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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

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culturhistorischer, juristischer und sprachlicher Hinsicht eine so schmäh-
liche, verderbliche Bedeutsamkeit zu gewinnen.

Es gilt hier zunächst nur, den Wortbau und die Wortfügung
der zaubermystischen Sprache einigermaßen aufzuklären, um be-
greiflich zu machen, wohin auf solcher Basis die Sprach- und
Verstandesverirrung gerathen konnte und gerathen mußte. Die
Steganographie enthält seit Tritheim, welcher schon selbst eine
Menge Methoden gibt, eine Unzahl Methoden zum geheimen, ver-
kappten Sprachausdruck. Die nächste beste Methode mag hier zur
Erläuterung dienen.

Nach dieser Methode schrieb der Steganograph in irgendeiner
Sprache, welche er seiner Geheimschrift zu Grunde legte, zu den
einzelnen Wörtern nach einer bestimmten Verabredung falsche ganze
Wörter oder auch Buchstaben hinzu, sodaß durch diese Zuthat von
Wörtern und Buchstaben seltsam klingende Wörter herauskamen,
die auf den ersten Anblick ganz sinnlos erschienen. Dabei wurden
mehrsilbige Wörter getheilt und unter Beifügung falscher Buch-
staben aus einem Worte mehrere Wörter gemacht. Wer nun die
Schrift lesen wollte, strich nach der Verabredung die falschen Wör-
ter und Buchstaben hinweg. Das bei J. L. Klüber 1) angeführte
Beispiel wird die Sache klar machen.

Zunächst sei der Schlüssel gegeben.

1) Jn der ersten Zeile gelten die drei ersten Wörter sowie das
letzte nicht.

2) Jn jeder folgenden Zeile gilt das erste und letzte Wort nicht.

3) Bei jedem der übrigen Wörter gilt der erste und letzte Buch-
stabe nicht.

Danach erweisen sich die an sich völlig sinnlosen Worte:

Lampsi deso salcu eregesu sexa anobio nous
father clitates uducest text suirtutey ai
ma tsumunta; onect gregio abuso sinfinie et
yes atas sauta alibei strat spoteso etasi; pa
1) "Kryptographik Lehrbuch der Geheimschreibekunst (Chiffrir- und De-
chiffrirkunst) in Staats- und Privatgeschäften" (Tübingen 1809), S. 117.

culturhiſtoriſcher, juriſtiſcher und ſprachlicher Hinſicht eine ſo ſchmäh-
liche, verderbliche Bedeutſamkeit zu gewinnen.

Es gilt hier zunächſt nur, den Wortbau und die Wortfügung
der zaubermyſtiſchen Sprache einigermaßen aufzuklären, um be-
greiflich zu machen, wohin auf ſolcher Baſis die Sprach- und
Verſtandesverirrung gerathen konnte und gerathen mußte. Die
Steganographie enthält ſeit Tritheim, welcher ſchon ſelbſt eine
Menge Methoden gibt, eine Unzahl Methoden zum geheimen, ver-
kappten Sprachausdruck. Die nächſte beſte Methode mag hier zur
Erläuterung dienen.

Nach dieſer Methode ſchrieb der Steganograph in irgendeiner
Sprache, welche er ſeiner Geheimſchrift zu Grunde legte, zu den
einzelnen Wörtern nach einer beſtimmten Verabredung falſche ganze
Wörter oder auch Buchſtaben hinzu, ſodaß durch dieſe Zuthat von
Wörtern und Buchſtaben ſeltſam klingende Wörter herauskamen,
die auf den erſten Anblick ganz ſinnlos erſchienen. Dabei wurden
mehrſilbige Wörter getheilt und unter Beifügung falſcher Buch-
ſtaben aus einem Worte mehrere Wörter gemacht. Wer nun die
Schrift leſen wollte, ſtrich nach der Verabredung die falſchen Wör-
ter und Buchſtaben hinweg. Das bei J. L. Klüber 1) angeführte
Beiſpiel wird die Sache klar machen.

Zunächſt ſei der Schlüſſel gegeben.

1) Jn der erſten Zeile gelten die drei erſten Wörter ſowie das
letzte nicht.

2) Jn jeder folgenden Zeile gilt das erſte und letzte Wort nicht.

3) Bei jedem der übrigen Wörter gilt der erſte und letzte Buch-
ſtabe nicht.

Danach erweiſen ſich die an ſich völlig ſinnloſen Worte:

Lampsi deso salcu eregesu sexa anobio nous
father clitates uducest text suirtutey ai
mà tsumunta; onect gregio abuso sinfinie et
yes atas sauta alibei strat spoteso etasi; pa
1) „Kryptographik Lehrbuch der Geheimſchreibekunſt (Chiffrir- und De-
chiffrirkunſt) in Staats- und Privatgeſchäften“ (Tübingen 1809), S. 117.
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[180/0214] culturhiſtoriſcher, juriſtiſcher und ſprachlicher Hinſicht eine ſo ſchmäh- liche, verderbliche Bedeutſamkeit zu gewinnen. Es gilt hier zunächſt nur, den Wortbau und die Wortfügung der zaubermyſtiſchen Sprache einigermaßen aufzuklären, um be- greiflich zu machen, wohin auf ſolcher Baſis die Sprach- und Verſtandesverirrung gerathen konnte und gerathen mußte. Die Steganographie enthält ſeit Tritheim, welcher ſchon ſelbſt eine Menge Methoden gibt, eine Unzahl Methoden zum geheimen, ver- kappten Sprachausdruck. Die nächſte beſte Methode mag hier zur Erläuterung dienen. Nach dieſer Methode ſchrieb der Steganograph in irgendeiner Sprache, welche er ſeiner Geheimſchrift zu Grunde legte, zu den einzelnen Wörtern nach einer beſtimmten Verabredung falſche ganze Wörter oder auch Buchſtaben hinzu, ſodaß durch dieſe Zuthat von Wörtern und Buchſtaben ſeltſam klingende Wörter herauskamen, die auf den erſten Anblick ganz ſinnlos erſchienen. Dabei wurden mehrſilbige Wörter getheilt und unter Beifügung falſcher Buch- ſtaben aus einem Worte mehrere Wörter gemacht. Wer nun die Schrift leſen wollte, ſtrich nach der Verabredung die falſchen Wör- ter und Buchſtaben hinweg. Das bei J. L. Klüber 1) angeführte Beiſpiel wird die Sache klar machen. Zunächſt ſei der Schlüſſel gegeben. 1) Jn der erſten Zeile gelten die drei erſten Wörter ſowie das letzte nicht. 2) Jn jeder folgenden Zeile gilt das erſte und letzte Wort nicht. 3) Bei jedem der übrigen Wörter gilt der erſte und letzte Buch- ſtabe nicht. Danach erweiſen ſich die an ſich völlig ſinnloſen Worte: Lampsi deso salcu eregesu sexa anobio nous father clitates uducest text suirtutey ai mà tsumunta; onect gregio abuso sinfinie et yes atas sauta alibei strat spoteso etasi; pa 1) „Kryptographik Lehrbuch der Geheimſchreibekunſt (Chiffrir- und De- chiffrirkunſt) in Staats- und Privatgeſchäften“ (Tübingen 1809), S. 117.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/214>, abgerufen am 30.04.2024.