ist selbst so tief eingeweiht in das Leben und Treiben der Banden, daß er eine zum Theil grauenhaft und unheimlich genaue Aus- kunft darüber ertheilen kann. Erst bei dieser Untersuchung kamen die Schwartzmüller'schen Acten wieder in Erinnerung und wurden nun anhangsweise nebst dem alphabetisch geordneten "Verzeichniß vorgekommener Wörter von der Spitzbuben-Sprache" mit den "Actenmäßigen Nachrichten" über die von Mahr gegebenen Ent- hüllungen "auf Befehl der Hochfürstlich Sächsischen Regierung actenmäßig extrahirt und vom Amtmann und fürstlich Sächsischen Rath des Hildburgh. Civil- und Cent-Amtes, Friedrich Christian Nonne am 14. May 1753 beglaubigt".
Beide so zusammengezogene Untersuchungen verdienten eine gründliche actenmäßige Bearbeitung, um eine ungemein treffende Zeichnung des Gaunerthums seit Anfang des vorigen Jahrhun- derts zu geben; mindestens würde schon der vollständige Wieder- abdruck der "Actenmäßigen Nachricht" 1) ein dankenswerthes Un- ternehmen sein. Was aber Schwartzmüller über die Ausdehnung, Zusammensetzung, Weise und Disciplin seiner Bande enthüllt, commentirt auch am besten die von ihm gemachten linguistischen Offenbarungen. Es besteht eine so tiefe und innige Beziehung von einem zum andern, daß wiederum auch das Wörterbuch selbst wie ein Commentar der gesammten Bande sowol in ihrer persön- lichen als auch geistigen Construction erscheint, und daß mit Grund anzunehmen ist, wie Schwartzmüller aus dem von ihm geschrie- benen "fünf Finger dicken geschriebenen Buche" von der in der Bande eifrig cultivirten "Platten- oder Spitzbubensprache" selbst mit großer Gedächtnißtreue und Gewissenhaftigkeit seine Angaben gemacht hat. Jene zuerst erwähnten Mittheilungen in ihrer klaren und kräftigen Kürze dürfen daher zum Wörterbuch nicht fehlen.
Unmittelbar nach Publication des Todesurtheils am Vormit- tag des 21. April 1745 scheint Schwartzmüller zu seinen Entdeckun- gen noch nicht ganz entschlossen gewesen zu sein. Seine Mitthei-
1) Der ausführliche Titel ist bereits in der Literatur Th. I, S. 234, ab- gedruckt. Ein Exemplar befindet sich auf der Stadtbibliothek zu Hamburg.
iſt ſelbſt ſo tief eingeweiht in das Leben und Treiben der Banden, daß er eine zum Theil grauenhaft und unheimlich genaue Aus- kunft darüber ertheilen kann. Erſt bei dieſer Unterſuchung kamen die Schwartzmüller’ſchen Acten wieder in Erinnerung und wurden nun anhangsweiſe nebſt dem alphabetiſch geordneten „Verzeichniß vorgekommener Wörter von der Spitzbuben-Sprache“ mit den „Actenmäßigen Nachrichten“ über die von Mahr gegebenen Ent- hüllungen „auf Befehl der Hochfürſtlich Sächſiſchen Regierung actenmäßig extrahirt und vom Amtmann und fürſtlich Sächſiſchen Rath des Hildburgh. Civil- und Cent-Amtes, Friedrich Chriſtian Nonne am 14. May 1753 beglaubigt“.
Beide ſo zuſammengezogene Unterſuchungen verdienten eine gründliche actenmäßige Bearbeitung, um eine ungemein treffende Zeichnung des Gaunerthums ſeit Anfang des vorigen Jahrhun- derts zu geben; mindeſtens würde ſchon der vollſtändige Wieder- abdruck der „Actenmäßigen Nachricht“ 1) ein dankenswerthes Un- ternehmen ſein. Was aber Schwartzmüller über die Ausdehnung, Zuſammenſetzung, Weiſe und Disciplin ſeiner Bande enthüllt, commentirt auch am beſten die von ihm gemachten linguiſtiſchen Offenbarungen. Es beſteht eine ſo tiefe und innige Beziehung von einem zum andern, daß wiederum auch das Wörterbuch ſelbſt wie ein Commentar der geſammten Bande ſowol in ihrer perſön- lichen als auch geiſtigen Conſtruction erſcheint, und daß mit Grund anzunehmen iſt, wie Schwartzmüller aus dem von ihm geſchrie- benen „fünf Finger dicken geſchriebenen Buche“ von der in der Bande eifrig cultivirten „Platten- oder Spitzbubenſprache“ ſelbſt mit großer Gedächtnißtreue und Gewiſſenhaftigkeit ſeine Angaben gemacht hat. Jene zuerſt erwähnten Mittheilungen in ihrer klaren und kräftigen Kürze dürfen daher zum Wörterbuch nicht fehlen.
Unmittelbar nach Publication des Todesurtheils am Vormit- tag des 21. April 1745 ſcheint Schwartzmüller zu ſeinen Entdeckun- gen noch nicht ganz entſchloſſen geweſen zu ſein. Seine Mitthei-
1) Der ausführliche Titel iſt bereits in der Literatur Th. I, S. 234, ab- gedruckt. Ein Exemplar befindet ſich auf der Stadtbibliothek zu Hamburg.
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iſt ſelbſt ſo tief eingeweiht in das Leben und Treiben der Banden,
daß er eine zum Theil grauenhaft und unheimlich genaue Aus-
kunft darüber ertheilen kann. Erſt bei dieſer Unterſuchung kamen
die Schwartzmüller’ſchen Acten wieder in Erinnerung und wurden
nun anhangsweiſe nebſt dem alphabetiſch geordneten „Verzeichniß
vorgekommener Wörter von der Spitzbuben-Sprache“ mit den
„Actenmäßigen Nachrichten“ über die von Mahr gegebenen Ent-
hüllungen „auf Befehl der Hochfürſtlich Sächſiſchen Regierung
actenmäßig extrahirt und vom Amtmann und fürſtlich Sächſiſchen
Rath des Hildburgh. Civil- und Cent-Amtes, Friedrich Chriſtian
Nonne am 14. May 1753 beglaubigt“.
Beide ſo zuſammengezogene Unterſuchungen verdienten eine
gründliche actenmäßige Bearbeitung, um eine ungemein treffende
Zeichnung des Gaunerthums ſeit Anfang des vorigen Jahrhun-
derts zu geben; mindeſtens würde ſchon der vollſtändige Wieder-
abdruck der „Actenmäßigen Nachricht“ 1) ein dankenswerthes Un-
ternehmen ſein. Was aber Schwartzmüller über die Ausdehnung,
Zuſammenſetzung, Weiſe und Disciplin ſeiner Bande enthüllt,
commentirt auch am beſten die von ihm gemachten linguiſtiſchen
Offenbarungen. Es beſteht eine ſo tiefe und innige Beziehung
von einem zum andern, daß wiederum auch das Wörterbuch ſelbſt
wie ein Commentar der geſammten Bande ſowol in ihrer perſön-
lichen als auch geiſtigen Conſtruction erſcheint, und daß mit Grund
anzunehmen iſt, wie Schwartzmüller aus dem von ihm geſchrie-
benen „fünf Finger dicken geſchriebenen Buche“ von der in der
Bande eifrig cultivirten „Platten- oder Spitzbubenſprache“ ſelbſt
mit großer Gedächtnißtreue und Gewiſſenhaftigkeit ſeine Angaben
gemacht hat. Jene zuerſt erwähnten Mittheilungen in ihrer klaren
und kräftigen Kürze dürfen daher zum Wörterbuch nicht fehlen.
Unmittelbar nach Publication des Todesurtheils am Vormit-
tag des 21. April 1745 ſcheint Schwartzmüller zu ſeinen Entdeckun-
gen noch nicht ganz entſchloſſen geweſen zu ſein. Seine Mitthei-
1) Der ausführliche Titel iſt bereits in der Literatur Th. I, S. 234, ab-
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/158>, abgerufen am 03.05.2024.
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