Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

Bild:
<< vorherige Seite

neuerworbenen Vaterlandes ihnen bei ihren gottesdienstlichen Ver-
sammlungen zur Erklärung ihrer alten heiligen Bücher dienen
mußte. Ueber die Einbürgerung der hebräischen Sprache mit dem
Judenthum in den europäischen Ländern und besonders in Deutsch-
land findet man viel Ausgezeichnetes in den schon mehrfach er-
wähnten Werken von Zunz und J. M. Jost.

Bei der Begegnung der in eben dargestellter Weise verfärb-
ten hebräischen Sprache mit der deutschen Sprache im Jüdisch-
deutschen ist hier nur kurz zu bemerken, daß, so unleugbar die
Hin- und Herwirkungen und gegenseitigen Abfärbungen der in so
nahe Berührung miteinander gebrachten Sprachen sind, man den-
noch sich sehr zu hüten hat, aus den gleich oder ähnlich lautenden
Wurzeln deutscher oder hebräischer Wörter sogleich auf eine Ver-
wandtschaft und gleichmäßige Abstammung beider getrennter Sprach-
stämme zurückzugehen. Die Zeit, in welcher man, auf schiefe und
gezwungene Anschauungen gestützt, überall den Zusammenhang
abendländischer Sprachen mit der hebräischen nachzuweisen sich
eifrig bestrebte, liegt uns noch viel zu nahe, als daß nicht die
Versuchung, namentlich für den Laien, noch immer groß sein sollte,
auf diesem frühern, erst von der herrlichen neuern Sprachverglei-
chung mindestens als gefährlich bezeichneten Wege weiter zu gehen,
wenn man soviel gleich oder ähnlich Lautendes oder verwandt
Scheinendes neben- und durcheinander erblickt. Doch ist min-
destens vor der Hand wohl zu beherzigen, was Gesenius, "Ge-
schichte der hebräischen Sprache und Schrift" (Leipzig 1815), S. 651
über diesen Gegenstand sagt, bis es der mit bewundernswürdigem
Geist und Fleiß arbeitenden neuern Sprachvergleichung gelungen
ist, den richtigen Weg nachzuweisen, der unzweifelhaft vorhanden,
aber seit Jahrtausenden undurchdringlich verwachsen ist.



neuerworbenen Vaterlandes ihnen bei ihren gottesdienſtlichen Ver-
ſammlungen zur Erklärung ihrer alten heiligen Bücher dienen
mußte. Ueber die Einbürgerung der hebräiſchen Sprache mit dem
Judenthum in den europäiſchen Ländern und beſonders in Deutſch-
land findet man viel Ausgezeichnetes in den ſchon mehrfach er-
wähnten Werken von Zunz und J. M. Joſt.

Bei der Begegnung der in eben dargeſtellter Weiſe verfärb-
ten hebräiſchen Sprache mit der deutſchen Sprache im Jüdiſch-
deutſchen iſt hier nur kurz zu bemerken, daß, ſo unleugbar die
Hin- und Herwirkungen und gegenſeitigen Abfärbungen der in ſo
nahe Berührung miteinander gebrachten Sprachen ſind, man den-
noch ſich ſehr zu hüten hat, aus den gleich oder ähnlich lautenden
Wurzeln deutſcher oder hebräiſcher Wörter ſogleich auf eine Ver-
wandtſchaft und gleichmäßige Abſtammung beider getrennter Sprach-
ſtämme zurückzugehen. Die Zeit, in welcher man, auf ſchiefe und
gezwungene Anſchauungen geſtützt, überall den Zuſammenhang
abendländiſcher Sprachen mit der hebräiſchen nachzuweiſen ſich
eifrig beſtrebte, liegt uns noch viel zu nahe, als daß nicht die
Verſuchung, namentlich für den Laien, noch immer groß ſein ſollte,
auf dieſem frühern, erſt von der herrlichen neuern Sprachverglei-
chung mindeſtens als gefährlich bezeichneten Wege weiter zu gehen,
wenn man ſoviel gleich oder ähnlich Lautendes oder verwandt
Scheinendes neben- und durcheinander erblickt. Doch iſt min-
deſtens vor der Hand wohl zu beherzigen, was Geſenius, „Ge-
ſchichte der hebräiſchen Sprache und Schrift“ (Leipzig 1815), S. 651
über dieſen Gegenſtand ſagt, bis es der mit bewundernswürdigem
Geiſt und Fleiß arbeitenden neuern Sprachvergleichung gelungen
iſt, den richtigen Weg nachzuweiſen, der unzweifelhaft vorhanden,
aber ſeit Jahrtauſenden undurchdringlich verwachſen iſt.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0097" n="63"/>
neuerworbenen Vaterlandes ihnen bei ihren gottesdien&#x017F;tlichen Ver-<lb/>
&#x017F;ammlungen zur Erklärung ihrer alten heiligen Bücher dienen<lb/>
mußte. Ueber die Einbürgerung der hebräi&#x017F;chen Sprache mit dem<lb/>
Judenthum in den europäi&#x017F;chen Ländern und be&#x017F;onders in Deut&#x017F;ch-<lb/>
land findet man viel Ausgezeichnetes in den &#x017F;chon mehrfach er-<lb/>
wähnten Werken von Zunz und J. M. Jo&#x017F;t.</p><lb/>
              <p>Bei der Begegnung der in eben darge&#x017F;tellter Wei&#x017F;e verfärb-<lb/>
ten hebräi&#x017F;chen Sprache mit der deut&#x017F;chen Sprache im Jüdi&#x017F;ch-<lb/>
deut&#x017F;chen i&#x017F;t hier nur kurz zu bemerken, daß, &#x017F;o unleugbar die<lb/>
Hin- und Herwirkungen und gegen&#x017F;eitigen Abfärbungen der in &#x017F;o<lb/>
nahe Berührung miteinander gebrachten Sprachen &#x017F;ind, man den-<lb/>
noch &#x017F;ich &#x017F;ehr zu hüten hat, aus den gleich oder ähnlich lautenden<lb/>
Wurzeln deut&#x017F;cher oder hebräi&#x017F;cher Wörter &#x017F;ogleich auf eine Ver-<lb/>
wandt&#x017F;chaft und gleichmäßige Ab&#x017F;tammung beider getrennter Sprach-<lb/>
&#x017F;tämme zurückzugehen. Die Zeit, in welcher man, auf &#x017F;chiefe und<lb/>
gezwungene An&#x017F;chauungen ge&#x017F;tützt, überall den Zu&#x017F;ammenhang<lb/>
abendländi&#x017F;cher Sprachen mit der hebräi&#x017F;chen nachzuwei&#x017F;en &#x017F;ich<lb/>
eifrig be&#x017F;trebte, liegt uns noch viel zu nahe, als daß nicht die<lb/>
Ver&#x017F;uchung, namentlich für den Laien, noch immer groß &#x017F;ein &#x017F;ollte,<lb/>
auf die&#x017F;em frühern, er&#x017F;t von der herrlichen neuern Sprachverglei-<lb/>
chung minde&#x017F;tens als gefährlich bezeichneten Wege weiter zu gehen,<lb/>
wenn man &#x017F;oviel gleich oder ähnlich Lautendes oder verwandt<lb/>
Scheinendes neben- und durcheinander erblickt. Doch i&#x017F;t min-<lb/>
de&#x017F;tens vor der Hand wohl zu beherzigen, was Ge&#x017F;enius, &#x201E;Ge-<lb/>
&#x017F;chichte der hebräi&#x017F;chen Sprache und Schrift&#x201C; (Leipzig 1815), S. 651<lb/>
über die&#x017F;en Gegen&#x017F;tand &#x017F;agt, bis es der mit bewundernswürdigem<lb/>
Gei&#x017F;t und Fleiß arbeitenden neuern Sprachvergleichung gelungen<lb/>
i&#x017F;t, den richtigen Weg nachzuwei&#x017F;en, der unzweifelhaft vorhanden,<lb/>
aber &#x017F;eit Jahrtau&#x017F;enden undurchdringlich verwach&#x017F;en i&#x017F;t.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0097] neuerworbenen Vaterlandes ihnen bei ihren gottesdienſtlichen Ver- ſammlungen zur Erklärung ihrer alten heiligen Bücher dienen mußte. Ueber die Einbürgerung der hebräiſchen Sprache mit dem Judenthum in den europäiſchen Ländern und beſonders in Deutſch- land findet man viel Ausgezeichnetes in den ſchon mehrfach er- wähnten Werken von Zunz und J. M. Joſt. Bei der Begegnung der in eben dargeſtellter Weiſe verfärb- ten hebräiſchen Sprache mit der deutſchen Sprache im Jüdiſch- deutſchen iſt hier nur kurz zu bemerken, daß, ſo unleugbar die Hin- und Herwirkungen und gegenſeitigen Abfärbungen der in ſo nahe Berührung miteinander gebrachten Sprachen ſind, man den- noch ſich ſehr zu hüten hat, aus den gleich oder ähnlich lautenden Wurzeln deutſcher oder hebräiſcher Wörter ſogleich auf eine Ver- wandtſchaft und gleichmäßige Abſtammung beider getrennter Sprach- ſtämme zurückzugehen. Die Zeit, in welcher man, auf ſchiefe und gezwungene Anſchauungen geſtützt, überall den Zuſammenhang abendländiſcher Sprachen mit der hebräiſchen nachzuweiſen ſich eifrig beſtrebte, liegt uns noch viel zu nahe, als daß nicht die Verſuchung, namentlich für den Laien, noch immer groß ſein ſollte, auf dieſem frühern, erſt von der herrlichen neuern Sprachverglei- chung mindeſtens als gefährlich bezeichneten Wege weiter zu gehen, wenn man ſoviel gleich oder ähnlich Lautendes oder verwandt Scheinendes neben- und durcheinander erblickt. Doch iſt min- deſtens vor der Hand wohl zu beherzigen, was Geſenius, „Ge- ſchichte der hebräiſchen Sprache und Schrift“ (Leipzig 1815), S. 651 über dieſen Gegenſtand ſagt, bis es der mit bewundernswürdigem Geiſt und Fleiß arbeitenden neuern Sprachvergleichung gelungen iſt, den richtigen Weg nachzuweiſen, der unzweifelhaft vorhanden, aber ſeit Jahrtauſenden undurchdringlich verwachſen iſt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/97
Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/97>, abgerufen am 30.04.2024.