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Allgemeine Zeitung. Nr. 124. Augsburg, 3. Mai 1840.

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Italien.

Während in dem Schwefelstreit zwischen Neapel und England die meisten Urtheile das eingesetzte Monopol als eine für Sicilien eben so verderbliche als den europäischen Handel beeinträchtigende Maaßregel verdammten, fehlt es in Italien nicht an Stimmen, welche das Recht sowohl als die Wirkung des Monopols zu vertheidigen suchen. Wir gaben kürzlich den Auszug eines Artikels des Interprete Commerciale. Seitdem sind uns zwei kleine in demselben Sinn geschriebene italienische Flugschriften zugekommen, von denen die eine in Neapel, die andere in Pisa erschienen. Wir beschränken uns auf einen kurzen Auszug aus letzterer, welche den Gegenstand sehr umständlich behandelt. "Sicilien, sagt der Verfasser dieser Risposta alle Petizioni de' negozianti inglesi pei zolfi di Sicilia, Sicilien versieht mit seiner Schwefelausbeute einen großen Theil der Märkte Europa's. Früher war der Schwefel für diese Insel eine Quelle des Reichthums, was aber nicht lange dauerte, denn der Preis dieser Waare wurde von vier bis fünf Ducati per Centner auf 1 1/3 Ducati herabgedrückt. Dieß reichte kaum hin, die Kosten zu decken, und die neapolitanische Regierung wurde mit Bittschriften bestürmt, der herabgekommenen Schwefelindustrie wieder aufzuhelfen. Unter den vielen Projecten, welche der Regierung zur Abhülfe des Uebelstandes vorgelegt worden waren, entschied sich dieselbe für das Project der HH. Taix, Aycard u. Comp. Die Firma dieser Gesellschaft ist französisch, aber keineswegs französisch ist ihr Interesse. Viele Sicilianer und Neapolitaner waren bei dem Unternehmen mit betheiligt, die Finanzverwaltung Siciliens hatte gleichfalls Theil daran. Uebrigens ist es ganz gleichgültig, von welcher Nation die Unternehmer seyen; denn die mobilen Capitalien gehören dem Weltinteresse an. Der mit der Compagnie abgeschlossene Contract sicherte den Besitzern der Schwefelminen einen Mittelpreis von Ducati 2. 30 per Centner; 400,000 Ducati wurden jährlich als Abgabe an die Staatscasse bezahlt, dabei blieb aber der Schwefelhandel frei; jeder Händler konnte von dem Mineneigenthümer direct einkaufen, jedoch unter der Bedingung, daß letzterer 20 Carlini per Centner von dem Erlös seines verkauften Schwefels an die Compagnie Taix-Aycard abgebe. Ob übrigens der Contract mit dieser Compagnie für das sicilianische Volk nützlich oder schädlich sey, ob derselbe erhalten, modificirt oder aufgelöst werden müsse, dieß ist eine Frage, deren Entscheidung einzig nur der Regierung des Königs beider Sicilien zusteht. Den sicilischen Unterthanen steht es frei, ihre Bemerkungen oder Reclamationen darüber am Fuße des Thrones niederzulegen; aber keine fremde Nation oder Regierung hat das Recht, sich in solche Fragen zu mischen. Ein solcher Schritt wäre eine offenbare Verletzung der Würde und Unabhängigkeit eines Staats, welche zu erhalten und zu sichern alle Nationen gegenseitiges Interesse haben. Die englischen Kaufleute suchen so viel als möglich zu beweisen, daß der Contract mit der Compagnie Taix-Aycard die Convention von 1816 verletzt habe. Aber jener Act von 1816 war nicht einmal eine vollkommene Convention; England erhielt durch denselben Concessionen, ohne daß Sicilien deren dagegen erhielt; er war eine reine Schenkung Ferdinands I. Schenkungen aber, die ein Souverän ohne gerechte Ursache (senza cause legittime) gemacht hat, können mit vollem Recht von dessen Nachfolgern widerrufen werden, wenn der andere Theil keine Concessionen dagegen gemacht hat. Oder wären auch solche Concessionen unwiderruflich, so würden sie sich doch bei Undankbarkeit des Begünstigten aufheben. England, welches auf das Oel von andern Ländern nur einen Zoll von Pf. St. 4. 4 per Faß erhebt, belegt das sicilianische Oel mit einem Zoll von Pf. St. 8. 8 und dieser wird sogar auf Pf. St. 10. 10 erhöht, wenn das Oel auf Schiffen mit neapolitanischer Flagge eingeführt wird. Durch diese Finanzmaaßregel hat also England den Vertrag von 1816 selbst aufgehoben. Uebrigens ist in jenem Act, der, wir wiederholen es, von den Nachfolgern des Gebers der Concessionen nach Willkür widerrufen werden konnte, durchaus nicht von einem besondern, ausschließlichen Vorrecht der englischen Unterthanen im Königreich beider Sicilien die Rede. In dem Art. 5, auf welchen die englischen Kaufleute sich stützen, wird bloß gesagt: Se. Maj. gestatte den in seinen Staaten residirenden Unterthanen die Freiheit, über ihre Güter zu verfügen, und garantire ihnen die Sicherheit ihrer Personen und ihres Eigenthums in derselben Weise, wie den Unterthanen der begünstigsten Nationen. Von einem speciellen Privilegium der Engländer ist damit also nichts gesagt, und wenn die Unterthanen der übrigen begünstigten Mächte nicht das Recht haben, gegen den Schwefelcontract zu reclamiren und Entschädigungen zu fordern, so sind die Engländer hiezu eben so wenig berechtigt. Die englischen Kaufleute geben den im Vertrag von 1816 enthaltenen Worten "Achtung und Schutz" eine zu weite Auslegung. Sie behaupten, die neapolitanische Regierung könne, weil sie Schwefelminen in Pacht genommen habe und Schwefel besitze, kein Gesetz über den Schwefel machen. Ließe man dieses Princip gelten, so könnten andere englische Kaufleute, die einen Olivengarten, einen Weinberg, ein Kornfeld gemiethet haben, und Oel, Wein, Getreide besitzen, fordern, daß die neapolitanische Regierung von Neapel sich aller, den Grundbesitz und den Handel mit den Erzeugnissen des Königreichs betreffenden Regierungsmaaßregeln enthalte. Eine solche Auslegung der England im Art. 5 des Vertrags von 1816 zugestandenen Privilegien käme aber einer völligen Abdankung der Souveränetät, einer Auflösung der bürgerlichen Gesellschaft gleich. Daß England bei Abschluß des Contracts mit den HH. Taix-Aycard u. Comp. anfangs selbst überzeugt war, es finde sich im Vertrag von 1816 kein Artikel, kein Wort, der es berechtigen könnte, gegen jenen Contract zu reclamiren, dieß beweist die Vorlegung zweier Entwürfe eines neuen Handelstractats; den einen legte Hr. Lamb, den andern Hr. Mac-Gregor vor. In beiden Entwürfen befand sich ein sehr schlau abgefaßter Artikel, der zum Vorwand dienen sollte, gegen obigen Contract oder jeden andern Widerspruch einzulegen. Offenbar dachte daher England damals selbst, daß es aus dem Vertrag von 1816 keine hinreichenden Argumente ziehen konnte, um den Contract mit der Compagnie Taix-Aycard zu bekämpfen. Der englische Handelsminister, Poulet-Thompson, gab auch auf die Klagen der beim Schwefelhandel betheiligten Kaufleute lange nur ausweichende Antworten, weil er überzeugt war, daß er auf den Vertrag von 1815 sich nicht stützen konnte, um auf diplomatischem Wege einzuschreiten. Dem Begriff des öffentlichen Rechts zufolge kommt aber ein Stillschweigen bei solchen Gelegenheiten einer Zustimmung gleich."

Erklärung.

Von dem außer Stuttgart und seinem Weichbilde kaum gekannten deutschen Courier ist das Blatt vom 26 April hieher gesandt worden. Es enthält einen weitschweifigen und langweiligen Aufsatz eines dortigen politischen Kannengießers über einen mit einer Lilie bezeichneten Artikel der Allg. Zeitung vom 2 April. Der Aufsatz verdient keine Widerlegung; eine solche würde den Zweck jenes Blattes fördern, mehr gelesen zu werden, d. h. mehr Abonnenten zu erhalten. So viel nur sey gesagt, daß jenem Blatte die Gemeinheit vorbehalten war, in einem anonymen Artikel den Fürsten Felix Lichnowsky als Verfasser des

Italien.

Während in dem Schwefelstreit zwischen Neapel und England die meisten Urtheile das eingesetzte Monopol als eine für Sicilien eben so verderbliche als den europäischen Handel beeinträchtigende Maaßregel verdammten, fehlt es in Italien nicht an Stimmen, welche das Recht sowohl als die Wirkung des Monopols zu vertheidigen suchen. Wir gaben kürzlich den Auszug eines Artikels des Interprete Commerciale. Seitdem sind uns zwei kleine in demselben Sinn geschriebene italienische Flugschriften zugekommen, von denen die eine in Neapel, die andere in Pisa erschienen. Wir beschränken uns auf einen kurzen Auszug aus letzterer, welche den Gegenstand sehr umständlich behandelt. „Sicilien, sagt der Verfasser dieser Risposta alle Petizioni de' negozianti inglesi pei zolfi di Sicilia, Sicilien versieht mit seiner Schwefelausbeute einen großen Theil der Märkte Europa's. Früher war der Schwefel für diese Insel eine Quelle des Reichthums, was aber nicht lange dauerte, denn der Preis dieser Waare wurde von vier bis fünf Ducati per Centner auf 1 1/3 Ducati herabgedrückt. Dieß reichte kaum hin, die Kosten zu decken, und die neapolitanische Regierung wurde mit Bittschriften bestürmt, der herabgekommenen Schwefelindustrie wieder aufzuhelfen. Unter den vielen Projecten, welche der Regierung zur Abhülfe des Uebelstandes vorgelegt worden waren, entschied sich dieselbe für das Project der HH. Taix, Aycard u. Comp. Die Firma dieser Gesellschaft ist französisch, aber keineswegs französisch ist ihr Interesse. Viele Sicilianer und Neapolitaner waren bei dem Unternehmen mit betheiligt, die Finanzverwaltung Siciliens hatte gleichfalls Theil daran. Uebrigens ist es ganz gleichgültig, von welcher Nation die Unternehmer seyen; denn die mobilen Capitalien gehören dem Weltinteresse an. Der mit der Compagnie abgeschlossene Contract sicherte den Besitzern der Schwefelminen einen Mittelpreis von Ducati 2. 30 per Centner; 400,000 Ducati wurden jährlich als Abgabe an die Staatscasse bezahlt, dabei blieb aber der Schwefelhandel frei; jeder Händler konnte von dem Mineneigenthümer direct einkaufen, jedoch unter der Bedingung, daß letzterer 20 Carlini per Centner von dem Erlös seines verkauften Schwefels an die Compagnie Taix-Aycard abgebe. Ob übrigens der Contract mit dieser Compagnie für das sicilianische Volk nützlich oder schädlich sey, ob derselbe erhalten, modificirt oder aufgelöst werden müsse, dieß ist eine Frage, deren Entscheidung einzig nur der Regierung des Königs beider Sicilien zusteht. Den sicilischen Unterthanen steht es frei, ihre Bemerkungen oder Reclamationen darüber am Fuße des Thrones niederzulegen; aber keine fremde Nation oder Regierung hat das Recht, sich in solche Fragen zu mischen. Ein solcher Schritt wäre eine offenbare Verletzung der Würde und Unabhängigkeit eines Staats, welche zu erhalten und zu sichern alle Nationen gegenseitiges Interesse haben. Die englischen Kaufleute suchen so viel als möglich zu beweisen, daß der Contract mit der Compagnie Taix-Aycard die Convention von 1816 verletzt habe. Aber jener Act von 1816 war nicht einmal eine vollkommene Convention; England erhielt durch denselben Concessionen, ohne daß Sicilien deren dagegen erhielt; er war eine reine Schenkung Ferdinands I. Schenkungen aber, die ein Souverän ohne gerechte Ursache (senza cause legittime) gemacht hat, können mit vollem Recht von dessen Nachfolgern widerrufen werden, wenn der andere Theil keine Concessionen dagegen gemacht hat. Oder wären auch solche Concessionen unwiderruflich, so würden sie sich doch bei Undankbarkeit des Begünstigten aufheben. England, welches auf das Oel von andern Ländern nur einen Zoll von Pf. St. 4. 4 per Faß erhebt, belegt das sicilianische Oel mit einem Zoll von Pf. St. 8. 8 und dieser wird sogar auf Pf. St. 10. 10 erhöht, wenn das Oel auf Schiffen mit neapolitanischer Flagge eingeführt wird. Durch diese Finanzmaaßregel hat also England den Vertrag von 1816 selbst aufgehoben. Uebrigens ist in jenem Act, der, wir wiederholen es, von den Nachfolgern des Gebers der Concessionen nach Willkür widerrufen werden konnte, durchaus nicht von einem besondern, ausschließlichen Vorrecht der englischen Unterthanen im Königreich beider Sicilien die Rede. In dem Art. 5, auf welchen die englischen Kaufleute sich stützen, wird bloß gesagt: Se. Maj. gestatte den in seinen Staaten residirenden Unterthanen die Freiheit, über ihre Güter zu verfügen, und garantire ihnen die Sicherheit ihrer Personen und ihres Eigenthums in derselben Weise, wie den Unterthanen der begünstigsten Nationen. Von einem speciellen Privilegium der Engländer ist damit also nichts gesagt, und wenn die Unterthanen der übrigen begünstigten Mächte nicht das Recht haben, gegen den Schwefelcontract zu reclamiren und Entschädigungen zu fordern, so sind die Engländer hiezu eben so wenig berechtigt. Die englischen Kaufleute geben den im Vertrag von 1816 enthaltenen Worten „Achtung und Schutz“ eine zu weite Auslegung. Sie behaupten, die neapolitanische Regierung könne, weil sie Schwefelminen in Pacht genommen habe und Schwefel besitze, kein Gesetz über den Schwefel machen. Ließe man dieses Princip gelten, so könnten andere englische Kaufleute, die einen Olivengarten, einen Weinberg, ein Kornfeld gemiethet haben, und Oel, Wein, Getreide besitzen, fordern, daß die neapolitanische Regierung von Neapel sich aller, den Grundbesitz und den Handel mit den Erzeugnissen des Königreichs betreffenden Regierungsmaaßregeln enthalte. Eine solche Auslegung der England im Art. 5 des Vertrags von 1816 zugestandenen Privilegien käme aber einer völligen Abdankung der Souveränetät, einer Auflösung der bürgerlichen Gesellschaft gleich. Daß England bei Abschluß des Contracts mit den HH. Taix-Aycard u. Comp. anfangs selbst überzeugt war, es finde sich im Vertrag von 1816 kein Artikel, kein Wort, der es berechtigen könnte, gegen jenen Contract zu reclamiren, dieß beweist die Vorlegung zweier Entwürfe eines neuen Handelstractats; den einen legte Hr. Lamb, den andern Hr. Mac-Gregor vor. In beiden Entwürfen befand sich ein sehr schlau abgefaßter Artikel, der zum Vorwand dienen sollte, gegen obigen Contract oder jeden andern Widerspruch einzulegen. Offenbar dachte daher England damals selbst, daß es aus dem Vertrag von 1816 keine hinreichenden Argumente ziehen konnte, um den Contract mit der Compagnie Taix-Aycard zu bekämpfen. Der englische Handelsminister, Poulet-Thompson, gab auch auf die Klagen der beim Schwefelhandel betheiligten Kaufleute lange nur ausweichende Antworten, weil er überzeugt war, daß er auf den Vertrag von 1815 sich nicht stützen konnte, um auf diplomatischem Wege einzuschreiten. Dem Begriff des öffentlichen Rechts zufolge kommt aber ein Stillschweigen bei solchen Gelegenheiten einer Zustimmung gleich.“

Erklärung.

Von dem außer Stuttgart und seinem Weichbilde kaum gekannten deutschen Courier ist das Blatt vom 26 April hieher gesandt worden. Es enthält einen weitschweifigen und langweiligen Aufsatz eines dortigen politischen Kannengießers über einen mit einer Lilie bezeichneten Artikel der Allg. Zeitung vom 2 April. Der Aufsatz verdient keine Widerlegung; eine solche würde den Zweck jenes Blattes fördern, mehr gelesen zu werden, d. h. mehr Abonnenten zu erhalten. So viel nur sey gesagt, daß jenem Blatte die Gemeinheit vorbehalten war, in einem anonymen Artikel den Fürsten Felix Lichnowsky als Verfasser des

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Früher war der Schwefel für diese Insel eine Quelle des Reichthums, was aber nicht lange dauerte, denn der Preis dieser Waare wurde von vier bis fünf Ducati per Centner auf 1 1/3 Ducati herabgedrückt. Dieß reichte kaum hin, die Kosten zu decken, und die neapolitanische Regierung wurde mit Bittschriften bestürmt, der herabgekommenen Schwefelindustrie wieder aufzuhelfen. Unter den vielen Projecten, welche der Regierung zur Abhülfe des Uebelstandes vorgelegt worden waren, entschied sich dieselbe für das Project der HH. Taix, Aycard u. Comp. Die Firma dieser Gesellschaft ist französisch, aber keineswegs französisch ist ihr Interesse. Viele Sicilianer und Neapolitaner waren bei dem Unternehmen mit betheiligt, die Finanzverwaltung Siciliens hatte gleichfalls Theil daran. Uebrigens ist es ganz gleichgültig, von welcher Nation die Unternehmer seyen; denn die mobilen Capitalien gehören dem Weltinteresse an. Der mit der Compagnie abgeschlossene Contract sicherte den Besitzern der Schwefelminen einen Mittelpreis von Ducati 2. 30 per Centner; 400,000 Ducati wurden jährlich als Abgabe an die Staatscasse bezahlt, dabei blieb aber der Schwefelhandel frei; jeder Händler konnte von dem Mineneigenthümer direct einkaufen, jedoch unter der Bedingung, daß letzterer 20 Carlini per Centner von dem Erlös seines verkauften Schwefels an die Compagnie Taix-Aycard abgebe. Ob übrigens der Contract mit dieser Compagnie für das sicilianische Volk nützlich oder schädlich sey, ob derselbe erhalten, modificirt oder aufgelöst werden müsse, dieß ist eine Frage, deren Entscheidung einzig nur der Regierung des Königs beider Sicilien zusteht. Den sicilischen Unterthanen steht es frei, ihre Bemerkungen oder Reclamationen darüber am Fuße des Thrones niederzulegen; aber keine fremde Nation oder Regierung hat das Recht, sich in solche Fragen zu mischen. Ein solcher Schritt wäre eine offenbare Verletzung der Würde und Unabhängigkeit eines Staats, welche zu erhalten und zu sichern alle Nationen gegenseitiges Interesse haben. Die englischen Kaufleute suchen so viel als möglich zu beweisen, daß der Contract mit der Compagnie Taix-Aycard die Convention von 1816 verletzt habe. Aber jener Act von 1816 war nicht einmal eine vollkommene Convention; England erhielt durch denselben Concessionen, ohne daß Sicilien deren dagegen erhielt; er war eine reine Schenkung Ferdinands I. Schenkungen aber, die ein Souverän ohne gerechte Ursache (senza cause legittime) gemacht hat, können mit vollem Recht von dessen Nachfolgern widerrufen werden, wenn der andere Theil keine Concessionen dagegen gemacht hat. Oder wären auch solche Concessionen unwiderruflich, so würden sie sich doch bei Undankbarkeit des Begünstigten aufheben. England, welches auf das Oel von andern Ländern nur einen Zoll von Pf. St. 4. 4 per Faß erhebt, belegt das sicilianische Oel mit einem Zoll von Pf. St. 8. 8 und dieser wird sogar auf Pf. St. 10. 10 erhöht, wenn das Oel auf Schiffen mit neapolitanischer Flagge eingeführt wird. Durch diese Finanzmaaßregel hat also England den Vertrag von 1816 selbst aufgehoben. Uebrigens ist in jenem Act, der, wir wiederholen es, von den Nachfolgern des Gebers der Concessionen nach Willkür widerrufen werden konnte, durchaus nicht von einem besondern, ausschließlichen Vorrecht der englischen Unterthanen im Königreich beider Sicilien die Rede. In dem Art. 5, auf welchen die englischen Kaufleute sich stützen, wird bloß gesagt: Se. Maj. gestatte den in seinen Staaten residirenden Unterthanen die Freiheit, über ihre Güter zu verfügen, und garantire ihnen die Sicherheit ihrer Personen und ihres Eigenthums in derselben Weise, wie den Unterthanen der begünstigsten Nationen. Von einem speciellen Privilegium der Engländer ist damit also nichts gesagt, und wenn die Unterthanen der übrigen begünstigten Mächte nicht das Recht haben, gegen den Schwefelcontract zu reclamiren und Entschädigungen zu fordern, so sind die Engländer hiezu eben so wenig berechtigt. Die englischen Kaufleute geben den im Vertrag von 1816 enthaltenen Worten &#x201E;Achtung und Schutz&#x201C; eine zu weite Auslegung. Sie behaupten, die neapolitanische Regierung könne, weil sie Schwefelminen in Pacht genommen habe und Schwefel besitze, kein Gesetz über den Schwefel machen. Ließe man dieses Princip gelten, so könnten andere englische Kaufleute, die einen Olivengarten, einen Weinberg, ein Kornfeld gemiethet haben, und Oel, Wein, Getreide besitzen, fordern, daß die neapolitanische Regierung von Neapel sich aller, den Grundbesitz und den Handel mit den Erzeugnissen des Königreichs betreffenden Regierungsmaaßregeln enthalte. Eine solche Auslegung der England im Art. 5 des Vertrags von 1816 zugestandenen Privilegien käme aber einer völligen Abdankung der Souveränetät, einer Auflösung der bürgerlichen Gesellschaft gleich. Daß England bei Abschluß des Contracts mit den HH. Taix-Aycard u. Comp. anfangs selbst überzeugt war, es finde sich im Vertrag von 1816 kein Artikel, kein Wort, der es berechtigen könnte, gegen jenen Contract zu reclamiren, dieß beweist die Vorlegung zweier Entwürfe eines neuen Handelstractats; den einen legte Hr. Lamb, den andern Hr. Mac-Gregor vor. In beiden Entwürfen befand sich ein sehr schlau abgefaßter Artikel, der zum Vorwand dienen sollte, gegen obigen Contract oder jeden andern Widerspruch einzulegen. Offenbar dachte daher England damals selbst, daß es aus dem Vertrag von 1816 keine hinreichenden Argumente ziehen konnte, um den Contract mit der Compagnie Taix-Aycard zu bekämpfen. Der englische Handelsminister, Poulet-Thompson, gab auch auf die Klagen der beim Schwefelhandel betheiligten Kaufleute lange nur ausweichende Antworten, weil er überzeugt war, daß er auf den Vertrag von 1815 sich nicht stützen konnte, um auf diplomatischem Wege einzuschreiten. Dem Begriff des öffentlichen Rechts zufolge kommt aber ein Stillschweigen bei solchen Gelegenheiten einer Zustimmung gleich.&#x201C;</p>
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[0989/0013] Italien. Während in dem Schwefelstreit zwischen Neapel und England die meisten Urtheile das eingesetzte Monopol als eine für Sicilien eben so verderbliche als den europäischen Handel beeinträchtigende Maaßregel verdammten, fehlt es in Italien nicht an Stimmen, welche das Recht sowohl als die Wirkung des Monopols zu vertheidigen suchen. Wir gaben kürzlich den Auszug eines Artikels des Interprete Commerciale. Seitdem sind uns zwei kleine in demselben Sinn geschriebene italienische Flugschriften zugekommen, von denen die eine in Neapel, die andere in Pisa erschienen. Wir beschränken uns auf einen kurzen Auszug aus letzterer, welche den Gegenstand sehr umständlich behandelt. „Sicilien, sagt der Verfasser dieser Risposta alle Petizioni de' negozianti inglesi pei zolfi di Sicilia, Sicilien versieht mit seiner Schwefelausbeute einen großen Theil der Märkte Europa's. Früher war der Schwefel für diese Insel eine Quelle des Reichthums, was aber nicht lange dauerte, denn der Preis dieser Waare wurde von vier bis fünf Ducati per Centner auf 1 1/3 Ducati herabgedrückt. Dieß reichte kaum hin, die Kosten zu decken, und die neapolitanische Regierung wurde mit Bittschriften bestürmt, der herabgekommenen Schwefelindustrie wieder aufzuhelfen. Unter den vielen Projecten, welche der Regierung zur Abhülfe des Uebelstandes vorgelegt worden waren, entschied sich dieselbe für das Project der HH. Taix, Aycard u. Comp. Die Firma dieser Gesellschaft ist französisch, aber keineswegs französisch ist ihr Interesse. Viele Sicilianer und Neapolitaner waren bei dem Unternehmen mit betheiligt, die Finanzverwaltung Siciliens hatte gleichfalls Theil daran. Uebrigens ist es ganz gleichgültig, von welcher Nation die Unternehmer seyen; denn die mobilen Capitalien gehören dem Weltinteresse an. Der mit der Compagnie abgeschlossene Contract sicherte den Besitzern der Schwefelminen einen Mittelpreis von Ducati 2. 30 per Centner; 400,000 Ducati wurden jährlich als Abgabe an die Staatscasse bezahlt, dabei blieb aber der Schwefelhandel frei; jeder Händler konnte von dem Mineneigenthümer direct einkaufen, jedoch unter der Bedingung, daß letzterer 20 Carlini per Centner von dem Erlös seines verkauften Schwefels an die Compagnie Taix-Aycard abgebe. Ob übrigens der Contract mit dieser Compagnie für das sicilianische Volk nützlich oder schädlich sey, ob derselbe erhalten, modificirt oder aufgelöst werden müsse, dieß ist eine Frage, deren Entscheidung einzig nur der Regierung des Königs beider Sicilien zusteht. Den sicilischen Unterthanen steht es frei, ihre Bemerkungen oder Reclamationen darüber am Fuße des Thrones niederzulegen; aber keine fremde Nation oder Regierung hat das Recht, sich in solche Fragen zu mischen. Ein solcher Schritt wäre eine offenbare Verletzung der Würde und Unabhängigkeit eines Staats, welche zu erhalten und zu sichern alle Nationen gegenseitiges Interesse haben. Die englischen Kaufleute suchen so viel als möglich zu beweisen, daß der Contract mit der Compagnie Taix-Aycard die Convention von 1816 verletzt habe. Aber jener Act von 1816 war nicht einmal eine vollkommene Convention; England erhielt durch denselben Concessionen, ohne daß Sicilien deren dagegen erhielt; er war eine reine Schenkung Ferdinands I. Schenkungen aber, die ein Souverän ohne gerechte Ursache (senza cause legittime) gemacht hat, können mit vollem Recht von dessen Nachfolgern widerrufen werden, wenn der andere Theil keine Concessionen dagegen gemacht hat. Oder wären auch solche Concessionen unwiderruflich, so würden sie sich doch bei Undankbarkeit des Begünstigten aufheben. England, welches auf das Oel von andern Ländern nur einen Zoll von Pf. St. 4. 4 per Faß erhebt, belegt das sicilianische Oel mit einem Zoll von Pf. St. 8. 8 und dieser wird sogar auf Pf. St. 10. 10 erhöht, wenn das Oel auf Schiffen mit neapolitanischer Flagge eingeführt wird. Durch diese Finanzmaaßregel hat also England den Vertrag von 1816 selbst aufgehoben. Uebrigens ist in jenem Act, der, wir wiederholen es, von den Nachfolgern des Gebers der Concessionen nach Willkür widerrufen werden konnte, durchaus nicht von einem besondern, ausschließlichen Vorrecht der englischen Unterthanen im Königreich beider Sicilien die Rede. In dem Art. 5, auf welchen die englischen Kaufleute sich stützen, wird bloß gesagt: Se. Maj. gestatte den in seinen Staaten residirenden Unterthanen die Freiheit, über ihre Güter zu verfügen, und garantire ihnen die Sicherheit ihrer Personen und ihres Eigenthums in derselben Weise, wie den Unterthanen der begünstigsten Nationen. Von einem speciellen Privilegium der Engländer ist damit also nichts gesagt, und wenn die Unterthanen der übrigen begünstigten Mächte nicht das Recht haben, gegen den Schwefelcontract zu reclamiren und Entschädigungen zu fordern, so sind die Engländer hiezu eben so wenig berechtigt. Die englischen Kaufleute geben den im Vertrag von 1816 enthaltenen Worten „Achtung und Schutz“ eine zu weite Auslegung. Sie behaupten, die neapolitanische Regierung könne, weil sie Schwefelminen in Pacht genommen habe und Schwefel besitze, kein Gesetz über den Schwefel machen. Ließe man dieses Princip gelten, so könnten andere englische Kaufleute, die einen Olivengarten, einen Weinberg, ein Kornfeld gemiethet haben, und Oel, Wein, Getreide besitzen, fordern, daß die neapolitanische Regierung von Neapel sich aller, den Grundbesitz und den Handel mit den Erzeugnissen des Königreichs betreffenden Regierungsmaaßregeln enthalte. Eine solche Auslegung der England im Art. 5 des Vertrags von 1816 zugestandenen Privilegien käme aber einer völligen Abdankung der Souveränetät, einer Auflösung der bürgerlichen Gesellschaft gleich. Daß England bei Abschluß des Contracts mit den HH. Taix-Aycard u. Comp. anfangs selbst überzeugt war, es finde sich im Vertrag von 1816 kein Artikel, kein Wort, der es berechtigen könnte, gegen jenen Contract zu reclamiren, dieß beweist die Vorlegung zweier Entwürfe eines neuen Handelstractats; den einen legte Hr. Lamb, den andern Hr. Mac-Gregor vor. In beiden Entwürfen befand sich ein sehr schlau abgefaßter Artikel, der zum Vorwand dienen sollte, gegen obigen Contract oder jeden andern Widerspruch einzulegen. Offenbar dachte daher England damals selbst, daß es aus dem Vertrag von 1816 keine hinreichenden Argumente ziehen konnte, um den Contract mit der Compagnie Taix-Aycard zu bekämpfen. Der englische Handelsminister, Poulet-Thompson, gab auch auf die Klagen der beim Schwefelhandel betheiligten Kaufleute lange nur ausweichende Antworten, weil er überzeugt war, daß er auf den Vertrag von 1815 sich nicht stützen konnte, um auf diplomatischem Wege einzuschreiten. Dem Begriff des öffentlichen Rechts zufolge kommt aber ein Stillschweigen bei solchen Gelegenheiten einer Zustimmung gleich.“ Erklärung. _ München, 30 April. Von dem außer Stuttgart und seinem Weichbilde kaum gekannten deutschen Courier ist das Blatt vom 26 April hieher gesandt worden. Es enthält einen weitschweifigen und langweiligen Aufsatz eines dortigen politischen Kannengießers über einen mit einer Lilie bezeichneten Artikel der Allg. Zeitung vom 2 April. Der Aufsatz verdient keine Widerlegung; eine solche würde den Zweck jenes Blattes fördern, mehr gelesen zu werden, d. h. mehr Abonnenten zu erhalten. So viel nur sey gesagt, daß jenem Blatte die Gemeinheit vorbehalten war, in einem anonymen Artikel den Fürsten Felix Lichnowsky als Verfasser des

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 124. Augsburg, 3. Mai 1840, S. 0989. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_124_18400503/13>, abgerufen am 28.04.2024.