Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 156. Augsburg, 4. Juni 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
Frankreich.

Es könnte, wie in Frankreich, auch im Ausland einige Personen geben, die der Verwerfung der zweiten Million, welche die Commission zur Herüberschaffung der Gebeine Napoleons von St. Helena und zur Aufrichtung eines würdigen Denkmals beantragt hatte, eine kleinliche ökononische Absicht unterlegten; dieser Meinung gegenüber muß man ohne Umschweife erklären, daß nichts in der Welt das vorgestrige Votum mehr entstellen würde, als eine solche Annahme. Als neulich die conservative Partei den Abzug des zehnten Theils von der geforderten Summe der geheimen Gelder in Vorschlag brachte, hatte sie es bekanntlich auf keine Ersparung, sondern auf einen andern Zweck abgesehen, den Jedermann kennt; dieselbe Taktik hat sich vorgestern siegreich wiederholt. Man hatte dem Bonapartismus eine tüchtige Schlappe zugedacht, und die hat er, und die spürt er, man merkt es an seinem verdutzten Aussehen und kleinlauten Wesen. Die Lehre war hart, und um so härter, je unvorgesehener sie war, denn das hatten sich die Herren nicht eingebildet, daß sich ein Mann fände, der ihren Charakter der öffentlichen Meinung, wenn auch nicht in nackten Ausdrücken anzeigen, doch in so deutlichen Umrissen zeichnen würde, daß sich Niemand über die Sache einer Täuschung hingeben könnte. Dieser Mann war von jeher ein unversöhnlicher Gegner jeder Tyrannei des Schwertes; das Disjunctionsgesetz hieß er namentlich als ein treffliches Mittel gegen das Aufkommen einer Soldatenherrschaft gut, und es war daher in seiner Natur, daß er sich gegen diesen Bonapartistischen Unfug, der jeden Tag lauter und zudringlicher ward, mit aller Macht seines Talents auflehnte. Unfug sage ich, denn in der That keine Partei wühlt mit weniger Recht und Verdienst die Leidenschaften und Vorurtheile des Volkes um, als diese unseligen Hausirer der Napoleonischen Ideen. Es gibt hier Republikaner, die keinen Heller werth sind, und auf den ersten Wink des Glücks sich um den parodirten Adler des Prinzen Louis Bonaparte schaaren würden. Man hat über die schmutzige Wirthschaft Girardins in diesen Blättern und anderswo viel geschrieben, aber in den Bureaux des Hrn. Altaroche liegt der Schmutz wenigstens eben so tief, als in denen des Hrn. v. Girardin, und es ist eine eigens neckische Ironie, daß gerade Hr. Cormenin und das Charivari auserlesen seyn müssen, die "Geldliebe" der Civilliste mit Spott oder Ernst zu brandmarken. Es ist ganz die Geschichte von Vidocq und Consorten. Doch die ächten Republicaner, wie Garnier-Pages, Trelat, Louis Blanc haben etwas Edleres, etwas Besseres vor Augen; sie denken ohne Zweifel aufrichtig an eine Begründung nicht von Wohlleben, sondern nur von mäßigem Wohlstand für die unteren arbeitenden Classen wie an eine sittlichere Ordnung der Gesellschaft überhaupt. Es mag eine bedeutende Masse Utopienholz in ihren Ideen stecken, ihre Waffen mögen häufig in Gift getaucht, ihr ganzes Verfahren gegen den Widersacher oft unritterlich und gehässig seyn, allein Ziel und Triebfedern lassen sich doch ohne Schande gestehen. Die Legitimisten rücken im Sonnenglanze ihres tausendjährigen Rechts vor, aber der Sonnenglanz hat sie so geblendet, daß sie nichts mehr, oder nichts mehr recht sehen; sie entdecken in der Geschichte ihrer alten Könige viel zu viel Segen und Ruhm, so wie viel zu wenig Blut und Fehler; sie haben sich eine Art Utopien der Vergangenheit gebildet, allein, die Plänkler der Gazette ausgenommen, was Absicht und Auftreten angeht, stets ehrenhaft und würdevoll sich gezeigt. Gehen wir nun zu den Leuten des Bestehenden, unter die ich Hrn. Thiers wegen seiner Beweglichkeit nicht entschieden zu rechnen wage, so treffen wir allerdings eine Unsumme Eigennutz und Nichtswürdigkeit auszumisten, doch wir begegnen auch Männern von so viel Charakter als bei jeder andern Partei, und von mehr Einsicht, als bei irgend einer sonst. Studium der Plagen, an denen die Menschheit leidet, besonders Augenmerk auf die Lage des gemeinen Volks, Sinn für Unterricht und eine gewisse Weisheit in nicht polititischen Dingen entdeckt man in diesem Kreise; dann im Ganzen richtige, hie und da etwas zu schüchterne Abschätzung der Kräfte Frankreichs dem Auslande gegenüber, eine beständige Fürsorge das Gefährliche zu vermeiden, und das zu Grelle abzuwenden, dabei aber oft Mangel an Tact in staatsmännischen Verhältnissen, und weder Trieb noch Weihe zu großen Thaten. Das Monopol dieser Eigenschaften behaupten nun die Bonapartisten zu besitzen; mit dem Rufe an den Rhein, an den Rhein, meinen sie, sey Alles abgemacht, als wenn die Festungen und Waffen des ganzen Europa vor diesem Geschrei zusammen fallen würden, wie die Mauern Jericho's bei dem Erdröhnen der Trompete. Ihr System ist auf Raub und Gewalt gebaut, und würde logisch durchgeführt nur die Knute in Frankreich und eine große Metzelei in ganz Europa zur Folge haben. Der Säbel ist für diese Leute das einzige Werkzeug der Civilisation. Was sie nun in der letzten Zeit so toll und frech machte, daß sie ihr Denken und Gelüste in Schrift und lebender Rede fast ohne allen Rückhalt offenbarten, war Remusats dreimal absurdes Wort: der legitime Kaiser und König der Franzosen. Darauf pochten sie, damit schmückten sie als mit einem Wahlspruche sich. Remusat mochte der Meinung seyn, die er aussprach; aussprechen durfte er sie nicht: denn ein Staatsmann muß mindestens eben so sehr die Wirkung, als die Wahrheit seiner Worte bedenken.

Italien.

Overbecks großes Gemälde, welches für das Städel'sche Institut in Frankfurt bestimmt ist, ist seit einigen Tagen in dem Studium des Künstlers ausgestellt. Der Zudrang der Menge ist unglaublich stark. Aus allen Ständen kommen Zuschauer herbeigeeilt. Man bemerkt in einer Ecke eine Tafel ausgestellt, auf welcher in italienischer Sprache einige Worte aufgezeichnet stehen, die das richtige Verständniß des Hauptgedankens zu leiten geeignet sind. Diese nennen das Gemälde "den Triumph der Religion in den schönen Künsten" und bezeichnen es als ein allegorisches Gemälde. In dem untern Theile desselben, heißt es ferner, sieht man die berühmtesten Künstler vereinigt beisammen, welche in den drei Hauptkunstzweigen, nämlich in der Malerei, der Bildhauerei und der Baukunst, ihre Werke dem Dienst der Religion geweiht haben, unter dem Schutz der beiden Mächte, der Kirche und des Staats; und im oberen Raum die heiligen Gegenstände, welche durch sie gefeiert worden sind, nämlich die heilige Jungfrau mit ihrem göttlichen Sohne, umgeben von denjenigen Heiligen beider Testamente, welche ihre Phantasie vorzugsweise begeistert haben. - Der Antiquar Finck aus Berlin hat in diesen Tagen erhebliche Ankäufe von alten Drucken in der Vaticana bewerkstelligt. In der Nekropole des alten Tarquinii bei Corneto ist seit Jahr und Tag eine neue Grabkammer mit Wandgemälden aufgedeckt worden, ohne daß irgend Jemand der vielen Reisenden, die diesen Ort besuchten, Kunde davon genommen hat. Angeblich

Frankreich.

Es könnte, wie in Frankreich, auch im Ausland einige Personen geben, die der Verwerfung der zweiten Million, welche die Commission zur Herüberschaffung der Gebeine Napoleons von St. Helena und zur Aufrichtung eines würdigen Denkmals beantragt hatte, eine kleinliche ökononische Absicht unterlegten; dieser Meinung gegenüber muß man ohne Umschweife erklären, daß nichts in der Welt das vorgestrige Votum mehr entstellen würde, als eine solche Annahme. Als neulich die conservative Partei den Abzug des zehnten Theils von der geforderten Summe der geheimen Gelder in Vorschlag brachte, hatte sie es bekanntlich auf keine Ersparung, sondern auf einen andern Zweck abgesehen, den Jedermann kennt; dieselbe Taktik hat sich vorgestern siegreich wiederholt. Man hatte dem Bonapartismus eine tüchtige Schlappe zugedacht, und die hat er, und die spürt er, man merkt es an seinem verdutzten Aussehen und kleinlauten Wesen. Die Lehre war hart, und um so härter, je unvorgesehener sie war, denn das hatten sich die Herren nicht eingebildet, daß sich ein Mann fände, der ihren Charakter der öffentlichen Meinung, wenn auch nicht in nackten Ausdrücken anzeigen, doch in so deutlichen Umrissen zeichnen würde, daß sich Niemand über die Sache einer Täuschung hingeben könnte. Dieser Mann war von jeher ein unversöhnlicher Gegner jeder Tyrannei des Schwertes; das Disjunctionsgesetz hieß er namentlich als ein treffliches Mittel gegen das Aufkommen einer Soldatenherrschaft gut, und es war daher in seiner Natur, daß er sich gegen diesen Bonapartistischen Unfug, der jeden Tag lauter und zudringlicher ward, mit aller Macht seines Talents auflehnte. Unfug sage ich, denn in der That keine Partei wühlt mit weniger Recht und Verdienst die Leidenschaften und Vorurtheile des Volkes um, als diese unseligen Hausirer der Napoleonischen Ideen. Es gibt hier Republikaner, die keinen Heller werth sind, und auf den ersten Wink des Glücks sich um den parodirten Adler des Prinzen Louis Bonaparte schaaren würden. Man hat über die schmutzige Wirthschaft Girardins in diesen Blättern und anderswo viel geschrieben, aber in den Bureaux des Hrn. Altaroche liegt der Schmutz wenigstens eben so tief, als in denen des Hrn. v. Girardin, und es ist eine eigens neckische Ironie, daß gerade Hr. Cormenin und das Charivari auserlesen seyn müssen, die „Geldliebe“ der Civilliste mit Spott oder Ernst zu brandmarken. Es ist ganz die Geschichte von Vidocq und Consorten. Doch die ächten Republicaner, wie Garnier-Pagès, Trelat, Louis Blanc haben etwas Edleres, etwas Besseres vor Augen; sie denken ohne Zweifel aufrichtig an eine Begründung nicht von Wohlleben, sondern nur von mäßigem Wohlstand für die unteren arbeitenden Classen wie an eine sittlichere Ordnung der Gesellschaft überhaupt. Es mag eine bedeutende Masse Utopienholz in ihren Ideen stecken, ihre Waffen mögen häufig in Gift getaucht, ihr ganzes Verfahren gegen den Widersacher oft unritterlich und gehässig seyn, allein Ziel und Triebfedern lassen sich doch ohne Schande gestehen. Die Legitimisten rücken im Sonnenglanze ihres tausendjährigen Rechts vor, aber der Sonnenglanz hat sie so geblendet, daß sie nichts mehr, oder nichts mehr recht sehen; sie entdecken in der Geschichte ihrer alten Könige viel zu viel Segen und Ruhm, so wie viel zu wenig Blut und Fehler; sie haben sich eine Art Utopien der Vergangenheit gebildet, allein, die Plänkler der Gazette ausgenommen, was Absicht und Auftreten angeht, stets ehrenhaft und würdevoll sich gezeigt. Gehen wir nun zu den Leuten des Bestehenden, unter die ich Hrn. Thiers wegen seiner Beweglichkeit nicht entschieden zu rechnen wage, so treffen wir allerdings eine Unsumme Eigennutz und Nichtswürdigkeit auszumisten, doch wir begegnen auch Männern von so viel Charakter als bei jeder andern Partei, und von mehr Einsicht, als bei irgend einer sonst. Studium der Plagen, an denen die Menschheit leidet, besonders Augenmerk auf die Lage des gemeinen Volks, Sinn für Unterricht und eine gewisse Weisheit in nicht polititischen Dingen entdeckt man in diesem Kreise; dann im Ganzen richtige, hie und da etwas zu schüchterne Abschätzung der Kräfte Frankreichs dem Auslande gegenüber, eine beständige Fürsorge das Gefährliche zu vermeiden, und das zu Grelle abzuwenden, dabei aber oft Mangel an Tact in staatsmännischen Verhältnissen, und weder Trieb noch Weihe zu großen Thaten. Das Monopol dieser Eigenschaften behaupten nun die Bonapartisten zu besitzen; mit dem Rufe an den Rhein, an den Rhein, meinen sie, sey Alles abgemacht, als wenn die Festungen und Waffen des ganzen Europa vor diesem Geschrei zusammen fallen würden, wie die Mauern Jericho's bei dem Erdröhnen der Trompete. Ihr System ist auf Raub und Gewalt gebaut, und würde logisch durchgeführt nur die Knute in Frankreich und eine große Metzelei in ganz Europa zur Folge haben. Der Säbel ist für diese Leute das einzige Werkzeug der Civilisation. Was sie nun in der letzten Zeit so toll und frech machte, daß sie ihr Denken und Gelüste in Schrift und lebender Rede fast ohne allen Rückhalt offenbarten, war Remusats dreimal absurdes Wort: der legitime Kaiser und König der Franzosen. Darauf pochten sie, damit schmückten sie als mit einem Wahlspruche sich. Remusat mochte der Meinung seyn, die er aussprach; aussprechen durfte er sie nicht: denn ein Staatsmann muß mindestens eben so sehr die Wirkung, als die Wahrheit seiner Worte bedenken.

Italien.

Overbecks großes Gemälde, welches für das Städel'sche Institut in Frankfurt bestimmt ist, ist seit einigen Tagen in dem Studium des Künstlers ausgestellt. Der Zudrang der Menge ist unglaublich stark. Aus allen Ständen kommen Zuschauer herbeigeeilt. Man bemerkt in einer Ecke eine Tafel ausgestellt, auf welcher in italienischer Sprache einige Worte aufgezeichnet stehen, die das richtige Verständniß des Hauptgedankens zu leiten geeignet sind. Diese nennen das Gemälde „den Triumph der Religion in den schönen Künsten“ und bezeichnen es als ein allegorisches Gemälde. In dem untern Theile desselben, heißt es ferner, sieht man die berühmtesten Künstler vereinigt beisammen, welche in den drei Hauptkunstzweigen, nämlich in der Malerei, der Bildhauerei und der Baukunst, ihre Werke dem Dienst der Religion geweiht haben, unter dem Schutz der beiden Mächte, der Kirche und des Staats; und im oberen Raum die heiligen Gegenstände, welche durch sie gefeiert worden sind, nämlich die heilige Jungfrau mit ihrem göttlichen Sohne, umgeben von denjenigen Heiligen beider Testamente, welche ihre Phantasie vorzugsweise begeistert haben. – Der Antiquar Finck aus Berlin hat in diesen Tagen erhebliche Ankäufe von alten Drucken in der Vaticana bewerkstelligt. In der Nekropole des alten Tarquinii bei Corneto ist seit Jahr und Tag eine neue Grabkammer mit Wandgemälden aufgedeckt worden, ohne daß irgend Jemand der vielen Reisenden, die diesen Ort besuchten, Kunde davon genommen hat. Angeblich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0009" n="1241"/>
        </div>
      </div>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Frankreich.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 28 Mai.</dateline>
          <p> Es könnte, wie in Frankreich, auch im Ausland einige Personen geben, die der Verwerfung der zweiten Million, welche die Commission zur Herüberschaffung der Gebeine Napoleons von St. Helena und zur Aufrichtung eines würdigen Denkmals beantragt hatte, eine kleinliche ökononische Absicht unterlegten; dieser Meinung gegenüber muß man ohne Umschweife erklären, daß nichts in der Welt das vorgestrige Votum mehr entstellen würde, als eine solche Annahme. Als neulich die conservative Partei den Abzug des zehnten Theils von der geforderten Summe der geheimen Gelder in Vorschlag brachte, hatte sie es bekanntlich auf keine Ersparung, sondern auf einen andern Zweck abgesehen, den Jedermann kennt; dieselbe Taktik hat sich vorgestern siegreich wiederholt. Man hatte dem Bonapartismus eine tüchtige Schlappe zugedacht, und die hat er, und die spürt er, man merkt es an seinem verdutzten Aussehen und kleinlauten Wesen. Die Lehre war hart, und um so härter, je unvorgesehener sie war, denn das hatten sich die Herren nicht eingebildet, daß sich ein Mann fände, der ihren Charakter der öffentlichen Meinung, wenn auch nicht in nackten Ausdrücken anzeigen, doch in so deutlichen Umrissen zeichnen würde, daß sich Niemand über die Sache einer Täuschung hingeben könnte. Dieser Mann war von jeher ein unversöhnlicher Gegner jeder Tyrannei des Schwertes; das Disjunctionsgesetz hieß er namentlich als ein treffliches Mittel gegen das Aufkommen einer Soldatenherrschaft gut, und es war daher in seiner Natur, daß er sich gegen diesen Bonapartistischen Unfug, der jeden Tag lauter und zudringlicher ward, mit aller Macht seines Talents auflehnte. Unfug sage ich, denn in der That keine Partei wühlt mit weniger Recht und Verdienst die Leidenschaften und Vorurtheile des Volkes um, als diese unseligen Hausirer der Napoleonischen Ideen. Es gibt hier Republikaner, die keinen Heller werth sind, und auf den ersten Wink des Glücks sich um den parodirten Adler des Prinzen Louis Bonaparte schaaren würden. Man hat über die schmutzige Wirthschaft Girardins in diesen Blättern und anderswo viel geschrieben, aber in den Bureaux des Hrn. Altaroche liegt der Schmutz wenigstens eben so tief, als in denen des Hrn. v. Girardin, und es ist eine eigens neckische Ironie, daß gerade Hr. Cormenin und das Charivari auserlesen seyn müssen, die &#x201E;Geldliebe&#x201C; der Civilliste mit Spott oder Ernst zu brandmarken. Es ist ganz die Geschichte von Vidocq und Consorten. Doch die ächten Republicaner, wie Garnier-Pagès, Trelat, Louis Blanc haben etwas Edleres, etwas Besseres vor Augen; sie denken ohne Zweifel aufrichtig an eine Begründung nicht von Wohlleben, sondern nur von mäßigem Wohlstand für die unteren arbeitenden Classen wie an eine sittlichere Ordnung der Gesellschaft überhaupt. Es mag eine bedeutende Masse Utopienholz in ihren Ideen stecken, ihre Waffen mögen häufig in Gift getaucht, ihr ganzes Verfahren gegen den Widersacher oft unritterlich und gehässig seyn, allein Ziel und Triebfedern lassen sich doch ohne Schande gestehen. Die Legitimisten rücken im Sonnenglanze ihres tausendjährigen Rechts vor, aber der Sonnenglanz hat sie so geblendet, daß sie nichts mehr, oder nichts mehr recht sehen; sie entdecken in der Geschichte ihrer alten Könige viel zu viel Segen und Ruhm, so wie viel zu wenig Blut und Fehler; sie haben sich eine Art Utopien der Vergangenheit gebildet, allein, die Plänkler der Gazette ausgenommen, was Absicht und Auftreten angeht, stets ehrenhaft und würdevoll sich gezeigt. Gehen wir nun zu den Leuten des Bestehenden, unter die ich Hrn. Thiers wegen seiner Beweglichkeit nicht entschieden zu rechnen wage, so treffen wir allerdings eine Unsumme Eigennutz und Nichtswürdigkeit auszumisten, doch wir begegnen auch Männern von so viel Charakter als bei jeder andern Partei, und von mehr Einsicht, als bei irgend einer sonst. Studium der Plagen, an denen die Menschheit leidet, besonders Augenmerk auf die Lage des gemeinen Volks, Sinn für Unterricht und eine gewisse Weisheit in nicht polititischen Dingen entdeckt man in diesem Kreise; dann im Ganzen richtige, hie und da etwas zu schüchterne Abschätzung der Kräfte Frankreichs dem Auslande gegenüber, eine beständige Fürsorge das Gefährliche zu vermeiden, und das zu Grelle abzuwenden, dabei aber oft Mangel an Tact in staatsmännischen Verhältnissen, und weder Trieb noch Weihe zu großen Thaten. Das Monopol dieser Eigenschaften behaupten nun die Bonapartisten zu besitzen; mit dem Rufe an den Rhein, an den Rhein, meinen sie, sey Alles abgemacht, als wenn die Festungen und Waffen des ganzen Europa vor diesem Geschrei zusammen fallen würden, wie die Mauern Jericho's bei dem Erdröhnen der Trompete. Ihr System ist auf Raub und Gewalt gebaut, und würde logisch durchgeführt nur die Knute in Frankreich und eine große Metzelei in ganz Europa zur Folge haben. Der Säbel ist für diese Leute das einzige Werkzeug der Civilisation. Was sie nun in der letzten Zeit so toll und frech machte, daß sie ihr Denken und Gelüste in Schrift und lebender Rede fast ohne allen Rückhalt offenbarten, war Remusats dreimal absurdes Wort: der legitime Kaiser und König der Franzosen. Darauf pochten sie, damit schmückten sie als mit einem Wahlspruche sich. Remusat mochte der Meinung seyn, die er aussprach; aussprechen durfte er sie nicht: denn ein Staatsmann muß mindestens eben so sehr die Wirkung, als die Wahrheit seiner Worte bedenken.</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Italien.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Rom,</hi> 23 Mai.</dateline>
          <p> Overbecks großes Gemälde, welches für das Städel'sche Institut in Frankfurt bestimmt ist, ist seit einigen Tagen in dem Studium des Künstlers ausgestellt. Der Zudrang der Menge ist unglaublich stark. Aus allen Ständen kommen Zuschauer herbeigeeilt. Man bemerkt in einer Ecke eine Tafel ausgestellt, auf welcher in italienischer Sprache einige Worte aufgezeichnet stehen, die das richtige Verständniß des Hauptgedankens zu leiten geeignet sind. Diese nennen das Gemälde &#x201E;den Triumph der Religion in den schönen Künsten&#x201C; und bezeichnen es als ein allegorisches Gemälde. In dem untern Theile desselben, heißt es ferner, sieht man die berühmtesten Künstler vereinigt beisammen, welche in den drei Hauptkunstzweigen, nämlich in der Malerei, der Bildhauerei und der Baukunst, ihre Werke dem Dienst der Religion geweiht haben, unter dem Schutz der beiden Mächte, der Kirche und des Staats; und im oberen Raum die heiligen Gegenstände, welche durch sie gefeiert worden sind, nämlich die heilige Jungfrau mit ihrem göttlichen Sohne, umgeben von denjenigen Heiligen beider Testamente, welche ihre Phantasie vorzugsweise begeistert haben. &#x2013; Der Antiquar Finck aus Berlin hat in diesen Tagen erhebliche Ankäufe von alten Drucken in der Vaticana bewerkstelligt. In der Nekropole des alten Tarquinii bei Corneto ist seit Jahr und Tag eine neue Grabkammer mit Wandgemälden aufgedeckt worden, ohne daß irgend Jemand der vielen Reisenden, die diesen Ort besuchten, Kunde davon genommen hat. Angeblich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1241/0009] Frankreich. _ Paris, 28 Mai. Es könnte, wie in Frankreich, auch im Ausland einige Personen geben, die der Verwerfung der zweiten Million, welche die Commission zur Herüberschaffung der Gebeine Napoleons von St. Helena und zur Aufrichtung eines würdigen Denkmals beantragt hatte, eine kleinliche ökononische Absicht unterlegten; dieser Meinung gegenüber muß man ohne Umschweife erklären, daß nichts in der Welt das vorgestrige Votum mehr entstellen würde, als eine solche Annahme. Als neulich die conservative Partei den Abzug des zehnten Theils von der geforderten Summe der geheimen Gelder in Vorschlag brachte, hatte sie es bekanntlich auf keine Ersparung, sondern auf einen andern Zweck abgesehen, den Jedermann kennt; dieselbe Taktik hat sich vorgestern siegreich wiederholt. Man hatte dem Bonapartismus eine tüchtige Schlappe zugedacht, und die hat er, und die spürt er, man merkt es an seinem verdutzten Aussehen und kleinlauten Wesen. Die Lehre war hart, und um so härter, je unvorgesehener sie war, denn das hatten sich die Herren nicht eingebildet, daß sich ein Mann fände, der ihren Charakter der öffentlichen Meinung, wenn auch nicht in nackten Ausdrücken anzeigen, doch in so deutlichen Umrissen zeichnen würde, daß sich Niemand über die Sache einer Täuschung hingeben könnte. Dieser Mann war von jeher ein unversöhnlicher Gegner jeder Tyrannei des Schwertes; das Disjunctionsgesetz hieß er namentlich als ein treffliches Mittel gegen das Aufkommen einer Soldatenherrschaft gut, und es war daher in seiner Natur, daß er sich gegen diesen Bonapartistischen Unfug, der jeden Tag lauter und zudringlicher ward, mit aller Macht seines Talents auflehnte. Unfug sage ich, denn in der That keine Partei wühlt mit weniger Recht und Verdienst die Leidenschaften und Vorurtheile des Volkes um, als diese unseligen Hausirer der Napoleonischen Ideen. Es gibt hier Republikaner, die keinen Heller werth sind, und auf den ersten Wink des Glücks sich um den parodirten Adler des Prinzen Louis Bonaparte schaaren würden. Man hat über die schmutzige Wirthschaft Girardins in diesen Blättern und anderswo viel geschrieben, aber in den Bureaux des Hrn. Altaroche liegt der Schmutz wenigstens eben so tief, als in denen des Hrn. v. Girardin, und es ist eine eigens neckische Ironie, daß gerade Hr. Cormenin und das Charivari auserlesen seyn müssen, die „Geldliebe“ der Civilliste mit Spott oder Ernst zu brandmarken. Es ist ganz die Geschichte von Vidocq und Consorten. Doch die ächten Republicaner, wie Garnier-Pagès, Trelat, Louis Blanc haben etwas Edleres, etwas Besseres vor Augen; sie denken ohne Zweifel aufrichtig an eine Begründung nicht von Wohlleben, sondern nur von mäßigem Wohlstand für die unteren arbeitenden Classen wie an eine sittlichere Ordnung der Gesellschaft überhaupt. Es mag eine bedeutende Masse Utopienholz in ihren Ideen stecken, ihre Waffen mögen häufig in Gift getaucht, ihr ganzes Verfahren gegen den Widersacher oft unritterlich und gehässig seyn, allein Ziel und Triebfedern lassen sich doch ohne Schande gestehen. Die Legitimisten rücken im Sonnenglanze ihres tausendjährigen Rechts vor, aber der Sonnenglanz hat sie so geblendet, daß sie nichts mehr, oder nichts mehr recht sehen; sie entdecken in der Geschichte ihrer alten Könige viel zu viel Segen und Ruhm, so wie viel zu wenig Blut und Fehler; sie haben sich eine Art Utopien der Vergangenheit gebildet, allein, die Plänkler der Gazette ausgenommen, was Absicht und Auftreten angeht, stets ehrenhaft und würdevoll sich gezeigt. Gehen wir nun zu den Leuten des Bestehenden, unter die ich Hrn. Thiers wegen seiner Beweglichkeit nicht entschieden zu rechnen wage, so treffen wir allerdings eine Unsumme Eigennutz und Nichtswürdigkeit auszumisten, doch wir begegnen auch Männern von so viel Charakter als bei jeder andern Partei, und von mehr Einsicht, als bei irgend einer sonst. Studium der Plagen, an denen die Menschheit leidet, besonders Augenmerk auf die Lage des gemeinen Volks, Sinn für Unterricht und eine gewisse Weisheit in nicht polititischen Dingen entdeckt man in diesem Kreise; dann im Ganzen richtige, hie und da etwas zu schüchterne Abschätzung der Kräfte Frankreichs dem Auslande gegenüber, eine beständige Fürsorge das Gefährliche zu vermeiden, und das zu Grelle abzuwenden, dabei aber oft Mangel an Tact in staatsmännischen Verhältnissen, und weder Trieb noch Weihe zu großen Thaten. Das Monopol dieser Eigenschaften behaupten nun die Bonapartisten zu besitzen; mit dem Rufe an den Rhein, an den Rhein, meinen sie, sey Alles abgemacht, als wenn die Festungen und Waffen des ganzen Europa vor diesem Geschrei zusammen fallen würden, wie die Mauern Jericho's bei dem Erdröhnen der Trompete. Ihr System ist auf Raub und Gewalt gebaut, und würde logisch durchgeführt nur die Knute in Frankreich und eine große Metzelei in ganz Europa zur Folge haben. Der Säbel ist für diese Leute das einzige Werkzeug der Civilisation. Was sie nun in der letzten Zeit so toll und frech machte, daß sie ihr Denken und Gelüste in Schrift und lebender Rede fast ohne allen Rückhalt offenbarten, war Remusats dreimal absurdes Wort: der legitime Kaiser und König der Franzosen. Darauf pochten sie, damit schmückten sie als mit einem Wahlspruche sich. Remusat mochte der Meinung seyn, die er aussprach; aussprechen durfte er sie nicht: denn ein Staatsmann muß mindestens eben so sehr die Wirkung, als die Wahrheit seiner Worte bedenken. Italien. _ Rom, 23 Mai. Overbecks großes Gemälde, welches für das Städel'sche Institut in Frankfurt bestimmt ist, ist seit einigen Tagen in dem Studium des Künstlers ausgestellt. Der Zudrang der Menge ist unglaublich stark. Aus allen Ständen kommen Zuschauer herbeigeeilt. Man bemerkt in einer Ecke eine Tafel ausgestellt, auf welcher in italienischer Sprache einige Worte aufgezeichnet stehen, die das richtige Verständniß des Hauptgedankens zu leiten geeignet sind. Diese nennen das Gemälde „den Triumph der Religion in den schönen Künsten“ und bezeichnen es als ein allegorisches Gemälde. In dem untern Theile desselben, heißt es ferner, sieht man die berühmtesten Künstler vereinigt beisammen, welche in den drei Hauptkunstzweigen, nämlich in der Malerei, der Bildhauerei und der Baukunst, ihre Werke dem Dienst der Religion geweiht haben, unter dem Schutz der beiden Mächte, der Kirche und des Staats; und im oberen Raum die heiligen Gegenstände, welche durch sie gefeiert worden sind, nämlich die heilige Jungfrau mit ihrem göttlichen Sohne, umgeben von denjenigen Heiligen beider Testamente, welche ihre Phantasie vorzugsweise begeistert haben. – Der Antiquar Finck aus Berlin hat in diesen Tagen erhebliche Ankäufe von alten Drucken in der Vaticana bewerkstelligt. In der Nekropole des alten Tarquinii bei Corneto ist seit Jahr und Tag eine neue Grabkammer mit Wandgemälden aufgedeckt worden, ohne daß irgend Jemand der vielen Reisenden, die diesen Ort besuchten, Kunde davon genommen hat. Angeblich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (?): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_156_18400604
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_156_18400604/9
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 156. Augsburg, 4. Juni 1840, S. 1241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_156_18400604/9>, abgerufen am 29.04.2024.