Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 156. Augsburg, 4. Juni 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Unsere Soldaten haben sich, sagt die Depesche, wie immer, bewundernswürdig gezeigt. Seit diesem Gefecht ist die Armee unangefochten am 22 in die Lager von Muzaia und Blidah eingerückt. Am 23 traf der Marschall mit den Prinzen, die nach Frankreich sich einschiffen werden, in Algier ein. Wenn wir auf die Operationen seit dem 27 April, dem Tag des Abgangs von Blidah zurückblicken, so sieht man, daß die Armee die ersten 14 Tage lang in der Metidscha und am Fuß des Atlas, zwischen Blidah und Ued-Jer, zwischen Muzaia und Scherschel manöuvrirt hat. Der Marschall wollte, wie man glauben darf, damals den Feind in die Ebene herablocken, ihm durch seine Demonstration gegen Ued-Jer glauben machen, daß er die Absicht habe, auf Miliana geradezu loszugehen, und die Engpässe des Atlas so frei machen. Während dieser Zeit hat er ein festes Lager in Muzaia errichtet, eine Position, deren Behauptung wichtig ist; er hat Scherschel entsetzt, nach Algier Verstärkungen geschickt, und die an sich gezogen, die er von Oran verlangt hatte. Der Marschall scheint Bedenken getragen zu haben, durch einen Sturm auf die Verschanzung von Teniah unsere Tapfern aufzuopfern, gewiß ein sehr lobenswürdiges Bedenken. Er hoffte, daß eine Verzögerung von 14 Tagen die Araber ermüden, und ein Theil von ihnen nach Hause zurückkehren würde, da sie schon seit acht Tagen im Felde standen, und ihre Gewohnheit nicht ist, länger als 20 Tage im Felde fern von ihrer Heimath zu bleiben. Aber Abd-El-Kader hat eine fürchterliche Disciplin eingeführt, er zwingt die Kampfunfähigen und die Weiber der Stämme, jede Woche den Kriegern Lebensmittel zu bringen. Also mußte man kühn die Verschanzungen des Atlas angreifen und sie mit dem Bajonnette nehmen. Glücklicherweise ist unser Verlust weit geringer als ein solcher Kampf es fürchten ließ. Man hat eine Straße errichtet, die von nun an unsern Kanonen und Zufuhren einen leichten Zugang verschaffen wird; man hat Medeah besetzt, und eine Garnison unter den Befehlen eines der fähigsten und ausgezeichnetsten Officiere daselbst gelassen; endlich hat man die Armee des Emir, die uns den Weg versperren wollte, noch einmal und zwar vollständiger als das erstemal geschlagen. Also sind diese 26 Tage des Feldzugs wohl angewandt. Eine zweite Expedition wird unsere Festsetzung in der Provinz Titteri vollenden und uns nach Miliana und in das Thal des Chleif führen. Unterdeß muß die moralische Wirkung auf die Araber groß seyn. Abd-El-Kader hat nirgends unsern Marsch aufhalten können, seine Schanzen sind forcirt, seine Armee zweimal geworfen worden, eine wichtige Stadt, die wir nicht mehr aufgeben dürfen, gehört uns. Fahren wir so fort, und der Emir, durch so viele Unglücksfälle entmuthigt, seines Ruhmes beraubt, wird die Araber, eines endlosen Krieges müde, endlich das tyrannische Joch abwerfen sehen, mit dem er sie ohne Erbarmen zu Boden drückt."

Hr. Thiers ist eben mit dem Entwurf eines neuen Pacificationsplans für den Orient fertig geworden und beabsichtigt ihn binnen kurzem den Großmächten vorzulegen. Hr. Thiers schmeichelt sich mit der Hoffnung, daß der von ihm entworfene Plan sich der günstigsten Aufnahme erfreuen werde.

Also eine Subscription zu Gunsten Napoleons, um die zu seinem Begräbniß erforderliche Summe von zwei Millionen zu decken! Eine "Souscription nationale," wie man sie nennt, in vollem Gang und Schwang und Redensarten die Menge! Warum nicht? wie wir uns die Freiheit genommen haben, die Abstimmung der Kammer, dem Grunde der Sache nach und abgesehen von den unlautern Motiven, die dabei gewirkt haben mögen, zu billigen, so mag den Anhängern und Vertheidigern des Commissionsberichts unbenommen seyn, auf populärem Wege zu ergänzen, was ihnen das Parlament verweigert hat. Wird die Subscription gehörigen Fortgang haben? Wird die ganze Summe zusammengebracht werden? Die allgemeine Gleichgültigkeit der gegenwärtigen Stimmung für solche Verhandlungen könnte einigen Zweifel erregen, dagegen liegt in der ungeschickten Freude der sogenannten "conservativen" Blätter und in ihren Folgerungen, aus dem "Siege über das Ministerium" etwas so albern Boshaftes und das nationale Schicklichkeitsgefühl Verletzendes, daß hieraus vielleicht für die Subscription eine Gewähr entspringt, die ihr sonst gemangelt hätte. Wie dem auch sey, der Siecle gibt heute eine dritte Liste mit einem Gesammtbetrag von über 7000 Franken. Man kann die Unterschriften auf diesen Listen nicht ohne Rührung lesen. Was von der weltberühmten Kaisergarde noch irgend Leben und Bewegung hat, kriecht aus seinem ruhigen, müden Verstecke hervor, und bringt sein Scherflein mit gehöriger, genauer Angabe des Namens, "Charakters" und des Regiments und des Bataillons und der Compagnie, welchen jeder anzugehören einst die Ehre hatte. Die Chasseurs, die Grenadiere, die Artilleristen der alten und jungen Garde drängen sich in Schaaren herbei; hier ein Verwundeter von Montebello und Wagram mit dem Rufe vive l'Empereur! dort ein leichter Jäger von der ägyptischen Armee, weiter ein Verstümmelter von Waterloo, da ein einfacher Trommler mit dem Officierskreuze der Ehrenlegion; mitten drinnen Mde. ..., der Name ist mir entfallen, gewesene Säugamme des gewesenen Königs von Rom! Sie transit gloria mundi! Und wie die Lavine im Rollen wächst, so wird die Phrase die Phrase erzeugen, und in wenigen Tagen werden wir eine buntscheckige, wenn auch nicht vollständige Schlachtengeschichte des Kaiserthums bekommen, alles in Form von Namensangaben, Mottos und Huldigungen und unter dem Vorwande zum Mausoleum des Kaisers zu unterzeichnen. So mag es denn wahr werden, daß der kürzeste Weg oft der längste ist, und daß es besser gewesen wäre, dem Ministerium gleich die zwei Millionen voll zu geben, anstatt daß wir jetzt mit verstümmelten Kriegsbulletins auf das grausamste werden gemartert werden, und von St. Helena nach dem Invalidendom nur auf dem kleinen Umweg von Italien, Deutschland, Aegypten, Spanien, Oesterreich, Rußland etc. gelangen können.

Die Deputirtenkammer beschäftigt sich heute mit dem Entwurf über die Arbeiten von Kindern in den Fabriken. Da die französischen Fabricanten, besonders die im Elsaß, selbst den Wunsch danach geäußert haben, so ist die Annahme des Entwurfs, in seinen Hauptzügen wenigstens, unbezweifelt, obwohl mehrere Deputirte die Befugniß des Gesetzgebers bestreiten, die Länge der täglichen Arbeitszeit zu bestimmen. Sobald, sagen sie, eine solche Intervention in die Privatverhältnisse zugelassen wird, sind keine Gränzen mehr abzustecken, wo sie aufhören müsse, und man wird auch noch die Nahrung und Kleidung der jungen Fabrikarbeiter behufs der Bewahrung ihrer Gesundheit durch ein Gesetz bestimmen müssen; auch wird die Verminderung der Arbeitsstunden eine Verminderung des Lohns nach sich ziehen, und so den nöthigen Unterhalt der Kinder und ihrer Eltern beschränken. - Die Pairskammer debattirt den Entwurf über die Conversion der Renten; bei der bekannten vorgefaßten Meinung der Mehrheit scheint die Verwerfung des Entwurfs gewiß, und die auf heute angekündigte Rede des Hrn. Thiers wird wenig Wirkung hervorbringen, wenn es ihm auch ernstlich um die Vertheidigung

Unsere Soldaten haben sich, sagt die Depesche, wie immer, bewundernswürdig gezeigt. Seit diesem Gefecht ist die Armee unangefochten am 22 in die Lager von Muzaia und Blidah eingerückt. Am 23 traf der Marschall mit den Prinzen, die nach Frankreich sich einschiffen werden, in Algier ein. Wenn wir auf die Operationen seit dem 27 April, dem Tag des Abgangs von Blidah zurückblicken, so sieht man, daß die Armee die ersten 14 Tage lang in der Metidscha und am Fuß des Atlas, zwischen Blidah und Ued-Jer, zwischen Muzaia und Scherschel manöuvrirt hat. Der Marschall wollte, wie man glauben darf, damals den Feind in die Ebene herablocken, ihm durch seine Demonstration gegen Ued-Jer glauben machen, daß er die Absicht habe, auf Miliana geradezu loszugehen, und die Engpässe des Atlas so frei machen. Während dieser Zeit hat er ein festes Lager in Muzaia errichtet, eine Position, deren Behauptung wichtig ist; er hat Scherschel entsetzt, nach Algier Verstärkungen geschickt, und die an sich gezogen, die er von Oran verlangt hatte. Der Marschall scheint Bedenken getragen zu haben, durch einen Sturm auf die Verschanzung von Teniah unsere Tapfern aufzuopfern, gewiß ein sehr lobenswürdiges Bedenken. Er hoffte, daß eine Verzögerung von 14 Tagen die Araber ermüden, und ein Theil von ihnen nach Hause zurückkehren würde, da sie schon seit acht Tagen im Felde standen, und ihre Gewohnheit nicht ist, länger als 20 Tage im Felde fern von ihrer Heimath zu bleiben. Aber Abd-El-Kader hat eine fürchterliche Disciplin eingeführt, er zwingt die Kampfunfähigen und die Weiber der Stämme, jede Woche den Kriegern Lebensmittel zu bringen. Also mußte man kühn die Verschanzungen des Atlas angreifen und sie mit dem Bajonnette nehmen. Glücklicherweise ist unser Verlust weit geringer als ein solcher Kampf es fürchten ließ. Man hat eine Straße errichtet, die von nun an unsern Kanonen und Zufuhren einen leichten Zugang verschaffen wird; man hat Medeah besetzt, und eine Garnison unter den Befehlen eines der fähigsten und ausgezeichnetsten Officiere daselbst gelassen; endlich hat man die Armee des Emir, die uns den Weg versperren wollte, noch einmal und zwar vollständiger als das erstemal geschlagen. Also sind diese 26 Tage des Feldzugs wohl angewandt. Eine zweite Expedition wird unsere Festsetzung in der Provinz Titteri vollenden und uns nach Miliana und in das Thal des Chleif führen. Unterdeß muß die moralische Wirkung auf die Araber groß seyn. Abd-El-Kader hat nirgends unsern Marsch aufhalten können, seine Schanzen sind forcirt, seine Armee zweimal geworfen worden, eine wichtige Stadt, die wir nicht mehr aufgeben dürfen, gehört uns. Fahren wir so fort, und der Emir, durch so viele Unglücksfälle entmuthigt, seines Ruhmes beraubt, wird die Araber, eines endlosen Krieges müde, endlich das tyrannische Joch abwerfen sehen, mit dem er sie ohne Erbarmen zu Boden drückt.“

Hr. Thiers ist eben mit dem Entwurf eines neuen Pacificationsplans für den Orient fertig geworden und beabsichtigt ihn binnen kurzem den Großmächten vorzulegen. Hr. Thiers schmeichelt sich mit der Hoffnung, daß der von ihm entworfene Plan sich der günstigsten Aufnahme erfreuen werde.

Also eine Subscription zu Gunsten Napoleons, um die zu seinem Begräbniß erforderliche Summe von zwei Millionen zu decken! Eine „Souscription nationale,“ wie man sie nennt, in vollem Gang und Schwang und Redensarten die Menge! Warum nicht? wie wir uns die Freiheit genommen haben, die Abstimmung der Kammer, dem Grunde der Sache nach und abgesehen von den unlautern Motiven, die dabei gewirkt haben mögen, zu billigen, so mag den Anhängern und Vertheidigern des Commissionsberichts unbenommen seyn, auf populärem Wege zu ergänzen, was ihnen das Parlament verweigert hat. Wird die Subscription gehörigen Fortgang haben? Wird die ganze Summe zusammengebracht werden? Die allgemeine Gleichgültigkeit der gegenwärtigen Stimmung für solche Verhandlungen könnte einigen Zweifel erregen, dagegen liegt in der ungeschickten Freude der sogenannten „conservativen“ Blätter und in ihren Folgerungen, aus dem „Siege über das Ministerium“ etwas so albern Boshaftes und das nationale Schicklichkeitsgefühl Verletzendes, daß hieraus vielleicht für die Subscription eine Gewähr entspringt, die ihr sonst gemangelt hätte. Wie dem auch sey, der Siècle gibt heute eine dritte Liste mit einem Gesammtbetrag von über 7000 Franken. Man kann die Unterschriften auf diesen Listen nicht ohne Rührung lesen. Was von der weltberühmten Kaisergarde noch irgend Leben und Bewegung hat, kriecht aus seinem ruhigen, müden Verstecke hervor, und bringt sein Scherflein mit gehöriger, genauer Angabe des Namens, „Charakters“ und des Regiments und des Bataillons und der Compagnie, welchen jeder anzugehören einst die Ehre hatte. Die Chasseurs, die Grenadiere, die Artilleristen der alten und jungen Garde drängen sich in Schaaren herbei; hier ein Verwundeter von Montebello und Wagram mit dem Rufe vive l'Empereur! dort ein leichter Jäger von der ägyptischen Armee, weiter ein Verstümmelter von Waterloo, da ein einfacher Trommler mit dem Officierskreuze der Ehrenlegion; mitten drinnen Mde. ..., der Name ist mir entfallen, gewesene Säugamme des gewesenen Königs von Rom! Sie transit gloria mundi! Und wie die Lavine im Rollen wächst, so wird die Phrase die Phrase erzeugen, und in wenigen Tagen werden wir eine buntscheckige, wenn auch nicht vollständige Schlachtengeschichte des Kaiserthums bekommen, alles in Form von Namensangaben, Mottos und Huldigungen und unter dem Vorwande zum Mausoleum des Kaisers zu unterzeichnen. So mag es denn wahr werden, daß der kürzeste Weg oft der längste ist, und daß es besser gewesen wäre, dem Ministerium gleich die zwei Millionen voll zu geben, anstatt daß wir jetzt mit verstümmelten Kriegsbulletins auf das grausamste werden gemartert werden, und von St. Helena nach dem Invalidendom nur auf dem kleinen Umweg von Italien, Deutschland, Aegypten, Spanien, Oesterreich, Rußland etc. gelangen können.

Die Deputirtenkammer beschäftigt sich heute mit dem Entwurf über die Arbeiten von Kindern in den Fabriken. Da die französischen Fabricanten, besonders die im Elsaß, selbst den Wunsch danach geäußert haben, so ist die Annahme des Entwurfs, in seinen Hauptzügen wenigstens, unbezweifelt, obwohl mehrere Deputirte die Befugniß des Gesetzgebers bestreiten, die Länge der täglichen Arbeitszeit zu bestimmen. Sobald, sagen sie, eine solche Intervention in die Privatverhältnisse zugelassen wird, sind keine Gränzen mehr abzustecken, wo sie aufhören müsse, und man wird auch noch die Nahrung und Kleidung der jungen Fabrikarbeiter behufs der Bewahrung ihrer Gesundheit durch ein Gesetz bestimmen müssen; auch wird die Verminderung der Arbeitsstunden eine Verminderung des Lohns nach sich ziehen, und so den nöthigen Unterhalt der Kinder und ihrer Eltern beschränken. – Die Pairskammer debattirt den Entwurf über die Conversion der Renten; bei der bekannten vorgefaßten Meinung der Mehrheit scheint die Verwerfung des Entwurfs gewiß, und die auf heute angekündigte Rede des Hrn. Thiers wird wenig Wirkung hervorbringen, wenn es ihm auch ernstlich um die Vertheidigung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0004" n="1244"/>
Unsere Soldaten haben sich, sagt die Depesche, wie immer, bewundernswürdig gezeigt. Seit diesem Gefecht ist die Armee unangefochten am 22 in die Lager von Muzaia und Blidah eingerückt. Am 23 traf der Marschall mit den Prinzen, die nach Frankreich sich einschiffen werden, in Algier ein. Wenn wir auf die Operationen seit dem 27 April, dem Tag des Abgangs von Blidah zurückblicken, so sieht man, daß die Armee die ersten 14 Tage lang in der Metidscha und am Fuß des Atlas, zwischen Blidah und Ued-Jer, zwischen Muzaia und Scherschel manöuvrirt hat. Der Marschall wollte, wie man glauben darf, damals den Feind in die Ebene herablocken, ihm durch seine Demonstration gegen Ued-Jer glauben machen, daß er die Absicht habe, auf Miliana geradezu loszugehen, und die Engpässe des Atlas so frei machen. Während dieser Zeit hat er ein festes Lager in Muzaia errichtet, eine Position, deren Behauptung wichtig ist; er hat Scherschel entsetzt, nach Algier Verstärkungen geschickt, und die an sich gezogen, die er von Oran verlangt hatte. Der Marschall scheint Bedenken getragen zu haben, durch einen Sturm auf die Verschanzung von Teniah unsere Tapfern aufzuopfern, gewiß ein sehr lobenswürdiges Bedenken. Er hoffte, daß eine Verzögerung von 14 Tagen die Araber ermüden, und ein Theil von ihnen nach Hause zurückkehren würde, da sie schon seit acht Tagen im Felde standen, und ihre Gewohnheit nicht ist, länger als 20 Tage im Felde fern von ihrer Heimath zu bleiben. Aber Abd-El-Kader hat eine fürchterliche Disciplin eingeführt, er zwingt die Kampfunfähigen und die Weiber der Stämme, jede Woche den Kriegern Lebensmittel zu bringen. Also mußte man kühn die Verschanzungen des Atlas angreifen und sie mit dem Bajonnette nehmen. Glücklicherweise ist unser Verlust weit geringer als ein solcher Kampf es fürchten ließ. Man hat eine Straße errichtet, die von nun an unsern Kanonen und Zufuhren einen leichten Zugang verschaffen wird; man hat Medeah besetzt, und eine Garnison unter den Befehlen eines der fähigsten und ausgezeichnetsten Officiere daselbst gelassen; endlich hat man die Armee des Emir, die uns den Weg versperren wollte, noch einmal und zwar vollständiger als das erstemal geschlagen. Also sind diese 26 Tage des Feldzugs wohl angewandt. Eine zweite Expedition wird unsere Festsetzung in der Provinz Titteri vollenden und uns nach Miliana und in das Thal des Chleif führen. Unterdeß muß die moralische Wirkung auf die Araber groß seyn. Abd-El-Kader hat nirgends unsern Marsch aufhalten können, seine Schanzen sind forcirt, seine Armee zweimal geworfen worden, eine wichtige Stadt, die wir nicht mehr aufgeben dürfen, gehört uns. Fahren wir so fort, und der Emir, durch so viele Unglücksfälle entmuthigt, seines Ruhmes beraubt, wird die Araber, eines endlosen Krieges müde, endlich das tyrannische Joch abwerfen sehen, mit dem er sie ohne Erbarmen zu Boden drückt.&#x201C;</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <gap reason="insignificant" unit="chars" quantity="1"/>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 28 Mai.</dateline>
          <p> Hr. Thiers ist eben mit dem Entwurf eines neuen Pacificationsplans für den Orient fertig geworden und beabsichtigt ihn binnen kurzem den Großmächten vorzulegen. Hr. Thiers schmeichelt sich mit der Hoffnung, daß der von ihm entworfene Plan sich der günstigsten Aufnahme erfreuen werde.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <gap reason="insignificant" unit="chars" quantity="1"/>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 30 Mai.</dateline>
          <p> Also eine Subscription zu Gunsten Napoleons, um die zu seinem Begräbniß erforderliche Summe von zwei Millionen zu decken! Eine &#x201E;Souscription nationale,&#x201C; wie man sie nennt, in vollem Gang und Schwang und Redensarten die Menge! Warum nicht? wie wir uns die Freiheit genommen haben, die Abstimmung der Kammer, dem Grunde der Sache nach und abgesehen von den unlautern Motiven, die dabei gewirkt haben mögen, zu billigen, so mag den Anhängern und Vertheidigern des Commissionsberichts unbenommen seyn, auf populärem Wege zu ergänzen, was ihnen das Parlament verweigert hat. Wird die Subscription gehörigen Fortgang haben? Wird die ganze Summe zusammengebracht werden? Die allgemeine Gleichgültigkeit der gegenwärtigen Stimmung für solche Verhandlungen könnte einigen Zweifel erregen, dagegen liegt in der ungeschickten Freude der sogenannten &#x201E;conservativen&#x201C; Blätter und in ihren Folgerungen, aus dem &#x201E;Siege über das Ministerium&#x201C; etwas so albern Boshaftes und das nationale Schicklichkeitsgefühl Verletzendes, daß hieraus vielleicht für die Subscription eine Gewähr entspringt, die ihr sonst gemangelt hätte. Wie dem auch sey, der Siècle gibt heute eine dritte Liste mit einem Gesammtbetrag von über 7000 Franken. Man kann die Unterschriften auf diesen Listen nicht ohne Rührung lesen. Was von der weltberühmten Kaisergarde noch irgend Leben und Bewegung hat, kriecht aus seinem ruhigen, müden Verstecke hervor, und bringt sein Scherflein mit gehöriger, genauer Angabe des Namens, &#x201E;<hi rendition="#g">Charakters</hi>&#x201C; und des Regiments und des Bataillons und der Compagnie, welchen jeder anzugehören einst die Ehre hatte. Die Chasseurs, die Grenadiere, die Artilleristen der alten und jungen Garde drängen sich in Schaaren herbei; hier ein Verwundeter von Montebello und Wagram mit dem Rufe vive l'Empereur! dort ein leichter Jäger von der ägyptischen Armee, weiter ein Verstümmelter von Waterloo, da ein einfacher Trommler mit dem Officierskreuze der Ehrenlegion; mitten drinnen Mde. ..., der Name ist mir entfallen, gewesene Säugamme des gewesenen Königs von Rom! Sie transit gloria mundi! Und wie die Lavine im Rollen wächst, so wird die Phrase die Phrase erzeugen, und in wenigen Tagen werden wir eine buntscheckige, wenn auch nicht vollständige Schlachtengeschichte des Kaiserthums bekommen, alles in Form von Namensangaben, Mottos und Huldigungen und unter dem Vorwande zum Mausoleum des Kaisers zu unterzeichnen. So mag es denn wahr werden, daß der kürzeste Weg oft der längste ist, und daß es besser gewesen wäre, dem Ministerium gleich die zwei Millionen voll zu geben, anstatt daß wir jetzt mit verstümmelten Kriegsbulletins auf das grausamste werden gemartert werden, und von St. Helena nach dem Invalidendom nur auf dem kleinen Umweg von Italien, Deutschland, Aegypten, Spanien, Oesterreich, Rußland etc. gelangen können.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <gap reason="insignificant" unit="chars" quantity="1"/>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 30 Mai.</dateline>
          <p> Die Deputirtenkammer beschäftigt sich heute mit dem Entwurf über die Arbeiten von Kindern in den Fabriken. Da die französischen Fabricanten, besonders die im Elsaß, selbst den Wunsch danach geäußert haben, so ist die Annahme des Entwurfs, in seinen Hauptzügen wenigstens, unbezweifelt, obwohl mehrere Deputirte die Befugniß des Gesetzgebers bestreiten, die Länge der täglichen Arbeitszeit zu bestimmen. Sobald, sagen sie, eine solche Intervention in die Privatverhältnisse zugelassen wird, sind keine Gränzen mehr abzustecken, wo sie aufhören müsse, und man wird auch noch die Nahrung und Kleidung der jungen Fabrikarbeiter behufs der Bewahrung ihrer Gesundheit durch ein Gesetz bestimmen müssen; auch wird die Verminderung der Arbeitsstunden eine Verminderung des Lohns nach sich ziehen, und so den nöthigen Unterhalt der Kinder und ihrer Eltern beschränken. &#x2013; Die Pairskammer debattirt den Entwurf über die Conversion der Renten; bei der bekannten vorgefaßten Meinung der Mehrheit scheint die Verwerfung des Entwurfs gewiß, und die auf heute angekündigte Rede des Hrn. Thiers wird wenig Wirkung hervorbringen, wenn es ihm auch ernstlich um die Vertheidigung<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1244/0004] Unsere Soldaten haben sich, sagt die Depesche, wie immer, bewundernswürdig gezeigt. Seit diesem Gefecht ist die Armee unangefochten am 22 in die Lager von Muzaia und Blidah eingerückt. Am 23 traf der Marschall mit den Prinzen, die nach Frankreich sich einschiffen werden, in Algier ein. Wenn wir auf die Operationen seit dem 27 April, dem Tag des Abgangs von Blidah zurückblicken, so sieht man, daß die Armee die ersten 14 Tage lang in der Metidscha und am Fuß des Atlas, zwischen Blidah und Ued-Jer, zwischen Muzaia und Scherschel manöuvrirt hat. Der Marschall wollte, wie man glauben darf, damals den Feind in die Ebene herablocken, ihm durch seine Demonstration gegen Ued-Jer glauben machen, daß er die Absicht habe, auf Miliana geradezu loszugehen, und die Engpässe des Atlas so frei machen. Während dieser Zeit hat er ein festes Lager in Muzaia errichtet, eine Position, deren Behauptung wichtig ist; er hat Scherschel entsetzt, nach Algier Verstärkungen geschickt, und die an sich gezogen, die er von Oran verlangt hatte. Der Marschall scheint Bedenken getragen zu haben, durch einen Sturm auf die Verschanzung von Teniah unsere Tapfern aufzuopfern, gewiß ein sehr lobenswürdiges Bedenken. Er hoffte, daß eine Verzögerung von 14 Tagen die Araber ermüden, und ein Theil von ihnen nach Hause zurückkehren würde, da sie schon seit acht Tagen im Felde standen, und ihre Gewohnheit nicht ist, länger als 20 Tage im Felde fern von ihrer Heimath zu bleiben. Aber Abd-El-Kader hat eine fürchterliche Disciplin eingeführt, er zwingt die Kampfunfähigen und die Weiber der Stämme, jede Woche den Kriegern Lebensmittel zu bringen. Also mußte man kühn die Verschanzungen des Atlas angreifen und sie mit dem Bajonnette nehmen. Glücklicherweise ist unser Verlust weit geringer als ein solcher Kampf es fürchten ließ. Man hat eine Straße errichtet, die von nun an unsern Kanonen und Zufuhren einen leichten Zugang verschaffen wird; man hat Medeah besetzt, und eine Garnison unter den Befehlen eines der fähigsten und ausgezeichnetsten Officiere daselbst gelassen; endlich hat man die Armee des Emir, die uns den Weg versperren wollte, noch einmal und zwar vollständiger als das erstemal geschlagen. Also sind diese 26 Tage des Feldzugs wohl angewandt. Eine zweite Expedition wird unsere Festsetzung in der Provinz Titteri vollenden und uns nach Miliana und in das Thal des Chleif führen. Unterdeß muß die moralische Wirkung auf die Araber groß seyn. Abd-El-Kader hat nirgends unsern Marsch aufhalten können, seine Schanzen sind forcirt, seine Armee zweimal geworfen worden, eine wichtige Stadt, die wir nicht mehr aufgeben dürfen, gehört uns. Fahren wir so fort, und der Emir, durch so viele Unglücksfälle entmuthigt, seines Ruhmes beraubt, wird die Araber, eines endlosen Krieges müde, endlich das tyrannische Joch abwerfen sehen, mit dem er sie ohne Erbarmen zu Boden drückt.“ _ Paris, 28 Mai. Hr. Thiers ist eben mit dem Entwurf eines neuen Pacificationsplans für den Orient fertig geworden und beabsichtigt ihn binnen kurzem den Großmächten vorzulegen. Hr. Thiers schmeichelt sich mit der Hoffnung, daß der von ihm entworfene Plan sich der günstigsten Aufnahme erfreuen werde. _ Paris, 30 Mai. Also eine Subscription zu Gunsten Napoleons, um die zu seinem Begräbniß erforderliche Summe von zwei Millionen zu decken! Eine „Souscription nationale,“ wie man sie nennt, in vollem Gang und Schwang und Redensarten die Menge! Warum nicht? wie wir uns die Freiheit genommen haben, die Abstimmung der Kammer, dem Grunde der Sache nach und abgesehen von den unlautern Motiven, die dabei gewirkt haben mögen, zu billigen, so mag den Anhängern und Vertheidigern des Commissionsberichts unbenommen seyn, auf populärem Wege zu ergänzen, was ihnen das Parlament verweigert hat. Wird die Subscription gehörigen Fortgang haben? Wird die ganze Summe zusammengebracht werden? Die allgemeine Gleichgültigkeit der gegenwärtigen Stimmung für solche Verhandlungen könnte einigen Zweifel erregen, dagegen liegt in der ungeschickten Freude der sogenannten „conservativen“ Blätter und in ihren Folgerungen, aus dem „Siege über das Ministerium“ etwas so albern Boshaftes und das nationale Schicklichkeitsgefühl Verletzendes, daß hieraus vielleicht für die Subscription eine Gewähr entspringt, die ihr sonst gemangelt hätte. Wie dem auch sey, der Siècle gibt heute eine dritte Liste mit einem Gesammtbetrag von über 7000 Franken. Man kann die Unterschriften auf diesen Listen nicht ohne Rührung lesen. Was von der weltberühmten Kaisergarde noch irgend Leben und Bewegung hat, kriecht aus seinem ruhigen, müden Verstecke hervor, und bringt sein Scherflein mit gehöriger, genauer Angabe des Namens, „Charakters“ und des Regiments und des Bataillons und der Compagnie, welchen jeder anzugehören einst die Ehre hatte. Die Chasseurs, die Grenadiere, die Artilleristen der alten und jungen Garde drängen sich in Schaaren herbei; hier ein Verwundeter von Montebello und Wagram mit dem Rufe vive l'Empereur! dort ein leichter Jäger von der ägyptischen Armee, weiter ein Verstümmelter von Waterloo, da ein einfacher Trommler mit dem Officierskreuze der Ehrenlegion; mitten drinnen Mde. ..., der Name ist mir entfallen, gewesene Säugamme des gewesenen Königs von Rom! Sie transit gloria mundi! Und wie die Lavine im Rollen wächst, so wird die Phrase die Phrase erzeugen, und in wenigen Tagen werden wir eine buntscheckige, wenn auch nicht vollständige Schlachtengeschichte des Kaiserthums bekommen, alles in Form von Namensangaben, Mottos und Huldigungen und unter dem Vorwande zum Mausoleum des Kaisers zu unterzeichnen. So mag es denn wahr werden, daß der kürzeste Weg oft der längste ist, und daß es besser gewesen wäre, dem Ministerium gleich die zwei Millionen voll zu geben, anstatt daß wir jetzt mit verstümmelten Kriegsbulletins auf das grausamste werden gemartert werden, und von St. Helena nach dem Invalidendom nur auf dem kleinen Umweg von Italien, Deutschland, Aegypten, Spanien, Oesterreich, Rußland etc. gelangen können. _ Paris, 30 Mai. Die Deputirtenkammer beschäftigt sich heute mit dem Entwurf über die Arbeiten von Kindern in den Fabriken. Da die französischen Fabricanten, besonders die im Elsaß, selbst den Wunsch danach geäußert haben, so ist die Annahme des Entwurfs, in seinen Hauptzügen wenigstens, unbezweifelt, obwohl mehrere Deputirte die Befugniß des Gesetzgebers bestreiten, die Länge der täglichen Arbeitszeit zu bestimmen. Sobald, sagen sie, eine solche Intervention in die Privatverhältnisse zugelassen wird, sind keine Gränzen mehr abzustecken, wo sie aufhören müsse, und man wird auch noch die Nahrung und Kleidung der jungen Fabrikarbeiter behufs der Bewahrung ihrer Gesundheit durch ein Gesetz bestimmen müssen; auch wird die Verminderung der Arbeitsstunden eine Verminderung des Lohns nach sich ziehen, und so den nöthigen Unterhalt der Kinder und ihrer Eltern beschränken. – Die Pairskammer debattirt den Entwurf über die Conversion der Renten; bei der bekannten vorgefaßten Meinung der Mehrheit scheint die Verwerfung des Entwurfs gewiß, und die auf heute angekündigte Rede des Hrn. Thiers wird wenig Wirkung hervorbringen, wenn es ihm auch ernstlich um die Vertheidigung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (?): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_156_18400604
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_156_18400604/4
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 156. Augsburg, 4. Juni 1840, S. 1244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_156_18400604/4>, abgerufen am 29.04.2024.