Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 125. Augsburg, 4. Mai 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

zwei Stunden von Morella) von den Flammen zu retten, aber von der andern Seite läßt er die Division Castafieda und den berühmten Zurbane in die so lange unangetasteten Schlupfwinkel der Gebirge von Beceite vordringen, um so mehr und mehr die Communicationen von Morella abzuschneiden. Castellote, über dessen Belagerung ein ausführlicher und interessanter Bericht eingelaufen, ist bereits gesprengt. Die Christinos haben in kurzer Zeit 1400 Gefangene gemacht; 600 Mann haben im Februar und März die Carlistischen Fahnen verlassen und das Indult angenommen. Viele desertiren und gehen nach Hause. Officiere präsentiren sich wenige, doch ist unter ihnen Franco, der Chef vom Generalstab Llangostera, welcher letztere wegen Verdacht verhaftet ist. Nur die Division von Cafiete und Beteta hat noch eine feste Organisation. Balmaseda fängt sogar an, einen neuen Punkt, nämlich eine Anhöhe bei der Brücke von Cobeta über den Tajo zu befestigen.

Großbritannien.

Die torystische und die radicale Presse trägt sich mit dem Gerücht, daß Lord Melbourne seit der Vermählung der Königin nicht mehr ganz in derselben Hofgunst stehe, wie vordem. Der Spectator enthält darüber folgenden Artikel: "Felsen, die Jahrhunderte überdauerten, sanken endlich in das sie unterwühlende Meer, Denkmäler von Erz und Marmor erliegen dem Zahn der Zeit, dem Horazischen "tempus edax rerum;" - "gutta cavat lapidem" singt Ovid, und wer kennt nicht die berühmte Stelle unsers Schwans vom Avon: "Die wolkenhohen Thürme, die Paläste u. s. w.?" Doch genug der Citate; die Wahrheit ist, die Entdeckung, daß wir uns in einem schweren Irrthum befanden, macht uns aufgelegt ein wenig zu philosophiren. Wir glaubten in der That in unsres Herzens Grund an die ewige Dauer des Ministeriums Melbourne, da wir es jede Art von Angriff, in der Fronte und im Rücken, glücklich bestehen sahen. Aber ach! dieser ministerielle Körper, der uns unverwundbar geschienen, hat, wie es sich jetzt zeigt, eine uneingetauchte Achillesferse, und diese soll bereits verwundet seyn, so daß die Möglichkeit des Falles selbst einer Melbourne'schen Verwaltung allmählich unserm Geiste aufdämmert. Nein, die Poeten lügen nicht! Die Mischung von Stärke und Schwäche, die dieses sonderbare Whigministerium charakterisirte, erinnerte uns an das mechanische Kunststück mit den auf einander gelegten drei Stäben: auf die leiseste Berührung, scheint es, müßten sie auseinander fallen, aber sie widerstehen dem stärksten Druck, ja halten unter ihm nur immer fester. So, unter dem Druck von innen und außen, schienen unsre gebenedeiten Minister nur um so fester auf ihren Sitzen zu haften. Und was war die Stütze dieser von Natur so schwachen Herren? Der Thron. Auf dem Fußschemel des Throns hatte Lord Melbourne seinen Archimedischen Punkt, sein [fremdsprachliches Material - fehlt] gefunden, auf dem er die Welt um seinen kleinen Finger laufen lassen konnte. .. Wie aber? wenn Mylord nun nicht mehr auf diesem Thronschemel stehen dürfte? Wir waren nie Freunde von Klatschereien, am wenigsten von Hofklatschereien, den unerquicklichsten von allen. "" Man sagt, sie habe die Stirn gegen ihn gerunzelt, als sie nach dem Thronsaal ging."" - ""Mein Freund Lord So und So behauptet, er habe sie erst gestern mit ihm lächeln und sprechen sehen."" - ""O nein! in dem heutigen Hofcirkel drehte sie sich um, und sprach mit einem andern Lord."" - Dergleichen Hauche des Gerüchts werden gierig aufgefaßt von den Ariels der Presse, die mit dem Houigseim solcher kostbaren Worte fortschweben: "All das soll zu meines Meisters Ohr." Dann kommen aber die ministeriellen Paragraphen, die da anheben: "Wir sind ermächtigt zu erklären, daß nicht ein Wort Wahres ist an der Angabe, daß u. s. w.", so daß Gerücht und Widerspruch sich gegen einander aufheben: 0 = 0, oder lieber: 0 + 0. Indessen Frau Fama hat nicht bloß solche leichte Zephyre, sondern auch stärkere Winde zu ihrer Verfügung, und wenn ein regelmäßiger Nordwest bläst, muß man wohl darauf Acht haben. Behaupten wollen wir es nicht, aber man sagt, und man sagt wiederholt, die höchste Person in den brittischen Reichen sey in letzterer Zeit gegen den ersten Minister etwas kaltsinniger geworden. Und diese anfangende Erkaltung soll zuwege gebracht seyn durch den Einfluß einer andern sehr hohen Standesperson in England, deren eigentliche Höhe, worüber manche Leute sich ziemlich hitzig herumstreiten, wir nicht messen wollen. Dieses on dit gibt uns in der That viel zu denken. Wir denken an unsern "gentle Melbourne" nachgerade mit der Zärtlichkeit eines Autors, wir denken an den vieljährigen Zauber, den er ausgeübt, und dann, mit Thränen in den Augen, überlegen wir, wie das enden mag. Guter Gott! was sagen wir? Haben wir denn nicht längst, vom prophetischen Wahnsinn ergriffen, gewisse dunkle Kassandra-Stimmen erschallen lassen über das endliche Schicksal dieses liebenswürdigen, aber unglücklichen Ministers? Ach! Alles, was wir jetzt sehen, deutet auf die nahende Erfüllung jener Orakel. Alles drängt zum Ende. Lord Brougham schreibt aus Südfrankreich, daß er bis nach den Osterferien in England seyn werde. Kennten wir doch unsres Premier Seelenzustand in diesem Augenblick! denn gewiß, wir kommen nicht ihn zu reizen, sondern zu besänftigen." - Der Spectator macht hier einige witzige Parallelen und Anspielungen, in denen in England selbst wenigstens, wo man weiß, daß Melbourne am 15 März d. J. einundsechzig Jahre alt geworden, Niemand etwas Anderes sieht als einen harmlosen Scherz. Das Blatt erinnert an die berühmte Bezauberung und Entzauberung Titania's in Shakspeare's Sommernachtstraum, und wünscht dem Viscount Melbourne ironisch Glück dazu, daß er weder ein Buckingham noch ein Spencer sey, also nichts Schlimmeres zu befahren habe, als Entlassung vom Hof und von seinem Ministerposten. Das torystische Sonntagsblatt Argus versichert, die Schwangerschaft der Königin Victoria sey außer allem Zweifel, und frohlockt zugleich darüber, daß Prinz Albert unter der ministeriellen Hofumgebung tüchtig aufräume, so wie er auch nicht die mindeste Parteilichkeit für sein deutsches Dienstpersonal zeige.

Die erwähnte Versicherung, welche die Regierung dem Directorium der ostindischen Compagnie hinsichtlich der Kosten der Expedition gegen China gegeben, lautet genauer dahin, "daß alle Auslagen der Compagnie in dieser Sache derselben aus der Staatscasse vergütet werden sollen."

Das M. Chronicle enthält folgende allgemeinere Apologie der auswärtigen Politik der englischen Regierung: "Als die Whigs im J. 1830 berufen wurden die Zügel der Regierung zu ergreifen, die vor eitel Schwäche und Erschöpfung den Händen ihrer torystischen Amtsvorfahren entsunken waren, da gelobten sie im Angesicht des brittischen Volks die drei großen Principien: "Friede, Sparsamkeit und Reform." Wie die beiden letztern Gelöbnisse erfüllt wurden, mögen die Reduction von 6 Millionen Pf. St. an der jährlichen Besteuerung, die große Maaßregel der Parlamentsreform, die Abschaffung der Sklaverei, die Beseitigung der Mißbräuche im Gemeindewesen, die Verbesserung der Armengesetze, die Einführung von Armengesetzen in Irland, die Zehntenumwandlung, die Freigebung des ostindischen Handels, die Registration der Geburten und Heirathen und die Penny-Briefpost beantworten. Was das erste Gelöbniß: den Frieden betrifft, so haben die Whigminister

zwei Stunden von Morella) von den Flammen zu retten, aber von der andern Seite läßt er die Division Castafieda und den berühmten Zurbane in die so lange unangetasteten Schlupfwinkel der Gebirge von Beceite vordringen, um so mehr und mehr die Communicationen von Morella abzuschneiden. Castellote, über dessen Belagerung ein ausführlicher und interessanter Bericht eingelaufen, ist bereits gesprengt. Die Christinos haben in kurzer Zeit 1400 Gefangene gemacht; 600 Mann haben im Februar und März die Carlistischen Fahnen verlassen und das Indult angenommen. Viele desertiren und gehen nach Hause. Officiere präsentiren sich wenige, doch ist unter ihnen Franco, der Chef vom Generalstab Llangostera, welcher letztere wegen Verdacht verhaftet ist. Nur die Division von Cafiete und Beteta hat noch eine feste Organisation. Balmaseda fängt sogar an, einen neuen Punkt, nämlich eine Anhöhe bei der Brücke von Cobeta über den Tajo zu befestigen.

Großbritannien.

Die torystische und die radicale Presse trägt sich mit dem Gerücht, daß Lord Melbourne seit der Vermählung der Königin nicht mehr ganz in derselben Hofgunst stehe, wie vordem. Der Spectator enthält darüber folgenden Artikel: „Felsen, die Jahrhunderte überdauerten, sanken endlich in das sie unterwühlende Meer, Denkmäler von Erz und Marmor erliegen dem Zahn der Zeit, dem Horazischen „tempus edax rerum;“ – „gutta cavat lapidem“ singt Ovid, und wer kennt nicht die berühmte Stelle unsers Schwans vom Avon: „Die wolkenhohen Thürme, die Paläste u. s. w.?“ Doch genug der Citate; die Wahrheit ist, die Entdeckung, daß wir uns in einem schweren Irrthum befanden, macht uns aufgelegt ein wenig zu philosophiren. Wir glaubten in der That in unsres Herzens Grund an die ewige Dauer des Ministeriums Melbourne, da wir es jede Art von Angriff, in der Fronte und im Rücken, glücklich bestehen sahen. Aber ach! dieser ministerielle Körper, der uns unverwundbar geschienen, hat, wie es sich jetzt zeigt, eine uneingetauchte Achillesferse, und diese soll bereits verwundet seyn, so daß die Möglichkeit des Falles selbst einer Melbourne'schen Verwaltung allmählich unserm Geiste aufdämmert. Nein, die Poeten lügen nicht! Die Mischung von Stärke und Schwäche, die dieses sonderbare Whigministerium charakterisirte, erinnerte uns an das mechanische Kunststück mit den auf einander gelegten drei Stäben: auf die leiseste Berührung, scheint es, müßten sie auseinander fallen, aber sie widerstehen dem stärksten Druck, ja halten unter ihm nur immer fester. So, unter dem Druck von innen und außen, schienen unsre gebenedeiten Minister nur um so fester auf ihren Sitzen zu haften. Und was war die Stütze dieser von Natur so schwachen Herren? Der Thron. Auf dem Fußschemel des Throns hatte Lord Melbourne seinen Archimedischen Punkt, sein [fremdsprachliches Material – fehlt] gefunden, auf dem er die Welt um seinen kleinen Finger laufen lassen konnte. .. Wie aber? wenn Mylord nun nicht mehr auf diesem Thronschemel stehen dürfte? Wir waren nie Freunde von Klatschereien, am wenigsten von Hofklatschereien, den unerquicklichsten von allen. „„ Man sagt, sie habe die Stirn gegen ihn gerunzelt, als sie nach dem Thronsaal ging.““ – „„Mein Freund Lord So und So behauptet, er habe sie erst gestern mit ihm lächeln und sprechen sehen.““ – „„O nein! in dem heutigen Hofcirkel drehte sie sich um, und sprach mit einem andern Lord.““ – Dergleichen Hauche des Gerüchts werden gierig aufgefaßt von den Ariels der Presse, die mit dem Houigseim solcher kostbaren Worte fortschweben: „All das soll zu meines Meisters Ohr.“ Dann kommen aber die ministeriellen Paragraphen, die da anheben: „Wir sind ermächtigt zu erklären, daß nicht ein Wort Wahres ist an der Angabe, daß u. s. w.“, so daß Gerücht und Widerspruch sich gegen einander aufheben: 0 = 0, oder lieber: 0 + 0. Indessen Frau Fama hat nicht bloß solche leichte Zephyre, sondern auch stärkere Winde zu ihrer Verfügung, und wenn ein regelmäßiger Nordwest bläst, muß man wohl darauf Acht haben. Behaupten wollen wir es nicht, aber man sagt, und man sagt wiederholt, die höchste Person in den brittischen Reichen sey in letzterer Zeit gegen den ersten Minister etwas kaltsinniger geworden. Und diese anfangende Erkaltung soll zuwege gebracht seyn durch den Einfluß einer andern sehr hohen Standesperson in England, deren eigentliche Höhe, worüber manche Leute sich ziemlich hitzig herumstreiten, wir nicht messen wollen. Dieses on dit gibt uns in der That viel zu denken. Wir denken an unsern „gentle Melbourne“ nachgerade mit der Zärtlichkeit eines Autors, wir denken an den vieljährigen Zauber, den er ausgeübt, und dann, mit Thränen in den Augen, überlegen wir, wie das enden mag. Guter Gott! was sagen wir? Haben wir denn nicht längst, vom prophetischen Wahnsinn ergriffen, gewisse dunkle Kassandra-Stimmen erschallen lassen über das endliche Schicksal dieses liebenswürdigen, aber unglücklichen Ministers? Ach! Alles, was wir jetzt sehen, deutet auf die nahende Erfüllung jener Orakel. Alles drängt zum Ende. Lord Brougham schreibt aus Südfrankreich, daß er bis nach den Osterferien in England seyn werde. Kennten wir doch unsres Premier Seelenzustand in diesem Augenblick! denn gewiß, wir kommen nicht ihn zu reizen, sondern zu besänftigen.“ – Der Spectator macht hier einige witzige Parallelen und Anspielungen, in denen in England selbst wenigstens, wo man weiß, daß Melbourne am 15 März d. J. einundsechzig Jahre alt geworden, Niemand etwas Anderes sieht als einen harmlosen Scherz. Das Blatt erinnert an die berühmte Bezauberung und Entzauberung Titania's in Shakspeare's Sommernachtstraum, und wünscht dem Viscount Melbourne ironisch Glück dazu, daß er weder ein Buckingham noch ein Spencer sey, also nichts Schlimmeres zu befahren habe, als Entlassung vom Hof und von seinem Ministerposten. Das torystische Sonntagsblatt Argus versichert, die Schwangerschaft der Königin Victoria sey außer allem Zweifel, und frohlockt zugleich darüber, daß Prinz Albert unter der ministeriellen Hofumgebung tüchtig aufräume, so wie er auch nicht die mindeste Parteilichkeit für sein deutsches Dienstpersonal zeige.

Die erwähnte Versicherung, welche die Regierung dem Directorium der ostindischen Compagnie hinsichtlich der Kosten der Expedition gegen China gegeben, lautet genauer dahin, „daß alle Auslagen der Compagnie in dieser Sache derselben aus der Staatscasse vergütet werden sollen.“

Das M. Chronicle enthält folgende allgemeinere Apologie der auswärtigen Politik der englischen Regierung: „Als die Whigs im J. 1830 berufen wurden die Zügel der Regierung zu ergreifen, die vor eitel Schwäche und Erschöpfung den Händen ihrer torystischen Amtsvorfahren entsunken waren, da gelobten sie im Angesicht des brittischen Volks die drei großen Principien: „Friede, Sparsamkeit und Reform.“ Wie die beiden letztern Gelöbnisse erfüllt wurden, mögen die Reduction von 6 Millionen Pf. St. an der jährlichen Besteuerung, die große Maaßregel der Parlamentsreform, die Abschaffung der Sklaverei, die Beseitigung der Mißbräuche im Gemeindewesen, die Verbesserung der Armengesetze, die Einführung von Armengesetzen in Irland, die Zehntenumwandlung, die Freigebung des ostindischen Handels, die Registration der Geburten und Heirathen und die Penny-Briefpost beantworten. Was das erste Gelöbniß: den Frieden betrifft, so haben die Whigminister

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0002" n="0994"/>
zwei Stunden von Morella) von den Flammen zu retten, aber von der andern Seite läßt er die Division Castafieda und den berühmten Zurbane in die so lange unangetasteten Schlupfwinkel der Gebirge von Beceite vordringen, um so mehr und mehr die Communicationen von Morella abzuschneiden. Castellote, über dessen Belagerung ein ausführlicher und interessanter Bericht eingelaufen, ist bereits gesprengt. Die Christinos haben in kurzer Zeit 1400 Gefangene gemacht; 600 Mann haben im Februar und März die Carlistischen Fahnen verlassen und das Indult angenommen. Viele desertiren und gehen nach Hause. Officiere präsentiren sich wenige, doch ist unter ihnen Franco, der Chef vom Generalstab Llangostera, welcher letztere wegen Verdacht verhaftet ist. Nur die Division von Cafiete und Beteta hat noch eine feste Organisation. Balmaseda fängt sogar an, einen neuen Punkt, nämlich eine Anhöhe bei der Brücke von Cobeta über den Tajo zu befestigen.</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Großbritannien.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 27 April.</dateline><lb/>
          <p>Die torystische und die radicale Presse trägt sich mit dem Gerücht, daß Lord Melbourne seit der Vermählung der Königin nicht mehr ganz in derselben Hofgunst stehe, wie vordem. Der <hi rendition="#g">Spectator</hi> enthält darüber folgenden Artikel: &#x201E;Felsen, die Jahrhunderte überdauerten, sanken endlich in das sie unterwühlende Meer, Denkmäler von Erz und Marmor erliegen dem Zahn der Zeit, dem Horazischen &#x201E;tempus edax rerum;&#x201C; &#x2013; &#x201E;gutta cavat lapidem&#x201C; singt Ovid, und wer kennt nicht die berühmte Stelle unsers Schwans vom Avon: &#x201E;Die wolkenhohen Thürme, die Paläste u. s. w.?&#x201C; Doch genug der Citate; die Wahrheit ist, die Entdeckung, daß wir uns in einem schweren Irrthum befanden, macht uns aufgelegt ein wenig zu philosophiren. Wir glaubten in der That in unsres Herzens Grund an die ewige Dauer des Ministeriums Melbourne, da wir es jede Art von Angriff, in der Fronte und im Rücken, glücklich bestehen sahen. Aber ach! dieser ministerielle Körper, der uns unverwundbar geschienen, hat, wie es sich jetzt zeigt, eine uneingetauchte Achillesferse, und diese soll bereits verwundet seyn, so daß die Möglichkeit des Falles selbst einer Melbourne'schen Verwaltung allmählich unserm Geiste aufdämmert. Nein, die Poeten lügen nicht! Die Mischung von Stärke und Schwäche, die dieses sonderbare Whigministerium charakterisirte, erinnerte uns an das mechanische Kunststück mit den auf einander gelegten drei Stäben: auf die leiseste Berührung, scheint es, müßten sie auseinander fallen, aber sie widerstehen dem stärksten Druck, ja halten unter ihm nur immer fester. So, unter dem Druck von innen und außen, schienen unsre gebenedeiten Minister nur um so fester auf ihren Sitzen zu haften. Und was war die Stütze dieser von Natur so schwachen Herren? Der <hi rendition="#g">Thron</hi>. Auf dem Fußschemel des Throns hatte Lord Melbourne seinen Archimedischen Punkt, sein <foreign xml:lang="gre"><gap reason="fm" unit="words"/></foreign> gefunden, auf dem er die Welt um seinen kleinen Finger laufen lassen konnte. .. Wie aber? wenn Mylord nun nicht mehr auf diesem Thronschemel stehen dürfte? Wir waren nie Freunde von Klatschereien, am wenigsten von Hofklatschereien, den unerquicklichsten von allen. &#x201E;&#x201E; Man sagt, sie habe die Stirn gegen ihn gerunzelt, als sie nach dem Thronsaal ging.&#x201C;&#x201C; &#x2013; &#x201E;&#x201E;Mein Freund Lord So und So behauptet, er habe sie erst gestern mit ihm lächeln und sprechen sehen.&#x201C;&#x201C; &#x2013; &#x201E;&#x201E;O nein! in dem heutigen Hofcirkel drehte sie sich um, und sprach mit einem andern Lord.&#x201C;&#x201C; &#x2013; Dergleichen Hauche des Gerüchts werden gierig aufgefaßt von den Ariels der Presse, die mit dem Houigseim solcher kostbaren Worte fortschweben: &#x201E;All das soll zu meines Meisters Ohr.&#x201C; Dann kommen aber die ministeriellen Paragraphen, die da anheben: &#x201E;Wir sind ermächtigt zu erklären, daß nicht ein Wort Wahres ist an der Angabe, daß u. s. w.&#x201C;, so daß Gerücht und Widerspruch sich gegen einander aufheben: 0 = 0, oder lieber: 0 + 0. Indessen Frau Fama hat nicht bloß solche leichte Zephyre, sondern auch stärkere Winde zu ihrer Verfügung, und wenn ein regelmäßiger Nordwest bläst, muß man wohl darauf Acht haben. Behaupten wollen wir es nicht, aber <hi rendition="#g">man sagt</hi>, und man sagt <hi rendition="#g">wiederholt</hi>, die höchste Person in den brittischen Reichen sey in letzterer Zeit gegen den ersten Minister etwas kaltsinniger geworden. Und diese anfangende Erkaltung soll zuwege gebracht seyn durch den Einfluß einer andern sehr hohen Standesperson in England, deren eigentliche Höhe, worüber manche Leute sich ziemlich hitzig herumstreiten, <hi rendition="#g">wir</hi> nicht messen wollen. Dieses on dit gibt uns in der That viel zu denken. Wir denken an unsern &#x201E;gentle Melbourne&#x201C; nachgerade mit der Zärtlichkeit eines Autors, wir denken an den vieljährigen Zauber, den er ausgeübt, und dann, mit Thränen in den Augen, überlegen wir, wie das enden mag. Guter Gott! was sagen wir? Haben wir denn nicht längst, vom prophetischen Wahnsinn ergriffen, gewisse dunkle Kassandra-Stimmen erschallen lassen über das endliche Schicksal dieses liebenswürdigen, aber unglücklichen Ministers? Ach! Alles, was wir jetzt sehen, deutet auf die nahende Erfüllung jener Orakel. Alles drängt zum Ende. Lord Brougham schreibt aus Südfrankreich, daß er bis nach den Osterferien in England seyn werde. Kennten wir doch unsres Premier Seelenzustand in diesem Augenblick! denn gewiß, wir kommen nicht ihn zu reizen, sondern zu besänftigen.&#x201C; &#x2013; Der Spectator macht hier einige witzige Parallelen und Anspielungen, in denen in England selbst wenigstens, wo man weiß, daß Melbourne am 15 März d. J. einundsechzig Jahre alt geworden, Niemand etwas Anderes sieht als einen harmlosen Scherz. Das Blatt erinnert an die berühmte Bezauberung und Entzauberung Titania's in Shakspeare's Sommernachtstraum, und wünscht dem Viscount Melbourne ironisch Glück dazu, daß er weder ein Buckingham noch ein Spencer sey, also nichts Schlimmeres zu befahren habe, als Entlassung vom Hof und von seinem Ministerposten. Das torystische Sonntagsblatt <hi rendition="#g">Argus</hi> versichert, die Schwangerschaft der Königin Victoria sey außer allem Zweifel, und frohlockt zugleich darüber, daß Prinz Albert unter der ministeriellen Hofumgebung tüchtig aufräume, so wie er auch nicht die mindeste Parteilichkeit für sein deutsches Dienstpersonal zeige.</p><lb/>
          <p>Die erwähnte Versicherung, welche die Regierung dem Directorium der ostindischen Compagnie hinsichtlich der Kosten der Expedition gegen China gegeben, lautet genauer dahin, &#x201E;daß alle Auslagen der Compagnie in dieser Sache derselben aus der Staatscasse vergütet werden sollen.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Das M. <hi rendition="#g">Chronicle</hi> enthält folgende allgemeinere Apologie der auswärtigen Politik der englischen Regierung: &#x201E;Als die Whigs im J. 1830 berufen wurden die Zügel der Regierung zu ergreifen, die vor eitel Schwäche und Erschöpfung den Händen ihrer torystischen Amtsvorfahren entsunken waren, da gelobten sie im Angesicht des brittischen Volks die drei großen Principien: &#x201E;Friede, Sparsamkeit und Reform.&#x201C; Wie die beiden letztern Gelöbnisse erfüllt wurden, mögen die Reduction von 6 Millionen Pf. St. an der jährlichen Besteuerung, die große Maaßregel der Parlamentsreform, die Abschaffung der Sklaverei, die Beseitigung der Mißbräuche im Gemeindewesen, die Verbesserung der Armengesetze, die Einführung von Armengesetzen in Irland, die Zehntenumwandlung, die Freigebung des ostindischen Handels, die Registration der Geburten und Heirathen und die Penny-Briefpost beantworten. Was das erste Gelöbniß: den Frieden betrifft, so haben die Whigminister<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0994/0002] zwei Stunden von Morella) von den Flammen zu retten, aber von der andern Seite läßt er die Division Castafieda und den berühmten Zurbane in die so lange unangetasteten Schlupfwinkel der Gebirge von Beceite vordringen, um so mehr und mehr die Communicationen von Morella abzuschneiden. Castellote, über dessen Belagerung ein ausführlicher und interessanter Bericht eingelaufen, ist bereits gesprengt. Die Christinos haben in kurzer Zeit 1400 Gefangene gemacht; 600 Mann haben im Februar und März die Carlistischen Fahnen verlassen und das Indult angenommen. Viele desertiren und gehen nach Hause. Officiere präsentiren sich wenige, doch ist unter ihnen Franco, der Chef vom Generalstab Llangostera, welcher letztere wegen Verdacht verhaftet ist. Nur die Division von Cafiete und Beteta hat noch eine feste Organisation. Balmaseda fängt sogar an, einen neuen Punkt, nämlich eine Anhöhe bei der Brücke von Cobeta über den Tajo zu befestigen. Großbritannien. _ London, 27 April. Die torystische und die radicale Presse trägt sich mit dem Gerücht, daß Lord Melbourne seit der Vermählung der Königin nicht mehr ganz in derselben Hofgunst stehe, wie vordem. Der Spectator enthält darüber folgenden Artikel: „Felsen, die Jahrhunderte überdauerten, sanken endlich in das sie unterwühlende Meer, Denkmäler von Erz und Marmor erliegen dem Zahn der Zeit, dem Horazischen „tempus edax rerum;“ – „gutta cavat lapidem“ singt Ovid, und wer kennt nicht die berühmte Stelle unsers Schwans vom Avon: „Die wolkenhohen Thürme, die Paläste u. s. w.?“ Doch genug der Citate; die Wahrheit ist, die Entdeckung, daß wir uns in einem schweren Irrthum befanden, macht uns aufgelegt ein wenig zu philosophiren. Wir glaubten in der That in unsres Herzens Grund an die ewige Dauer des Ministeriums Melbourne, da wir es jede Art von Angriff, in der Fronte und im Rücken, glücklich bestehen sahen. Aber ach! dieser ministerielle Körper, der uns unverwundbar geschienen, hat, wie es sich jetzt zeigt, eine uneingetauchte Achillesferse, und diese soll bereits verwundet seyn, so daß die Möglichkeit des Falles selbst einer Melbourne'schen Verwaltung allmählich unserm Geiste aufdämmert. Nein, die Poeten lügen nicht! Die Mischung von Stärke und Schwäche, die dieses sonderbare Whigministerium charakterisirte, erinnerte uns an das mechanische Kunststück mit den auf einander gelegten drei Stäben: auf die leiseste Berührung, scheint es, müßten sie auseinander fallen, aber sie widerstehen dem stärksten Druck, ja halten unter ihm nur immer fester. So, unter dem Druck von innen und außen, schienen unsre gebenedeiten Minister nur um so fester auf ihren Sitzen zu haften. Und was war die Stütze dieser von Natur so schwachen Herren? Der Thron. Auf dem Fußschemel des Throns hatte Lord Melbourne seinen Archimedischen Punkt, sein _ gefunden, auf dem er die Welt um seinen kleinen Finger laufen lassen konnte. .. Wie aber? wenn Mylord nun nicht mehr auf diesem Thronschemel stehen dürfte? Wir waren nie Freunde von Klatschereien, am wenigsten von Hofklatschereien, den unerquicklichsten von allen. „„ Man sagt, sie habe die Stirn gegen ihn gerunzelt, als sie nach dem Thronsaal ging.““ – „„Mein Freund Lord So und So behauptet, er habe sie erst gestern mit ihm lächeln und sprechen sehen.““ – „„O nein! in dem heutigen Hofcirkel drehte sie sich um, und sprach mit einem andern Lord.““ – Dergleichen Hauche des Gerüchts werden gierig aufgefaßt von den Ariels der Presse, die mit dem Houigseim solcher kostbaren Worte fortschweben: „All das soll zu meines Meisters Ohr.“ Dann kommen aber die ministeriellen Paragraphen, die da anheben: „Wir sind ermächtigt zu erklären, daß nicht ein Wort Wahres ist an der Angabe, daß u. s. w.“, so daß Gerücht und Widerspruch sich gegen einander aufheben: 0 = 0, oder lieber: 0 + 0. Indessen Frau Fama hat nicht bloß solche leichte Zephyre, sondern auch stärkere Winde zu ihrer Verfügung, und wenn ein regelmäßiger Nordwest bläst, muß man wohl darauf Acht haben. Behaupten wollen wir es nicht, aber man sagt, und man sagt wiederholt, die höchste Person in den brittischen Reichen sey in letzterer Zeit gegen den ersten Minister etwas kaltsinniger geworden. Und diese anfangende Erkaltung soll zuwege gebracht seyn durch den Einfluß einer andern sehr hohen Standesperson in England, deren eigentliche Höhe, worüber manche Leute sich ziemlich hitzig herumstreiten, wir nicht messen wollen. Dieses on dit gibt uns in der That viel zu denken. Wir denken an unsern „gentle Melbourne“ nachgerade mit der Zärtlichkeit eines Autors, wir denken an den vieljährigen Zauber, den er ausgeübt, und dann, mit Thränen in den Augen, überlegen wir, wie das enden mag. Guter Gott! was sagen wir? Haben wir denn nicht längst, vom prophetischen Wahnsinn ergriffen, gewisse dunkle Kassandra-Stimmen erschallen lassen über das endliche Schicksal dieses liebenswürdigen, aber unglücklichen Ministers? Ach! Alles, was wir jetzt sehen, deutet auf die nahende Erfüllung jener Orakel. Alles drängt zum Ende. Lord Brougham schreibt aus Südfrankreich, daß er bis nach den Osterferien in England seyn werde. Kennten wir doch unsres Premier Seelenzustand in diesem Augenblick! denn gewiß, wir kommen nicht ihn zu reizen, sondern zu besänftigen.“ – Der Spectator macht hier einige witzige Parallelen und Anspielungen, in denen in England selbst wenigstens, wo man weiß, daß Melbourne am 15 März d. J. einundsechzig Jahre alt geworden, Niemand etwas Anderes sieht als einen harmlosen Scherz. Das Blatt erinnert an die berühmte Bezauberung und Entzauberung Titania's in Shakspeare's Sommernachtstraum, und wünscht dem Viscount Melbourne ironisch Glück dazu, daß er weder ein Buckingham noch ein Spencer sey, also nichts Schlimmeres zu befahren habe, als Entlassung vom Hof und von seinem Ministerposten. Das torystische Sonntagsblatt Argus versichert, die Schwangerschaft der Königin Victoria sey außer allem Zweifel, und frohlockt zugleich darüber, daß Prinz Albert unter der ministeriellen Hofumgebung tüchtig aufräume, so wie er auch nicht die mindeste Parteilichkeit für sein deutsches Dienstpersonal zeige. Die erwähnte Versicherung, welche die Regierung dem Directorium der ostindischen Compagnie hinsichtlich der Kosten der Expedition gegen China gegeben, lautet genauer dahin, „daß alle Auslagen der Compagnie in dieser Sache derselben aus der Staatscasse vergütet werden sollen.“ Das M. Chronicle enthält folgende allgemeinere Apologie der auswärtigen Politik der englischen Regierung: „Als die Whigs im J. 1830 berufen wurden die Zügel der Regierung zu ergreifen, die vor eitel Schwäche und Erschöpfung den Händen ihrer torystischen Amtsvorfahren entsunken waren, da gelobten sie im Angesicht des brittischen Volks die drei großen Principien: „Friede, Sparsamkeit und Reform.“ Wie die beiden letztern Gelöbnisse erfüllt wurden, mögen die Reduction von 6 Millionen Pf. St. an der jährlichen Besteuerung, die große Maaßregel der Parlamentsreform, die Abschaffung der Sklaverei, die Beseitigung der Mißbräuche im Gemeindewesen, die Verbesserung der Armengesetze, die Einführung von Armengesetzen in Irland, die Zehntenumwandlung, die Freigebung des ostindischen Handels, die Registration der Geburten und Heirathen und die Penny-Briefpost beantworten. Was das erste Gelöbniß: den Frieden betrifft, so haben die Whigminister

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (?): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_125_18400504
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_125_18400504/2
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 125. Augsburg, 4. Mai 1840, S. 0994. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_125_18400504/2>, abgerufen am 28.04.2024.