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Allgemeine Zeitung. Nr. 147. Augsburg, 26. Mai 1840.

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das Ungeheuer mit dem Speer der Wahrheit trafen, und es in seiner ganzen angebornen Scheußlichkeit ans Licht zogen?

Auffuhr der Feind in eigner Mißgestalt

Nein, gewiß, wir verdienen keinen Tadel; und ich ein für allemal will meine Rüstung anschnallen und als Kreuzritter gegen Rom ausziehen. Hat doch die abtrünnige Kirche schon angefangen, ihre Ketzereien selbst dem Königthum einzuflüstern; und wir Protestanten, denen der kleine Finger unserer Königin lieber ist als den Katholiken ihr ganzer Körper, dürfen nicht dulden, daß sie von falschen Rathgebern auf Irrwege geleitet werde. - O daß Sir Robert Peel, dieser temporisirende Conservative, der, wie er selbst sagt, die Uebel der Emancipationsbill wohl erkennt, aber Umstände halber sie seiner Ueberzeugung zum Trotz durchgehen lassen mußte, o daß dieser große Mann im Zenith seiner Macht so tief gefallen ist, so tief, daß er sich wohl nie wieder erheben wird! Was ihm und seiner auskünftesuchenden, schwächlichen Partei fehlt? Moralischer Muth! Muth! Muth! Hätt' ich eine Stimme, die jeden Senator in St. Stephan erreichen könnte, ich wollte in ihre Ohren donnern: mehr Muth! mehr Muth! Hätte Sir Robert mehr Muth gehabt, so würde er die Bill nicht haben durchgehen lassen, und lieber der Märtyrer seiner Ueberzeugung geworden seyn. Durch dieses Martyrthum würde er sich einen Thron erbaut haben in den Herzen der christlichen Bevölkerung und seine Partei, anstatt seitdem, als wenn Gott sie für ihre Treulosigkeit züchtigen wollte, immer geschlagen worden zu seyn, würde in der Macht sitzen, und uns unsern verwirkten protestantischen Ruf schon lange wieder hergestellt haben. Die Leute, die jetzt in der Macht sitzen, sind halb römische Katholiken, halb Liberale, und in der That sind mir jene blinden Papisten noch immer lieber als diese kalten, berechnenden, glaubt-was-ihr-wollt-freigeistischen modernen Liberalen. (do-what-you-please latitudinarian liberals of modern times). - Von jenseits des Canals hören wir einen lauten Ruf: Auflösung der Vereinigung, Repeal für Irland; und was wollen wir antworten? Repeal für England sey die Antwort; Repeal für Alt-England. (Lautes Hurrah und Beifallsrufen.) - Der ehrenwerthe Hr. M'Ghee in einer ähnlichen Rede nennt O'Connell einen "papistischen van Amburgh, zu dessen Füßen sich der brittische Löwe brummend und mit dem Schwanze wedelnd schmiegen muß."

Ganz gegen den Gebrauch des Parlaments, wornach durch die Entscheidung für das zweite Verlesen eines Gesetzesvorschlags der Grundsatz der zu treffenden Anordnung anerkannt ist, wurde gestern Nacht der leitende Grundsatz von Lord Stanley's irischer Registrationsbill noch einmal debattirt. Sir W. Somerville schlug nämlich die gänzliche Verwerfung derselben unter der Form vor, daß man dieselbe in sechs Monaten (wo das Parlament nicht versammelt seyn wird) in den Ausschuß bringen solle; und Lord John Russell erklärte in einer glänzenden Rede den Entschluß der Regierung sich mit aller Macht der Bill zu widersetzen. Es wurden auch sonst von beiden Seiten eindringliche prägnante Reden gehalten, besonders eine von Lord Stanley selbst, der sich zum Erstaunen aller, trotz seiner großen Reizbarkeit, und trotz den bittern Schmähungen, welche vor Allem von O'Connell während des Recesses gegen ihn ausgegossen worden waren, mit der würdevollsten Mäßigung aussprach. Die ministerielle Seite mußte natürlich vielfach den Vorwurf hören, daß sie ein allgemein für schlecht anerkanntes System, welches zu zahllosen falschen Eiden und Betrügereien Anlaß gebe, deßwegen unter ihren Schutz nehme, weil es ihrer Partei nütze, und die Wahl von Anhängern befördere, welche ohne jene unberechtigten Stimmen gar nicht ins Parlament kommen würden. Dagegen ward von der andern Seite erwiedert, die Conservativen sähen mit unerschütterlicher Gleichmüthigkeit, wie in so vielen englischen Städten die Wähler durch Tractiren und Bestechung verführt würden, und dabei oft den falschen Eid schwüren, daß sie nicht bestochen worden, weil eben dieses schändliche System ihrer Partei nutze. Gegen Irland dagegen richteten sie alle ihren Eifer, weil sie die Repräsentation der Katholiken unterdrücken, und aufs neue die Herrschaft der Orangisten über dieselben erheben möchten. Lord John will besonders darum Stanley's Bill seine Zustimmung nicht geben, weil die Appellation über bestrittene Wahlen an die irischen Richter gewiesen werden soll, eben die, welche bereits eine Entscheidung gegeben haben, wodurch das Wahlrecht um ein Bedeutendes geschmälert worden, und welche Russel für so gänzlich dem Sinne der Reformbill entgegen hält, daß er erklärte, zu keiner Verbesserung des Registrationssystems seine Einwilligung geben zu wollen, welches nicht von einer Bestimmung gegen jenen richterlichen Ausspruch begleitet wäre. Nun weiß man aber, daß das Oberhaus ohne den äußersten Zwang nie in eine solche Clausel willigen würde, indem jener Ausspruch vielen katholischen Hintersassen ein Recht benimmt, welches sie so häufig gegen die Neigung ihrer Gutsherren gebrauchen. Wir hätten also hier abermals einen Zankapfel, wie die berüchtigte Appropriationsclausel. Es kam indessen gestern zu einer Abstimmung, bei welcher die Minister in einer Minorität von 19 blieben, 2 mehr als für das zweite Verlesen der Bill ebenfalls gegen sie entschieden hatten. Obgleich es nun bloß einem Vorschlag zur Vertagung der Debatte galt, so möchte ich die Abstimmung doch als eine Entscheidung für die Bill selbst betrachten, welche um so wichtiger seyn wird, da man nach einer Andeutung des Lord Howick diesen und die besondern Anhänger des Grafen Grey auf der Seite der Tories finden wird. Kommt es nun dazu, und geschieht es auch nur mit dem Vorbehalte, daß diese oder jene Clausel gestrichen oder verändert werde, so bleibt es doch ein unheilbarer Schlag für das Melbourne'sche Cabinet, dessen Hauptstärke immer darin lag, daß es bei seiner irischen Politik stets auf eine entschiedene Mehrheit rechnen konnte. Eben so groß ist der Schlag für die liberale Partei überhaupt, weil dieser Uebertritt der Grey'schen Section bei einer solchen Gelegenheit ohne Zweifel zu deren gänzlicher Ablösung von ihr führen wird. Wenn es nun auch O'Connelln gelingen sollte, Stanley durch die selbst der schwächsten Opposition zu Gebote stehenden Chicanen zu ermüden, bis er die Bill für diese Session fallen läßt, so ändert dieses doch an der Sache nichts; und es ist nicht abzusehen, wie dabei das Ministerium die Session zu überleben vermochte. Welche Wirkung alles dieses, nebst dem cavaliermäßigen Benehmen des Oberhauses in Bezug auf die irische Municipalitätsreform, bei den irischen Katholiken haben wird, muß die Zeit lehren. Nichts ist schwerer als in Betreff der öffentlichen Meinung in Irland eine wahrhafte Ansicht zu erlangen. Trotz allen Behauptungen, daß die ganze katholische Bevölkerung die Maaßregel als einen neuen Versuch gegen ihre Freiheit ansehe, und bereit sey, das Aeußerste dagegen zu wagen, scheinen die Tories ihrer Sache gewiß, und behaupten im Gegentheil, der gemeine Mann freue sich der Aussicht, dadurch aus der traurigen Lage erlöst zu werden, worin er sich jetzt zwischen dem Zwang des Priesters und dem Unwillen des Gutsherrn befinde. Ob nun zwar dieses sehr möglich, ja in vielen Fällen sogar wahrscheinlich ist, so läßt sich doch nichts Anderes als Unruhen, Verschwörungen, wo nicht gar Aufstände unter den dortigen Katholiken erwarten, wenn dieselben die alte Zeit zurückkehren sehen, wo die große Masse des Volkes von Feinden ihres Glaubens und ihres

das Ungeheuer mit dem Speer der Wahrheit trafen, und es in seiner ganzen angebornen Scheußlichkeit ans Licht zogen?

Auffuhr der Feind in eigner Mißgestalt

Nein, gewiß, wir verdienen keinen Tadel; und ich ein für allemal will meine Rüstung anschnallen und als Kreuzritter gegen Rom ausziehen. Hat doch die abtrünnige Kirche schon angefangen, ihre Ketzereien selbst dem Königthum einzuflüstern; und wir Protestanten, denen der kleine Finger unserer Königin lieber ist als den Katholiken ihr ganzer Körper, dürfen nicht dulden, daß sie von falschen Rathgebern auf Irrwege geleitet werde. – O daß Sir Robert Peel, dieser temporisirende Conservative, der, wie er selbst sagt, die Uebel der Emancipationsbill wohl erkennt, aber Umstände halber sie seiner Ueberzeugung zum Trotz durchgehen lassen mußte, o daß dieser große Mann im Zenith seiner Macht so tief gefallen ist, so tief, daß er sich wohl nie wieder erheben wird! Was ihm und seiner auskünftesuchenden, schwächlichen Partei fehlt? Moralischer Muth! Muth! Muth! Hätt' ich eine Stimme, die jeden Senator in St. Stephan erreichen könnte, ich wollte in ihre Ohren donnern: mehr Muth! mehr Muth! Hätte Sir Robert mehr Muth gehabt, so würde er die Bill nicht haben durchgehen lassen, und lieber der Märtyrer seiner Ueberzeugung geworden seyn. Durch dieses Martyrthum würde er sich einen Thron erbaut haben in den Herzen der christlichen Bevölkerung und seine Partei, anstatt seitdem, als wenn Gott sie für ihre Treulosigkeit züchtigen wollte, immer geschlagen worden zu seyn, würde in der Macht sitzen, und uns unsern verwirkten protestantischen Ruf schon lange wieder hergestellt haben. Die Leute, die jetzt in der Macht sitzen, sind halb römische Katholiken, halb Liberale, und in der That sind mir jene blinden Papisten noch immer lieber als diese kalten, berechnenden, glaubt-was-ihr-wollt-freigeistischen modernen Liberalen. (do-what-you-please latitudinarian liberals of modern times). – Von jenseits des Canals hören wir einen lauten Ruf: Auflösung der Vereinigung, Repeal für Irland; und was wollen wir antworten? Repeal für England sey die Antwort; Repeal für Alt-England. (Lautes Hurrah und Beifallsrufen.) – Der ehrenwerthe Hr. M'Ghee in einer ähnlichen Rede nennt O'Connell einen „papistischen van Amburgh, zu dessen Füßen sich der brittische Löwe brummend und mit dem Schwanze wedelnd schmiegen muß.“

Ganz gegen den Gebrauch des Parlaments, wornach durch die Entscheidung für das zweite Verlesen eines Gesetzesvorschlags der Grundsatz der zu treffenden Anordnung anerkannt ist, wurde gestern Nacht der leitende Grundsatz von Lord Stanley's irischer Registrationsbill noch einmal debattirt. Sir W. Somerville schlug nämlich die gänzliche Verwerfung derselben unter der Form vor, daß man dieselbe in sechs Monaten (wo das Parlament nicht versammelt seyn wird) in den Ausschuß bringen solle; und Lord John Russell erklärte in einer glänzenden Rede den Entschluß der Regierung sich mit aller Macht der Bill zu widersetzen. Es wurden auch sonst von beiden Seiten eindringliche prägnante Reden gehalten, besonders eine von Lord Stanley selbst, der sich zum Erstaunen aller, trotz seiner großen Reizbarkeit, und trotz den bittern Schmähungen, welche vor Allem von O'Connell während des Recesses gegen ihn ausgegossen worden waren, mit der würdevollsten Mäßigung aussprach. Die ministerielle Seite mußte natürlich vielfach den Vorwurf hören, daß sie ein allgemein für schlecht anerkanntes System, welches zu zahllosen falschen Eiden und Betrügereien Anlaß gebe, deßwegen unter ihren Schutz nehme, weil es ihrer Partei nütze, und die Wahl von Anhängern befördere, welche ohne jene unberechtigten Stimmen gar nicht ins Parlament kommen würden. Dagegen ward von der andern Seite erwiedert, die Conservativen sähen mit unerschütterlicher Gleichmüthigkeit, wie in so vielen englischen Städten die Wähler durch Tractiren und Bestechung verführt würden, und dabei oft den falschen Eid schwüren, daß sie nicht bestochen worden, weil eben dieses schändliche System ihrer Partei nutze. Gegen Irland dagegen richteten sie alle ihren Eifer, weil sie die Repräsentation der Katholiken unterdrücken, und aufs neue die Herrschaft der Orangisten über dieselben erheben möchten. Lord John will besonders darum Stanley's Bill seine Zustimmung nicht geben, weil die Appellation über bestrittene Wahlen an die irischen Richter gewiesen werden soll, eben die, welche bereits eine Entscheidung gegeben haben, wodurch das Wahlrecht um ein Bedeutendes geschmälert worden, und welche Russel für so gänzlich dem Sinne der Reformbill entgegen hält, daß er erklärte, zu keiner Verbesserung des Registrationssystems seine Einwilligung geben zu wollen, welches nicht von einer Bestimmung gegen jenen richterlichen Ausspruch begleitet wäre. Nun weiß man aber, daß das Oberhaus ohne den äußersten Zwang nie in eine solche Clausel willigen würde, indem jener Ausspruch vielen katholischen Hintersassen ein Recht benimmt, welches sie so häufig gegen die Neigung ihrer Gutsherren gebrauchen. Wir hätten also hier abermals einen Zankapfel, wie die berüchtigte Appropriationsclausel. Es kam indessen gestern zu einer Abstimmung, bei welcher die Minister in einer Minorität von 19 blieben, 2 mehr als für das zweite Verlesen der Bill ebenfalls gegen sie entschieden hatten. Obgleich es nun bloß einem Vorschlag zur Vertagung der Debatte galt, so möchte ich die Abstimmung doch als eine Entscheidung für die Bill selbst betrachten, welche um so wichtiger seyn wird, da man nach einer Andeutung des Lord Howick diesen und die besondern Anhänger des Grafen Grey auf der Seite der Tories finden wird. Kommt es nun dazu, und geschieht es auch nur mit dem Vorbehalte, daß diese oder jene Clausel gestrichen oder verändert werde, so bleibt es doch ein unheilbarer Schlag für das Melbourne'sche Cabinet, dessen Hauptstärke immer darin lag, daß es bei seiner irischen Politik stets auf eine entschiedene Mehrheit rechnen konnte. Eben so groß ist der Schlag für die liberale Partei überhaupt, weil dieser Uebertritt der Grey'schen Section bei einer solchen Gelegenheit ohne Zweifel zu deren gänzlicher Ablösung von ihr führen wird. Wenn es nun auch O'Connelln gelingen sollte, Stanley durch die selbst der schwächsten Opposition zu Gebote stehenden Chicanen zu ermüden, bis er die Bill für diese Session fallen läßt, so ändert dieses doch an der Sache nichts; und es ist nicht abzusehen, wie dabei das Ministerium die Session zu überleben vermochte. Welche Wirkung alles dieses, nebst dem cavaliermäßigen Benehmen des Oberhauses in Bezug auf die irische Municipalitätsreform, bei den irischen Katholiken haben wird, muß die Zeit lehren. Nichts ist schwerer als in Betreff der öffentlichen Meinung in Irland eine wahrhafte Ansicht zu erlangen. Trotz allen Behauptungen, daß die ganze katholische Bevölkerung die Maaßregel als einen neuen Versuch gegen ihre Freiheit ansehe, und bereit sey, das Aeußerste dagegen zu wagen, scheinen die Tories ihrer Sache gewiß, und behaupten im Gegentheil, der gemeine Mann freue sich der Aussicht, dadurch aus der traurigen Lage erlöst zu werden, worin er sich jetzt zwischen dem Zwang des Priesters und dem Unwillen des Gutsherrn befinde. Ob nun zwar dieses sehr möglich, ja in vielen Fällen sogar wahrscheinlich ist, so läßt sich doch nichts Anderes als Unruhen, Verschwörungen, wo nicht gar Aufstände unter den dortigen Katholiken erwarten, wenn dieselben die alte Zeit zurückkehren sehen, wo die große Masse des Volkes von Feinden ihres Glaubens und ihres

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Die ministerielle Seite mußte natürlich vielfach den Vorwurf hören, daß sie ein allgemein für schlecht anerkanntes System, welches zu zahllosen falschen Eiden und Betrügereien Anlaß gebe, deßwegen unter ihren Schutz nehme, weil es ihrer Partei nütze, und die Wahl von Anhängern befördere, welche ohne jene unberechtigten Stimmen gar nicht ins Parlament kommen würden. Dagegen ward von der andern Seite erwiedert, die Conservativen sähen mit unerschütterlicher Gleichmüthigkeit, wie in so vielen englischen Städten die Wähler durch Tractiren und Bestechung verführt würden, und dabei oft den falschen Eid schwüren, daß sie nicht bestochen worden, weil eben dieses schändliche System ihrer Partei nutze. Gegen Irland dagegen richteten sie alle ihren Eifer, weil sie die Repräsentation der Katholiken unterdrücken, und aufs neue die Herrschaft der Orangisten über dieselben erheben möchten. Lord John will besonders darum Stanley's Bill seine Zustimmung nicht geben, weil die Appellation über bestrittene Wahlen an die irischen Richter gewiesen werden soll, eben die, welche bereits eine Entscheidung gegeben haben, wodurch das Wahlrecht um ein Bedeutendes geschmälert worden, und welche Russel für so gänzlich dem Sinne der Reformbill entgegen hält, daß er erklärte, zu keiner Verbesserung des Registrationssystems seine Einwilligung geben zu wollen, welches nicht von einer Bestimmung gegen jenen richterlichen Ausspruch begleitet wäre. Nun weiß man aber, daß das Oberhaus ohne den äußersten Zwang nie in eine solche Clausel willigen würde, indem jener Ausspruch vielen katholischen Hintersassen ein Recht benimmt, welches sie so häufig gegen die Neigung ihrer Gutsherren gebrauchen. Wir hätten also hier abermals einen Zankapfel, wie die berüchtigte Appropriationsclausel. Es kam indessen gestern zu einer Abstimmung, bei welcher die Minister in einer Minorität von 19 blieben, 2 mehr als für das zweite Verlesen der Bill ebenfalls gegen sie entschieden hatten. Obgleich es nun bloß einem Vorschlag zur Vertagung der Debatte galt, so möchte ich die Abstimmung doch als eine Entscheidung für die Bill selbst betrachten, welche um so wichtiger seyn wird, da man nach einer Andeutung des Lord Howick diesen und die besondern Anhänger des Grafen Grey auf der Seite der Tories finden wird. Kommt es nun dazu, und geschieht es auch nur mit dem Vorbehalte, daß diese oder jene Clausel gestrichen oder verändert werde, so bleibt es doch ein unheilbarer Schlag für das Melbourne'sche Cabinet, dessen Hauptstärke immer darin lag, daß es bei seiner irischen Politik stets auf eine entschiedene Mehrheit rechnen konnte. Eben so groß ist der Schlag für die liberale Partei überhaupt, weil dieser Uebertritt der Grey'schen Section bei einer solchen Gelegenheit ohne Zweifel zu deren gänzlicher Ablösung von ihr führen wird. Wenn es nun auch O'Connelln gelingen sollte, Stanley durch die selbst der schwächsten Opposition zu Gebote stehenden Chicanen zu ermüden, bis er die Bill für diese Session fallen läßt, so ändert dieses doch an der Sache nichts; und es ist nicht abzusehen, wie dabei das Ministerium die Session zu überleben vermochte. Welche Wirkung alles dieses, nebst dem cavaliermäßigen Benehmen des Oberhauses in Bezug auf die irische Municipalitätsreform, bei den irischen Katholiken haben wird, muß die Zeit lehren. Nichts ist schwerer als in Betreff der öffentlichen Meinung in Irland eine wahrhafte Ansicht zu erlangen. Trotz allen Behauptungen, daß die ganze katholische Bevölkerung die Maaßregel als einen neuen Versuch gegen ihre Freiheit ansehe, und bereit sey, das Aeußerste dagegen zu wagen, scheinen die Tories ihrer Sache gewiß, und behaupten im Gegentheil, der gemeine Mann freue sich der Aussicht, dadurch aus der traurigen Lage erlöst zu werden, worin er sich jetzt zwischen dem Zwang des Priesters und dem Unwillen des Gutsherrn befinde. Ob nun zwar dieses sehr möglich, ja in vielen Fällen sogar wahrscheinlich ist, so läßt sich doch nichts Anderes als Unruhen, Verschwörungen, wo nicht gar Aufstände unter den dortigen Katholiken erwarten, wenn dieselben die alte Zeit zurückkehren sehen, wo die große Masse des Volkes von Feinden ihres Glaubens und ihres<lb/></p>
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[1171/0003] das Ungeheuer mit dem Speer der Wahrheit trafen, und es in seiner ganzen angebornen Scheußlichkeit ans Licht zogen? Auffuhr der Feind in eigner Mißgestalt Nein, gewiß, wir verdienen keinen Tadel; und ich ein für allemal will meine Rüstung anschnallen und als Kreuzritter gegen Rom ausziehen. Hat doch die abtrünnige Kirche schon angefangen, ihre Ketzereien selbst dem Königthum einzuflüstern; und wir Protestanten, denen der kleine Finger unserer Königin lieber ist als den Katholiken ihr ganzer Körper, dürfen nicht dulden, daß sie von falschen Rathgebern auf Irrwege geleitet werde. – O daß Sir Robert Peel, dieser temporisirende Conservative, der, wie er selbst sagt, die Uebel der Emancipationsbill wohl erkennt, aber Umstände halber sie seiner Ueberzeugung zum Trotz durchgehen lassen mußte, o daß dieser große Mann im Zenith seiner Macht so tief gefallen ist, so tief, daß er sich wohl nie wieder erheben wird! Was ihm und seiner auskünftesuchenden, schwächlichen Partei fehlt? Moralischer Muth! Muth! Muth! Hätt' ich eine Stimme, die jeden Senator in St. Stephan erreichen könnte, ich wollte in ihre Ohren donnern: mehr Muth! mehr Muth! Hätte Sir Robert mehr Muth gehabt, so würde er die Bill nicht haben durchgehen lassen, und lieber der Märtyrer seiner Ueberzeugung geworden seyn. Durch dieses Martyrthum würde er sich einen Thron erbaut haben in den Herzen der christlichen Bevölkerung und seine Partei, anstatt seitdem, als wenn Gott sie für ihre Treulosigkeit züchtigen wollte, immer geschlagen worden zu seyn, würde in der Macht sitzen, und uns unsern verwirkten protestantischen Ruf schon lange wieder hergestellt haben. Die Leute, die jetzt in der Macht sitzen, sind halb römische Katholiken, halb Liberale, und in der That sind mir jene blinden Papisten noch immer lieber als diese kalten, berechnenden, glaubt-was-ihr-wollt-freigeistischen modernen Liberalen. (do-what-you-please latitudinarian liberals of modern times). – Von jenseits des Canals hören wir einen lauten Ruf: Auflösung der Vereinigung, Repeal für Irland; und was wollen wir antworten? Repeal für England sey die Antwort; Repeal für Alt-England. (Lautes Hurrah und Beifallsrufen.) – Der ehrenwerthe Hr. M'Ghee in einer ähnlichen Rede nennt O'Connell einen „papistischen van Amburgh, zu dessen Füßen sich der brittische Löwe brummend und mit dem Schwanze wedelnd schmiegen muß.“ _ London, 18 Mai. Ganz gegen den Gebrauch des Parlaments, wornach durch die Entscheidung für das zweite Verlesen eines Gesetzesvorschlags der Grundsatz der zu treffenden Anordnung anerkannt ist, wurde gestern Nacht der leitende Grundsatz von Lord Stanley's irischer Registrationsbill noch einmal debattirt. Sir W. Somerville schlug nämlich die gänzliche Verwerfung derselben unter der Form vor, daß man dieselbe in sechs Monaten (wo das Parlament nicht versammelt seyn wird) in den Ausschuß bringen solle; und Lord John Russell erklärte in einer glänzenden Rede den Entschluß der Regierung sich mit aller Macht der Bill zu widersetzen. Es wurden auch sonst von beiden Seiten eindringliche prägnante Reden gehalten, besonders eine von Lord Stanley selbst, der sich zum Erstaunen aller, trotz seiner großen Reizbarkeit, und trotz den bittern Schmähungen, welche vor Allem von O'Connell während des Recesses gegen ihn ausgegossen worden waren, mit der würdevollsten Mäßigung aussprach. Die ministerielle Seite mußte natürlich vielfach den Vorwurf hören, daß sie ein allgemein für schlecht anerkanntes System, welches zu zahllosen falschen Eiden und Betrügereien Anlaß gebe, deßwegen unter ihren Schutz nehme, weil es ihrer Partei nütze, und die Wahl von Anhängern befördere, welche ohne jene unberechtigten Stimmen gar nicht ins Parlament kommen würden. Dagegen ward von der andern Seite erwiedert, die Conservativen sähen mit unerschütterlicher Gleichmüthigkeit, wie in so vielen englischen Städten die Wähler durch Tractiren und Bestechung verführt würden, und dabei oft den falschen Eid schwüren, daß sie nicht bestochen worden, weil eben dieses schändliche System ihrer Partei nutze. Gegen Irland dagegen richteten sie alle ihren Eifer, weil sie die Repräsentation der Katholiken unterdrücken, und aufs neue die Herrschaft der Orangisten über dieselben erheben möchten. Lord John will besonders darum Stanley's Bill seine Zustimmung nicht geben, weil die Appellation über bestrittene Wahlen an die irischen Richter gewiesen werden soll, eben die, welche bereits eine Entscheidung gegeben haben, wodurch das Wahlrecht um ein Bedeutendes geschmälert worden, und welche Russel für so gänzlich dem Sinne der Reformbill entgegen hält, daß er erklärte, zu keiner Verbesserung des Registrationssystems seine Einwilligung geben zu wollen, welches nicht von einer Bestimmung gegen jenen richterlichen Ausspruch begleitet wäre. Nun weiß man aber, daß das Oberhaus ohne den äußersten Zwang nie in eine solche Clausel willigen würde, indem jener Ausspruch vielen katholischen Hintersassen ein Recht benimmt, welches sie so häufig gegen die Neigung ihrer Gutsherren gebrauchen. Wir hätten also hier abermals einen Zankapfel, wie die berüchtigte Appropriationsclausel. Es kam indessen gestern zu einer Abstimmung, bei welcher die Minister in einer Minorität von 19 blieben, 2 mehr als für das zweite Verlesen der Bill ebenfalls gegen sie entschieden hatten. Obgleich es nun bloß einem Vorschlag zur Vertagung der Debatte galt, so möchte ich die Abstimmung doch als eine Entscheidung für die Bill selbst betrachten, welche um so wichtiger seyn wird, da man nach einer Andeutung des Lord Howick diesen und die besondern Anhänger des Grafen Grey auf der Seite der Tories finden wird. Kommt es nun dazu, und geschieht es auch nur mit dem Vorbehalte, daß diese oder jene Clausel gestrichen oder verändert werde, so bleibt es doch ein unheilbarer Schlag für das Melbourne'sche Cabinet, dessen Hauptstärke immer darin lag, daß es bei seiner irischen Politik stets auf eine entschiedene Mehrheit rechnen konnte. Eben so groß ist der Schlag für die liberale Partei überhaupt, weil dieser Uebertritt der Grey'schen Section bei einer solchen Gelegenheit ohne Zweifel zu deren gänzlicher Ablösung von ihr führen wird. Wenn es nun auch O'Connelln gelingen sollte, Stanley durch die selbst der schwächsten Opposition zu Gebote stehenden Chicanen zu ermüden, bis er die Bill für diese Session fallen läßt, so ändert dieses doch an der Sache nichts; und es ist nicht abzusehen, wie dabei das Ministerium die Session zu überleben vermochte. Welche Wirkung alles dieses, nebst dem cavaliermäßigen Benehmen des Oberhauses in Bezug auf die irische Municipalitätsreform, bei den irischen Katholiken haben wird, muß die Zeit lehren. Nichts ist schwerer als in Betreff der öffentlichen Meinung in Irland eine wahrhafte Ansicht zu erlangen. Trotz allen Behauptungen, daß die ganze katholische Bevölkerung die Maaßregel als einen neuen Versuch gegen ihre Freiheit ansehe, und bereit sey, das Aeußerste dagegen zu wagen, scheinen die Tories ihrer Sache gewiß, und behaupten im Gegentheil, der gemeine Mann freue sich der Aussicht, dadurch aus der traurigen Lage erlöst zu werden, worin er sich jetzt zwischen dem Zwang des Priesters und dem Unwillen des Gutsherrn befinde. Ob nun zwar dieses sehr möglich, ja in vielen Fällen sogar wahrscheinlich ist, so läßt sich doch nichts Anderes als Unruhen, Verschwörungen, wo nicht gar Aufstände unter den dortigen Katholiken erwarten, wenn dieselben die alte Zeit zurückkehren sehen, wo die große Masse des Volkes von Feinden ihres Glaubens und ihres

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 147. Augsburg, 26. Mai 1840, S. 1171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_147_18400526/3>, abgerufen am 27.04.2024.