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Allgemeine Zeitung. Nr. 156. Augsburg, 4. Juni 1840.

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auf die Gesinnung für Freiheit, Recht und Nationalehre. Ist einmal die Empörung gegen das Unrecht in allen deutschen Herzen hinlänglich gewachsen, dann wird kein Gott mehr das Unrecht in dem Lande festhalten können. Auf diese Gesinnungen, auf das deutsche Vaterland und auf das deutsche Recht, auf Gott und die gerechte Sache baue ich. Sie sind mächtiger als alle Bundesbeschlüsse."

Staatsminister Frhr. v. Blittersdorf: "Der Hr. Redner hat mir etwas in den Mund gelegt, was ich durchaus nicht im Sinne haben konnte, denn hätte ich mich in solcher Weise ausgedrückt, so würde ich nichts Anderes als eine Absurdität gesagt haben. Im Traum ist es mir nicht eingefallen, zu sagen, daß der erleuchtete Rath der Fürsten Deutschlands auf die öffentliche Meinung keine Rücksicht nehme; allein wiederholen muß ich, daß es in Deutschland kein anderes Organ der öffentlichen Meinung in Beziehung auf Bundesangelegenheiten gibt als die Bundesversammlung, in der die deutschen Fürsten allein vertreten sind. Wollten Sie andere politische Organe dieser öffentlichen Meinung schaffen, so müßte nothwendigerweise eine Verwirrung der Gewalten entstehen, die nur von den nachtheiligsten Folgen für ganz Deutschland und zunächst auch für Sie seyn würde. Das Grundprinzip des Bundes ist die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der deutschen Bundesstaaten. Ich bitte Sie, dieß nie zu vergessen. Die Einmischung in die innern Angelegenheiten eines Landes ist eine sehr streng zu begränzende Ausnahme. Machen Sie diese Ausnahme zur Regel, erheben Sie sich gar zu Richtern über diese Einmischung auf den Grund der öffentlichen Meinung, als deren Organ Sie sich geriren, so schlagen Sie die Bahn der Willkür ein, und würde dieser nicht gesteuert, so müßte unausbleibliche Anarchie über ganz Deutschland hereinbrechen. Gerade die Beispiele von Sachsen, Hessen und Braunschweig hätten Sie am leichtesten belehren können, wie sehr der Bundestag die Unabhängigkeit und Selbstständigkeit der einzelnen Bundesstaaten in ihren innern Angelegenheiten achtet, und wie wenig er geneigt ist, durch seine Einschreitung Widerwärtiges und Unangenehmes zu entfernen, insofern nur die allgemeine Ruhe und Ordnung von Deutschland nicht bedroht erscheint. Vergessen Sie nicht, was dadurch erhalten worden ist, und legen Sie dieß in die andere Waagschale."

Sander bemerkt im Verfolg einer größern Rede: "Ich bin kein Freund von Gewalt, allein wenn ich auf den Weg blicke, den man in Hannover seit der Aufhebung der Verfassung betrat, wenn ich bedenke, wie man das einfachste Recht auf jede Art gebeugt und gedreht, wie man zu guter Letzt noch den Grundsatz der Gültigkeit von Minoritätswahlen aufgestellt hat, so muß ich sagen, obschon kein Freund von Gewalt, es wäre mir Gewalt und wieder Gewalt lieber als der Scheinweg Rechtens, den man dort betreten hat. Darum ist es mir auch klar, daß auf demjenigen Wege, worauf die hannover'sche Regierung jetzt steht, es nie und nimmermehr zu einer wahrhaften Vereinbarung kommen wird und kann, denn die Erfahrung hat bis jetzt gezeigt, daß man sich in Hannover immer mehr und mehr im Unrechte verwickelt. Wohl weiß ich, und der Hr. Minister der auswärtigen Angelegenheiten hat es uns auch gesagt, daß unser Beschluß keinen unmittelbaren Erfolg haben wird. Es mag dieß seyn; hätten wir eine größere Kraft der ausführenden Gewalt, wie wir nur des Wortes mächtig sind, hätten wir Hände, wie wir nur Zungen haben, so möchte wohl Manches anders seyn, als es gegenwärtig ist. Nichtsdestoweniger sind unsere bloßen Beschlüsse doch eine Macht, denn mit uns und hinter uns steht die öffentliche Meinung von ganz Deutschland."

Staatsminister Frhr. v. Blittersdorff: "Ich muß, so ungern ich es thue, eine Aeußerung des Hrn. Abgeordneten releviren, welche dahin ging: "wenn wir Hände hätten, wie Zungen, so würde Manches anders seyn." Ich denke nicht, daß er mit unserm Zustand in Baden und Deutschland so unzufrieden ist, daß er, der das Recht sicher stellen will, die Gewalt an seine Stelle setzen möchte. Ich bitte übrigens den Hrn. Abgeordneten, zu erklären, ob seine Worte so oder in einem andern Sinne zu verstehen waren."

Sander: "Meine Worte hatten keinen andern Sinn als den, den der Hr. Minister selbst ausgedrückt hat, daß nämlich, wenn wir mehr in die Verhältnisse, wie sie sind, eingreifen könnten, wir vielleicht eher die Hoffnung hätten, zu sehen, daß es anders ginge. Daß wir mit Gewalt eingreifen wollten, liegt nicht darin, sondern es sollte bloß so viel damit gesagt seyn, daß, wenn wir mit einer größern parlamentarischen Macht ausgestattet wären, auch in mancher Beziehung ein anderer Zustand eingetreten wäre, als er jetzt ist."

Staatsminister Frhr. v. Blittersdorff: "Die Hände werden sonst gleichbedeutend mit Fäusten genommen, und sind wohl kein parlamentarisches Mittel."

Sander: "Die Hände sind hier bloß ein bildlicher Gegensatz von den Zungen, und weiter nichts. Die Hände braucht man übrigens auch zum Schreiben und zum Drucken, und darin sind sie uns nur zu sehr gebunden."

Knapp, Bader und Bekk unterstützen den Antrag gleich allen übrigen Rednern der Kammer. Der letztere sagt: "Gerade die gemäßigten und ruhigen Bürger sind es, denen die Vorgänge in Hannover als ein großes Unglück erscheinen. Die Radicalgesinnten, die mit Umstoßung alles Bestehenden ihre Ideen von Freiheit im Sturmschritte verwirklichen wollen, können sich in der That über die Vorgänge in Hannover nur freuen, und ich weiß es auch, daß sie sich wirklich darüber freuen. Aber die ruhigen Bürger, die einen allmählichen, geschichtlichen, aber sichern Gang der Entwicklung mit steter Aufrechthaltung der Ordnung wünschen, sind darüber betrübt. Die Radicalen finden in den hannover'schen Vorgängen einen Zündstoff für die Zukunft, der viel mächtiger wirkt, als sie mit allen ihren Agitationen zu wirken vermöchten. Im Interesse der Monarchie selbst, im Interesse einer ruhigen constitutionellen Entwickelung liegt es, daß die Störung der Rechtsordnung in Hannover wieder beseitigt, das öffentliche Vertrauen auf den Bestand einer solchen Ordnung wieder hergestellt, und eben dadurch die Ordnung auch gegen Störungen in einer entgegengesetzten Richtung gesichert werde."

Die Abg. Mördes und Mohr sprechen sich gleichfalls im Sinne des Itzsteinschen Antrages aus, der letztere unter specieller Anrufung und Entwicklung der betreffenden Paragraphen der Wiener Schlußacte. Der Abg. Gerbel sagt unter Anderm: "Ich habe von dem Hrn. Minister der auswärtigen Angelegenheiten die Aeußerung gehört, daß der Beschluß des Bundes nur in concreto, d. h. nur in Beziehung auf die Verfassungsfrage von Hannover zu interpretiren sey. Diese Aeußerung finde ich aber nicht gan in Uebereinstimmung mit einer von ihm vorher aufgestellten Behauptung, wonach dieser Bundesbeschluß formelles Recht sey. Ich glaube, daß die allgemeine Meinung mit dem ersten ausgesprochenen Satze ganz im Widerspruch ist. Es ist hier nicht bloß eine Frage entschieden, die Hannover, sondern die ganz Deutschland betrifft. Es ist von dem deutschen Bund ausgesprochen worden, daß er sich für incompetent erkläre in Streitigkeiten zwischen Völkern und Fürsten, die Verfassungsangelegenheite betreffen, und dadurch ist allen deutschen Verfassungen der Boden und die Grundlage genommen. Es besteht bloß noch ein tolerirter Zustand, so lange Fürst und Volk mit einander übereinstimmen."

Staatsminister Frhr. v. Blittersdorff: "Der Hr. Abgeordnete hat mich eines Widerspruchs gezeiht, den ich jedoch nicht finden kann. Ich habe gesagt, daß hier nur über einen speciellen Fall entschieden sey, und daß diese Entscheidung ein formelles Recht bilde. Ich glaube nicht, daß er wird bestreiten wollen, daß es auch für einen speciellen Fall formelles Recht geben könne."

Gerbel: "Ich habe gesagt, es sey eine allgemeine Vorschrift gegeben, während der Hr. Minister es nur auf einen speciellen Fall bezog."

Staatsminister Frhr. v. Blittersdorff: "Wenn ich bloß dieß gesagt hätte, so wäre allerdings ein Widerspruch vorhanden; allein ich habe gesagt, es liege eine Entscheidung vor für einen speciellen Fall unter Bezugnahme auf die obwaltenden Verhältnisse in Hannover, und damit fällt das Raisonnement des Hrn. Abgeordneten über den Haufen."

Gerbel: "Der Hr. Minister hat erklärt, hier sey über die hannover'sche Verfassungsfrage entschieden und daraus könne man keine Folgerung für ganz Deutschland ziehen. Es ist aber nach einer andern Aeußerung von ihm eine allgemeine Frage entschieden worden, und darin liegt der Widerspruch."

Martin: "Der Abg. Posselt hat bereits bemerkt, daß nicht nur der gebildete Theil des Volkes sich warm für diese Sache interessire, sondern daß auch jeder schlichte Bürger mit einer ungewöhnlichen Theilnahme sich dafür ausspreche. Da ich als Gewählter von einem Landbezirke die Stimmung des Landvolks kenne, so spreche ich pflichtmäßig aus, daß die Ansichten, die hier in diesem Saal über die hannover'sche Sache laut geworden sind,

auf die Gesinnung für Freiheit, Recht und Nationalehre. Ist einmal die Empörung gegen das Unrecht in allen deutschen Herzen hinlänglich gewachsen, dann wird kein Gott mehr das Unrecht in dem Lande festhalten können. Auf diese Gesinnungen, auf das deutsche Vaterland und auf das deutsche Recht, auf Gott und die gerechte Sache baue ich. Sie sind mächtiger als alle Bundesbeschlüsse.“

Staatsminister Frhr. v. Blittersdorf: „Der Hr. Redner hat mir etwas in den Mund gelegt, was ich durchaus nicht im Sinne haben konnte, denn hätte ich mich in solcher Weise ausgedrückt, so würde ich nichts Anderes als eine Absurdität gesagt haben. Im Traum ist es mir nicht eingefallen, zu sagen, daß der erleuchtete Rath der Fürsten Deutschlands auf die öffentliche Meinung keine Rücksicht nehme; allein wiederholen muß ich, daß es in Deutschland kein anderes Organ der öffentlichen Meinung in Beziehung auf Bundesangelegenheiten gibt als die Bundesversammlung, in der die deutschen Fürsten allein vertreten sind. Wollten Sie andere politische Organe dieser öffentlichen Meinung schaffen, so müßte nothwendigerweise eine Verwirrung der Gewalten entstehen, die nur von den nachtheiligsten Folgen für ganz Deutschland und zunächst auch für Sie seyn würde. Das Grundprinzip des Bundes ist die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der deutschen Bundesstaaten. Ich bitte Sie, dieß nie zu vergessen. Die Einmischung in die innern Angelegenheiten eines Landes ist eine sehr streng zu begränzende Ausnahme. Machen Sie diese Ausnahme zur Regel, erheben Sie sich gar zu Richtern über diese Einmischung auf den Grund der öffentlichen Meinung, als deren Organ Sie sich geriren, so schlagen Sie die Bahn der Willkür ein, und würde dieser nicht gesteuert, so müßte unausbleibliche Anarchie über ganz Deutschland hereinbrechen. Gerade die Beispiele von Sachsen, Hessen und Braunschweig hätten Sie am leichtesten belehren können, wie sehr der Bundestag die Unabhängigkeit und Selbstständigkeit der einzelnen Bundesstaaten in ihren innern Angelegenheiten achtet, und wie wenig er geneigt ist, durch seine Einschreitung Widerwärtiges und Unangenehmes zu entfernen, insofern nur die allgemeine Ruhe und Ordnung von Deutschland nicht bedroht erscheint. Vergessen Sie nicht, was dadurch erhalten worden ist, und legen Sie dieß in die andere Waagschale.“

Sander bemerkt im Verfolg einer größern Rede: „Ich bin kein Freund von Gewalt, allein wenn ich auf den Weg blicke, den man in Hannover seit der Aufhebung der Verfassung betrat, wenn ich bedenke, wie man das einfachste Recht auf jede Art gebeugt und gedreht, wie man zu guter Letzt noch den Grundsatz der Gültigkeit von Minoritätswahlen aufgestellt hat, so muß ich sagen, obschon kein Freund von Gewalt, es wäre mir Gewalt und wieder Gewalt lieber als der Scheinweg Rechtens, den man dort betreten hat. Darum ist es mir auch klar, daß auf demjenigen Wege, worauf die hannover'sche Regierung jetzt steht, es nie und nimmermehr zu einer wahrhaften Vereinbarung kommen wird und kann, denn die Erfahrung hat bis jetzt gezeigt, daß man sich in Hannover immer mehr und mehr im Unrechte verwickelt. Wohl weiß ich, und der Hr. Minister der auswärtigen Angelegenheiten hat es uns auch gesagt, daß unser Beschluß keinen unmittelbaren Erfolg haben wird. Es mag dieß seyn; hätten wir eine größere Kraft der ausführenden Gewalt, wie wir nur des Wortes mächtig sind, hätten wir Hände, wie wir nur Zungen haben, so möchte wohl Manches anders seyn, als es gegenwärtig ist. Nichtsdestoweniger sind unsere bloßen Beschlüsse doch eine Macht, denn mit uns und hinter uns steht die öffentliche Meinung von ganz Deutschland.“

Staatsminister Frhr. v. Blittersdorff: „Ich muß, so ungern ich es thue, eine Aeußerung des Hrn. Abgeordneten releviren, welche dahin ging: „wenn wir Hände hätten, wie Zungen, so würde Manches anders seyn.“ Ich denke nicht, daß er mit unserm Zustand in Baden und Deutschland so unzufrieden ist, daß er, der das Recht sicher stellen will, die Gewalt an seine Stelle setzen möchte. Ich bitte übrigens den Hrn. Abgeordneten, zu erklären, ob seine Worte so oder in einem andern Sinne zu verstehen waren.“

Sander: „Meine Worte hatten keinen andern Sinn als den, den der Hr. Minister selbst ausgedrückt hat, daß nämlich, wenn wir mehr in die Verhältnisse, wie sie sind, eingreifen könnten, wir vielleicht eher die Hoffnung hätten, zu sehen, daß es anders ginge. Daß wir mit Gewalt eingreifen wollten, liegt nicht darin, sondern es sollte bloß so viel damit gesagt seyn, daß, wenn wir mit einer größern parlamentarischen Macht ausgestattet wären, auch in mancher Beziehung ein anderer Zustand eingetreten wäre, als er jetzt ist.“

Staatsminister Frhr. v. Blittersdorff: „Die Hände werden sonst gleichbedeutend mit Fäusten genommen, und sind wohl kein parlamentarisches Mittel.“

Sander: „Die Hände sind hier bloß ein bildlicher Gegensatz von den Zungen, und weiter nichts. Die Hände braucht man übrigens auch zum Schreiben und zum Drucken, und darin sind sie uns nur zu sehr gebunden.“

Knapp, Bader und Bekk unterstützen den Antrag gleich allen übrigen Rednern der Kammer. Der letztere sagt: „Gerade die gemäßigten und ruhigen Bürger sind es, denen die Vorgänge in Hannover als ein großes Unglück erscheinen. Die Radicalgesinnten, die mit Umstoßung alles Bestehenden ihre Ideen von Freiheit im Sturmschritte verwirklichen wollen, können sich in der That über die Vorgänge in Hannover nur freuen, und ich weiß es auch, daß sie sich wirklich darüber freuen. Aber die ruhigen Bürger, die einen allmählichen, geschichtlichen, aber sichern Gang der Entwicklung mit steter Aufrechthaltung der Ordnung wünschen, sind darüber betrübt. Die Radicalen finden in den hannover'schen Vorgängen einen Zündstoff für die Zukunft, der viel mächtiger wirkt, als sie mit allen ihren Agitationen zu wirken vermöchten. Im Interesse der Monarchie selbst, im Interesse einer ruhigen constitutionellen Entwickelung liegt es, daß die Störung der Rechtsordnung in Hannover wieder beseitigt, das öffentliche Vertrauen auf den Bestand einer solchen Ordnung wieder hergestellt, und eben dadurch die Ordnung auch gegen Störungen in einer entgegengesetzten Richtung gesichert werde.“

Die Abg. Mördes und Mohr sprechen sich gleichfalls im Sinne des Itzsteinschen Antrages aus, der letztere unter specieller Anrufung und Entwicklung der betreffenden Paragraphen der Wiener Schlußacte. Der Abg. Gerbel sagt unter Anderm: „Ich habe von dem Hrn. Minister der auswärtigen Angelegenheiten die Aeußerung gehört, daß der Beschluß des Bundes nur in concreto, d. h. nur in Beziehung auf die Verfassungsfrage von Hannover zu interpretiren sey. Diese Aeußerung finde ich aber nicht gan in Uebereinstimmung mit einer von ihm vorher aufgestellten Behauptung, wonach dieser Bundesbeschluß formelles Recht sey. Ich glaube, daß die allgemeine Meinung mit dem ersten ausgesprochenen Satze ganz im Widerspruch ist. Es ist hier nicht bloß eine Frage entschieden, die Hannover, sondern die ganz Deutschland betrifft. Es ist von dem deutschen Bund ausgesprochen worden, daß er sich für incompetent erkläre in Streitigkeiten zwischen Völkern und Fürsten, die Verfassungsangelegenheite betreffen, und dadurch ist allen deutschen Verfassungen der Boden und die Grundlage genommen. Es besteht bloß noch ein tolerirter Zustand, so lange Fürst und Volk mit einander übereinstimmen.“

Staatsminister Frhr. v. Blittersdorff: „Der Hr. Abgeordnete hat mich eines Widerspruchs gezeiht, den ich jedoch nicht finden kann. Ich habe gesagt, daß hier nur über einen speciellen Fall entschieden sey, und daß diese Entscheidung ein formelles Recht bilde. Ich glaube nicht, daß er wird bestreiten wollen, daß es auch für einen speciellen Fall formelles Recht geben könne.“

Gerbel: „Ich habe gesagt, es sey eine allgemeine Vorschrift gegeben, während der Hr. Minister es nur auf einen speciellen Fall bezog.“

Staatsminister Frhr. v. Blittersdorff: „Wenn ich bloß dieß gesagt hätte, so wäre allerdings ein Widerspruch vorhanden; allein ich habe gesagt, es liege eine Entscheidung vor für einen speciellen Fall unter Bezugnahme auf die obwaltenden Verhältnisse in Hannover, und damit fällt das Raisonnement des Hrn. Abgeordneten über den Haufen.“

Gerbel: „Der Hr. Minister hat erklärt, hier sey über die hannover'sche Verfassungsfrage entschieden und daraus könne man keine Folgerung für ganz Deutschland ziehen. Es ist aber nach einer andern Aeußerung von ihm eine allgemeine Frage entschieden worden, und darin liegt der Widerspruch.“

Martin: „Der Abg. Posselt hat bereits bemerkt, daß nicht nur der gebildete Theil des Volkes sich warm für diese Sache interessire, sondern daß auch jeder schlichte Bürger mit einer ungewöhnlichen Theilnahme sich dafür ausspreche. Da ich als Gewählter von einem Landbezirke die Stimmung des Landvolks kenne, so spreche ich pflichtmäßig aus, daß die Ansichten, die hier in diesem Saal über die hannover'sche Sache laut geworden sind,

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[1244/0012] auf die Gesinnung für Freiheit, Recht und Nationalehre. Ist einmal die Empörung gegen das Unrecht in allen deutschen Herzen hinlänglich gewachsen, dann wird kein Gott mehr das Unrecht in dem Lande festhalten können. Auf diese Gesinnungen, auf das deutsche Vaterland und auf das deutsche Recht, auf Gott und die gerechte Sache baue ich. Sie sind mächtiger als alle Bundesbeschlüsse.“ Staatsminister Frhr. v. Blittersdorf: „Der Hr. Redner hat mir etwas in den Mund gelegt, was ich durchaus nicht im Sinne haben konnte, denn hätte ich mich in solcher Weise ausgedrückt, so würde ich nichts Anderes als eine Absurdität gesagt haben. 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Abgeordneten, zu erklären, ob seine Worte so oder in einem andern Sinne zu verstehen waren.“ Sander: „Meine Worte hatten keinen andern Sinn als den, den der Hr. Minister selbst ausgedrückt hat, daß nämlich, wenn wir mehr in die Verhältnisse, wie sie sind, eingreifen könnten, wir vielleicht eher die Hoffnung hätten, zu sehen, daß es anders ginge. Daß wir mit Gewalt eingreifen wollten, liegt nicht darin, sondern es sollte bloß so viel damit gesagt seyn, daß, wenn wir mit einer größern parlamentarischen Macht ausgestattet wären, auch in mancher Beziehung ein anderer Zustand eingetreten wäre, als er jetzt ist.“ Staatsminister Frhr. v. Blittersdorff: „Die Hände werden sonst gleichbedeutend mit Fäusten genommen, und sind wohl kein parlamentarisches Mittel.“ Sander: „Die Hände sind hier bloß ein bildlicher Gegensatz von den Zungen, und weiter nichts. Die Hände braucht man übrigens auch zum Schreiben und zum Drucken, und darin sind sie uns nur zu sehr gebunden.“ Knapp, Bader und Bekk unterstützen den Antrag gleich allen übrigen Rednern der Kammer. Der letztere sagt: „Gerade die gemäßigten und ruhigen Bürger sind es, denen die Vorgänge in Hannover als ein großes Unglück erscheinen. Die Radicalgesinnten, die mit Umstoßung alles Bestehenden ihre Ideen von Freiheit im Sturmschritte verwirklichen wollen, können sich in der That über die Vorgänge in Hannover nur freuen, und ich weiß es auch, daß sie sich wirklich darüber freuen. Aber die ruhigen Bürger, die einen allmählichen, geschichtlichen, aber sichern Gang der Entwicklung mit steter Aufrechthaltung der Ordnung wünschen, sind darüber betrübt. Die Radicalen finden in den hannover'schen Vorgängen einen Zündstoff für die Zukunft, der viel mächtiger wirkt, als sie mit allen ihren Agitationen zu wirken vermöchten. Im Interesse der Monarchie selbst, im Interesse einer ruhigen constitutionellen Entwickelung liegt es, daß die Störung der Rechtsordnung in Hannover wieder beseitigt, das öffentliche Vertrauen auf den Bestand einer solchen Ordnung wieder hergestellt, und eben dadurch die Ordnung auch gegen Störungen in einer entgegengesetzten Richtung gesichert werde.“ Die Abg. Mördes und Mohr sprechen sich gleichfalls im Sinne des Itzsteinschen Antrages aus, der letztere unter specieller Anrufung und Entwicklung der betreffenden Paragraphen der Wiener Schlußacte. Der Abg. Gerbel sagt unter Anderm: „Ich habe von dem Hrn. Minister der auswärtigen Angelegenheiten die Aeußerung gehört, daß der Beschluß des Bundes nur in concreto, d. h. nur in Beziehung auf die Verfassungsfrage von Hannover zu interpretiren sey. Diese Aeußerung finde ich aber nicht gan in Uebereinstimmung mit einer von ihm vorher aufgestellten Behauptung, wonach dieser Bundesbeschluß formelles Recht sey. Ich glaube, daß die allgemeine Meinung mit dem ersten ausgesprochenen Satze ganz im Widerspruch ist. Es ist hier nicht bloß eine Frage entschieden, die Hannover, sondern die ganz Deutschland betrifft. Es ist von dem deutschen Bund ausgesprochen worden, daß er sich für incompetent erkläre in Streitigkeiten zwischen Völkern und Fürsten, die Verfassungsangelegenheite betreffen, und dadurch ist allen deutschen Verfassungen der Boden und die Grundlage genommen. Es besteht bloß noch ein tolerirter Zustand, so lange Fürst und Volk mit einander übereinstimmen.“ Staatsminister Frhr. v. Blittersdorff: „Der Hr. Abgeordnete hat mich eines Widerspruchs gezeiht, den ich jedoch nicht finden kann. Ich habe gesagt, daß hier nur über einen speciellen Fall entschieden sey, und daß diese Entscheidung ein formelles Recht bilde. Ich glaube nicht, daß er wird bestreiten wollen, daß es auch für einen speciellen Fall formelles Recht geben könne.“ Gerbel: „Ich habe gesagt, es sey eine allgemeine Vorschrift gegeben, während der Hr. Minister es nur auf einen speciellen Fall bezog.“ Staatsminister Frhr. v. Blittersdorff: „Wenn ich bloß dieß gesagt hätte, so wäre allerdings ein Widerspruch vorhanden; allein ich habe gesagt, es liege eine Entscheidung vor für einen speciellen Fall unter Bezugnahme auf die obwaltenden Verhältnisse in Hannover, und damit fällt das Raisonnement des Hrn. Abgeordneten über den Haufen.“ Gerbel: „Der Hr. Minister hat erklärt, hier sey über die hannover'sche Verfassungsfrage entschieden und daraus könne man keine Folgerung für ganz Deutschland ziehen. Es ist aber nach einer andern Aeußerung von ihm eine allgemeine Frage entschieden worden, und darin liegt der Widerspruch.“ Martin: „Der Abg. Posselt hat bereits bemerkt, daß nicht nur der gebildete Theil des Volkes sich warm für diese Sache interessire, sondern daß auch jeder schlichte Bürger mit einer ungewöhnlichen Theilnahme sich dafür ausspreche. Da ich als Gewählter von einem Landbezirke die Stimmung des Landvolks kenne, so spreche ich pflichtmäßig aus, daß die Ansichten, die hier in diesem Saal über die hannover'sche Sache laut geworden sind,

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 156. Augsburg, 4. Juni 1840, S. 1244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_156_18400604/12>, abgerufen am 29.04.2024.