würden auch noch andere Mittel ergriffen werden.“ Auf die Bemerkung, daß die französischen Seeleute in Amerika nützliche Verbündete mit gemeinschaftlichem Interesse gefunden hätten, fuhr Hr. Thiers fort: „Unsere Agenten haben unvermeidliche Ausgaben gemacht: es wurden 1,700,000 Fr. ausgegeben. Der von der Kammer unter dem Titel geheimer Fonds bewilligte Credit belief sich nur auf 300,000 Fr.; das gegenwärtige Ministerium hat nicht geglaubt, den Zuschuß des Credits unter dem Titel geheimer Fonds verlangen zu müssen; es verlangt ihn unter der gewöhnlichen Form von Crediten, die für verschiedene öffentliche Dienste bestimmt sind. Bei meinem Eintritt in das Departement der auswärtigen Angelegenheiten habe ich unterm 9 März bestimmte Instructionen gegeben, welche neue Opfer solcher Art verhindern werden.“ Der von Hrn. Thiers sodann eingegebene Gesetzesentwurf trägt auf Bewilligung eines außerordentlichen Credits von 1,500,000 Fr. an.

(Capitole.) Der Vorschlag des Hrn. Remilly wird die Freunde des Hrn. Odilon-Barrot in die Nothwendigkeit versetzen, einen Anfang der Reform anzunehmen, wenn sie sich nicht einer strafbaren Apostasie schuldig machen wollen.

Wegen der Ruhestörungen zu Lons le Saulnier sind etwa 50 Personen verhaftet. In Gueret, St. Gervais und Lillebonne ist die Ordnung hergestellt.

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[0859/0003] Sir G. Lushington. Er suchte darzulegen, daß keinerlei Vorsicht, nicht die umständlichste Instruction, die friedlichen Verhältnisse mit China hätte erhalten können. Es liege in der Natur eines so lang geführten, bei dem chinesischen Volke so beliebten Handels, daß er nicht ohne einen Bruch habe gehemmt werden können. Wenn keine Strafe, selbst nicht der Tod die Chinesen habe abhalten können, sich dem Genusse des Opiums hinzugeben, so scheine es ihm wenig besser als Wahnsinn, voraussetzen zu wollen, eine Ordre des Oberaufsehers oder eine Maaßregel der brittischen Regierung hätte da einen plötzlichen Stillstand gebieten können. Uebrigens liege es im Charakter der chinesischen Regierung, nachzugeben, so wie sie etwas eingeschüchtert sey. Lord Sandon entgegnete auf der Toryseite, Sir J. C. Hobhouse aus den Reihen des Ministeriums, bis Sir R. Peel sich erhob, und der Ungeduld einzelner Mitglieder, die den Schluß verlangten, die Größe der Frage entgegen hielt, die einen Krieg einschließe mit einem Drittheil der Bewohner der ganzen Erde (?), so daß es wohl der Mühe lohne, ein paar Nächte dieser Discussion zu weihen, wenn man kaum erst sechs Nächte über Korngesetze gestritten. Er frage, welches Ereigniß des europäischen Kriegs von der Opposition ohne Prüfung in offenem Parlament gelassen worden sey – ob die Schelde-Expedition oder die Uebereinkunft von Cintra, der Verlust der amerikanischen Colonien oder die Schlacht von Talavera? Die Herren auf der Gegenseite riethen zur Vorsicht, und wünschten, statt über China, lieber eine Abstimmung über die Registrirungsbill, oder das Maynooth-College, vielleicht gar über den Peel-Club in Glasgow (schallendes Gelächter); aber dürfe wohl das, daß an einer Frage Krieg oder Frieden hänge, die Minister schützen vor offener Untersuchung ihres Benehmens? Der Krieg möge gerecht, politisch, nothwendig seyn, ohne daß deßwegen geläugnet werden könne, daß diese Nothwendigkeit durch die Mißgriffe der Regierung herbeigeführt worden. Diesen Satz, beruhend auf der Distinction zwischen der Nothwendigkeit des Kriegs und der ursprünglichen Veranlassung dazu, führte der Baronet in einer Rede aus, die selbst von den Gegnern ein Meisterstück von Gewandtheit genannt wird. Sir Robert schloß mit den Worten: „Bei gänzlicher Ermangelung des Vertrauens in Ihrer Maj. Minister will ich einen Wunsch ausdrücken, in welchen die Partei des ehrenwerthen Mitglieds für Edinburg mit einstimmen wird. Ich bitte den allmächtigen Lenker der Dinge, von dem Alles was recht und gut ist ausgeht, ich bitte Gott, daß er den Geist jenes Volkes lenke, daß er die Leiden von ihm abwende, und von uns die Gefahren, welche übrigens, ich muß es bekennen, nur eine gerechte Folge der Nachlässigkeit und der Unfähigkeit derer wären, die uns regieren.“ – Es war kurz vor 2 Uhr Nachts, als der Führer der Tories diese vom schallenden Beifall der Hälfte des Hauses begleitete Rede schloß. Da trat ihm der Staatssecretär des Auswärtigen, Lord Palmerston, entgegen. Er sprach gegen dritthalb Stunden, mit Ernst, Humor und Spott die Einwürfe der Gegner beleuchtend. Am meisten Eindruck machte, als er eine eben erst von den China-Handelsherren von London erhaltene Adresse vorlas, worin sie die Regierung beschwören, von der vollen Energie der angeordneten Maaßregeln nicht das Mindeste nachzulassen. Zuletzt spottete er des Antragstellers, der in Betreff des letzten Krieges in Afghanistan so lange mit tadelnden Demonstrationen gedroht habe, bis er durch den Sieg überrascht worden sey, und, gern oder ungern, in den Dank habe mit einstimmen müssen, den das Parlament der Tapferkeit der Armee votirte. So müsse er auch jetzt eilen, auf daß nicht eine Nachricht des Triumphs ihn überrasche, und noch einmal den Versuch vereitle, um Parteizwecke willen das Ministerium zu stürzen. – Zum Schluß resumirte Sir J. Graham die Debatten. Bei der Abstimmung ergaben sich 261 Stimmen für, 271 gegen die Motion. Majorität für die Minister, 10. Betäubender Freuderuf von der ministeriellen Seite. Gegen 5 Uhr früh trennte sich das Haus. Frankreich. _ Paris, 12 April. In der Pairskammer vom 11 April erstattete der Herzog v. Broglie den Bericht über die geheimen Fonds. „Man weiß (sagt das Journal des Débats, das seinen kleinen Krieg gegen das Ministerium fortsetzt), man weiß, daß das Ministerium unter dem Patronat des Herzogs v. Broglie geboren ward; die Conclusionen des Berichts waren daher leicht vorauszusehen: sie sind dem Cabinette günstig. Der edle Herzog glaubte aber dabei sein Glaubensbekenntniß ablegen zu müssen. Er scheint jene neu erfundene Regierung, die man die parlamentare nennt, nicht zu kennen; wenigstens beobachtete er über diesen delicaten Punkt ein beredtes Schweigen. Dagegen mahnte er, wie ein wahrer Conservativer, an die Grundsätze und Bedingungen der Repräsentativregierung. Wem hat er diese Lection gelesen? Wohl nicht der conservativen Partei. In Betreff der Personen des Ministeriums war des Herzogs Sprache nicht minder bezeichnend: er drückte sich mit Wohlwollen, mit Salbung, mit vollkommener Freundlichkeit über sie aus; er nahm das Cabinet unter seinen hohen Schutz; er verbürgte sich für dessen Intentionen und Handlungen; er nahm für dasselbe das Vertrauen, die Sympathie der Kammer in Anspruch; er findet nichts, was für den Augenblick zu tadeln, für die Zukunft zu fürchten wäre – kurz, der Herzog sieht das Ministerium mit den Augen eines Vaters an: er ist Optimist.“ Die gestern aus einer stenographirten Mittheilung gegebene Darstellung der Sitzung der Deputirtenkammer vom 11 April enthielt in dem Vortrage des Hrn. Thiers und den darin angegebenen Summen bedeutende Irrthümer. Hr. Thiers sagte nämlich: „Die Regierung von Buenos-Ayres widerstand bisher der Mäßigung unserer Forderungen und der freundschaftlichen Intervention derjenigen Seemächte, welche dabei interessirt sind, diese Differenz beendigt zu sehen. Die Ehre Frankreichs forderte eine Genugthuung. Die Blokade des la Plata ward verstärkt und soll ferner verstärkt werden; nöthigenfalls würden auch noch andere Mittel ergriffen werden.“ Auf die Bemerkung, daß die französischen Seeleute in Amerika nützliche Verbündete mit gemeinschaftlichem Interesse gefunden hätten, fuhr Hr. Thiers fort: „Unsere Agenten haben unvermeidliche Ausgaben gemacht: es wurden 1,700,000 Fr. ausgegeben. Der von der Kammer unter dem Titel geheimer Fonds bewilligte Credit belief sich nur auf 300,000 Fr.; das gegenwärtige Ministerium hat nicht geglaubt, den Zuschuß des Credits unter dem Titel geheimer Fonds verlangen zu müssen; es verlangt ihn unter der gewöhnlichen Form von Crediten, die für verschiedene öffentliche Dienste bestimmt sind. Bei meinem Eintritt in das Departement der auswärtigen Angelegenheiten habe ich unterm 9 März bestimmte Instructionen gegeben, welche neue Opfer solcher Art verhindern werden.“ Der von Hrn. Thiers sodann eingegebene Gesetzesentwurf trägt auf Bewilligung eines außerordentlichen Credits von 1,500,000 Fr. an. (Capitole.) Der Vorschlag des Hrn. Remilly wird die Freunde des Hrn. Odilon-Barrot in die Nothwendigkeit versetzen, einen Anfang der Reform anzunehmen, wenn sie sich nicht einer strafbaren Apostasie schuldig machen wollen. Wegen der Ruhestörungen zu Lons le Saulnier sind etwa 50 Personen verhaftet. In Gueret, St. Gervais und Lillebonne ist die Ordnung hergestellt.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 108. Augsburg, 17. April 1840, S. 0859. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_108_18400417/3>, abgerufen am 29.04.2024.