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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862.

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Gaunersprache mit faxar ganz in die alte Bedeutung des Fetzen
eingreift. Somit käme dem Fetzer wesentlich doch wol die alte Be-
deutung des Arbeiters, Verfertigers und Darstellers einer Sache zu.

Eine gleich alte Composition ist die mit Mann. Vom An-
fang an hat dies substantivische Mann in der Gaunersprache zur
frivolen Personification eines ursprünglichen Sachbegriffs gedient.
Jm Liber Vagatorum ist es nur durch zwei Compositionen ver-
treten, nämlich durch "Butzelmann, zagel" von Butz, Larve,
Maske, Posse, also frivol Spaßmacher, verlarvter Possenmacher;
und durch Dolmann, Galgen, von [irrelevantes Material - Zeichen fehlt], tolo, aufhenken. Seit
dem Dreißigjährigen Kriege kommt Mann jedoch häufiger vor,
z. B.: Erdmann, Topf; Dickmann, Ei; Feldmann, Pflug;
Obermann, Hut; Paßmann für Schärfenspieler; vgl. das
Wörterbuch des Andreas Hempel und Th. II, S. 322. Die Com-
position ist übrigens keineswegs selten und obsolet geworden. Sie
ist sogar hier und da volksthümlich geworden und kommt häufig
als Personen- und Familienname vor 1), z. B.: Hausmann,
Erdmann, Strohmann, Feldmann, Hinkelmann, See-
mann,
sogar auch in Verbindung mit Vornamen, z. B.: Heinz-
mann, Heinzelmann, Kunzmann, Petermann
u. s. w.,
wie man ja auch besonders in Norddeutschland in scherzendem,
kosendem Tone vielfach die Endung Mann an Vornamen hängt,
wie z. B. Heinzmann für Heinrich; Ademann für Adolf;
Karlemann für Karl; und sogar diminutiv umlautend Hans-
männe
für Hans u. s. w.

Eine andere Composition hat der Dreißigjährige Krieg aus
dem romanischen Sprachgebiet in die deutsche Gaunersprache ge-

1) Oft aber auch wird im Volksmunde ein bestimmter Personenname zur
Bezeichnung eines Amts gebraucht, namentlich wenn letzteres längere Zeit hin-
durch von einem und demselben Geschlecht ausgeübt wurde. So z. B. kommt
in ulmer Verordnungen von 1506, 1508 und 1541 der Name Murr als Ge-
richtsdiener, Ausrufer von polizeilichen Verordnungen vor; diese Bezeichnung
stammt aber vom Gerichtsknecht Theis Murr (1506) her. Ebenso nennt das
Volk in Ulm schon über hundert Jahre den Scharfrichter Hartmann. So
figurirt auch im augsburger Stadtbuche Sulzer als Gefängnißwärter. Vgl.
Schmid, a. a. O., S. 395.

Gaunerſprache mit faxar ganz in die alte Bedeutung des Fetzen
eingreift. Somit käme dem Fetzer weſentlich doch wol die alte Be-
deutung des Arbeiters, Verfertigers und Darſtellers einer Sache zu.

Eine gleich alte Compoſition iſt die mit Mann. Vom An-
fang an hat dies ſubſtantiviſche Mann in der Gaunerſprache zur
frivolen Perſonification eines urſprünglichen Sachbegriffs gedient.
Jm Liber Vagatorum iſt es nur durch zwei Compoſitionen ver-
treten, nämlich durch „Butzelmann, zagel“ von Butz, Larve,
Maske, Poſſe, alſo frivol Spaßmacher, verlarvter Poſſenmacher;
und durch Dolmann, Galgen, von [irrelevantes Material – Zeichen fehlt], tolo, aufhenken. Seit
dem Dreißigjährigen Kriege kommt Mann jedoch häufiger vor,
z. B.: Erdmann, Topf; Dickmann, Ei; Feldmann, Pflug;
Obermann, Hut; Paßmann für Schärfenſpieler; vgl. das
Wörterbuch des Andreas Hempel und Th. II, S. 322. Die Com-
poſition iſt übrigens keineswegs ſelten und obſolet geworden. Sie
iſt ſogar hier und da volksthümlich geworden und kommt häufig
als Perſonen- und Familienname vor 1), z. B.: Hausmann,
Erdmann, Strohmann, Feldmann, Hinkelmann, See-
mann,
ſogar auch in Verbindung mit Vornamen, z. B.: Heinz-
mann, Heinzelmann, Kunzmann, Petermann
u. ſ. w.,
wie man ja auch beſonders in Norddeutſchland in ſcherzendem,
koſendem Tone vielfach die Endung Mann an Vornamen hängt,
wie z. B. Heinzmann für Heinrich; Ademann für Adolf;
Karlemann für Karl; und ſogar diminutiv umlautend Hans-
männe
für Hans u. ſ. w.

Eine andere Compoſition hat der Dreißigjährige Krieg aus
dem romaniſchen Sprachgebiet in die deutſche Gaunerſprache ge-

1) Oft aber auch wird im Volksmunde ein beſtimmter Perſonenname zur
Bezeichnung eines Amts gebraucht, namentlich wenn letzteres längere Zeit hin-
durch von einem und demſelben Geſchlecht ausgeübt wurde. So z. B. kommt
in ulmer Verordnungen von 1506, 1508 und 1541 der Name Murr als Ge-
richtsdiener, Ausrufer von polizeilichen Verordnungen vor; dieſe Bezeichnung
ſtammt aber vom Gerichtsknecht Theis Murr (1506) her. Ebenſo nennt das
Volk in Ulm ſchon über hundert Jahre den Scharfrichter Hartmann. So
figurirt auch im augsburger Stadtbuche Sulzer als Gefängnißwärter. Vgl.
Schmid, a. a. O., S. 395.
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[287/0299] Gaunerſprache mit faxar ganz in die alte Bedeutung des Fetzen eingreift. Somit käme dem Fetzer weſentlich doch wol die alte Be- deutung des Arbeiters, Verfertigers und Darſtellers einer Sache zu. Eine gleich alte Compoſition iſt die mit Mann. Vom An- fang an hat dies ſubſtantiviſche Mann in der Gaunerſprache zur frivolen Perſonification eines urſprünglichen Sachbegriffs gedient. Jm Liber Vagatorum iſt es nur durch zwei Compoſitionen ver- treten, nämlich durch „Butzelmann, zagel“ von Butz, Larve, Maske, Poſſe, alſo frivol Spaßmacher, verlarvter Poſſenmacher; und durch Dolmann, Galgen, von _ , tolo, aufhenken. Seit dem Dreißigjährigen Kriege kommt Mann jedoch häufiger vor, z. B.: Erdmann, Topf; Dickmann, Ei; Feldmann, Pflug; Obermann, Hut; Paßmann für Schärfenſpieler; vgl. das Wörterbuch des Andreas Hempel und Th. II, S. 322. Die Com- poſition iſt übrigens keineswegs ſelten und obſolet geworden. Sie iſt ſogar hier und da volksthümlich geworden und kommt häufig als Perſonen- und Familienname vor 1), z. B.: Hausmann, Erdmann, Strohmann, Feldmann, Hinkelmann, See- mann, ſogar auch in Verbindung mit Vornamen, z. B.: Heinz- mann, Heinzelmann, Kunzmann, Petermann u. ſ. w., wie man ja auch beſonders in Norddeutſchland in ſcherzendem, koſendem Tone vielfach die Endung Mann an Vornamen hängt, wie z. B. Heinzmann für Heinrich; Ademann für Adolf; Karlemann für Karl; und ſogar diminutiv umlautend Hans- männe für Hans u. ſ. w. Eine andere Compoſition hat der Dreißigjährige Krieg aus dem romaniſchen Sprachgebiet in die deutſche Gaunerſprache ge- 1) Oft aber auch wird im Volksmunde ein beſtimmter Perſonenname zur Bezeichnung eines Amts gebraucht, namentlich wenn letzteres längere Zeit hin- durch von einem und demſelben Geſchlecht ausgeübt wurde. So z. B. kommt in ulmer Verordnungen von 1506, 1508 und 1541 der Name Murr als Ge- richtsdiener, Ausrufer von polizeilichen Verordnungen vor; dieſe Bezeichnung ſtammt aber vom Gerichtsknecht Theis Murr (1506) her. Ebenſo nennt das Volk in Ulm ſchon über hundert Jahre den Scharfrichter Hartmann. So figurirt auch im augsburger Stadtbuche Sulzer als Gefängnißwärter. Vgl. Schmid, a. a. O., S. 395.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/299>, abgerufen am 29.04.2024.