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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

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was die seltzam klingende Ausrede bedeutete, und es auf einen
Duel fast auslief.

Die dritte Art des Rohtwelschen bestehet in zween Regulen.

1) Eine jede Silb so von einem Mitlauter anfängt, wirft
solchen Mitlauter hinten an die Silbe und setzet dabey den Buch-
stab e. Als: gib, ibge; dar, arde; wor, orwe; dicht, ichtde;
haus, aushe.

2) Wenn eine Silbe nicht von einem Mitlauter, sondern von
einem Selblauter sich anhebet, und also kein consonans zuhinten
stehen und das e zu sich nehmen kan, alsdan spricht man dieselbe
Silbe, wie sie lautet nur aus, und hanget das e nebst dem Buch-
stabe w hinten an. Dan der Buchstab w allezeit des sonst er-
mangelnden Mitlauters stelle vertritt, und das e zu sich nimt,
weil alle Silben in dieser Rohtwelschen Art müssen auf e aus-
gehen. Als: ich, ichwe; als, alswe; um, umwe; ist, istwe.
Wan viele Worte zusammen kommen und geschwinde dieses Roht-
welsche geredet wird, kan es nicht leichtlich jemand verstehen, und
weiß nicht ob er verrahten oder verkauffet sey. Wan man gerades
lautes sagete: iese iedschmeenwe einwe unweukgle iweerde
ichde,
ich glaube nicht, daß es einer, der nicht Rohtwelsch fertig
kan, solte begreiffen, und was also geredt wird, verstehen können:
Da doch ein ander, der dieser Rotwelscherey kundig und darin ge-
übt so fort vernimt, daß durch das angeführte Exempel dieses
gesagt worden: Sie schmieden ein Unglük wieder dich. Es sind
dieser Rotwelsch Redarten noch mehr und wunderlich verdrehet,
worzu unsere Teutsche Wörter artlich und geschickt, halte es un-
nötig, solche alle zu erzehlen."

Sowie man hier in allen Regeln des Schottelius auf den
ersten Blick die steganographische Methode des Tritheim durch-
blicken sieht, welche besonders nur für die geheime Schreibweise
bestimmt war und in ihrer würgenden, ungeheuerlichen Lautcon-
struction allen Sprach- und Gehörorganen Trotz und Hohn bietet,
so begreift man wol sehr leicht, daß eine so sinnlose, schwerfällige
Weise am allerwenigsten der behenden, schlüpfenden Gaunersprache
zusagen konnte. Thiele scheint auch S. 198, wo er sagt: "Diese

was die ſeltzam klingende Ausrede bedeutete, und es auf einen
Duel faſt auslief.

Die dritte Art des Rohtwelſchen beſtehet in zween Regulen.

1) Eine jede Silb ſo von einem Mitlauter anfängt, wirft
ſolchen Mitlauter hinten an die Silbe und ſetzet dabey den Buch-
ſtab e. Als: gib, ibge; dar, arde; wor, orwe; dicht, ichtde;
haus, aushe.

2) Wenn eine Silbe nicht von einem Mitlauter, ſondern von
einem Selblauter ſich anhebet, und alſo kein consonans zuhinten
ſtehen und das e zu ſich nehmen kan, alsdan ſpricht man dieſelbe
Silbe, wie ſie lautet nur aus, und hanget das e nebſt dem Buch-
ſtabe w hinten an. Dan der Buchſtab w allezeit des ſonſt er-
mangelnden Mitlauters ſtelle vertritt, und das e zu ſich nimt,
weil alle Silben in dieſer Rohtwelſchen Art müſſen auf e aus-
gehen. Als: ich, ichwe; als, alswe; um, umwe; iſt, iſtwe.
Wan viele Worte zuſammen kommen und geſchwinde dieſes Roht-
welſche geredet wird, kan es nicht leichtlich jemand verſtehen, und
weiß nicht ob er verrahten oder verkauffet ſey. Wan man gerades
lautes ſagete: ieſe iedſchmeenwe einwe unweukgle iweerde
ichde,
ich glaube nicht, daß es einer, der nicht Rohtwelſch fertig
kan, ſolte begreiffen, und was alſo geredt wird, verſtehen können:
Da doch ein ander, der dieſer Rotwelſcherey kundig und darin ge-
übt ſo fort vernimt, daß durch das angeführte Exempel dieſes
geſagt worden: Sie ſchmieden ein Unglük wieder dich. Es ſind
dieſer Rotwelſch Redarten noch mehr und wunderlich verdrehet,
worzu unſere Teutſche Wörter artlich und geſchickt, halte es un-
nötig, ſolche alle zu erzehlen.“

Sowie man hier in allen Regeln des Schottelius auf den
erſten Blick die ſteganographiſche Methode des Tritheim durch-
blicken ſieht, welche beſonders nur für die geheime Schreibweiſe
beſtimmt war und in ihrer würgenden, ungeheuerlichen Lautcon-
ſtruction allen Sprach- und Gehörorganen Trotz und Hohn bietet,
ſo begreift man wol ſehr leicht, daß eine ſo ſinnloſe, ſchwerfällige
Weiſe am allerwenigſten der behenden, ſchlüpfenden Gaunerſprache
zuſagen konnte. Thiele ſcheint auch S. 198, wo er ſagt: „Dieſe

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[188/0222] was die ſeltzam klingende Ausrede bedeutete, und es auf einen Duel faſt auslief. Die dritte Art des Rohtwelſchen beſtehet in zween Regulen. 1) Eine jede Silb ſo von einem Mitlauter anfängt, wirft ſolchen Mitlauter hinten an die Silbe und ſetzet dabey den Buch- ſtab e. Als: gib, ibge; dar, arde; wor, orwe; dicht, ichtde; haus, aushe. 2) Wenn eine Silbe nicht von einem Mitlauter, ſondern von einem Selblauter ſich anhebet, und alſo kein consonans zuhinten ſtehen und das e zu ſich nehmen kan, alsdan ſpricht man dieſelbe Silbe, wie ſie lautet nur aus, und hanget das e nebſt dem Buch- ſtabe w hinten an. Dan der Buchſtab w allezeit des ſonſt er- mangelnden Mitlauters ſtelle vertritt, und das e zu ſich nimt, weil alle Silben in dieſer Rohtwelſchen Art müſſen auf e aus- gehen. Als: ich, ichwe; als, alswe; um, umwe; iſt, iſtwe. Wan viele Worte zuſammen kommen und geſchwinde dieſes Roht- welſche geredet wird, kan es nicht leichtlich jemand verſtehen, und weiß nicht ob er verrahten oder verkauffet ſey. Wan man gerades lautes ſagete: ieſe iedſchmeenwe einwe unweukgle iweerde ichde, ich glaube nicht, daß es einer, der nicht Rohtwelſch fertig kan, ſolte begreiffen, und was alſo geredt wird, verſtehen können: Da doch ein ander, der dieſer Rotwelſcherey kundig und darin ge- übt ſo fort vernimt, daß durch das angeführte Exempel dieſes geſagt worden: Sie ſchmieden ein Unglük wieder dich. Es ſind dieſer Rotwelſch Redarten noch mehr und wunderlich verdrehet, worzu unſere Teutſche Wörter artlich und geſchickt, halte es un- nötig, ſolche alle zu erzehlen.“ Sowie man hier in allen Regeln des Schottelius auf den erſten Blick die ſteganographiſche Methode des Tritheim durch- blicken ſieht, welche beſonders nur für die geheime Schreibweiſe beſtimmt war und in ihrer würgenden, ungeheuerlichen Lautcon- ſtruction allen Sprach- und Gehörorganen Trotz und Hohn bietet, ſo begreift man wol ſehr leicht, daß eine ſo ſinnloſe, ſchwerfällige Weiſe am allerwenigſten der behenden, ſchlüpfenden Gaunerſprache zuſagen konnte. Thiele ſcheint auch S. 198, wo er ſagt: „Dieſe

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/222>, abgerufen am 30.04.2024.