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Allgemeine Zeitung. Nr. 152. Augsburg, 31. Mai 1840.

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Merlato, an seinen hier ansässigen Schwiegervater, den geachteten Kaufmann Premuda. Ich verdanke Freundes Hand mit der Erlaubniß zur Veröffentlichung eine Abschrift des italienischen Originals, welches ich in wörtlicher Uebersetzung unten folgen lasse. Was in diesem Schreiben nur kurz angedeutet ist, wird durch den officiellen Bericht des Hrn. Merlato (s. Allg. Ztg. Nr. 140 vom 19 Mai) klarer, und aus beiden Schriften geht deutlich hervor, wie man bei dem ganzen Processe zu Werke gegangen. - Ich überlasse es dem gesunden Urtheile des Lesers zu entscheiden, ob es denkbar sey, daß sich die Israeliten des Blutes, und zumal des Menschenblutes, zu ihrer Mazzah (ungesäuertes Brod) bedienen, die nach der Vorschrift des Talmuds aus nichts als reinem Quellwasser und Mehl ohne irgend eine andere Zuthat bestehen darf. Ich glaube dem Leser sagen zu müssen, daß der Haupträdelsführer und der eigentliche (leider einflußreiche) Blutrichter der Damascener Juden Hanna Bachari ist. Hanna Bachari, in oder bei Damaskus geboren, hatte sich unter Abdallah Pascha, dem frühern Pascha von Acre, mancher Unterschleife zu Schulden kommen lassen, und wurde des Landes verwiesen. Bewährt durch seine Mittel, den Levantinern so zu sagen das Blut auszusaugen, wurde er später von Mehemed Ali und von Ibrahim Pascha um so eher und williger mit offenen Armen aufgenommen, als man sich seiner auch zu andern Zwecken gegen Abdallah bedienen konnte. Als er von Abdallah entfernt wurde, da jubelten Christen und Juden, eines so schändlichen Menschen losgeworden zu seyn; aber dieser Mensch hatte ihnen damals blutige Rache geschworen. Der Zeitpunkt, dieselbe zu üben, ist gekommen, und da er gegen jene nicht aufzutreten wagte, so läßt er nun sein ganzes Gift an diesen aus. Dieses Scheusal soll die Juden richten, und wer wird Gnade oder Recht von ihm erwarten? - Für heute möge dieses genug seyn, nächstens sende ich Ihnen mehrere andere Documente, welche nicht minder geeignet seyn werden, zur Charakteristik der orientalischen Juden, zur Kenntniß ihrer Sitten und Gebräuche beizutragen.

Schreiben des ersten Consuls Hrn. Merlato an Hrn. Premuda in Triest. Damaskus, 25 April. Werthgeschätzter Schwiegervater! Ungewöhnliche und ernste Berufsgeschäfte hinderten und hindern mich noch immer, Ihnen so viel ich wollte, zu schreiben. - Der hiesige Generalgouverneur, Scherif Pascha, der Hanna Bachari Bey, der französische Consul Herr v. Rattimenton, der englische Consul, Hr. Werry, Hr. Beaudin und zwei oder drei andere europäische Christen, die Franciscaner, die arabischen Priester und Mönche und die ganze hiesige fanatische christliche Bevölkerung *) wollten alle hier ansässigen Israeliten, zuvörderst aber die wohlhabendsten derselben unter dem Vorwande hinopfern (sacrificare), daß sie aus religiösen Ursachen den Capucinermönch und dessen Bedienten, welche plötzlich am Abend des 5 Febr. l. J. verschwunden waren, aus dem Wege geräumt haben. - Mit zu den 14 des Mordes bezichtigten Individuen wollte man auch den österreichischen Unterthan, Isak di Picciotti, Neffen unsers Generalconsuls **) in Aleppo zählen. - Schon aus Philanthropie mochte ich an einem geheimen, unmenschlichen Bunde (orrida trama) nicht Theil nehmen, der gegen diese Unglücklichen geschlossen wurde. Außerdem hielt ich es auch für meine Pflicht, unserm Landsmann jeden möglichen Schutz angedeihen zu lassen, und trat freimüthig und offen gegen das barbarische und unnatürliche Vorhaben auf. Darob hatte ich aber viele Beleidigungen und große Unbill auszustehen. Der gemeine christliche Haufe (la turba cristiana) überhäufte mich mit Flüchen, aber Gott verlieh mir Kraft, den schweren Kampf zu bestehen, und mit seiner Hülfe hoffe ich den besten Erfolg, und ich wage es zu sagen, den verdienten Triumph. In Folge dieses eigenen und außergewöhnlichen Ereignisses wird mein armer Name (il mio povero nome) in den öffentlichen Blättern und in den geschichtlichen Memoiren, welche gegenwärtig geschrieben werden, ins Gerede kommen, und meine Handlung je nach der verschiedenen Denkungsart der Verfasser verschiedenartig gedeutet und ausgelegt werden. - Der österreichische Consul, Hr. Laurin in Alexandria hat indeß alle meine Schritte gut geheißen. - Ein geistreicher in diesem Augenblick hier lebender deutscher Schriftsteller will meine Rechtfertigung in der Allg. Zeitung von Augsburg übernehmen. ***)***) - Ein protestantischer Missionär beabsichtigt eine Denkschrift zu diesem Behufe zu veröffentlichen; endlich wollen mehrere Gelehrte zum Frommen der Menschheit die ganze Geschichte in ihrem wahren Lichte darzulegen suchen. Die unglücklichen Juden segnen meinen Namen, und beten zu Gott für mich. Ja selbst die vornehmsten Muselmänner dieser Stadt geben mir ähnliche Gesinnungen des Dankes zu erkennen; sie sagen, meine Rechtsliebe habe den nichtigen Religionshaß zu verlöschen gewußt. Weder stolz auf das mir werdende Lob, noch gebeugt von den erlittenen Beschimpfungen, genügt mir das Bewußtseyn, meine Pflicht als Mensch, als Beamter getreu erfüllt, mit Gottes Hülfe das Leben mehrerer Unglücklichen gerettet, und viele Familien vor den Verfolgungen geschützt zu haben. Ich danke endlich der göttlichen Vorsehung, mir einen so großen Trost gerade in der kritischsten Lage meines Lebens bereitet zu haben.

G. G. Merlato.
*) Französische Blätter haben schon neulich angeführt, daß Hr. Merlato ein Jude ist.
**) Bemerkenswerth ist, Oesterreich, Dänemark und Neapel haben zu ihrem Consul in Aleppo einen Juden gewählt.
Anmerk. des Einsenders.
***) Die Redaction hat nichts erhalten; indessen hören wir, der königl. bayerische Major v. Heilbronner, schon durch ein früheres Reisewerk bekannt, habe sich zu jener Zeit gerade in Damaskus befunden. Wir sind bei seiner für die nächsten Monate wohl bevorstehenden Rückkehr aus dem Orient auf sein Urtheil - als das eines höchst unbefangenen, erfahrungsreichen Beobachters - begierig.

Merlato, an seinen hier ansässigen Schwiegervater, den geachteten Kaufmann Premuda. Ich verdanke Freundes Hand mit der Erlaubniß zur Veröffentlichung eine Abschrift des italienischen Originals, welches ich in wörtlicher Uebersetzung unten folgen lasse. Was in diesem Schreiben nur kurz angedeutet ist, wird durch den officiellen Bericht des Hrn. Merlato (s. Allg. Ztg. Nr. 140 vom 19 Mai) klarer, und aus beiden Schriften geht deutlich hervor, wie man bei dem ganzen Processe zu Werke gegangen. – Ich überlasse es dem gesunden Urtheile des Lesers zu entscheiden, ob es denkbar sey, daß sich die Israeliten des Blutes, und zumal des Menschenblutes, zu ihrer Mazzah (ungesäuertes Brod) bedienen, die nach der Vorschrift des Talmuds aus nichts als reinem Quellwasser und Mehl ohne irgend eine andere Zuthat bestehen darf. Ich glaube dem Leser sagen zu müssen, daß der Haupträdelsführer und der eigentliche (leider einflußreiche) Blutrichter der Damascener Juden Hanna Bachari ist. Hanna Bachari, in oder bei Damaskus geboren, hatte sich unter Abdallah Pascha, dem frühern Pascha von Acre, mancher Unterschleife zu Schulden kommen lassen, und wurde des Landes verwiesen. Bewährt durch seine Mittel, den Levantinern so zu sagen das Blut auszusaugen, wurde er später von Mehemed Ali und von Ibrahim Pascha um so eher und williger mit offenen Armen aufgenommen, als man sich seiner auch zu andern Zwecken gegen Abdallah bedienen konnte. Als er von Abdallah entfernt wurde, da jubelten Christen und Juden, eines so schändlichen Menschen losgeworden zu seyn; aber dieser Mensch hatte ihnen damals blutige Rache geschworen. Der Zeitpunkt, dieselbe zu üben, ist gekommen, und da er gegen jene nicht aufzutreten wagte, so läßt er nun sein ganzes Gift an diesen aus. Dieses Scheusal soll die Juden richten, und wer wird Gnade oder Recht von ihm erwarten? – Für heute möge dieses genug seyn, nächstens sende ich Ihnen mehrere andere Documente, welche nicht minder geeignet seyn werden, zur Charakteristik der orientalischen Juden, zur Kenntniß ihrer Sitten und Gebräuche beizutragen.

Schreiben des ersten Consuls Hrn. Merlato an Hrn. Premuda in Triest. Damaskus, 25 April. Werthgeschätzter Schwiegervater! Ungewöhnliche und ernste Berufsgeschäfte hinderten und hindern mich noch immer, Ihnen so viel ich wollte, zu schreiben. – Der hiesige Generalgouverneur, Scherif Pascha, der Hanna Bachari Bey, der französische Consul Herr v. Rattimenton, der englische Consul, Hr. Werry, Hr. Beaudin und zwei oder drei andere europäische Christen, die Franciscaner, die arabischen Priester und Mönche und die ganze hiesige fanatische christliche Bevölkerung *) wollten alle hier ansässigen Israeliten, zuvörderst aber die wohlhabendsten derselben unter dem Vorwande hinopfern (sacrificare), daß sie aus religiösen Ursachen den Capucinermönch und dessen Bedienten, welche plötzlich am Abend des 5 Febr. l. J. verschwunden waren, aus dem Wege geräumt haben. – Mit zu den 14 des Mordes bezichtigten Individuen wollte man auch den österreichischen Unterthan, Isak di Picciotti, Neffen unsers Generalconsuls **) in Aleppo zählen. – Schon aus Philanthropie mochte ich an einem geheimen, unmenschlichen Bunde (orrida trama) nicht Theil nehmen, der gegen diese Unglücklichen geschlossen wurde. Außerdem hielt ich es auch für meine Pflicht, unserm Landsmann jeden möglichen Schutz angedeihen zu lassen, und trat freimüthig und offen gegen das barbarische und unnatürliche Vorhaben auf. Darob hatte ich aber viele Beleidigungen und große Unbill auszustehen. Der gemeine christliche Haufe (la turba cristiana) überhäufte mich mit Flüchen, aber Gott verlieh mir Kraft, den schweren Kampf zu bestehen, und mit seiner Hülfe hoffe ich den besten Erfolg, und ich wage es zu sagen, den verdienten Triumph. In Folge dieses eigenen und außergewöhnlichen Ereignisses wird mein armer Name (il mio povero nome) in den öffentlichen Blättern und in den geschichtlichen Memoiren, welche gegenwärtig geschrieben werden, ins Gerede kommen, und meine Handlung je nach der verschiedenen Denkungsart der Verfasser verschiedenartig gedeutet und ausgelegt werden. – Der österreichische Consul, Hr. Laurin in Alexandria hat indeß alle meine Schritte gut geheißen. – Ein geistreicher in diesem Augenblick hier lebender deutscher Schriftsteller will meine Rechtfertigung in der Allg. Zeitung von Augsburg übernehmen. ***)***) – Ein protestantischer Missionär beabsichtigt eine Denkschrift zu diesem Behufe zu veröffentlichen; endlich wollen mehrere Gelehrte zum Frommen der Menschheit die ganze Geschichte in ihrem wahren Lichte darzulegen suchen. Die unglücklichen Juden segnen meinen Namen, und beten zu Gott für mich. Ja selbst die vornehmsten Muselmänner dieser Stadt geben mir ähnliche Gesinnungen des Dankes zu erkennen; sie sagen, meine Rechtsliebe habe den nichtigen Religionshaß zu verlöschen gewußt. Weder stolz auf das mir werdende Lob, noch gebeugt von den erlittenen Beschimpfungen, genügt mir das Bewußtseyn, meine Pflicht als Mensch, als Beamter getreu erfüllt, mit Gottes Hülfe das Leben mehrerer Unglücklichen gerettet, und viele Familien vor den Verfolgungen geschützt zu haben. Ich danke endlich der göttlichen Vorsehung, mir einen so großen Trost gerade in der kritischsten Lage meines Lebens bereitet zu haben.

G. G. Merlato.
*) Französische Blätter haben schon neulich angeführt, daß Hr. Merlato ein Jude ist.
**) Bemerkenswerth ist, Oesterreich, Dänemark und Neapel haben zu ihrem Consul in Aleppo einen Juden gewählt.
Anmerk. des Einsenders.
***) Die Redaction hat nichts erhalten; indessen hören wir, der königl. bayerische Major v. Heilbronner, schon durch ein früheres Reisewerk bekannt, habe sich zu jener Zeit gerade in Damaskus befunden. Wir sind bei seiner für die nächsten Monate wohl bevorstehenden Rückkehr aus dem Orient auf sein Urtheil – als das eines höchst unbefangenen, erfahrungsreichen Beobachters – begierig.
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          <p>Schreiben des ersten Consuls Hrn. Merlato an Hrn. Premuda in Triest. Damaskus, 25 April. Werthgeschätzter Schwiegervater! Ungewöhnliche und ernste Berufsgeschäfte hinderten und hindern mich noch immer, Ihnen so viel ich wollte, zu schreiben. &#x2013; Der hiesige Generalgouverneur, Scherif Pascha, der <hi rendition="#g">Hanna Bachari Bey</hi>, der französische Consul Herr v. Rattimenton, der englische Consul, Hr. Werry, Hr. Beaudin und zwei oder drei andere europäische Christen, die Franciscaner, die arabischen Priester und Mönche und die ganze hiesige fanatische christliche Bevölkerung <note place="foot" n="*)"><p>Französische Blätter haben schon neulich angeführt, daß Hr. Merlato ein Jude ist.</p></note> wollten alle hier ansässigen Israeliten, zuvörderst aber die wohlhabendsten derselben unter dem Vorwande hinopfern (sacrificare), daß sie aus religiösen Ursachen den Capucinermönch und dessen Bedienten, welche plötzlich am Abend des 5 Febr. l. J. verschwunden waren, aus dem Wege geräumt haben. &#x2013; Mit zu den 14 des Mordes bezichtigten Individuen wollte man auch den österreichischen Unterthan, Isak di <hi rendition="#g">Picciotti</hi>, Neffen unsers Generalconsuls <note place="foot" n="**)"><p>Bemerkenswerth ist, Oesterreich, Dänemark und Neapel haben zu ihrem Consul in Aleppo einen Juden gewählt.</p><lb/><p>Anmerk. des Einsenders.</p></note> in Aleppo zählen. &#x2013; Schon aus Philanthropie mochte ich an einem geheimen, unmenschlichen Bunde (orrida trama) nicht Theil nehmen, der gegen diese Unglücklichen geschlossen wurde. Außerdem hielt ich es auch für meine Pflicht, unserm Landsmann jeden möglichen Schutz angedeihen zu lassen, und trat freimüthig und offen gegen das barbarische und unnatürliche Vorhaben auf. Darob hatte ich aber viele Beleidigungen und große Unbill auszustehen. Der gemeine christliche Haufe (la turba cristiana) überhäufte mich mit Flüchen, aber Gott verlieh mir Kraft, den schweren Kampf zu bestehen, und mit seiner Hülfe hoffe ich den besten Erfolg, und ich wage es zu sagen, den verdienten Triumph. In Folge dieses eigenen und außergewöhnlichen Ereignisses wird mein armer Name (il mio povero nome) in den öffentlichen Blättern und in den geschichtlichen Memoiren, welche gegenwärtig geschrieben werden, ins Gerede kommen, und meine Handlung je nach der verschiedenen Denkungsart der Verfasser verschiedenartig gedeutet und ausgelegt werden. &#x2013; Der österreichische Consul, Hr. <hi rendition="#g">Laurin</hi> in Alexandria hat indeß alle meine Schritte gut geheißen. &#x2013; Ein geistreicher in diesem Augenblick hier lebender deutscher Schriftsteller will meine Rechtfertigung in der Allg. Zeitung von Augsburg übernehmen. <hi rendition="#sup">***)</hi><note place="foot" n="***)"><p>Die Redaction hat nichts erhalten; indessen hören wir, der königl. bayerische Major v. Heilbronner, schon durch ein früheres Reisewerk bekannt, habe sich zu jener Zeit gerade in Damaskus befunden. Wir sind bei seiner für die nächsten Monate wohl bevorstehenden Rückkehr aus dem Orient auf sein Urtheil &#x2013; als das eines höchst unbefangenen, erfahrungsreichen Beobachters &#x2013; begierig.</p></note> &#x2013; Ein protestantischer Missionär beabsichtigt eine Denkschrift zu diesem Behufe zu veröffentlichen; endlich wollen mehrere Gelehrte zum Frommen der Menschheit die ganze Geschichte in ihrem wahren Lichte darzulegen suchen. Die unglücklichen Juden segnen meinen Namen, und beten zu Gott für mich. Ja selbst die vornehmsten Muselmänner dieser Stadt geben mir ähnliche Gesinnungen des Dankes zu erkennen; sie sagen, meine Rechtsliebe habe den nichtigen Religionshaß zu verlöschen gewußt. Weder stolz auf das mir werdende Lob, noch gebeugt von den erlittenen Beschimpfungen, genügt mir das Bewußtseyn, meine Pflicht als Mensch, als Beamter getreu erfüllt, mit Gottes Hülfe das Leben mehrerer Unglücklichen gerettet, und viele Familien vor den Verfolgungen geschützt zu haben. Ich danke endlich der göttlichen Vorsehung, mir einen so großen Trost gerade in der kritischsten Lage meines Lebens bereitet zu haben.</p><lb/>
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[1216/0008] Merlato, an seinen hier ansässigen Schwiegervater, den geachteten Kaufmann Premuda. Ich verdanke Freundes Hand mit der Erlaubniß zur Veröffentlichung eine Abschrift des italienischen Originals, welches ich in wörtlicher Uebersetzung unten folgen lasse. Was in diesem Schreiben nur kurz angedeutet ist, wird durch den officiellen Bericht des Hrn. Merlato (s. Allg. Ztg. Nr. 140 vom 19 Mai) klarer, und aus beiden Schriften geht deutlich hervor, wie man bei dem ganzen Processe zu Werke gegangen. – Ich überlasse es dem gesunden Urtheile des Lesers zu entscheiden, ob es denkbar sey, daß sich die Israeliten des Blutes, und zumal des Menschenblutes, zu ihrer Mazzah (ungesäuertes Brod) bedienen, die nach der Vorschrift des Talmuds aus nichts als reinem Quellwasser und Mehl ohne irgend eine andere Zuthat bestehen darf. Ich glaube dem Leser sagen zu müssen, daß der Haupträdelsführer und der eigentliche (leider einflußreiche) Blutrichter der Damascener Juden Hanna Bachari ist. Hanna Bachari, in oder bei Damaskus geboren, hatte sich unter Abdallah Pascha, dem frühern Pascha von Acre, mancher Unterschleife zu Schulden kommen lassen, und wurde des Landes verwiesen. Bewährt durch seine Mittel, den Levantinern so zu sagen das Blut auszusaugen, wurde er später von Mehemed Ali und von Ibrahim Pascha um so eher und williger mit offenen Armen aufgenommen, als man sich seiner auch zu andern Zwecken gegen Abdallah bedienen konnte. Als er von Abdallah entfernt wurde, da jubelten Christen und Juden, eines so schändlichen Menschen losgeworden zu seyn; aber dieser Mensch hatte ihnen damals blutige Rache geschworen. Der Zeitpunkt, dieselbe zu üben, ist gekommen, und da er gegen jene nicht aufzutreten wagte, so läßt er nun sein ganzes Gift an diesen aus. Dieses Scheusal soll die Juden richten, und wer wird Gnade oder Recht von ihm erwarten? – Für heute möge dieses genug seyn, nächstens sende ich Ihnen mehrere andere Documente, welche nicht minder geeignet seyn werden, zur Charakteristik der orientalischen Juden, zur Kenntniß ihrer Sitten und Gebräuche beizutragen. Schreiben des ersten Consuls Hrn. Merlato an Hrn. Premuda in Triest. Damaskus, 25 April. Werthgeschätzter Schwiegervater! Ungewöhnliche und ernste Berufsgeschäfte hinderten und hindern mich noch immer, Ihnen so viel ich wollte, zu schreiben. – Der hiesige Generalgouverneur, Scherif Pascha, der Hanna Bachari Bey, der französische Consul Herr v. Rattimenton, der englische Consul, Hr. Werry, Hr. Beaudin und zwei oder drei andere europäische Christen, die Franciscaner, die arabischen Priester und Mönche und die ganze hiesige fanatische christliche Bevölkerung *) wollten alle hier ansässigen Israeliten, zuvörderst aber die wohlhabendsten derselben unter dem Vorwande hinopfern (sacrificare), daß sie aus religiösen Ursachen den Capucinermönch und dessen Bedienten, welche plötzlich am Abend des 5 Febr. l. J. verschwunden waren, aus dem Wege geräumt haben. – Mit zu den 14 des Mordes bezichtigten Individuen wollte man auch den österreichischen Unterthan, Isak di Picciotti, Neffen unsers Generalconsuls **) in Aleppo zählen. – Schon aus Philanthropie mochte ich an einem geheimen, unmenschlichen Bunde (orrida trama) nicht Theil nehmen, der gegen diese Unglücklichen geschlossen wurde. Außerdem hielt ich es auch für meine Pflicht, unserm Landsmann jeden möglichen Schutz angedeihen zu lassen, und trat freimüthig und offen gegen das barbarische und unnatürliche Vorhaben auf. Darob hatte ich aber viele Beleidigungen und große Unbill auszustehen. Der gemeine christliche Haufe (la turba cristiana) überhäufte mich mit Flüchen, aber Gott verlieh mir Kraft, den schweren Kampf zu bestehen, und mit seiner Hülfe hoffe ich den besten Erfolg, und ich wage es zu sagen, den verdienten Triumph. In Folge dieses eigenen und außergewöhnlichen Ereignisses wird mein armer Name (il mio povero nome) in den öffentlichen Blättern und in den geschichtlichen Memoiren, welche gegenwärtig geschrieben werden, ins Gerede kommen, und meine Handlung je nach der verschiedenen Denkungsart der Verfasser verschiedenartig gedeutet und ausgelegt werden. – Der österreichische Consul, Hr. Laurin in Alexandria hat indeß alle meine Schritte gut geheißen. – Ein geistreicher in diesem Augenblick hier lebender deutscher Schriftsteller will meine Rechtfertigung in der Allg. Zeitung von Augsburg übernehmen. ***) ***) – Ein protestantischer Missionär beabsichtigt eine Denkschrift zu diesem Behufe zu veröffentlichen; endlich wollen mehrere Gelehrte zum Frommen der Menschheit die ganze Geschichte in ihrem wahren Lichte darzulegen suchen. Die unglücklichen Juden segnen meinen Namen, und beten zu Gott für mich. Ja selbst die vornehmsten Muselmänner dieser Stadt geben mir ähnliche Gesinnungen des Dankes zu erkennen; sie sagen, meine Rechtsliebe habe den nichtigen Religionshaß zu verlöschen gewußt. Weder stolz auf das mir werdende Lob, noch gebeugt von den erlittenen Beschimpfungen, genügt mir das Bewußtseyn, meine Pflicht als Mensch, als Beamter getreu erfüllt, mit Gottes Hülfe das Leben mehrerer Unglücklichen gerettet, und viele Familien vor den Verfolgungen geschützt zu haben. Ich danke endlich der göttlichen Vorsehung, mir einen so großen Trost gerade in der kritischsten Lage meines Lebens bereitet zu haben. G. G. Merlato. *) Französische Blätter haben schon neulich angeführt, daß Hr. Merlato ein Jude ist. **) Bemerkenswerth ist, Oesterreich, Dänemark und Neapel haben zu ihrem Consul in Aleppo einen Juden gewählt. Anmerk. des Einsenders. ***) Die Redaction hat nichts erhalten; indessen hören wir, der königl. bayerische Major v. Heilbronner, schon durch ein früheres Reisewerk bekannt, habe sich zu jener Zeit gerade in Damaskus befunden. Wir sind bei seiner für die nächsten Monate wohl bevorstehenden Rückkehr aus dem Orient auf sein Urtheil – als das eines höchst unbefangenen, erfahrungsreichen Beobachters – begierig.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 152. Augsburg, 31. Mai 1840, S. 1216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_152_18400531/8>, abgerufen am 28.04.2024.