Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 141. Augsburg, 20. Mai 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

er mit einigen Worten an die Befugnisse des Staatsraths und dessen Geschichte seit 40 Jahren erinnerte.

Den Journalurtheilen über die von der Regierung angekündigte Versetzung der Gebeine Napoleons tragen wir noch folgende Bemerkungen des National nach: "Hrn. Thiers ist es mit dieser Maaßregel nicht gelungen, die Opposition irgend einer Partei zu entwaffnen. Leicht könnte es kommen, daß nach dieser großen Komödie, auf deren Erfolg man so sehr gerechnet hatte, der Eindruck des Stücks doch im Ganzen nur ein ziemlich schlechter wäre, und daß man höchstens nur das Klatschen der Einen und das Zischen der Andern damit gewänne. Ludwig Philipp ist nicht ohne Besorgniß über diese Unklugheit des Hrn. Thiers. Man wiederholt bei Hofe die Worte: Leichtsinn, Unbesonnenheit, compromittirende Eitelkeit. Man berechnet im voraus die ungeheure einheimische und auswärtige Zuschauermasse, welche das Begräbniß Napoleons nach der Hauptstadt ziehen muß; man denkt nach über die gefährliche, die unberechenbare Wirkung des Rufes: vive l'empereur! über die Schwierigkeit, die man vielleicht haben wird, das Grab zu den Invaliden zu versetzen gegen den Wunsch von mehr als einer Million Menschen, welche rufen werden: unter die Vendomesäule! Wie kann man ferner der Familie Napoleons verweigern, der Feier beizuwohnen? Und wenn man einwilligt, welche Gefahr bringt ihre Gegenwart! Verweigert man es ihr aber, wie noch viel größer wird die Gefahr, wenn ein Prinz dieses Hauses, jünger und kühner als die übrigen, einsehen würde, daß seine Pflicht ihm gebiete, dabei zu seyn - und wenn er dabei seyn will um jeden Preis! Man muß 60,000 Mann nach der Hauptstadt kommen lassen unter dem Vorwand, den militärischen Pomp zu erhöhen; aber diese Truppen selbst werden von den glänzendsten Erinnerungen elektrisch mit ergriffen werden und dann wird ihre Zahl sogar gefährlich. Alle diese Gründe und noch viele andere aus einer ganz andern Sphäre politischer Ideen machten den König stutzig. Warum in diesem so leicht entzündbaren Lande den alten Schlachtinstinct wecken? England mag dieß wenig kümmern. Was aber wird das übrige Europa dazu sagen? All' diese Gründe schienen der gegenwärtigen Legitimität sehr ernst; dieselbe fand sich auch nicht sehr geschmeichelt, daß man ihr so hübsch die Stelle nach der Legitimität des Hrn. Joseph Bonaparte anwies. So richtet dieses große Unternehmen des Hrn. Thiers, das auf die öffentliche Meinung nicht die ganze Wirkung äußerte, die er sich versprochen, ihn bei Hofe vollends zu Grunde."

(Courrier francais.) Unbeschreiblich war der Eindruck, den die Rede des Ministers des Innern auf die Invaliden machte. Alle diese verstümmelten Veteranen vergossen Thränen der Freude, als sie hörten, daß die Reste Napoleons bald in ihre Mitte zurückgebracht und ihrer Obhut anvertraut würden. Eben so freudig überrascht waren ihre Officiere, besonders der greise Marschall Moncey, der Napoleon bis zum letzten Augenblick treu geblieben war, und den diese frohe Nachricht um 25 Jahre verjüngt hat.

Dem Siecle zufolge sagte man am 14 Mai Abends im Foyer der Oper, Hr. Victor Hugo, dem man bereits eine Ode auf die Vendomesäule und eine andere auf den Triumphbogen verdankt, habe auf dem Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten eine lange Unterredung mit Hrn. Thiers gehabt, die sich wohl auf die in der Deputirtenkammer erfolgte Mittheilung beziehen dürfte.

Guizot scheint seinen Posten über alle Erwartung gut auszufüllen. Man hatte geglaubt, daß er dazu nicht recht geeignet sey, weil er etwas eckige Formen hat, und ihm der Jargon der Salons abgeht. Man sieht aber, daß er mit seinem schlichten Benehmen recht gut auskommt, und mit seinem doctrinären Ton nirgends anstößt. Er hat sich dadurch eine Stellung gegeben, die fast keiner seiner Vorgänger hatte. Schroff und bedächtig ist dem Engländer lieber als hüpfend und geschmeidig sich zeigen. Guizot hüpft und schmiegt sich wahrlich nicht, und mußte daher in London gefallen. Er hat auch bereits Freunde erworben, und zwar Freunde von Gewicht und Einfluß, die ihm zur Hand gehen, Vieles erleichtern, mit ihm berathen und das Band enger und enger zu knüpfen suchen, das Frankreich und England zusammenhält. Die specielle Aufgabe Guizots war, die französisch-englische Allianz zu stärken. Er hat dafür viel gethan, und wird gewiß erlangen, daß die Ursache gänzlich beseitigt werde, die eine Trennung nach sich zu ziehen drohte. Es würde bereits geschehen seyn, hätte Lord Palmerston nicht einen zu großen Schritt zurückzumachen, um sich auf die Parallele der französischen Ansichten zu stellen, die nach der eigenen Aussage vieler Mitglieder des brittischen Conseils die am meisten praktischen bei Behandlung der orientalischen Angelegenheiten sind. Hiezu konnte sich Palmerston noch nicht verstehen, und es ist begreiflich, daß es ihm widerstrebt durch die That einzugestehen, daß er sich geirrt habe. Guizot hofft jedoch, er werde convertirt werden. Sein letzter höchst merkwürdiger Bericht spricht dieß mit einer gewissen Ueberzeugung aus und sucht jeden Zweifel zu heben, den man über den ruhigen Ausgang des orientalischen Streites noch fühlen möchte. Palmerston, sagt der Guizot'sche Bericht im Wesentlichen, ist nicht leichtsinnig, nicht halsstarrig, wie man allgemein glaubt; er ist reizbar, mißtrauisch und wird dadurch häufig zu Handlungen verführt, die er bereut, sobald er aufgeklärt und wieder beruhigt ist. Ihm liegt dann selbst daran, das Geschehene gut und vergessen zu machen; allein er kann dieß nicht mit einem Sprung, sondern muß des Parlamentes wegen Zeit und Mittel erlauschen, um es so viel als thunlich ohne zu großes Aufsehen zu thun. Er benützt in solchen Fällen gewöhnlich die ihm von den Agenten zukommenden Mittheilungen, die er, wenn sie seiner Absicht gleich entsprechen, als Beleg hervorzieht, um sagen zu können, daß er so und so habe handeln müssen, die er aber, wenn sie dazu untauglich sind, durch höchst geschickte Instructionen zu modificiren oder andere hervorzurufen versteht, ohne daß der Berichterstatter sich veranlaßt glaubt, in einem Sinne zu schreiben, der dem Staatssecretär genehm ist, und der von dem abweicht, den er vielleicht früher kund gab und wirklich von ihm selbst ausgeht. Dieß Talent, das nach Guizots Aeußerung Wenige besitzen, bildet die Stärke Palmerstons, und da er schon zu fühlen anfängt, daß in der orientalischen Frage Mißgriffe geschehen, so wird er es ohne Zweifel bald geltend zu machen suchen, wenn er es nicht schon gethan hat. Guizot will zwar wissen, daß die Instructionen, welche in den letzten Tagen an Lord Ponsonby und Obrist Hodges ergingen, Spuren von großer Aufregung verriethen, in der Lord Palmerston sich noch zu befinden scheine; allein er glaubt darin mehr künstlich erzeugte Empfindungen als den wahren Ausdruck seiner jetzigen Gesinnungen suchen zu müssen, mit denen er später hervortreten dürfte.

Heute beschäftigen sich die Kammerbureaux mit dem Entwurf über die Abholung der irdischen Reste Napoleons. Man mißbilligt ziemlich allgemein, daß dieselben in der Invalidenkirche beigesetzt werden sollen. Vermuthlich erfolgt ein Amendement dahin, ihnen ihre Stelle unter der Siegescolonne auf dem Vendomeplatze anzuweisen. - Zweitens soll heute der Entwurf über die Reform der Gefängnisse geprüft werden. In meinem Briefe von gestern findet sich in dieser Hinsicht ein Irrthum: der Entwurf besagt nicht

er mit einigen Worten an die Befugnisse des Staatsraths und dessen Geschichte seit 40 Jahren erinnerte.

Den Journalurtheilen über die von der Regierung angekündigte Versetzung der Gebeine Napoleons tragen wir noch folgende Bemerkungen des National nach: „Hrn. Thiers ist es mit dieser Maaßregel nicht gelungen, die Opposition irgend einer Partei zu entwaffnen. Leicht könnte es kommen, daß nach dieser großen Komödie, auf deren Erfolg man so sehr gerechnet hatte, der Eindruck des Stücks doch im Ganzen nur ein ziemlich schlechter wäre, und daß man höchstens nur das Klatschen der Einen und das Zischen der Andern damit gewänne. Ludwig Philipp ist nicht ohne Besorgniß über diese Unklugheit des Hrn. Thiers. Man wiederholt bei Hofe die Worte: Leichtsinn, Unbesonnenheit, compromittirende Eitelkeit. Man berechnet im voraus die ungeheure einheimische und auswärtige Zuschauermasse, welche das Begräbniß Napoleons nach der Hauptstadt ziehen muß; man denkt nach über die gefährliche, die unberechenbare Wirkung des Rufes: vive l'empereur! über die Schwierigkeit, die man vielleicht haben wird, das Grab zu den Invaliden zu versetzen gegen den Wunsch von mehr als einer Million Menschen, welche rufen werden: unter die Vendomesäule! Wie kann man ferner der Familie Napoleons verweigern, der Feier beizuwohnen? Und wenn man einwilligt, welche Gefahr bringt ihre Gegenwart! Verweigert man es ihr aber, wie noch viel größer wird die Gefahr, wenn ein Prinz dieses Hauses, jünger und kühner als die übrigen, einsehen würde, daß seine Pflicht ihm gebiete, dabei zu seyn – und wenn er dabei seyn will um jeden Preis! Man muß 60,000 Mann nach der Hauptstadt kommen lassen unter dem Vorwand, den militärischen Pomp zu erhöhen; aber diese Truppen selbst werden von den glänzendsten Erinnerungen elektrisch mit ergriffen werden und dann wird ihre Zahl sogar gefährlich. Alle diese Gründe und noch viele andere aus einer ganz andern Sphäre politischer Ideen machten den König stutzig. Warum in diesem so leicht entzündbaren Lande den alten Schlachtinstinct wecken? England mag dieß wenig kümmern. Was aber wird das übrige Europa dazu sagen? All' diese Gründe schienen der gegenwärtigen Legitimität sehr ernst; dieselbe fand sich auch nicht sehr geschmeichelt, daß man ihr so hübsch die Stelle nach der Legitimität des Hrn. Joseph Bonaparte anwies. So richtet dieses große Unternehmen des Hrn. Thiers, das auf die öffentliche Meinung nicht die ganze Wirkung äußerte, die er sich versprochen, ihn bei Hofe vollends zu Grunde.“

(Courrier français.) Unbeschreiblich war der Eindruck, den die Rede des Ministers des Innern auf die Invaliden machte. Alle diese verstümmelten Veteranen vergossen Thränen der Freude, als sie hörten, daß die Reste Napoleons bald in ihre Mitte zurückgebracht und ihrer Obhut anvertraut würden. Eben so freudig überrascht waren ihre Officiere, besonders der greise Marschall Moncey, der Napoleon bis zum letzten Augenblick treu geblieben war, und den diese frohe Nachricht um 25 Jahre verjüngt hat.

Dem Siècle zufolge sagte man am 14 Mai Abends im Foyer der Oper, Hr. Victor Hugo, dem man bereits eine Ode auf die Vendomesäule und eine andere auf den Triumphbogen verdankt, habe auf dem Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten eine lange Unterredung mit Hrn. Thiers gehabt, die sich wohl auf die in der Deputirtenkammer erfolgte Mittheilung beziehen dürfte.

Guizot scheint seinen Posten über alle Erwartung gut auszufüllen. Man hatte geglaubt, daß er dazu nicht recht geeignet sey, weil er etwas eckige Formen hat, und ihm der Jargon der Salons abgeht. Man sieht aber, daß er mit seinem schlichten Benehmen recht gut auskommt, und mit seinem doctrinären Ton nirgends anstößt. Er hat sich dadurch eine Stellung gegeben, die fast keiner seiner Vorgänger hatte. Schroff und bedächtig ist dem Engländer lieber als hüpfend und geschmeidig sich zeigen. Guizot hüpft und schmiegt sich wahrlich nicht, und mußte daher in London gefallen. Er hat auch bereits Freunde erworben, und zwar Freunde von Gewicht und Einfluß, die ihm zur Hand gehen, Vieles erleichtern, mit ihm berathen und das Band enger und enger zu knüpfen suchen, das Frankreich und England zusammenhält. Die specielle Aufgabe Guizots war, die französisch-englische Allianz zu stärken. Er hat dafür viel gethan, und wird gewiß erlangen, daß die Ursache gänzlich beseitigt werde, die eine Trennung nach sich zu ziehen drohte. Es würde bereits geschehen seyn, hätte Lord Palmerston nicht einen zu großen Schritt zurückzumachen, um sich auf die Parallele der französischen Ansichten zu stellen, die nach der eigenen Aussage vieler Mitglieder des brittischen Conseils die am meisten praktischen bei Behandlung der orientalischen Angelegenheiten sind. Hiezu konnte sich Palmerston noch nicht verstehen, und es ist begreiflich, daß es ihm widerstrebt durch die That einzugestehen, daß er sich geirrt habe. Guizot hofft jedoch, er werde convertirt werden. Sein letzter höchst merkwürdiger Bericht spricht dieß mit einer gewissen Ueberzeugung aus und sucht jeden Zweifel zu heben, den man über den ruhigen Ausgang des orientalischen Streites noch fühlen möchte. Palmerston, sagt der Guizot'sche Bericht im Wesentlichen, ist nicht leichtsinnig, nicht halsstarrig, wie man allgemein glaubt; er ist reizbar, mißtrauisch und wird dadurch häufig zu Handlungen verführt, die er bereut, sobald er aufgeklärt und wieder beruhigt ist. Ihm liegt dann selbst daran, das Geschehene gut und vergessen zu machen; allein er kann dieß nicht mit einem Sprung, sondern muß des Parlamentes wegen Zeit und Mittel erlauschen, um es so viel als thunlich ohne zu großes Aufsehen zu thun. Er benützt in solchen Fällen gewöhnlich die ihm von den Agenten zukommenden Mittheilungen, die er, wenn sie seiner Absicht gleich entsprechen, als Beleg hervorzieht, um sagen zu können, daß er so und so habe handeln müssen, die er aber, wenn sie dazu untauglich sind, durch höchst geschickte Instructionen zu modificiren oder andere hervorzurufen versteht, ohne daß der Berichterstatter sich veranlaßt glaubt, in einem Sinne zu schreiben, der dem Staatssecretär genehm ist, und der von dem abweicht, den er vielleicht früher kund gab und wirklich von ihm selbst ausgeht. Dieß Talent, das nach Guizots Aeußerung Wenige besitzen, bildet die Stärke Palmerstons, und da er schon zu fühlen anfängt, daß in der orientalischen Frage Mißgriffe geschehen, so wird er es ohne Zweifel bald geltend zu machen suchen, wenn er es nicht schon gethan hat. Guizot will zwar wissen, daß die Instructionen, welche in den letzten Tagen an Lord Ponsonby und Obrist Hodges ergingen, Spuren von großer Aufregung verriethen, in der Lord Palmerston sich noch zu befinden scheine; allein er glaubt darin mehr künstlich erzeugte Empfindungen als den wahren Ausdruck seiner jetzigen Gesinnungen suchen zu müssen, mit denen er später hervortreten dürfte.

Heute beschäftigen sich die Kammerbureaux mit dem Entwurf über die Abholung der irdischen Reste Napoleons. Man mißbilligt ziemlich allgemein, daß dieselben in der Invalidenkirche beigesetzt werden sollen. Vermuthlich erfolgt ein Amendement dahin, ihnen ihre Stelle unter der Siegescolonne auf dem Vendomeplatze anzuweisen. – Zweitens soll heute der Entwurf über die Reform der Gefängnisse geprüft werden. In meinem Briefe von gestern findet sich in dieser Hinsicht ein Irrthum: der Entwurf besagt nicht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="jArticle" n="2">
          <p><pb facs="#f0004" n="1124"/>
er mit einigen Worten an die Befugnisse des Staatsraths und dessen Geschichte seit 40 Jahren erinnerte.</p><lb/>
          <p>Den Journalurtheilen über die von der Regierung angekündigte Versetzung der Gebeine Napoleons tragen wir noch folgende Bemerkungen des <hi rendition="#g">National</hi> nach: &#x201E;Hrn. Thiers ist es mit dieser Maaßregel nicht gelungen, die Opposition irgend einer Partei zu entwaffnen. Leicht könnte es kommen, daß nach dieser großen Komödie, auf deren Erfolg man so sehr gerechnet hatte, der Eindruck des Stücks doch im Ganzen nur ein ziemlich schlechter wäre, und daß man höchstens nur das Klatschen der Einen und das Zischen der Andern damit gewänne. Ludwig Philipp ist nicht ohne Besorgniß über diese Unklugheit des Hrn. Thiers. Man wiederholt bei Hofe die Worte: Leichtsinn, Unbesonnenheit, compromittirende Eitelkeit. Man berechnet im voraus die ungeheure einheimische und auswärtige Zuschauermasse, welche das Begräbniß Napoleons nach der Hauptstadt ziehen muß; man denkt nach über die gefährliche, die unberechenbare Wirkung des Rufes: vive l'empereur! über die Schwierigkeit, die man vielleicht haben wird, das Grab zu den Invaliden zu versetzen gegen den Wunsch von mehr als einer Million Menschen, welche rufen werden: <hi rendition="#g">unter die Vendomesäule</hi>! Wie kann man ferner der Familie Napoleons verweigern, der Feier beizuwohnen? Und wenn man einwilligt, welche Gefahr bringt ihre Gegenwart! Verweigert man es ihr aber, wie noch viel größer wird die Gefahr, wenn ein Prinz dieses Hauses, jünger und kühner als die übrigen, einsehen würde, daß seine Pflicht ihm gebiete, dabei zu seyn &#x2013; und wenn er dabei seyn will um jeden Preis! Man muß 60,000 Mann nach der Hauptstadt kommen lassen unter dem Vorwand, den militärischen Pomp zu erhöhen; aber diese Truppen selbst werden von den glänzendsten Erinnerungen elektrisch mit ergriffen werden und dann wird ihre Zahl sogar gefährlich. Alle diese Gründe und noch viele andere aus einer ganz andern Sphäre politischer Ideen machten den König stutzig. Warum in diesem so leicht entzündbaren Lande den alten Schlachtinstinct wecken? England mag dieß wenig kümmern. Was aber wird das übrige Europa dazu sagen? All' diese Gründe schienen der gegenwärtigen Legitimität sehr ernst; dieselbe fand sich auch nicht sehr geschmeichelt, daß man ihr so hübsch die Stelle nach der Legitimität des Hrn. Joseph Bonaparte anwies. So richtet dieses große Unternehmen des Hrn. Thiers, das auf die öffentliche Meinung nicht die ganze Wirkung äußerte, die er sich versprochen, ihn bei Hofe vollends zu Grunde.&#x201C;</p><lb/>
          <p>(<hi rendition="#g">Courrier français</hi>.) Unbeschreiblich war der Eindruck, den die Rede des Ministers des Innern auf die Invaliden machte. Alle diese verstümmelten Veteranen vergossen Thränen der Freude, als sie hörten, daß die Reste Napoleons bald in ihre Mitte zurückgebracht und ihrer Obhut anvertraut würden. Eben so freudig überrascht waren ihre Officiere, besonders der greise Marschall Moncey, der Napoleon bis zum letzten Augenblick treu geblieben war, und den diese frohe Nachricht um 25 Jahre verjüngt hat.</p><lb/>
          <p>Dem <hi rendition="#g">Siècle</hi> zufolge sagte man am 14 Mai Abends im Foyer der Oper, Hr. Victor Hugo, dem man bereits eine Ode auf die Vendomesäule und eine andere auf den Triumphbogen verdankt, habe auf dem Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten eine lange Unterredung mit Hrn. Thiers gehabt, die sich wohl auf die in der Deputirtenkammer erfolgte Mittheilung beziehen dürfte.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 10 Mai.</dateline>
          <p> Guizot scheint seinen Posten über alle Erwartung gut auszufüllen. Man hatte geglaubt, daß er dazu nicht recht geeignet sey, weil er etwas eckige Formen hat, und ihm der Jargon der Salons abgeht. Man sieht aber, daß er mit seinem schlichten Benehmen recht gut auskommt, und mit seinem doctrinären Ton nirgends anstößt. Er hat sich dadurch eine Stellung gegeben, die fast keiner seiner Vorgänger hatte. Schroff und bedächtig ist dem Engländer lieber als hüpfend und geschmeidig sich zeigen. Guizot hüpft und schmiegt sich wahrlich nicht, und mußte daher in London gefallen. Er hat auch bereits Freunde erworben, und zwar Freunde von Gewicht und Einfluß, die ihm zur Hand gehen, Vieles erleichtern, mit ihm berathen und das Band enger und enger zu knüpfen suchen, das Frankreich und England zusammenhält. Die specielle Aufgabe Guizots war, die französisch-englische Allianz zu stärken. Er hat dafür viel gethan, und wird gewiß erlangen, daß die Ursache gänzlich beseitigt werde, die eine Trennung nach sich zu ziehen drohte. Es würde bereits geschehen seyn, hätte Lord Palmerston nicht einen zu großen Schritt zurückzumachen, um sich auf die Parallele der französischen Ansichten zu stellen, die nach der eigenen Aussage vieler Mitglieder des brittischen Conseils die am meisten praktischen bei Behandlung der orientalischen Angelegenheiten sind. Hiezu konnte sich Palmerston noch nicht verstehen, und es ist begreiflich, daß es ihm widerstrebt durch die That einzugestehen, daß er sich geirrt habe. Guizot hofft jedoch, er werde convertirt werden. Sein letzter höchst merkwürdiger Bericht spricht dieß mit einer gewissen Ueberzeugung aus und sucht jeden Zweifel zu heben, den man über den ruhigen Ausgang des orientalischen Streites noch fühlen möchte. Palmerston, sagt der Guizot'sche Bericht im Wesentlichen, ist nicht leichtsinnig, nicht halsstarrig, wie man allgemein glaubt; er ist reizbar, mißtrauisch und wird dadurch häufig zu Handlungen verführt, die er bereut, sobald er aufgeklärt und wieder beruhigt ist. Ihm liegt dann selbst daran, das Geschehene gut und vergessen zu machen; allein er kann dieß nicht mit einem Sprung, sondern muß des Parlamentes wegen Zeit und Mittel erlauschen, um es so viel als thunlich ohne zu großes Aufsehen zu thun. Er benützt in solchen Fällen gewöhnlich die ihm von den Agenten zukommenden Mittheilungen, die er, wenn sie seiner Absicht gleich entsprechen, als Beleg hervorzieht, um sagen zu können, daß er so und so habe handeln müssen, die er aber, wenn sie dazu untauglich sind, durch höchst geschickte Instructionen zu modificiren oder andere hervorzurufen versteht, ohne daß der Berichterstatter sich veranlaßt glaubt, in einem Sinne zu schreiben, der dem Staatssecretär genehm ist, und der von dem abweicht, den er vielleicht früher kund gab und wirklich von ihm selbst ausgeht. Dieß Talent, das nach Guizots Aeußerung Wenige besitzen, bildet die Stärke Palmerstons, und da er schon zu fühlen anfängt, daß in der orientalischen Frage Mißgriffe geschehen, so wird er es ohne Zweifel bald geltend zu machen suchen, wenn er es nicht schon gethan hat. Guizot will zwar wissen, daß die Instructionen, welche in den letzten Tagen an Lord Ponsonby und Obrist Hodges ergingen, Spuren von großer Aufregung verriethen, in der Lord Palmerston sich noch zu befinden scheine; allein er glaubt darin mehr künstlich erzeugte Empfindungen als den wahren Ausdruck seiner jetzigen Gesinnungen suchen zu müssen, mit denen er später hervortreten dürfte.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 14 Mai.</dateline>
          <p> Heute beschäftigen sich die Kammerbureaux mit dem Entwurf über die Abholung der irdischen Reste Napoleons. Man mißbilligt ziemlich allgemein, daß dieselben in der Invalidenkirche beigesetzt werden sollen. Vermuthlich erfolgt ein Amendement dahin, ihnen ihre Stelle unter der Siegescolonne auf dem Vendomeplatze anzuweisen. &#x2013; Zweitens soll heute der Entwurf über die Reform der Gefängnisse geprüft werden. In meinem Briefe von gestern findet sich in dieser Hinsicht ein Irrthum: der Entwurf besagt nicht<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1124/0004] er mit einigen Worten an die Befugnisse des Staatsraths und dessen Geschichte seit 40 Jahren erinnerte. Den Journalurtheilen über die von der Regierung angekündigte Versetzung der Gebeine Napoleons tragen wir noch folgende Bemerkungen des National nach: „Hrn. Thiers ist es mit dieser Maaßregel nicht gelungen, die Opposition irgend einer Partei zu entwaffnen. Leicht könnte es kommen, daß nach dieser großen Komödie, auf deren Erfolg man so sehr gerechnet hatte, der Eindruck des Stücks doch im Ganzen nur ein ziemlich schlechter wäre, und daß man höchstens nur das Klatschen der Einen und das Zischen der Andern damit gewänne. Ludwig Philipp ist nicht ohne Besorgniß über diese Unklugheit des Hrn. Thiers. Man wiederholt bei Hofe die Worte: Leichtsinn, Unbesonnenheit, compromittirende Eitelkeit. Man berechnet im voraus die ungeheure einheimische und auswärtige Zuschauermasse, welche das Begräbniß Napoleons nach der Hauptstadt ziehen muß; man denkt nach über die gefährliche, die unberechenbare Wirkung des Rufes: vive l'empereur! über die Schwierigkeit, die man vielleicht haben wird, das Grab zu den Invaliden zu versetzen gegen den Wunsch von mehr als einer Million Menschen, welche rufen werden: unter die Vendomesäule! Wie kann man ferner der Familie Napoleons verweigern, der Feier beizuwohnen? Und wenn man einwilligt, welche Gefahr bringt ihre Gegenwart! Verweigert man es ihr aber, wie noch viel größer wird die Gefahr, wenn ein Prinz dieses Hauses, jünger und kühner als die übrigen, einsehen würde, daß seine Pflicht ihm gebiete, dabei zu seyn – und wenn er dabei seyn will um jeden Preis! Man muß 60,000 Mann nach der Hauptstadt kommen lassen unter dem Vorwand, den militärischen Pomp zu erhöhen; aber diese Truppen selbst werden von den glänzendsten Erinnerungen elektrisch mit ergriffen werden und dann wird ihre Zahl sogar gefährlich. Alle diese Gründe und noch viele andere aus einer ganz andern Sphäre politischer Ideen machten den König stutzig. Warum in diesem so leicht entzündbaren Lande den alten Schlachtinstinct wecken? England mag dieß wenig kümmern. Was aber wird das übrige Europa dazu sagen? All' diese Gründe schienen der gegenwärtigen Legitimität sehr ernst; dieselbe fand sich auch nicht sehr geschmeichelt, daß man ihr so hübsch die Stelle nach der Legitimität des Hrn. Joseph Bonaparte anwies. So richtet dieses große Unternehmen des Hrn. Thiers, das auf die öffentliche Meinung nicht die ganze Wirkung äußerte, die er sich versprochen, ihn bei Hofe vollends zu Grunde.“ (Courrier français.) Unbeschreiblich war der Eindruck, den die Rede des Ministers des Innern auf die Invaliden machte. Alle diese verstümmelten Veteranen vergossen Thränen der Freude, als sie hörten, daß die Reste Napoleons bald in ihre Mitte zurückgebracht und ihrer Obhut anvertraut würden. Eben so freudig überrascht waren ihre Officiere, besonders der greise Marschall Moncey, der Napoleon bis zum letzten Augenblick treu geblieben war, und den diese frohe Nachricht um 25 Jahre verjüngt hat. Dem Siècle zufolge sagte man am 14 Mai Abends im Foyer der Oper, Hr. Victor Hugo, dem man bereits eine Ode auf die Vendomesäule und eine andere auf den Triumphbogen verdankt, habe auf dem Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten eine lange Unterredung mit Hrn. Thiers gehabt, die sich wohl auf die in der Deputirtenkammer erfolgte Mittheilung beziehen dürfte. _ Paris, 10 Mai. Guizot scheint seinen Posten über alle Erwartung gut auszufüllen. Man hatte geglaubt, daß er dazu nicht recht geeignet sey, weil er etwas eckige Formen hat, und ihm der Jargon der Salons abgeht. Man sieht aber, daß er mit seinem schlichten Benehmen recht gut auskommt, und mit seinem doctrinären Ton nirgends anstößt. Er hat sich dadurch eine Stellung gegeben, die fast keiner seiner Vorgänger hatte. Schroff und bedächtig ist dem Engländer lieber als hüpfend und geschmeidig sich zeigen. Guizot hüpft und schmiegt sich wahrlich nicht, und mußte daher in London gefallen. Er hat auch bereits Freunde erworben, und zwar Freunde von Gewicht und Einfluß, die ihm zur Hand gehen, Vieles erleichtern, mit ihm berathen und das Band enger und enger zu knüpfen suchen, das Frankreich und England zusammenhält. Die specielle Aufgabe Guizots war, die französisch-englische Allianz zu stärken. Er hat dafür viel gethan, und wird gewiß erlangen, daß die Ursache gänzlich beseitigt werde, die eine Trennung nach sich zu ziehen drohte. Es würde bereits geschehen seyn, hätte Lord Palmerston nicht einen zu großen Schritt zurückzumachen, um sich auf die Parallele der französischen Ansichten zu stellen, die nach der eigenen Aussage vieler Mitglieder des brittischen Conseils die am meisten praktischen bei Behandlung der orientalischen Angelegenheiten sind. Hiezu konnte sich Palmerston noch nicht verstehen, und es ist begreiflich, daß es ihm widerstrebt durch die That einzugestehen, daß er sich geirrt habe. Guizot hofft jedoch, er werde convertirt werden. Sein letzter höchst merkwürdiger Bericht spricht dieß mit einer gewissen Ueberzeugung aus und sucht jeden Zweifel zu heben, den man über den ruhigen Ausgang des orientalischen Streites noch fühlen möchte. Palmerston, sagt der Guizot'sche Bericht im Wesentlichen, ist nicht leichtsinnig, nicht halsstarrig, wie man allgemein glaubt; er ist reizbar, mißtrauisch und wird dadurch häufig zu Handlungen verführt, die er bereut, sobald er aufgeklärt und wieder beruhigt ist. Ihm liegt dann selbst daran, das Geschehene gut und vergessen zu machen; allein er kann dieß nicht mit einem Sprung, sondern muß des Parlamentes wegen Zeit und Mittel erlauschen, um es so viel als thunlich ohne zu großes Aufsehen zu thun. Er benützt in solchen Fällen gewöhnlich die ihm von den Agenten zukommenden Mittheilungen, die er, wenn sie seiner Absicht gleich entsprechen, als Beleg hervorzieht, um sagen zu können, daß er so und so habe handeln müssen, die er aber, wenn sie dazu untauglich sind, durch höchst geschickte Instructionen zu modificiren oder andere hervorzurufen versteht, ohne daß der Berichterstatter sich veranlaßt glaubt, in einem Sinne zu schreiben, der dem Staatssecretär genehm ist, und der von dem abweicht, den er vielleicht früher kund gab und wirklich von ihm selbst ausgeht. Dieß Talent, das nach Guizots Aeußerung Wenige besitzen, bildet die Stärke Palmerstons, und da er schon zu fühlen anfängt, daß in der orientalischen Frage Mißgriffe geschehen, so wird er es ohne Zweifel bald geltend zu machen suchen, wenn er es nicht schon gethan hat. Guizot will zwar wissen, daß die Instructionen, welche in den letzten Tagen an Lord Ponsonby und Obrist Hodges ergingen, Spuren von großer Aufregung verriethen, in der Lord Palmerston sich noch zu befinden scheine; allein er glaubt darin mehr künstlich erzeugte Empfindungen als den wahren Ausdruck seiner jetzigen Gesinnungen suchen zu müssen, mit denen er später hervortreten dürfte. _ Paris, 14 Mai. Heute beschäftigen sich die Kammerbureaux mit dem Entwurf über die Abholung der irdischen Reste Napoleons. Man mißbilligt ziemlich allgemein, daß dieselben in der Invalidenkirche beigesetzt werden sollen. Vermuthlich erfolgt ein Amendement dahin, ihnen ihre Stelle unter der Siegescolonne auf dem Vendomeplatze anzuweisen. – Zweitens soll heute der Entwurf über die Reform der Gefängnisse geprüft werden. In meinem Briefe von gestern findet sich in dieser Hinsicht ein Irrthum: der Entwurf besagt nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_141_18400520
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_141_18400520/4
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 141. Augsburg, 20. Mai 1840, S. 1124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_141_18400520/4>, abgerufen am 30.04.2024.