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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862.

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bracht, die nämlich mit Pflanzer. Dies Wort, welches zuerst,
aber auch sogleich in zahlreichen Compositionen, bei Andreas Hem-
pel erscheint, stammt unzweifelhaft aus der italienischen Gauner-
sprache, in welcher plantare stecken, hineinstecken, schieben, dringen,
stoßen, einführen, einzwängen, einrammen bedeutet, womit auch
das plantar der spanischen Gaunersprache wesentlich übereinstimmt.
Die einfache Primitivform planten (noch heute in der ausschließ-
lichen ursprünglichen Bedeutung des raschen Zusteckens, Wegbrin-
gens in der deutschen Gaunersprache vollkommen geläufig), ist so-
gar in der ursprünglichen romanischen Form beibehalten und erst
in der Composition mit deutschen Wörtern aspirirt und zu Pflan-
zer germanisirt worden. So findet sich nun aber Pflanzer in
völlig gleicher Bedeutung mit dem alten Fetzer und scheint ge-
radezu für dieses substituirt worden zu sein. Denn man findet
fortan für die alten Compositionen mit Fetzer: Fladerpflantzer,
Bortenwirker; Klufftpflantzer, Stichlingspflantzer, Schnei-
der; Kaminpflantzer, Schornsteinfeger; Mummenpflantzer,
Helligpflantzer,
Geldmacher; Grünpflantzer, Goldschmied;
Pflockenpflantzer, Tuchmacher; Schneepflantzer, Leinweber;
Trittlingspflantzer, Schuster u. s. w. Merkwürdig ist, daß,
wenn auch die spätern Compositionen mit Pflanzer im Gebrauch
der neuern Gaunersprache mehr und mehr zurücktreten, die einfache
romanisirende Primitivform planten, zuplanten, wegplanten
u. s. w. bis zur Stunde im vollen Gebrauch geblieben ist.

Die Composition mit Hans gehört zu den ältesten, welche
die Gaunersprache aufzuweisen hat. Sie ist schon im Liber Va-
gatorum
durch Hans walter, Laus, und Hans von geller
(vgl. Th. III, Kap. 9), grob Brot, vertreten. Der "Hans" ist
mitten aus dem lebendigen Volksgebrauch des 14. und 15. Jahr-
hunderts, wo man schon mit verächtlicher Nebenbedeutung den
"großen Hans" für den großen Herrn, Fürsten u. s. w. findet,
herausgegriffen und durch die Beziehung auf einen Personennamen
zur specifischen Bezeichnung eines Sachbegriffs in der Gauner-
sprache gebräuchlich und noch später in ihr nach dem Muster der
volksthümlichen Verwendung unmittelbar mit einem Begriffswort

bracht, die nämlich mit Pflanzer. Dies Wort, welches zuerſt,
aber auch ſogleich in zahlreichen Compoſitionen, bei Andreas Hem-
pel erſcheint, ſtammt unzweifelhaft aus der italieniſchen Gauner-
ſprache, in welcher plantare ſtecken, hineinſtecken, ſchieben, dringen,
ſtoßen, einführen, einzwängen, einrammen bedeutet, womit auch
das plantar der ſpaniſchen Gaunerſprache weſentlich übereinſtimmt.
Die einfache Primitivform planten (noch heute in der ausſchließ-
lichen urſprünglichen Bedeutung des raſchen Zuſteckens, Wegbrin-
gens in der deutſchen Gaunerſprache vollkommen geläufig), iſt ſo-
gar in der urſprünglichen romaniſchen Form beibehalten und erſt
in der Compoſition mit deutſchen Wörtern aſpirirt und zu Pflan-
zer germaniſirt worden. So findet ſich nun aber Pflanzer in
völlig gleicher Bedeutung mit dem alten Fetzer und ſcheint ge-
radezu für dieſes ſubſtituirt worden zu ſein. Denn man findet
fortan für die alten Compoſitionen mit Fetzer: Fladerpflantzer,
Bortenwirker; Klufftpflantzer, Stichlingspflantzer, Schnei-
der; Kaminpflantzer, Schornſteinfeger; Mummenpflantzer,
Helligpflantzer,
Geldmacher; Grünpflantzer, Goldſchmied;
Pflockenpflantzer, Tuchmacher; Schneepflantzer, Leinweber;
Trittlingspflantzer, Schuſter u. ſ. w. Merkwürdig iſt, daß,
wenn auch die ſpätern Compoſitionen mit Pflanzer im Gebrauch
der neuern Gaunerſprache mehr und mehr zurücktreten, die einfache
romaniſirende Primitivform planten, zuplanten, wegplanten
u. ſ. w. bis zur Stunde im vollen Gebrauch geblieben iſt.

Die Compoſition mit Hans gehört zu den älteſten, welche
die Gaunerſprache aufzuweiſen hat. Sie iſt ſchon im Liber Va-
gatorum
durch Hans walter, Laus, und Hans von geller
(vgl. Th. III, Kap. 9), grob Brot, vertreten. Der „Hans“ iſt
mitten aus dem lebendigen Volksgebrauch des 14. und 15. Jahr-
hunderts, wo man ſchon mit verächtlicher Nebenbedeutung den
„großen Hans“ für den großen Herrn, Fürſten u. ſ. w. findet,
herausgegriffen und durch die Beziehung auf einen Perſonennamen
zur ſpecifiſchen Bezeichnung eines Sachbegriffs in der Gauner-
ſprache gebräuchlich und noch ſpäter in ihr nach dem Muſter der
volksthümlichen Verwendung unmittelbar mit einem Begriffswort

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[288/0300] bracht, die nämlich mit Pflanzer. Dies Wort, welches zuerſt, aber auch ſogleich in zahlreichen Compoſitionen, bei Andreas Hem- pel erſcheint, ſtammt unzweifelhaft aus der italieniſchen Gauner- ſprache, in welcher plantare ſtecken, hineinſtecken, ſchieben, dringen, ſtoßen, einführen, einzwängen, einrammen bedeutet, womit auch das plantar der ſpaniſchen Gaunerſprache weſentlich übereinſtimmt. Die einfache Primitivform planten (noch heute in der ausſchließ- lichen urſprünglichen Bedeutung des raſchen Zuſteckens, Wegbrin- gens in der deutſchen Gaunerſprache vollkommen geläufig), iſt ſo- gar in der urſprünglichen romaniſchen Form beibehalten und erſt in der Compoſition mit deutſchen Wörtern aſpirirt und zu Pflan- zer germaniſirt worden. So findet ſich nun aber Pflanzer in völlig gleicher Bedeutung mit dem alten Fetzer und ſcheint ge- radezu für dieſes ſubſtituirt worden zu ſein. Denn man findet fortan für die alten Compoſitionen mit Fetzer: Fladerpflantzer, Bortenwirker; Klufftpflantzer, Stichlingspflantzer, Schnei- der; Kaminpflantzer, Schornſteinfeger; Mummenpflantzer, Helligpflantzer, Geldmacher; Grünpflantzer, Goldſchmied; Pflockenpflantzer, Tuchmacher; Schneepflantzer, Leinweber; Trittlingspflantzer, Schuſter u. ſ. w. Merkwürdig iſt, daß, wenn auch die ſpätern Compoſitionen mit Pflanzer im Gebrauch der neuern Gaunerſprache mehr und mehr zurücktreten, die einfache romaniſirende Primitivform planten, zuplanten, wegplanten u. ſ. w. bis zur Stunde im vollen Gebrauch geblieben iſt. Die Compoſition mit Hans gehört zu den älteſten, welche die Gaunerſprache aufzuweiſen hat. Sie iſt ſchon im Liber Va- gatorum durch Hans walter, Laus, und Hans von geller (vgl. Th. III, Kap. 9), grob Brot, vertreten. Der „Hans“ iſt mitten aus dem lebendigen Volksgebrauch des 14. und 15. Jahr- hunderts, wo man ſchon mit verächtlicher Nebenbedeutung den „großen Hans“ für den großen Herrn, Fürſten u. ſ. w. findet, herausgegriffen und durch die Beziehung auf einen Perſonennamen zur ſpecifiſchen Bezeichnung eines Sachbegriffs in der Gauner- ſprache gebräuchlich und noch ſpäter in ihr nach dem Muſter der volksthümlichen Verwendung unmittelbar mit einem Begriffswort

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/300>, abgerufen am 29.04.2024.