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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862.

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Endung ling in der Gaunersprache entschieden gesuchter und häu-
figer für Sachnamen, wobei sich auch der von Becker, I, 114,
treffend bezeichnete Unterschied zwischen den Endungen er und ling,
wenn auch weniger scharf als in der deutschen Schriftsprache, be-
merkbar macht, der Unterschied nämlich, daß er in der logischen
Bedeutung ein thätiges, ling aber sehr oft auch ein leidendes
Subject bezeichnet. Beispiele sind: Blechling, Kreuzer; Rümpf-
ling,
Senf; Streifling, Strumpf, Hose; Schäberling, Rübe;
Schmierling, Seife; Krächling, Knochen, Zahn; Kracher-
ling,
Nuß; Spreetling (spreitzen, ausbreiten, niederd. spreeten),
Betttuch; Krautling, Garten; Pikling, Nagel; Rußling,
Kessel; Stieling, Birne; Zinkling, Gabel; Ringling, Wurst,
Garten u. s. w. Zuweilen finden sich auch Thiernamen, z. B.:
Flatterling, Vogel, Taube; Brummeling, Wespe u. s. w.
Oft aber wird die Endung zur bloßen Verhüllung des Worts ge-
braucht, z. B.: Eimerling, Eimer; Harling, Haar, und oft
einem Adjectiv angefügt, um einen substantivischen Begriff herzu-
stellen, z. B.: Längling, Wurst; Plättling, Tisch; Weitling,
Hose u. s. w.

Die adjectivische Endung isch (ahd. isc) ist in der Gauner-
sprache äußerst gering vertreten, da Personen-, Völker-, Orts-
und Ländernamen, von denen im Hochdeutschen besonders die
Adjectiva auf isch gebildet werden, in der Gaunersprache eine be-
sondere feste Terminologie haben und die adjectivischen Begriffe
durch Umschreibung oder durch Präpositionen hergestellt werden;
z. B.: der kölnische Kaufmann, der Socher von Kuff; der
hamburgische Rathsherr, der Baleze von Godel Mokum He;
die lübeckische Sage, die Maase von Libek. Die sowol sub-
stantivisch wie adjectivisch gebrauchten Wörter olmisch ([irrelevantes Material - Zeichen fehlt]), alt,
wittisch ([irrelevantes Material - Zeichen fehlt]), dumm, nichtgaunerisch, Philister, s. das Wörterbuch;
patterisch ([irrelevantes Material - Zeichen fehlt]), schwanger; Olterisch, Ulterisch (alter Jsch),
Vater; Olterische, Ultrische (alte Jsche), Mutter; scheinen eher
mit dem [irrelevantes Material - Zeichen fehlt] und [irrelevantes Material - Zeichen fehlt] zusammengesetzt, als mit wirklich deutsch
adjectivischer Endung versehen zu sein. Das Adjectiv dilmisch,
von dahlen, ags. dwelian, dwolian, niederd. dahlen, tellen,

Endung ling in der Gaunerſprache entſchieden geſuchter und häu-
figer für Sachnamen, wobei ſich auch der von Becker, I, 114,
treffend bezeichnete Unterſchied zwiſchen den Endungen er und ling,
wenn auch weniger ſcharf als in der deutſchen Schriftſprache, be-
merkbar macht, der Unterſchied nämlich, daß er in der logiſchen
Bedeutung ein thätiges, ling aber ſehr oft auch ein leidendes
Subject bezeichnet. Beiſpiele ſind: Blechling, Kreuzer; Rümpf-
ling,
Senf; Streifling, Strumpf, Hoſe; Schäberling, Rübe;
Schmierling, Seife; Krächling, Knochen, Zahn; Kracher-
ling,
Nuß; Spreetling (ſpreitzen, ausbreiten, niederd. ſpreeten),
Betttuch; Krautling, Garten; Pikling, Nagel; Rußling,
Keſſel; Stieling, Birne; Zinkling, Gabel; Ringling, Wurſt,
Garten u. ſ. w. Zuweilen finden ſich auch Thiernamen, z. B.:
Flatterling, Vogel, Taube; Brummeling, Wespe u. ſ. w.
Oft aber wird die Endung zur bloßen Verhüllung des Worts ge-
braucht, z. B.: Eimerling, Eimer; Harling, Haar, und oft
einem Adjectiv angefügt, um einen ſubſtantiviſchen Begriff herzu-
ſtellen, z. B.: Längling, Wurſt; Plättling, Tiſch; Weitling,
Hoſe u. ſ. w.

Die adjectiviſche Endung iſch (ahd. isc) iſt in der Gauner-
ſprache äußerſt gering vertreten, da Perſonen-, Völker-, Orts-
und Ländernamen, von denen im Hochdeutſchen beſonders die
Adjectiva auf iſch gebildet werden, in der Gaunerſprache eine be-
ſondere feſte Terminologie haben und die adjectiviſchen Begriffe
durch Umſchreibung oder durch Präpoſitionen hergeſtellt werden;
z. B.: der kölniſche Kaufmann, der Socher von Kuff; der
hamburgiſche Rathsherr, der Baleze von Godel Mokum He;
die lübeckiſche Sage, die Maaſe von Libek. Die ſowol ſub-
ſtantiviſch wie adjectiviſch gebrauchten Wörter olmiſch ([irrelevantes Material – Zeichen fehlt]), alt,
wittiſch ([irrelevantes Material – Zeichen fehlt]), dumm, nichtgauneriſch, Philiſter, ſ. das Wörterbuch;
patteriſch ([irrelevantes Material – Zeichen fehlt]), ſchwanger; Olteriſch, Ulteriſch (alter Jſch),
Vater; Olteriſche, Ultriſche (alte Jſche), Mutter; ſcheinen eher
mit dem [irrelevantes Material – Zeichen fehlt] und [irrelevantes Material – Zeichen fehlt] zuſammengeſetzt, als mit wirklich deutſch
adjectiviſcher Endung verſehen zu ſein. Das Adjectiv dilmiſch,
von dahlen, agſ. dwelian, dwolian, niederd. dahlen, tellen,

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[284/0296] Endung ling in der Gaunerſprache entſchieden geſuchter und häu- figer für Sachnamen, wobei ſich auch der von Becker, I, 114, treffend bezeichnete Unterſchied zwiſchen den Endungen er und ling, wenn auch weniger ſcharf als in der deutſchen Schriftſprache, be- merkbar macht, der Unterſchied nämlich, daß er in der logiſchen Bedeutung ein thätiges, ling aber ſehr oft auch ein leidendes Subject bezeichnet. Beiſpiele ſind: Blechling, Kreuzer; Rümpf- ling, Senf; Streifling, Strumpf, Hoſe; Schäberling, Rübe; Schmierling, Seife; Krächling, Knochen, Zahn; Kracher- ling, Nuß; Spreetling (ſpreitzen, ausbreiten, niederd. ſpreeten), Betttuch; Krautling, Garten; Pikling, Nagel; Rußling, Keſſel; Stieling, Birne; Zinkling, Gabel; Ringling, Wurſt, Garten u. ſ. w. Zuweilen finden ſich auch Thiernamen, z. B.: Flatterling, Vogel, Taube; Brummeling, Wespe u. ſ. w. Oft aber wird die Endung zur bloßen Verhüllung des Worts ge- braucht, z. B.: Eimerling, Eimer; Harling, Haar, und oft einem Adjectiv angefügt, um einen ſubſtantiviſchen Begriff herzu- ſtellen, z. B.: Längling, Wurſt; Plättling, Tiſch; Weitling, Hoſe u. ſ. w. Die adjectiviſche Endung iſch (ahd. isc) iſt in der Gauner- ſprache äußerſt gering vertreten, da Perſonen-, Völker-, Orts- und Ländernamen, von denen im Hochdeutſchen beſonders die Adjectiva auf iſch gebildet werden, in der Gaunerſprache eine be- ſondere feſte Terminologie haben und die adjectiviſchen Begriffe durch Umſchreibung oder durch Präpoſitionen hergeſtellt werden; z. B.: der kölniſche Kaufmann, der Socher von Kuff; der hamburgiſche Rathsherr, der Baleze von Godel Mokum He; die lübeckiſche Sage, die Maaſe von Libek. Die ſowol ſub- ſtantiviſch wie adjectiviſch gebrauchten Wörter olmiſch (_ ), alt, wittiſch (_ ), dumm, nichtgauneriſch, Philiſter, ſ. das Wörterbuch; patteriſch (_ ), ſchwanger; Olteriſch, Ulteriſch (alter Jſch), Vater; Olteriſche, Ultriſche (alte Jſche), Mutter; ſcheinen eher mit dem _ und _ zuſammengeſetzt, als mit wirklich deutſch adjectiviſcher Endung verſehen zu ſein. Das Adjectiv dilmiſch, von dahlen, agſ. dwelian, dwolian, niederd. dahlen, tellen,

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/296>, abgerufen am 28.04.2024.