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Allgemeine Zeitung. Nr. 141. Augsburg, 20. Mai 1840.

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an den Ufern des Bosporus das gebildete Publicum von Istanbul aus seiner türkischen Schlaffheit herauszaubert, und Se. Hoheit selbst das Zeichen zum stürmischen Beifall gibt. Ein großer Meister aber bleibt den Parisern immer: ihren Beethoven hören sie jeden Winter, und ist den Verstorbenen noch einige Kenntniß von dem Diesseits und noch einige Liebe dafür gelassen, so muß sich der Geist des großen Künstlers am liebsten und häufigsten über dieser Stadt sich aufhalten, die seine verschiedenen Schöpfungen so oft und so vollendet zur Darstellung bringt.

Zwischen die Predigten und Concerte schlichen sich auch einige Bälle ein. Mad. Duchatel hatte sogar eine Maskerade vor; die Furcht, dem frommen Sinn der Königin zu mißfallen, legte ein leises, aber wirksames Veto ein. Mad. Lehon, die schöne Gemahlin des belgischen Gesandten, feierte Mitfasten durch ein Fest von eben so glücklicher Anordnung als belebter Heiterkeit; doch Musik, Tanz und Gespräch ward plötzlich unterbrochen, als man um eilf Uhr Hrn. und Mad. Thiers anmeldete, und alle Blicke wandten sich auf den Sieger, der kaum das Feld des Triumphs verlassen. Das ist nun Alle vorbei - der Frühling, oder vielmehr der Sommer macht seine Rechte geltend, denn nur ein Astronom kann sich aus gelehrten Scrupeln im Frühling glauben, so schwer und brennend ist die Luft; die Bäume bekleiden sich und geben Schatten gegen die wilde, junge Hitze; aber die Blätter sind leidend und dürsten nach Erfrischung. Der Himmel endlich ist so rein und glühend, wie in den klarsten Tagen des Junius oder Julius, und der menschlichen Seele kann man nichts Schöneres wünschen, als daß sie an Gluth, Heiterkeit und Helle das Ebenbild eines solchen Himmels sey.

Italien.

Die Zahl der Fremden, welche alljährlich um diese Zeit aus Rom und Neapel zurückzukehren, und den Mai in Florenz zuzubringen pflegen, ist dießmal größer als je; für den momentanen Andrang solcher Gäste reicht die gewiß nicht unbedeutende Menge von Luftorten in den Galerien der Uffizi und des Palastes Pitti kaum hin. Unter den bedeutenderen Reisenden befindet sich der Professor Forchhammer aus Kiel, der bei seinem wiederholten Aufenthalt den hiesigen Antiken eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet hat. Für die wissenschaftlichen Arbeiten dieses Gelehrten haben, wie man vernimmt, die zweite Reise nach Griechenland, ein längerer Aufenthalt in der Ebene von Troja und ein Ausflug nach den Pyramiden die erfreulichsten Resultate geliefert, welche in der Fortsetzung und dem Schluß seiner Hellenika, in einer lang entbehrten genaueren Topographie der trojanischen Ebene und in einer weiteren Durchführung seiner schon früher ausgesprochenen und nun durch die Anschauung auf überraschende Weise bestätigten Ansicht über die Pyramiden niedergelegt werden sollen. - In der Galerie der Uffizi ist der Corridor, welcher die Werke toscanischer Bildhauer und unter ihnen eine ganze Reihe der schönsten Luca della Robbia enthält, um einen neuen Gang verlängert worden, so daß man nun den nöthigen Raum gewonnen hat, um die bedeutende Sammlung von etruskschen Monumenten, die bis dahin in drei verschiedenen Zimmern ziemlich unscheinbar zerstreut waren, neben einander in das gehörige Licht zu stellen. Die durch Lanzi berühmt gewordene Anzahl etruskischer Sarkophage befand sich bis dahin auf dem platten Dach der Loggia de' Lanzi; jetzt erblickt man die bedeutendsten derselben passender in dem letzten Flügel, dessen Ende der Laokoon von Baccio Bandinelli bezeichnet. Die unerschöpflichen Fundgruben von Chiusi haben diese im Ganzen sehr fabrikmäßigen Arbeiten jetzt um einen Sarkophag von seltener Schönheit des Styls bereichert, der die so häufig wiederholte Vorstellung des trauernden Orestes durch die auf ihn sich stützende, sehr innig gedachte Iphigenie auf merkwürdige Weise modificirt. Die Sammlung der schwarzen, mit Reliefs verzierten Vasen, welche meistens aus Sarteano kommen, ist auch in diesen Tagen um einige ausgezeichnet schöne Exemplare von bis dahin unbekannter Größe vermehrt worden. Was hier auf diese Weise für die Museen geschieht, kann in gewisser Beziehung für den harten Verlust trösten, welchen ein Nachbarstaat in diesem Augenblick dadurch erleidet, daß er die kleine aber höchst ausgewählte Galerie seines Fürsten in den Besitz des Herzogs von Sutherland und des brittischen Museums gelangen sieht.

Die Juden in Damascus.

Beschluß des Berichts des österreichischen Consuls Merlato. Vier Tage nach dem Geständnisse der sieben Kaufleute wollte man diese zwingen, die Uhr und die Schlüssel, welche der Pater Thomas bei sich trug, herauszugeben. Da die Unglücklichen sahen, daß man ihr elendes Daseyn nur unter Qualen zu fristen gedachte, so läugneten sie Alles und erklärten, daß ihre frühern Geständnisse ihnen durch die Heftigkeit der Qualen entrissen seyen. Das war eine große Ueberraschung für die Inquisitoren; von neuem griff man zur Bastonnade, zu andern Torturen, um sie auf ihre ersten Geständnisse zurückzubringen. Doch das war vergebens. Jetzt gab man das Forschen nach dem Blut auf und begann die Spuren des Dieners zu suchen, um den man sich bis dahin nur oberflächlich bekümmert hatte. Sogleich wendete man sich wieder an den Diener von David Harari, der sich willig zum Wegweiser hergab. Er sagte Folgendes aus: Am Abende des 5 Febr., nachdem der Pater in der Wohnung seines Herrn ermordet war, hieß dieser ihn in die Wohnung des reichen Israeliten Marad Farchi gehen, ihm Nachricht von dem Vorfalle zu geben und ihn aufzufordern, dem Diener dasselbe Schicksal zu bereiten. Er habe diesen Antrag pünktlich erfüllt und dort auch Isaak de Piccioto, einen österreichischen Unterthan, gefunden, der die Unterhaltung habe hören müssen. Am folgenden Tage sey Piccioto in Harari's Wohnung gekommen, begleitet von Marad Farchi, Meir und Assom Farchi und Aaron Stamboli, sämmtlich Personen von Ansehen. Diese hatten erzählt daß sie den Diener des Paters Thomas in das Haus von Meir Farchi gebracht und hier getödtet hätten.

Hier muß ich bemerken, daß die schreckliche Untersuchung gegen die sieben Kaufleute jedem bekannt war; man wußte, daß zwei von ihnen im Gefängnisse den Geist aufgegeben hatten und der Entschluß fest stand, die Verhafteten durch Martern zum Geständnisse zu bringen. Täglich entwickelte sich eine grausamere und fanatischere Verfolgung gegen die Juden in Damaskus, täglich kamen neue Verhaftungen und schreckliche Mißhandlungen vor; die angesehensten Israeliten versteckten sich oder ergriffen die Flucht. Von den fünf Personen, die zuletzt durch Murad-el-Fallat denuncirt waren, fand man bloß Piccioto, der als österreichischer Unterthan jeder ungerechten Belästigung hätte entgehen sollen. Allein das geschah nicht, auch gegen ihn begann der französische Consul neuen Verdacht zu schöpfen. Am 6 März trug er bei meinem Consulat auf Ermächtigung zur Verhaftung von Piccioto an. Sogleich mit Hrn. Ayrut zum Scherif Pascha gesendet, wurde er verhört und beschränkte sich in seiner Confrontation mit dem Diener nicht aufs Läugnen, sondern wollte auch durch Zeugen während der von seinem Ankläger

an den Ufern des Bosporus das gebildete Publicum von Istanbul aus seiner türkischen Schlaffheit herauszaubert, und Se. Hoheit selbst das Zeichen zum stürmischen Beifall gibt. Ein großer Meister aber bleibt den Parisern immer: ihren Beethoven hören sie jeden Winter, und ist den Verstorbenen noch einige Kenntniß von dem Diesseits und noch einige Liebe dafür gelassen, so muß sich der Geist des großen Künstlers am liebsten und häufigsten über dieser Stadt sich aufhalten, die seine verschiedenen Schöpfungen so oft und so vollendet zur Darstellung bringt.

Zwischen die Predigten und Concerte schlichen sich auch einige Bälle ein. Mad. Duchatel hatte sogar eine Maskerade vor; die Furcht, dem frommen Sinn der Königin zu mißfallen, legte ein leises, aber wirksames Veto ein. Mad. Lehon, die schöne Gemahlin des belgischen Gesandten, feierte Mitfasten durch ein Fest von eben so glücklicher Anordnung als belebter Heiterkeit; doch Musik, Tanz und Gespräch ward plötzlich unterbrochen, als man um eilf Uhr Hrn. und Mad. Thiers anmeldete, und alle Blicke wandten sich auf den Sieger, der kaum das Feld des Triumphs verlassen. Das ist nun Alle vorbei – der Frühling, oder vielmehr der Sommer macht seine Rechte geltend, denn nur ein Astronom kann sich aus gelehrten Scrupeln im Frühling glauben, so schwer und brennend ist die Luft; die Bäume bekleiden sich und geben Schatten gegen die wilde, junge Hitze; aber die Blätter sind leidend und dürsten nach Erfrischung. Der Himmel endlich ist so rein und glühend, wie in den klarsten Tagen des Junius oder Julius, und der menschlichen Seele kann man nichts Schöneres wünschen, als daß sie an Gluth, Heiterkeit und Helle das Ebenbild eines solchen Himmels sey.

Italien.

Die Zahl der Fremden, welche alljährlich um diese Zeit aus Rom und Neapel zurückzukehren, und den Mai in Florenz zuzubringen pflegen, ist dießmal größer als je; für den momentanen Andrang solcher Gäste reicht die gewiß nicht unbedeutende Menge von Luftorten in den Galerien der Uffizi und des Palastes Pitti kaum hin. Unter den bedeutenderen Reisenden befindet sich der Professor Forchhammer aus Kiel, der bei seinem wiederholten Aufenthalt den hiesigen Antiken eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet hat. Für die wissenschaftlichen Arbeiten dieses Gelehrten haben, wie man vernimmt, die zweite Reise nach Griechenland, ein längerer Aufenthalt in der Ebene von Troja und ein Ausflug nach den Pyramiden die erfreulichsten Resultate geliefert, welche in der Fortsetzung und dem Schluß seiner Hellenika, in einer lang entbehrten genaueren Topographie der trojanischen Ebene und in einer weiteren Durchführung seiner schon früher ausgesprochenen und nun durch die Anschauung auf überraschende Weise bestätigten Ansicht über die Pyramiden niedergelegt werden sollen. – In der Galerie der Uffizi ist der Corridor, welcher die Werke toscanischer Bildhauer und unter ihnen eine ganze Reihe der schönsten Luca della Robbia enthält, um einen neuen Gang verlängert worden, so daß man nun den nöthigen Raum gewonnen hat, um die bedeutende Sammlung von etruskschen Monumenten, die bis dahin in drei verschiedenen Zimmern ziemlich unscheinbar zerstreut waren, neben einander in das gehörige Licht zu stellen. Die durch Lanzi berühmt gewordene Anzahl etruskischer Sarkophage befand sich bis dahin auf dem platten Dach der Loggia de' Lanzi; jetzt erblickt man die bedeutendsten derselben passender in dem letzten Flügel, dessen Ende der Laokoon von Baccio Bandinelli bezeichnet. Die unerschöpflichen Fundgruben von Chiusi haben diese im Ganzen sehr fabrikmäßigen Arbeiten jetzt um einen Sarkophag von seltener Schönheit des Styls bereichert, der die so häufig wiederholte Vorstellung des trauernden Orestes durch die auf ihn sich stützende, sehr innig gedachte Iphigenie auf merkwürdige Weise modificirt. Die Sammlung der schwarzen, mit Reliefs verzierten Vasen, welche meistens aus Sarteano kommen, ist auch in diesen Tagen um einige ausgezeichnet schöne Exemplare von bis dahin unbekannter Größe vermehrt worden. Was hier auf diese Weise für die Museen geschieht, kann in gewisser Beziehung für den harten Verlust trösten, welchen ein Nachbarstaat in diesem Augenblick dadurch erleidet, daß er die kleine aber höchst ausgewählte Galerie seines Fürsten in den Besitz des Herzogs von Sutherland und des brittischen Museums gelangen sieht.

Die Juden in Damascus.

Beschluß des Berichts des österreichischen Consuls Merlato. Vier Tage nach dem Geständnisse der sieben Kaufleute wollte man diese zwingen, die Uhr und die Schlüssel, welche der Pater Thomas bei sich trug, herauszugeben. Da die Unglücklichen sahen, daß man ihr elendes Daseyn nur unter Qualen zu fristen gedachte, so läugneten sie Alles und erklärten, daß ihre frühern Geständnisse ihnen durch die Heftigkeit der Qualen entrissen seyen. Das war eine große Ueberraschung für die Inquisitoren; von neuem griff man zur Bastonnade, zu andern Torturen, um sie auf ihre ersten Geständnisse zurückzubringen. Doch das war vergebens. Jetzt gab man das Forschen nach dem Blut auf und begann die Spuren des Dieners zu suchen, um den man sich bis dahin nur oberflächlich bekümmert hatte. Sogleich wendete man sich wieder an den Diener von David Harari, der sich willig zum Wegweiser hergab. Er sagte Folgendes aus: Am Abende des 5 Febr., nachdem der Pater in der Wohnung seines Herrn ermordet war, hieß dieser ihn in die Wohnung des reichen Israeliten Marad Farchi gehen, ihm Nachricht von dem Vorfalle zu geben und ihn aufzufordern, dem Diener dasselbe Schicksal zu bereiten. Er habe diesen Antrag pünktlich erfüllt und dort auch Isaak de Piccioto, einen österreichischen Unterthan, gefunden, der die Unterhaltung habe hören müssen. Am folgenden Tage sey Piccioto in Harari's Wohnung gekommen, begleitet von Marad Farchi, Meir und Assom Farchi und Aaron Stamboli, sämmtlich Personen von Ansehen. Diese hatten erzählt daß sie den Diener des Paters Thomas in das Haus von Meir Farchi gebracht und hier getödtet hätten.

Hier muß ich bemerken, daß die schreckliche Untersuchung gegen die sieben Kaufleute jedem bekannt war; man wußte, daß zwei von ihnen im Gefängnisse den Geist aufgegeben hatten und der Entschluß fest stand, die Verhafteten durch Martern zum Geständnisse zu bringen. Täglich entwickelte sich eine grausamere und fanatischere Verfolgung gegen die Juden in Damaskus, täglich kamen neue Verhaftungen und schreckliche Mißhandlungen vor; die angesehensten Israeliten versteckten sich oder ergriffen die Flucht. Von den fünf Personen, die zuletzt durch Murad-el-Fallat denuncirt waren, fand man bloß Piccioto, der als österreichischer Unterthan jeder ungerechten Belästigung hätte entgehen sollen. Allein das geschah nicht, auch gegen ihn begann der französische Consul neuen Verdacht zu schöpfen. Am 6 März trug er bei meinem Consulat auf Ermächtigung zur Verhaftung von Piccioto an. Sogleich mit Hrn. Ayrut zum Scherif Pascha gesendet, wurde er verhört und beschränkte sich in seiner Confrontation mit dem Diener nicht aufs Läugnen, sondern wollte auch durch Zeugen während der von seinem Ankläger

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an den Ufern des Bosporus das gebildete Publicum von Istanbul aus seiner türkischen Schlaffheit herauszaubert, und Se. Hoheit selbst das Zeichen zum stürmischen Beifall gibt. Ein großer Meister aber bleibt den Parisern immer: ihren Beethoven hören sie jeden Winter, und ist den Verstorbenen noch einige Kenntniß von dem Diesseits und noch einige Liebe dafür gelassen, so muß sich der Geist des großen Künstlers am liebsten und häufigsten über dieser Stadt sich aufhalten, die seine verschiedenen Schöpfungen so oft und so vollendet zur Darstellung bringt.</p><lb/>
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[1124/0012] an den Ufern des Bosporus das gebildete Publicum von Istanbul aus seiner türkischen Schlaffheit herauszaubert, und Se. Hoheit selbst das Zeichen zum stürmischen Beifall gibt. Ein großer Meister aber bleibt den Parisern immer: ihren Beethoven hören sie jeden Winter, und ist den Verstorbenen noch einige Kenntniß von dem Diesseits und noch einige Liebe dafür gelassen, so muß sich der Geist des großen Künstlers am liebsten und häufigsten über dieser Stadt sich aufhalten, die seine verschiedenen Schöpfungen so oft und so vollendet zur Darstellung bringt. Zwischen die Predigten und Concerte schlichen sich auch einige Bälle ein. Mad. Duchatel hatte sogar eine Maskerade vor; die Furcht, dem frommen Sinn der Königin zu mißfallen, legte ein leises, aber wirksames Veto ein. Mad. Lehon, die schöne Gemahlin des belgischen Gesandten, feierte Mitfasten durch ein Fest von eben so glücklicher Anordnung als belebter Heiterkeit; doch Musik, Tanz und Gespräch ward plötzlich unterbrochen, als man um eilf Uhr Hrn. und Mad. Thiers anmeldete, und alle Blicke wandten sich auf den Sieger, der kaum das Feld des Triumphs verlassen. Das ist nun Alle vorbei – der Frühling, oder vielmehr der Sommer macht seine Rechte geltend, denn nur ein Astronom kann sich aus gelehrten Scrupeln im Frühling glauben, so schwer und brennend ist die Luft; die Bäume bekleiden sich und geben Schatten gegen die wilde, junge Hitze; aber die Blätter sind leidend und dürsten nach Erfrischung. Der Himmel endlich ist so rein und glühend, wie in den klarsten Tagen des Junius oder Julius, und der menschlichen Seele kann man nichts Schöneres wünschen, als daß sie an Gluth, Heiterkeit und Helle das Ebenbild eines solchen Himmels sey. Italien. _ Florenz, 12 Mai. Die Zahl der Fremden, welche alljährlich um diese Zeit aus Rom und Neapel zurückzukehren, und den Mai in Florenz zuzubringen pflegen, ist dießmal größer als je; für den momentanen Andrang solcher Gäste reicht die gewiß nicht unbedeutende Menge von Luftorten in den Galerien der Uffizi und des Palastes Pitti kaum hin. Unter den bedeutenderen Reisenden befindet sich der Professor Forchhammer aus Kiel, der bei seinem wiederholten Aufenthalt den hiesigen Antiken eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet hat. Für die wissenschaftlichen Arbeiten dieses Gelehrten haben, wie man vernimmt, die zweite Reise nach Griechenland, ein längerer Aufenthalt in der Ebene von Troja und ein Ausflug nach den Pyramiden die erfreulichsten Resultate geliefert, welche in der Fortsetzung und dem Schluß seiner Hellenika, in einer lang entbehrten genaueren Topographie der trojanischen Ebene und in einer weiteren Durchführung seiner schon früher ausgesprochenen und nun durch die Anschauung auf überraschende Weise bestätigten Ansicht über die Pyramiden niedergelegt werden sollen. – In der Galerie der Uffizi ist der Corridor, welcher die Werke toscanischer Bildhauer und unter ihnen eine ganze Reihe der schönsten Luca della Robbia enthält, um einen neuen Gang verlängert worden, so daß man nun den nöthigen Raum gewonnen hat, um die bedeutende Sammlung von etruskschen Monumenten, die bis dahin in drei verschiedenen Zimmern ziemlich unscheinbar zerstreut waren, neben einander in das gehörige Licht zu stellen. Die durch Lanzi berühmt gewordene Anzahl etruskischer Sarkophage befand sich bis dahin auf dem platten Dach der Loggia de' Lanzi; jetzt erblickt man die bedeutendsten derselben passender in dem letzten Flügel, dessen Ende der Laokoon von Baccio Bandinelli bezeichnet. Die unerschöpflichen Fundgruben von Chiusi haben diese im Ganzen sehr fabrikmäßigen Arbeiten jetzt um einen Sarkophag von seltener Schönheit des Styls bereichert, der die so häufig wiederholte Vorstellung des trauernden Orestes durch die auf ihn sich stützende, sehr innig gedachte Iphigenie auf merkwürdige Weise modificirt. Die Sammlung der schwarzen, mit Reliefs verzierten Vasen, welche meistens aus Sarteano kommen, ist auch in diesen Tagen um einige ausgezeichnet schöne Exemplare von bis dahin unbekannter Größe vermehrt worden. Was hier auf diese Weise für die Museen geschieht, kann in gewisser Beziehung für den harten Verlust trösten, welchen ein Nachbarstaat in diesem Augenblick dadurch erleidet, daß er die kleine aber höchst ausgewählte Galerie seines Fürsten in den Besitz des Herzogs von Sutherland und des brittischen Museums gelangen sieht. Die Juden in Damascus. Beschluß des Berichts des österreichischen Consuls Merlato. Vier Tage nach dem Geständnisse der sieben Kaufleute wollte man diese zwingen, die Uhr und die Schlüssel, welche der Pater Thomas bei sich trug, herauszugeben. Da die Unglücklichen sahen, daß man ihr elendes Daseyn nur unter Qualen zu fristen gedachte, so läugneten sie Alles und erklärten, daß ihre frühern Geständnisse ihnen durch die Heftigkeit der Qualen entrissen seyen. Das war eine große Ueberraschung für die Inquisitoren; von neuem griff man zur Bastonnade, zu andern Torturen, um sie auf ihre ersten Geständnisse zurückzubringen. Doch das war vergebens. Jetzt gab man das Forschen nach dem Blut auf und begann die Spuren des Dieners zu suchen, um den man sich bis dahin nur oberflächlich bekümmert hatte. Sogleich wendete man sich wieder an den Diener von David Harari, der sich willig zum Wegweiser hergab. Er sagte Folgendes aus: Am Abende des 5 Febr., nachdem der Pater in der Wohnung seines Herrn ermordet war, hieß dieser ihn in die Wohnung des reichen Israeliten Marad Farchi gehen, ihm Nachricht von dem Vorfalle zu geben und ihn aufzufordern, dem Diener dasselbe Schicksal zu bereiten. Er habe diesen Antrag pünktlich erfüllt und dort auch Isaak de Piccioto, einen österreichischen Unterthan, gefunden, der die Unterhaltung habe hören müssen. Am folgenden Tage sey Piccioto in Harari's Wohnung gekommen, begleitet von Marad Farchi, Meir und Assom Farchi und Aaron Stamboli, sämmtlich Personen von Ansehen. Diese hatten erzählt daß sie den Diener des Paters Thomas in das Haus von Meir Farchi gebracht und hier getödtet hätten. Hier muß ich bemerken, daß die schreckliche Untersuchung gegen die sieben Kaufleute jedem bekannt war; man wußte, daß zwei von ihnen im Gefängnisse den Geist aufgegeben hatten und der Entschluß fest stand, die Verhafteten durch Martern zum Geständnisse zu bringen. Täglich entwickelte sich eine grausamere und fanatischere Verfolgung gegen die Juden in Damaskus, täglich kamen neue Verhaftungen und schreckliche Mißhandlungen vor; die angesehensten Israeliten versteckten sich oder ergriffen die Flucht. Von den fünf Personen, die zuletzt durch Murad-el-Fallat denuncirt waren, fand man bloß Piccioto, der als österreichischer Unterthan jeder ungerechten Belästigung hätte entgehen sollen. Allein das geschah nicht, auch gegen ihn begann der französische Consul neuen Verdacht zu schöpfen. Am 6 März trug er bei meinem Consulat auf Ermächtigung zur Verhaftung von Piccioto an. Sogleich mit Hrn. Ayrut zum Scherif Pascha gesendet, wurde er verhört und beschränkte sich in seiner Confrontation mit dem Diener nicht aufs Läugnen, sondern wollte auch durch Zeugen während der von seinem Ankläger

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 141. Augsburg, 20. Mai 1840, S. 1124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_141_18400520/12>, abgerufen am 30.04.2024.