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Allgemeine Zeitung. Nr. 150. Augsburg, 29. Mai 1840.

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angesprochen ward. Der Herzog von Montebello war jedoch mit ausgedehnten Vollmachten versehen, und soll es sich alsogleich haben angelegen seyn lassen, den König zu besänftigen, auch von Hrn. Temple die Genehmigung zur Freilassung aller aufgebrachten neapolitanischen Schiffe, selbst derjenigen, die nach Malta geführt worden, einzuholen. Lord Stopford hat in Folge der von dem brittischen Bevollmächtigten gegebenen Weisung sich beeilt, diese Schiffe freizugeben. Hiernach sollte man schließen, daß Alles sich zum Besten gestalte; allein Briefe aus Neapel versichern, es werde noch viel Zeit verstreichen, bevor die Differenz völlig gelöst seyn werde.

Schweiz.

Die Pacification des Kantons Wallis erfreut sich eines Erfolges, der alle Erwartungen der Freisinnigen übertrifft, die Anklagen und Berechnungen ihrer Gegner aber Lügen straft. Der 18 Mai war der Tag der Probe. Alle Zehnen hatten ihre Deputirten in den Großrath gewählt. Sie erschienen vereint sammt den Repräsentanten der Geistlichkeit an jenem Tag in der Versammlung, beschworen die neue Verfassung vom 3 August 1839, welche die Tagsatzung, obwohl die Vaterschaft kenntlich seyn mußte, als einen unterschobenen Bastarden verläugnet hatte, constituirten sich verfassungsgemäß, bestellten in neuer Wahl die ganze Regierung mit Bestätigung der Mitglieder der bisherigen neuen Regierung, nachdem diese sämmtlich ihre Stellen niedergelegt hatten, und begannen dann ihre Verrichtungen zur Reorganisation der Verwaltung und zur Verbesserung der Gesetzgebung. Das Loos jener alten Regierung, die ich schon in frühern Briefen sattsam bezeichnet, ist allgemeine und verdiente Verachtung. Der Kanton genießt eines exemplarischen Friedens, und seine Regeneration hat selbst nationale Bedeutung. Auswärtige Intervention ist oft eine Folge gebieterischer Umstände; einer solchen hatte die alte Walliser Verfassung vom Jahr 1815 ihr Daseyn zu verdanken, der Vermittlung der damaligen Residenten der europäischen Großmächte bei der Eidgenossenschaft. Die neue Verfassung ist das eigene Werk der Walliser, hervorgegangen aus ihren Culturbedürfnissen, wenn auch unter wechselvoller Dazwischenkunft des Bundes selbst. Den Freund vaterländischer Selbstständigkeit aber soll es freuen zu erkennen und anzuerkennen, daß die auswärtigen Mächte in diesen und andern Entwicklungsprocessen der Kantone, die ihrer Natur nach nicht die leichteste Aufgabe seyn konnten, nicht die mindesten Versuche zur Einmischung gemacht haben. Die neue Regierung von Wallis ist nun auch vom Vorort anerkannt, und zweifelsohne ist in diesem Augenblick bereits ein regelmäßiges Geschäftsverhältniß auch zu den Legationen der befreundeten Mächte eingetreten, wie dieß schon früher zwischen diesen und der neuen Tessiner Regierung geschah. - Die Tagsatzung naht heran; ihr Wirken wird sich auf Gegenstände der innern Administration beschränken, ihre Berathungen jedoch abermals den Bundesorganismus berühren, da der Vorort den Bundesartikel zu revidiren empfahl, welcher das Directorium betrifft. Wie früher, dürfte es bei den Erörterungen sein Bewenden haben, da die Kantone in ihren Tendenzen und wirklichen oder vorgeschobenen Interessen manche Hindernisse einer Einigung über jene wichtige Frage finden werden, so zwar, daß die dermalige Directorialleitung wohl noch so lange bestehen wird, als die Repräsentation der Kantone im Bunde mit gleichem Stimmrecht. - Der Kanton Aargau hat seit meinem letzten Briefe sein neues Verfassungsproject bekannt gemacht, eine Abfindung mit der lautesten Partei, die bis zur Stunde sich noch keines Beifalls in der Schweiz zu freuen hat. Man fängt nachgerade an, der Meinung zu huldigen, daß eröfterte Veränderungen im Organismus am wenigsten dem Volke, höchstens den jeweiligen Opponenten dienen können, daher auch solche Verfassungsarbeiten in andern Kantonen keine sonderliche Theilnahme mehr erwecken. Es liegt in dieser Erscheinung aber auch ein Beweis für die der Stätigkeit und der Handhabung guter Ordnung zugewendete öffentliche Meinung, die in dieser und anderer Beziehung sich unzweideutig kund thut und mit eine Ursache ist, daß Zürich, gegen alle vorjährigen Berechnungen, mit seinen rück- und quergängigen Bewegungen, ganz allein bleiben und zufrieden seyn muß, von Niemanden weiter angefochten zu werden, als von eigenen Opponenten, die sich von Zeit zu Zeit, bei Wahlen und ähnlichen Vorgängen, vernehmen lassen - Die Stadt Solothurn empfängt am 12 Julius die schweizerischen Schützen; das Fest soll, so will es die lebenslustige Generation, dasjenige von St. Gallen im Jahr 1838 an Reichthum der Ehrengaben und Anordnungen aller Art noch übertreffen. Darob jammern die Bilanzmänner, die den Luxus bis auf die Schützenplätze verfolgen und - gewöhnlich doch selbst nicht zu Hause bleiben. Ich meinerseits glaube, daß mit dem Gelde, welches für Lotterieloose an den deutschen Vorort und für weichliche Badereisen verschwendet wird, noch mancher elegante Stutzer angekauft und bezahlt werden kann. Das Moralisiren kommt daher wenigstens jetzt noch zu früh und wird wahrscheinlich von selbst überflüssig, weil gelegentlich die Genußsucht, in wie weit der Flor der Schützenfeste auch ihr beizumessen ist, im Wechsel ihrer Freuden Ersättigung suchen wird. Jedenfalls werden deutsche und französische Gäste, die sich um diese Geldfrage nicht zu kümmern haben, eine Reise nach Solothurn nicht zu bereuen haben. Franzosen haben sich wirklich schon, und zwar directe aus Paris, angekündiget; die Tagblätter schreiben nun über die Convenienz ihrer Zulassung mit einer Schützenfahne, der ich keine diplomatische Wichtigkeit abzugewinnen weiß. Fremden wird das zulässige Recht zu Theil werden, sich um ihr Geld zu freuen, den Jubel einer Bevölkerung von vielleicht Hunderttausend heitern Schweizern mit zu genießen und sie von der vortheilhaftesten Seite, jener einer reinen Gemüthlichkeit, kennen zu lernen. - Mittlerweile bereitet man auch Guttenberg-Feste, so in Basel, St. Gallen u. s. w. Vor Allem haben wir uns hier der glücklich vollendeten Wasserleitung aus dem Bade Pfäfers nach dem drei Viertelstunden entfernten Ragatz zu freuen, wo die Regierung von St. Gallen zum Empfang von Badegästen, denen die schauerliche Kluft des Pfäferser Bades als zu romantisch nicht behagte, bereits neue Bäder errichten ließ. Man rechnet, daß das berühmte Heilwasser auf seiner Wanderung höchstens dritthalb Grad an Wärme einbüßen wird. Am 31 d. wird die Wasserleitung in Activität treten, und von dann an den Gästen die Auswahl zwischen dem alten und dem neuen Bade freistehen.

Deutschland.

Unser Kronprinz begibt sich demnächst, wie es heißt, auf kurze Zeit nach Hohenschwangau; von einer Reise Sr. k. Hoh. ins Ausland ist bis jetzt nichts bekannt. - Dem Vernehmen nach werden am 1 Oct. d. J. die Benedictiner des Priorats Metten das hiesige königliche Erziehungsinstitut für Studirende überkommen; ob das Wirken dieser Väter sich bloß auf die häusliche Disciplin und den Privatunterricht beschränkt, oder ob sie auch den öffentlichen Unterricht in der mit dem Erziehungsinstitut vereinigten lateinischen Schule, und später dann, wie Viele glauben, den Unterricht im neuen Gymnasium übernehmen werden, scheint bis heute officiell nicht bekannt. - Der k. sächsische Hofschauspieler, Emil Devrient, gibt dermal auf unserm Hoftheater Gastrollen, und erntet ungewöhnlichen Beifall. - Zu den interessanten Fremden,

angesprochen ward. Der Herzog von Montebello war jedoch mit ausgedehnten Vollmachten versehen, und soll es sich alsogleich haben angelegen seyn lassen, den König zu besänftigen, auch von Hrn. Temple die Genehmigung zur Freilassung aller aufgebrachten neapolitanischen Schiffe, selbst derjenigen, die nach Malta geführt worden, einzuholen. Lord Stopford hat in Folge der von dem brittischen Bevollmächtigten gegebenen Weisung sich beeilt, diese Schiffe freizugeben. Hiernach sollte man schließen, daß Alles sich zum Besten gestalte; allein Briefe aus Neapel versichern, es werde noch viel Zeit verstreichen, bevor die Differenz völlig gelöst seyn werde.

Schweiz.

Die Pacification des Kantons Wallis erfreut sich eines Erfolges, der alle Erwartungen der Freisinnigen übertrifft, die Anklagen und Berechnungen ihrer Gegner aber Lügen straft. Der 18 Mai war der Tag der Probe. Alle Zehnen hatten ihre Deputirten in den Großrath gewählt. Sie erschienen vereint sammt den Repräsentanten der Geistlichkeit an jenem Tag in der Versammlung, beschworen die neue Verfassung vom 3 August 1839, welche die Tagsatzung, obwohl die Vaterschaft kenntlich seyn mußte, als einen unterschobenen Bastarden verläugnet hatte, constituirten sich verfassungsgemäß, bestellten in neuer Wahl die ganze Regierung mit Bestätigung der Mitglieder der bisherigen neuen Regierung, nachdem diese sämmtlich ihre Stellen niedergelegt hatten, und begannen dann ihre Verrichtungen zur Reorganisation der Verwaltung und zur Verbesserung der Gesetzgebung. Das Loos jener alten Regierung, die ich schon in frühern Briefen sattsam bezeichnet, ist allgemeine und verdiente Verachtung. Der Kanton genießt eines exemplarischen Friedens, und seine Regeneration hat selbst nationale Bedeutung. Auswärtige Intervention ist oft eine Folge gebieterischer Umstände; einer solchen hatte die alte Walliser Verfassung vom Jahr 1815 ihr Daseyn zu verdanken, der Vermittlung der damaligen Residenten der europäischen Großmächte bei der Eidgenossenschaft. Die neue Verfassung ist das eigene Werk der Walliser, hervorgegangen aus ihren Culturbedürfnissen, wenn auch unter wechselvoller Dazwischenkunft des Bundes selbst. Den Freund vaterländischer Selbstständigkeit aber soll es freuen zu erkennen und anzuerkennen, daß die auswärtigen Mächte in diesen und andern Entwicklungsprocessen der Kantone, die ihrer Natur nach nicht die leichteste Aufgabe seyn konnten, nicht die mindesten Versuche zur Einmischung gemacht haben. Die neue Regierung von Wallis ist nun auch vom Vorort anerkannt, und zweifelsohne ist in diesem Augenblick bereits ein regelmäßiges Geschäftsverhältniß auch zu den Legationen der befreundeten Mächte eingetreten, wie dieß schon früher zwischen diesen und der neuen Tessiner Regierung geschah. – Die Tagsatzung naht heran; ihr Wirken wird sich auf Gegenstände der innern Administration beschränken, ihre Berathungen jedoch abermals den Bundesorganismus berühren, da der Vorort den Bundesartikel zu revidiren empfahl, welcher das Directorium betrifft. Wie früher, dürfte es bei den Erörterungen sein Bewenden haben, da die Kantone in ihren Tendenzen und wirklichen oder vorgeschobenen Interessen manche Hindernisse einer Einigung über jene wichtige Frage finden werden, so zwar, daß die dermalige Directorialleitung wohl noch so lange bestehen wird, als die Repräsentation der Kantone im Bunde mit gleichem Stimmrecht. – Der Kanton Aargau hat seit meinem letzten Briefe sein neues Verfassungsproject bekannt gemacht, eine Abfindung mit der lautesten Partei, die bis zur Stunde sich noch keines Beifalls in der Schweiz zu freuen hat. Man fängt nachgerade an, der Meinung zu huldigen, daß eröfterte Veränderungen im Organismus am wenigsten dem Volke, höchstens den jeweiligen Opponenten dienen können, daher auch solche Verfassungsarbeiten in andern Kantonen keine sonderliche Theilnahme mehr erwecken. Es liegt in dieser Erscheinung aber auch ein Beweis für die der Stätigkeit und der Handhabung guter Ordnung zugewendete öffentliche Meinung, die in dieser und anderer Beziehung sich unzweideutig kund thut und mit eine Ursache ist, daß Zürich, gegen alle vorjährigen Berechnungen, mit seinen rück- und quergängigen Bewegungen, ganz allein bleiben und zufrieden seyn muß, von Niemanden weiter angefochten zu werden, als von eigenen Opponenten, die sich von Zeit zu Zeit, bei Wahlen und ähnlichen Vorgängen, vernehmen lassen – Die Stadt Solothurn empfängt am 12 Julius die schweizerischen Schützen; das Fest soll, so will es die lebenslustige Generation, dasjenige von St. Gallen im Jahr 1838 an Reichthum der Ehrengaben und Anordnungen aller Art noch übertreffen. Darob jammern die Bilanzmänner, die den Luxus bis auf die Schützenplätze verfolgen und – gewöhnlich doch selbst nicht zu Hause bleiben. Ich meinerseits glaube, daß mit dem Gelde, welches für Lotterieloose an den deutschen Vorort und für weichliche Badereisen verschwendet wird, noch mancher elegante Stutzer angekauft und bezahlt werden kann. Das Moralisiren kommt daher wenigstens jetzt noch zu früh und wird wahrscheinlich von selbst überflüssig, weil gelegentlich die Genußsucht, in wie weit der Flor der Schützenfeste auch ihr beizumessen ist, im Wechsel ihrer Freuden Ersättigung suchen wird. Jedenfalls werden deutsche und französische Gäste, die sich um diese Geldfrage nicht zu kümmern haben, eine Reise nach Solothurn nicht zu bereuen haben. Franzosen haben sich wirklich schon, und zwar directe aus Paris, angekündiget; die Tagblätter schreiben nun über die Convenienz ihrer Zulassung mit einer Schützenfahne, der ich keine diplomatische Wichtigkeit abzugewinnen weiß. Fremden wird das zulässige Recht zu Theil werden, sich um ihr Geld zu freuen, den Jubel einer Bevölkerung von vielleicht Hunderttausend heitern Schweizern mit zu genießen und sie von der vortheilhaftesten Seite, jener einer reinen Gemüthlichkeit, kennen zu lernen. – Mittlerweile bereitet man auch Guttenberg-Feste, so in Basel, St. Gallen u. s. w. Vor Allem haben wir uns hier der glücklich vollendeten Wasserleitung aus dem Bade Pfäfers nach dem drei Viertelstunden entfernten Ragatz zu freuen, wo die Regierung von St. Gallen zum Empfang von Badegästen, denen die schauerliche Kluft des Pfäferser Bades als zu romantisch nicht behagte, bereits neue Bäder errichten ließ. Man rechnet, daß das berühmte Heilwasser auf seiner Wanderung höchstens dritthalb Grad an Wärme einbüßen wird. Am 31 d. wird die Wasserleitung in Activität treten, und von dann an den Gästen die Auswahl zwischen dem alten und dem neuen Bade freistehen.

Deutschland.

Unser Kronprinz begibt sich demnächst, wie es heißt, auf kurze Zeit nach Hohenschwangau; von einer Reise Sr. k. Hoh. ins Ausland ist bis jetzt nichts bekannt. – Dem Vernehmen nach werden am 1 Oct. d. J. die Benedictiner des Priorats Metten das hiesige königliche Erziehungsinstitut für Studirende überkommen; ob das Wirken dieser Väter sich bloß auf die häusliche Disciplin und den Privatunterricht beschränkt, oder ob sie auch den öffentlichen Unterricht in der mit dem Erziehungsinstitut vereinigten lateinischen Schule, und später dann, wie Viele glauben, den Unterricht im neuen Gymnasium übernehmen werden, scheint bis heute officiell nicht bekannt. – Der k. sächsische Hofschauspieler, Emil Devrient, gibt dermal auf unserm Hoftheater Gastrollen, und erntet ungewöhnlichen Beifall. – Zu den interessanten Fremden,

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Der Kanton genießt eines exemplarischen Friedens, und seine Regeneration hat selbst nationale Bedeutung. Auswärtige Intervention ist oft eine Folge gebieterischer Umstände; einer solchen hatte die alte Walliser Verfassung vom Jahr 1815 ihr Daseyn zu verdanken, der Vermittlung der damaligen Residenten der europäischen Großmächte bei der Eidgenossenschaft. Die neue Verfassung ist das eigene Werk der Walliser, hervorgegangen aus ihren Culturbedürfnissen, wenn auch unter wechselvoller Dazwischenkunft des Bundes selbst. Den Freund vaterländischer Selbstständigkeit aber soll es freuen zu erkennen und anzuerkennen, daß die auswärtigen Mächte in diesen und andern Entwicklungsprocessen der Kantone, die ihrer Natur nach nicht die leichteste Aufgabe seyn konnten, nicht die mindesten Versuche zur Einmischung gemacht haben. Die neue Regierung von Wallis ist nun auch vom Vorort anerkannt, und zweifelsohne ist in diesem Augenblick bereits ein regelmäßiges Geschäftsverhältniß auch zu den Legationen der befreundeten Mächte eingetreten, wie dieß schon früher zwischen diesen und der neuen Tessiner Regierung geschah. &#x2013; Die Tagsatzung naht heran; ihr Wirken wird sich auf Gegenstände der innern Administration beschränken, ihre Berathungen jedoch abermals den Bundesorganismus berühren, da der Vorort den Bundesartikel zu revidiren empfahl, welcher das Directorium betrifft. Wie früher, dürfte es bei den Erörterungen sein Bewenden haben, da die Kantone in ihren Tendenzen und wirklichen oder vorgeschobenen Interessen manche Hindernisse einer Einigung über jene wichtige Frage finden werden, so zwar, daß die dermalige Directorialleitung wohl noch so lange bestehen wird, als die Repräsentation der Kantone im Bunde mit gleichem Stimmrecht. &#x2013; Der Kanton Aargau hat seit meinem letzten Briefe sein neues Verfassungsproject bekannt gemacht, eine Abfindung mit der lautesten Partei, die bis zur Stunde sich noch keines Beifalls in der Schweiz zu freuen hat. Man fängt nachgerade an, der Meinung zu huldigen, daß eröfterte Veränderungen im Organismus am wenigsten dem Volke, höchstens den jeweiligen Opponenten dienen können, daher auch solche Verfassungsarbeiten in andern Kantonen keine sonderliche Theilnahme mehr erwecken. Es liegt in dieser Erscheinung aber auch ein Beweis für die der Stätigkeit und der Handhabung guter Ordnung zugewendete öffentliche Meinung, die in dieser und anderer Beziehung sich unzweideutig kund thut und mit eine Ursache ist, daß Zürich, gegen alle vorjährigen Berechnungen, mit seinen rück- und quergängigen Bewegungen, ganz allein bleiben und zufrieden seyn muß, von Niemanden weiter angefochten zu werden, als von eigenen Opponenten, die sich von Zeit zu Zeit, bei Wahlen und ähnlichen Vorgängen, vernehmen lassen &#x2013; Die Stadt Solothurn empfängt am 12 Julius die schweizerischen Schützen; das Fest soll, so will es die lebenslustige Generation, dasjenige von St. Gallen im Jahr 1838 an Reichthum der Ehrengaben und Anordnungen aller Art noch übertreffen. Darob jammern die Bilanzmänner, die den Luxus bis auf die Schützenplätze verfolgen und &#x2013; gewöhnlich doch selbst nicht zu Hause bleiben. Ich meinerseits glaube, daß mit dem Gelde, welches für Lotterieloose an den deutschen Vorort und für weichliche Badereisen verschwendet wird, noch mancher elegante Stutzer angekauft und bezahlt werden kann. Das Moralisiren kommt daher wenigstens jetzt noch zu früh und wird wahrscheinlich von selbst überflüssig, weil gelegentlich die Genußsucht, in wie weit der Flor der Schützenfeste auch ihr beizumessen ist, im <hi rendition="#g">Wechsel</hi> ihrer Freuden Ersättigung suchen wird. Jedenfalls werden deutsche und französische Gäste, die sich um diese Geldfrage nicht zu kümmern haben, eine Reise nach Solothurn nicht zu bereuen haben. Franzosen haben sich wirklich schon, und zwar directe aus Paris, angekündiget; die Tagblätter schreiben nun über die Convenienz ihrer Zulassung mit einer Schützenfahne, der ich keine diplomatische Wichtigkeit abzugewinnen weiß. Fremden wird das zulässige Recht zu Theil werden, sich um ihr Geld zu freuen, den Jubel einer Bevölkerung von vielleicht Hunderttausend heitern Schweizern mit zu genießen und sie von der vortheilhaftesten Seite, jener einer reinen Gemüthlichkeit, kennen zu lernen. &#x2013; Mittlerweile bereitet man auch Guttenberg-Feste, so in Basel, St. Gallen u. s. w. Vor Allem haben wir uns hier der glücklich vollendeten Wasserleitung aus dem Bade Pfäfers nach dem drei Viertelstunden entfernten Ragatz zu freuen, wo die Regierung von St. Gallen zum Empfang von Badegästen, denen die schauerliche Kluft des Pfäferser Bades als zu romantisch nicht behagte, bereits neue Bäder errichten ließ. Man rechnet, daß das berühmte Heilwasser auf seiner Wanderung höchstens dritthalb Grad an Wärme einbüßen wird. Am 31 d. wird die Wasserleitung in Activität treten, und von dann an den Gästen die Auswahl zwischen dem alten und dem neuen Bade freistehen.</p><lb/>
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[1198/0006] angesprochen ward. Der Herzog von Montebello war jedoch mit ausgedehnten Vollmachten versehen, und soll es sich alsogleich haben angelegen seyn lassen, den König zu besänftigen, auch von Hrn. Temple die Genehmigung zur Freilassung aller aufgebrachten neapolitanischen Schiffe, selbst derjenigen, die nach Malta geführt worden, einzuholen. Lord Stopford hat in Folge der von dem brittischen Bevollmächtigten gegebenen Weisung sich beeilt, diese Schiffe freizugeben. Hiernach sollte man schließen, daß Alles sich zum Besten gestalte; allein Briefe aus Neapel versichern, es werde noch viel Zeit verstreichen, bevor die Differenz völlig gelöst seyn werde. Schweiz. _ St. Gallen, 24 Mai. Die Pacification des Kantons Wallis erfreut sich eines Erfolges, der alle Erwartungen der Freisinnigen übertrifft, die Anklagen und Berechnungen ihrer Gegner aber Lügen straft. Der 18 Mai war der Tag der Probe. Alle Zehnen hatten ihre Deputirten in den Großrath gewählt. Sie erschienen vereint sammt den Repräsentanten der Geistlichkeit an jenem Tag in der Versammlung, beschworen die neue Verfassung vom 3 August 1839, welche die Tagsatzung, obwohl die Vaterschaft kenntlich seyn mußte, als einen unterschobenen Bastarden verläugnet hatte, constituirten sich verfassungsgemäß, bestellten in neuer Wahl die ganze Regierung mit Bestätigung der Mitglieder der bisherigen neuen Regierung, nachdem diese sämmtlich ihre Stellen niedergelegt hatten, und begannen dann ihre Verrichtungen zur Reorganisation der Verwaltung und zur Verbesserung der Gesetzgebung. Das Loos jener alten Regierung, die ich schon in frühern Briefen sattsam bezeichnet, ist allgemeine und verdiente Verachtung. Der Kanton genießt eines exemplarischen Friedens, und seine Regeneration hat selbst nationale Bedeutung. Auswärtige Intervention ist oft eine Folge gebieterischer Umstände; einer solchen hatte die alte Walliser Verfassung vom Jahr 1815 ihr Daseyn zu verdanken, der Vermittlung der damaligen Residenten der europäischen Großmächte bei der Eidgenossenschaft. Die neue Verfassung ist das eigene Werk der Walliser, hervorgegangen aus ihren Culturbedürfnissen, wenn auch unter wechselvoller Dazwischenkunft des Bundes selbst. Den Freund vaterländischer Selbstständigkeit aber soll es freuen zu erkennen und anzuerkennen, daß die auswärtigen Mächte in diesen und andern Entwicklungsprocessen der Kantone, die ihrer Natur nach nicht die leichteste Aufgabe seyn konnten, nicht die mindesten Versuche zur Einmischung gemacht haben. Die neue Regierung von Wallis ist nun auch vom Vorort anerkannt, und zweifelsohne ist in diesem Augenblick bereits ein regelmäßiges Geschäftsverhältniß auch zu den Legationen der befreundeten Mächte eingetreten, wie dieß schon früher zwischen diesen und der neuen Tessiner Regierung geschah. – Die Tagsatzung naht heran; ihr Wirken wird sich auf Gegenstände der innern Administration beschränken, ihre Berathungen jedoch abermals den Bundesorganismus berühren, da der Vorort den Bundesartikel zu revidiren empfahl, welcher das Directorium betrifft. Wie früher, dürfte es bei den Erörterungen sein Bewenden haben, da die Kantone in ihren Tendenzen und wirklichen oder vorgeschobenen Interessen manche Hindernisse einer Einigung über jene wichtige Frage finden werden, so zwar, daß die dermalige Directorialleitung wohl noch so lange bestehen wird, als die Repräsentation der Kantone im Bunde mit gleichem Stimmrecht. – Der Kanton Aargau hat seit meinem letzten Briefe sein neues Verfassungsproject bekannt gemacht, eine Abfindung mit der lautesten Partei, die bis zur Stunde sich noch keines Beifalls in der Schweiz zu freuen hat. Man fängt nachgerade an, der Meinung zu huldigen, daß eröfterte Veränderungen im Organismus am wenigsten dem Volke, höchstens den jeweiligen Opponenten dienen können, daher auch solche Verfassungsarbeiten in andern Kantonen keine sonderliche Theilnahme mehr erwecken. Es liegt in dieser Erscheinung aber auch ein Beweis für die der Stätigkeit und der Handhabung guter Ordnung zugewendete öffentliche Meinung, die in dieser und anderer Beziehung sich unzweideutig kund thut und mit eine Ursache ist, daß Zürich, gegen alle vorjährigen Berechnungen, mit seinen rück- und quergängigen Bewegungen, ganz allein bleiben und zufrieden seyn muß, von Niemanden weiter angefochten zu werden, als von eigenen Opponenten, die sich von Zeit zu Zeit, bei Wahlen und ähnlichen Vorgängen, vernehmen lassen – Die Stadt Solothurn empfängt am 12 Julius die schweizerischen Schützen; das Fest soll, so will es die lebenslustige Generation, dasjenige von St. Gallen im Jahr 1838 an Reichthum der Ehrengaben und Anordnungen aller Art noch übertreffen. Darob jammern die Bilanzmänner, die den Luxus bis auf die Schützenplätze verfolgen und – gewöhnlich doch selbst nicht zu Hause bleiben. Ich meinerseits glaube, daß mit dem Gelde, welches für Lotterieloose an den deutschen Vorort und für weichliche Badereisen verschwendet wird, noch mancher elegante Stutzer angekauft und bezahlt werden kann. Das Moralisiren kommt daher wenigstens jetzt noch zu früh und wird wahrscheinlich von selbst überflüssig, weil gelegentlich die Genußsucht, in wie weit der Flor der Schützenfeste auch ihr beizumessen ist, im Wechsel ihrer Freuden Ersättigung suchen wird. Jedenfalls werden deutsche und französische Gäste, die sich um diese Geldfrage nicht zu kümmern haben, eine Reise nach Solothurn nicht zu bereuen haben. Franzosen haben sich wirklich schon, und zwar directe aus Paris, angekündiget; die Tagblätter schreiben nun über die Convenienz ihrer Zulassung mit einer Schützenfahne, der ich keine diplomatische Wichtigkeit abzugewinnen weiß. Fremden wird das zulässige Recht zu Theil werden, sich um ihr Geld zu freuen, den Jubel einer Bevölkerung von vielleicht Hunderttausend heitern Schweizern mit zu genießen und sie von der vortheilhaftesten Seite, jener einer reinen Gemüthlichkeit, kennen zu lernen. – Mittlerweile bereitet man auch Guttenberg-Feste, so in Basel, St. Gallen u. s. w. Vor Allem haben wir uns hier der glücklich vollendeten Wasserleitung aus dem Bade Pfäfers nach dem drei Viertelstunden entfernten Ragatz zu freuen, wo die Regierung von St. Gallen zum Empfang von Badegästen, denen die schauerliche Kluft des Pfäferser Bades als zu romantisch nicht behagte, bereits neue Bäder errichten ließ. Man rechnet, daß das berühmte Heilwasser auf seiner Wanderung höchstens dritthalb Grad an Wärme einbüßen wird. Am 31 d. wird die Wasserleitung in Activität treten, und von dann an den Gästen die Auswahl zwischen dem alten und dem neuen Bade freistehen. Deutschland. _ München, 27 Mai. Unser Kronprinz begibt sich demnächst, wie es heißt, auf kurze Zeit nach Hohenschwangau; von einer Reise Sr. k. Hoh. ins Ausland ist bis jetzt nichts bekannt. – Dem Vernehmen nach werden am 1 Oct. d. J. die Benedictiner des Priorats Metten das hiesige königliche Erziehungsinstitut für Studirende überkommen; ob das Wirken dieser Väter sich bloß auf die häusliche Disciplin und den Privatunterricht beschränkt, oder ob sie auch den öffentlichen Unterricht in der mit dem Erziehungsinstitut vereinigten lateinischen Schule, und später dann, wie Viele glauben, den Unterricht im neuen Gymnasium übernehmen werden, scheint bis heute officiell nicht bekannt. – Der k. sächsische Hofschauspieler, Emil Devrient, gibt dermal auf unserm Hoftheater Gastrollen, und erntet ungewöhnlichen Beifall. – Zu den interessanten Fremden,

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (?): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 150. Augsburg, 29. Mai 1840, S. 1198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_150_18400529/6>, abgerufen am 27.04.2024.