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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862.

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Stroh; Rauert, Katze; Staupert, Mehl; Glanzhart, Glas,
Fenster u. s. w. Fast durchgehends erscheint dies hart als inten-
sive Endform zur Bezeichnung der Größe und Stärke des substan-
tivischen Begriffs und dürfte daher wol auf das niederdeutsche
hard (goth. hardus, ahd. harto, ags. heard, engl. hard, isländ.
hardur, dän haard, schwed. hardt, span. harto, franz. hardi und
griech. karta, karteros, sehr, stark, tapfer) bezogen werden können.
Vgl. Adelung, II, 982.

Pott führt S. 36 noch die Endung er besonders auf. Doch
hat diese keinerlei eigenthümliche Bedeutung und Bevorzugung vor
der gewöhnlichen deutschen Umgangssprache, sondern wird ganz so
wie in dieser besonders von substantivischen Stämmen zur Be-
zeichnung männlicher Personen gebildet, z. B. Schnurrer, Bett-
ler; Stabuler, Stappler, Loßner, Bettler; Zwicker, Henker;
Schupper, Betrüger; Kröner, Ehemann u. s. w. Aber auch
auf Thiere wird diese ursprüngliche Personenform übertragen,
z. B.: Schnatterer, Dreckpattscher, Ente; Strohputzer,
Gans; Schnurrer, Katze; Beller, Hund. Auch finden sich ver-
einzelte Sachnamen, wie z. B. Klapper, Mühle; Schnauzer,
Schnurrbart.

Jn gleicher Weise werden von Substantiven und Adjectiven
durch die Endung ing, ling, Personennamen gebildet, z. B.:
Feling, Krämer. Doch ist die Personbezeichnung mit dieser En-
dung bei weitem nicht so häufig, als man nach dem Altnordischen,
Altdeutschen und Angelsächsischen erwarten sollte, wo eine Menge
Personennamen auf ing, wie Kuning, Ediling, Arming u. s. w.
als Familien- und Völkernamen vorkommen, z. B. Westpheling,
Thüring, Karoling,
wie auch die Endung ling, dem nhd.
lein entsprechend, im Altnordischen und Angelsächsischen als Di-
minutivform gefunden wird, z. B.: bäkling, Büchlein; cnäp-
ling,
Knäblein; vgl. Becker, a. a. O., I, 114. Dagegen ist die

wahrscheinlich irregeleitet durch den seltsamen Druckfehler "Witwen", fünfte
Vocabel im Vocabular des Liber Vagatorum nach der ältesten pforzheimer
Ausgabe. Vgl. Th. I, S. 181.

Stroh; Rauert, Katze; Staupert, Mehl; Glanzhart, Glas,
Fenſter u. ſ. w. Faſt durchgehends erſcheint dies hart als inten-
ſive Endform zur Bezeichnung der Größe und Stärke des ſubſtan-
tiviſchen Begriffs und dürfte daher wol auf das niederdeutſche
hard (goth. hardus, ahd. harto, agſ. heard, engl. hard, isländ.
hardur, dän haard, ſchwed. hardt, ſpan. harto, franz. hardi und
griech. κάρτα, καρτερός, ſehr, ſtark, tapfer) bezogen werden können.
Vgl. Adelung, II, 982.

Pott führt S. 36 noch die Endung er beſonders auf. Doch
hat dieſe keinerlei eigenthümliche Bedeutung und Bevorzugung vor
der gewöhnlichen deutſchen Umgangsſprache, ſondern wird ganz ſo
wie in dieſer beſonders von ſubſtantiviſchen Stämmen zur Be-
zeichnung männlicher Perſonen gebildet, z. B. Schnurrer, Bett-
ler; Stabuler, Stappler, Loßner, Bettler; Zwicker, Henker;
Schupper, Betrüger; Kröner, Ehemann u. ſ. w. Aber auch
auf Thiere wird dieſe urſprüngliche Perſonenform übertragen,
z. B.: Schnatterer, Dreckpattſcher, Ente; Strohputzer,
Gans; Schnurrer, Katze; Beller, Hund. Auch finden ſich ver-
einzelte Sachnamen, wie z. B. Klapper, Mühle; Schnauzer,
Schnurrbart.

Jn gleicher Weiſe werden von Subſtantiven und Adjectiven
durch die Endung ing, ling, Perſonennamen gebildet, z. B.:
Feling, Krämer. Doch iſt die Perſonbezeichnung mit dieſer En-
dung bei weitem nicht ſo häufig, als man nach dem Altnordiſchen,
Altdeutſchen und Angelſächſiſchen erwarten ſollte, wo eine Menge
Perſonennamen auf ing, wie Kuning, Ediling, Arming u. ſ. w.
als Familien- und Völkernamen vorkommen, z. B. Weſtpheling,
Thüring, Karoling,
wie auch die Endung ling, dem nhd.
lein entſprechend, im Altnordiſchen und Angelſächſiſchen als Di-
minutivform gefunden wird, z. B.: bäkling, Büchlein; cnäp-
ling,
Knäblein; vgl. Becker, a. a. O., I, 114. Dagegen iſt die

wahrſcheinlich irregeleitet durch den ſeltſamen Druckfehler „Witwen“, fünfte
Vocabel im Vocabular des Liber Vagatorum nach der älteſten pforzheimer
Ausgabe. Vgl. Th. I, S. 181.
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[283/0295] Stroh; Rauert, Katze; Staupert, Mehl; Glanzhart, Glas, Fenſter u. ſ. w. Faſt durchgehends erſcheint dies hart als inten- ſive Endform zur Bezeichnung der Größe und Stärke des ſubſtan- tiviſchen Begriffs und dürfte daher wol auf das niederdeutſche hard (goth. hardus, ahd. harto, agſ. heard, engl. hard, isländ. hardur, dän haard, ſchwed. hardt, ſpan. harto, franz. hardi und griech. κάρτα, καρτερός, ſehr, ſtark, tapfer) bezogen werden können. Vgl. Adelung, II, 982. Pott führt S. 36 noch die Endung er beſonders auf. Doch hat dieſe keinerlei eigenthümliche Bedeutung und Bevorzugung vor der gewöhnlichen deutſchen Umgangsſprache, ſondern wird ganz ſo wie in dieſer beſonders von ſubſtantiviſchen Stämmen zur Be- zeichnung männlicher Perſonen gebildet, z. B. Schnurrer, Bett- ler; Stabuler, Stappler, Loßner, Bettler; Zwicker, Henker; Schupper, Betrüger; Kröner, Ehemann u. ſ. w. Aber auch auf Thiere wird dieſe urſprüngliche Perſonenform übertragen, z. B.: Schnatterer, Dreckpattſcher, Ente; Strohputzer, Gans; Schnurrer, Katze; Beller, Hund. Auch finden ſich ver- einzelte Sachnamen, wie z. B. Klapper, Mühle; Schnauzer, Schnurrbart. Jn gleicher Weiſe werden von Subſtantiven und Adjectiven durch die Endung ing, ling, Perſonennamen gebildet, z. B.: Feling, Krämer. Doch iſt die Perſonbezeichnung mit dieſer En- dung bei weitem nicht ſo häufig, als man nach dem Altnordiſchen, Altdeutſchen und Angelſächſiſchen erwarten ſollte, wo eine Menge Perſonennamen auf ing, wie Kuning, Ediling, Arming u. ſ. w. als Familien- und Völkernamen vorkommen, z. B. Weſtpheling, Thüring, Karoling, wie auch die Endung ling, dem nhd. lein entſprechend, im Altnordiſchen und Angelſächſiſchen als Di- minutivform gefunden wird, z. B.: bäkling, Büchlein; cnäp- ling, Knäblein; vgl. Becker, a. a. O., I, 114. Dagegen iſt die 1) 1) wahrſcheinlich irregeleitet durch den ſeltſamen Druckfehler „Witwen“, fünfte Vocabel im Vocabular des Liber Vagatorum nach der älteſten pforzheimer Ausgabe. Vgl. Th. I, S. 181.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/295>, abgerufen am 29.04.2024.